TvN05 Feierliche Eröffnung

Feierliche Eröffnung der Wettkämpfe (22. Ingerimm 1045)

Mit lautem Knallen von weit über dem Marktplatz, kündete sich die Eröffnung des Turnieres an. Alle Köpfe, sowohl von Menschen, wie auch von Zwergen ruckten in Richtung des Widder-Tores empor, zu dessen Seiten die Geschützkammern Senaloschs tief im Berg verborgen lagen. Die dicken Metallplatten, welche die gewaltigen Schießscharten der Torsionsgeschütze im Normalfall abdeckten, waren geöffnet worden. Jubel brandete auf. Die Einwohner der Stadt waren mit Recht stolz auf ihre Wehrhaftigkeit.
Auf dem Sockel des Tempels am Rande des Marktplatzes erhoben sich drei Angroschim. In der Mitte der Bergkönig - oberster Richer Isnatoschs, zu seiner Rechten Graf Ghambir, zu seiner Linken der Vogt von Nilsitz, der Urenkel Fargols.
Beschwichtigend hob der Sohn des Fanderam, gehüllt in einen prächtigen Mantel und der im Lichte des Praiosmal funkelnden Krone des Bergkönigreiches, beide Arme und die Soldaten des Eisenwalder Garderegimentes, welche in voller stärke um den Turnierplatz aufstellung genommen hatten - fünfhundert Köpfe stark, traten einmal auf der Stelle, ließen ihre Stiefel knallen, um ihrem Ehrenoberst respekt zu erweisen und um Ruhe einkehren zu lassen.
“Kinder Isnatoschs, liebe Einwohner und Gäste Senaloschs”, ergriff der Rogmarog mit tiefer und weit tragender Stimme dann feierlich das Wort, als sich Stille über den Platz gelegt hatte. “Ich habe meinen Urenkel belächelt, als er kurz nach der großen Jagd in Nilsitz zu mir kam und in schönen Worten von einem Turnier sprach, welches er gerne austragen wollen würde - hier, an der Peripherie des Zentrums unserer Heimat. Doch heute stehe ich hier vor euch und muss ein weiteres Mal einsehen, dass er trotz seiner Flausen und all dem neumodischen Kram, der ihm durch seinen klugen Kopf geistern, die Beharrlichkeit und den Durchsetzungswillen eines echten Mitgliedes der Faxarsch-Sippe besitzt. Ja, heute habe ich keinen Zweifel mehr daran, dass das Turnier ein bedeutendes Ereignis werden wird, wie es auch schon die Jagd eines war.
Kinder Isnatoschs, liebe Einwohner und Gäste, seid willkommen in Senalosch und feiert mit uns die Tage des Allvaters mit diesem Turnier.”
Mit diesen letzten Worten ertönte ein einzelner Hornstoß, den der Oberst der Eisenwalder höchstselbst von hinter den drei bedeutenden Angroschim tat. Die Antwort, die auf dem Fuße folgte, ließ die Luft in den Lungen aller Versammelten vibrieren. Die großen, mehrere dutzend Schritt langen Warnhörner der Stadt, dampfbetrieben mit riesigen Blasebälgen ertönten und gleizeitig zuckten viele der Fremden auf und um den Marktplatz zusammen, als hoch über ihren Köpfen gewaltige Steinkugeln ihren Weg vor die Ringmauer antraten und Schatten über den Boden rasen ließen.
Ein tiefes Donnergrollen erscholl, als acht der großen Projektile weit draußen vor der Stadt aufschlugen und sich mit gewaltiger Zerstörungswut über die Ebene walzten. Erneut brannte Jubel auf, als das tiefe Grollen und dessen Widerhall, welcher durch die umliegenden Berge erzeugt wurde, sich gelegt hatte.
Der nächste, der das Wort ergriff, als nach einiger Zeit wieder Ruhe eingekehrt war, war der Graf des Isenhag.
“Seid mir gegrüßt Kinder Angroschs und ihr Menschen. Willkommen im Isenhag.”
Ghambir wirkte entrückt, ja fast ein wenig teilnahmslos, was sich auch in seiner Stimme niederschlug. Immerhin aber sprach er selbst und hatte dies nicht dem Sohn des Andorosch, seinem Haushofmeister überlassen, der wie auch die Prinzen des Isenhag und seine Tochter hinter ihm saßen.
“Lasst uns den Weltenschöpfer ehren. Wir wünschen uns friedvolle Tage und ein Turnier, welches von Tugenden bestimmt wird, die sowohl den Angroschim, wie auch den Menschen bedeutsam sind.” Nach diesen, eher knappen und nüchternen Worten im Gegensatz zu denen des Bergkönigs, setzte sich der Graf wieder und blickte zum Vogt hinüber, der sogleich bestätigend nickte und einen kleinen, symbolischen Schritt nach vorne tat.
“Werte Gäste, Brüder und Schwestern, Einwohner dieser, unseren, schönen Stadt.
Es ist ein weiterer Traum, der heute für mich in Erfüllung geht.
Ja”, liebevoll blickte Borindarax zum Rogmarog, seinem Urgroßvater, “ich habe viele Flausen im Kopf, das gebe ich gern zu.” Der Vogt lachte gelöst auf, bevor er fortfuhr.
“Aber dies”, sprach Borax weiter und streckte währenddessen die Arme in Richtung des Platzes aus, “ist keine davon!
Hier werden wir die kommenden Tage Angrosch und Rondra ehren, ebenso wie ihren gemeinsamen Sohn.
Ja, dieses Turnier ist etwas Neues. So etwas gab es noch nicht während der Festlichkeiten des Ingerimm-Mondes und nein, auch zu keinem anderen Zeitpunkt. Dennoch werdet ihr hoffentlich erkennen, dass das friedvolle Zusammenkommen von Angroschim und Menschen zur Erprobung der rondrianischen Tugenden etwas Positives ist, denn im Kampf gegen die Feinde des Friedens und unserer Lebensweise sind wir vereint. Auch ich werde mich dieser Tatsache stellen und an den Wettkämpfen teilnehmen.”
Kurz ging ein Raunen durch die Menge und Graf und Rogmarog sahen den jungen Angroscho leicht irritiert an. Dieser jedoch ignorierte die Blicke und fügte selbstironisch an: “Auch wenn mir der Oberst nachdrücklich davon abgeraten hat und meinte, ‘irgendjemand würde mir gehörig den Arsch versohlen.’” Ein Zitat, welches lautes Gelächter unter den Zuschauern einbrachte und den Oberst amüsiert den Kopf schütteln ließ, Borindarax aber gut gelaunt hinnahm. Er wusste, wie er Zwerge und Menschen für sich gewann. Er hatte gelernt.
“Darum fordere ich einen jeden von euch auf:
Respektiert einander wie Brüder und Schwestern.
Ehrt die Sitten und Bräuche des anderen, egal ob Angroschim oder Mensch.
Redet miteinander und überwindet die Schranken vermeintlicher Vorurteile.
Seid eins im Geiste des Turniers der Verständigung.”
Feierlich ließ er sich einen langstieligen, runenverzierten Hammer reichen, offenkundig ein Zeremoniengegenstand. Er nahm ihn in beide Hände und stieß ihn mit dem Griffstück zwei mal auf den Boden zu seinen Füßen. Dann rief er:
“Das Turnier von Senalosch sei hiermit feierlich eröffnet.”

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