VGCenturio

Centurio!

Bis spät in den Abend hatte sich Donewald Klippstein in der Kammer aufgehalten. Noch hatte er nichts verändern wollen. Immer wollten alle sofort alles anfassen und irgendwo hintragen. Donewald wollte genau das nicht. Oft war der Zustand der Fundstücke fragil, dabei wäre der Verlust eines Stückes fatal. Lieber ließ er sich Zeit, war sich dafür aber auch möglichst sicher nichts zu zerstören. Noch immer war der Gelehrte deshalb damit beschäftigt, alles im Raum gründlich zu vermessen und möglichst detailgetreue Skizzen anzufertigen, auch um möglicherweise eine Replik fertigen zu können. An diesem Abend hatte er sich intensiv mit der Standarte beschäftigt. Für sich bereits ein Kunstwerk.
Unvermittelt schreckte er aus seinem Schlaf hoch. Irritiert blickte er sich um und versuchte einzuordnen, was er sah. Träumte er oder war er wach? Nicht immer war es ihm möglich, dies so genau zu sagen. Plötzlich aufkommender Lärm und Rufe vom Hof klärten die Situation jedoch auf. Sogleich eilte der Gelehrte zur Tür, um ja nichts vom Geschehen zu verpassen. Ein Mann in einer ungewöhnlichen Rüstung rannte atemlos über den Hof auf das Haupthaus zu, als er näher kam rief er: „Centurio! Centurio!“ ‚Eindeutig, einer meiner Träume!‘ beschloss Donewald sogleich.
Vor der Tür noch nach Atem ringend öffnete sich diese bereits und ein bulliger Hüne trat heraus. Der Soldat nahm sofort Haltung an, wobei der Unterschied zwischen den beiden Männern hätte kaum größer ausfallen können. Während der noch immer nach Luft schnappende Mann eine einfache Rüstung trug, schmückte den Helm des anderen eine mächtige Brünne. Sogleich wurde eine Depesche überreicht, die der Vorgesetzte öffnete und las.
Mit dröhnender Stimme rief der Centurio in Gebäude hinein. „Von Gisbinga, lasst die Männer zum Arbeitseinsatz antreten!“ Fasziniert beobachtete der Klippsteiner, wie ein großer, kräftiger Mann das Haupthaus verließ und Befehle erteilte. Es folgte mannigfaltiges Fußgetrappel, Scheppern und Lärmen. Aus den Gebäuden strömten die Soldaten, sammelten ihre Ausrüstung zusammen und bezogen Aufstellung auf den Hof. Das Treiben dauerte vielleicht ein halbes Stundenglas an, dann kehrte Ruhe ein. In voller Rüstung und mit wallenden Umhang trat der Centurio vor die versammelten Soldaten.
„Optio Bericht!“ forderte der Centurio barsch ein.
„Die Männer sind angetreten und einsatzbereit, Herr!“ Gab Optio Gisbinga kund. „Wie lauten die Befehle?“
„Aufräumarbeiten und jetzt Abmarsch, ihr faulen Ärsche!!!“ Die einzelnen Abteilungen losschickend, marschierten die Soldaten los. Während Centurio und Optio noch verweilten und sich über die Lage vor den Toren der Stadt unterhielten. „Die Flut geht endlich zurück, der Depesche zufolge ist die Stadt jedoch glimpflich davongekommen. Ersten Berichten nach sollen in Vadocia, Albenhus und Havena ganze Gebäude, Brücken und Mauern fortgespült worden sein.“ berichtete der Vorgesetzte nun wesentlich freundlicher von der aktuellen Lage und Donewald Klippstein lauschte mit spitzen Ohren, waren dies doch Hinweise die ihm womöglich helfen könnten diese Begebenheit zu datieren.

***

Als er am nächsten Morgen erwachte, machte sich Donewald Klippstein sogleich daran, alles niederzuschreiben, an das er sich aus seinem Traum erinnern konnte. Nach dem Frühstück machte sich der Gelehrte an die Arbeit. Er würde Recherche betreiben müssen, für die Datierung blieben ihm jedoch nur wenige Anhaltspunkte. Ein Hochwasser, verheerend für Havena, Albenhus und Vadocia, wobei Jelenvinia glimpflich davon kam. Sowie ein Optio Gisbinga, was darauf hindeutete das sich die Begebenheiten vor dem Fall Bosparans zugetragen haben müssen.

Es war alles andere als leicht gewesen, mit diesen wenigen Informationen etwas herauszubekommen. Tatsächlich schätzte er sich bereits glücklich als er halbwegs mit Sicherheit sagen konnte, dass er Erlebnisse seines Traumes sich vermutlich 13 Götterläufe vor dem Fall Bosparans zugetragen hatten. Über den Optio hatte er hingegen fast nichts herausfinden können. Die Aufzeichnungen zur Familie waren vor langem verbrannt und nur durch Zufall war überhaupt noch die Existenz des Geschlechts dokumentiert. Nordgratenfelser Hochadel, doch damit hatte es sich auch bereits erschöpft.

-- Main.VonRichtwald - 17 Mar 2020