TvN01 Senalosch die Wehrhfte

Senalosch, die Wehrhafte

Alle Besucher von Senalosch, die nicht durch das schier unendlich weit ausgedehnte Tunnel- und Stollennetz Isnatoschs in dessen Hauptstadt reisen, müssen den beschwerlichen Weg auf und über das Hochplateau des Isenhag auf sich nehmen, so auch alle menschlichen Besucher des anstehenden Turniers.
Trutzig und wehrhaft zeigt sich die Zwergenstadt dann, wenn man ihrer schließlich ansichtig wird. Zwischen die mächtigen, hoch aufragenden Bergflanken des in der Sonne rot schimmernden Eisenwaldes gebaut, wird sie von einer hohen Ringmauer geschützt, durch die nur ein Weg hinein führt, welcher durch zwei Wehrtürme flankierte wird - das Isenhager Tor.
Bereits von außerhalb der Stadt kann man einige, wenige Details erkennen, wie den in Terrassen in den Berg gehauenen Stadtteil Isarnon, als auch das sich dort am höchsten Punkt befindende Widder-Tor, welches in den Berg hinein führt und den eigentlichen Eingang von Isnatosch- dem Bergkönigreich Eisenwald darstellt.
Rechts und links des Widder-Tores erahnt man darüber hinaus dicke Metallplatten im Fels des Berges, dort wo angeblich die schweren Torsionsgeschütze ‘der letzten Festung’ lauern, die in der Lage seien sollen über die oberirdischen Stadtteile hinweg alles in Schutt und Asche zu legen, was sich in der Ebene vor der Rintgmauer befindet. Gelagert werden darf vor Senalosch jedenfalls nicht, auch wenn der vor der Mauser liegende Bereich großzügig gerodet ist. Die Fläche rechts und links des Weges zum Stadttor erinnert aber auch mehr an eine Kraterlandschaft, denn an eine Gebirgsalm, die sie eigentlich sein könnte. Noch frisch sind die Einschlaglöcher und breite Furchen, um eine durch viele Kinderhände bunt bemalte Steinformation, die jedes Jahr das Ziel des Isenhager Donnergrollens ist, haben sie verunstaltet.
Besucher der Stadt, die das Isenhager-Tor, mit seinen zwei Flügeln aus massiver Steineiche, und den zwei durch leichte Rotzen gesicherte Türme, durchqueren, marschieren, rollen oder reiten zunächst über in Schienen geführte dicke, rostige Eisenplatten, unter denen sich offensichtlich ein großer Hohlraum befindet- ein kleiner Vorgeschmack darauf nur, welchen Aufwand die Angroschim betreiben, um ihre Stadt zu sichern.
Innerhalb der Ringmauer befindet man sich dann zunächst im Stadtteil Dunkelweg mit seinen großen Lagerhallen und dem durch Kohlenstaub schwarz gefärbten Kopfsteinpflaster, welches wohl namensgebend ist. Hier werden Rohstoffe wie Kohle und Erze, aber auch Handwerksprodukte gelagert, bis sie die Reise bis zu ihrem Bestimmungsort antreten.
Zur linken Flanke des Berges hin liegt Felsenruh mit seinen vielen schmucken Wohnhäusern und dem mehrere Schritt hohen Granitmenhir, der auf einem zentral gelegenen Platz steht und dessen Herkunft im Dunkeln liegt. Nach Aussage der Angroschim steht er seit ‘Zwergengedenken’.
Zwischen diesen Stadtteilen und dem Anstieg zum Widder-Tor hin, befindet sich das große Handwerksviertel, in denen das gehämmere der unzähligen Schmieden niemals abreißt und in denen sich auch der große Marktplatz mit dem daran angrenzenden Ingerimm- und Angroschtempel befindet. Simiaheim, so wie dieser Teil Senaloschs genannt wird, war einst eine kleine menschliche Ansiedlung. Heute, nach dem steten Wachstum der Hauptstadt Isnatoschs und der irgendwann daraus erwachsenden Sinnhaftigkeit, die Siedlung als Handelsplatz zu annektieren, ist sie nur noch ein kleiner, wenn auch selbstverständlich bedeutender Teil der Stadt.
Isarnon schließlich ist der in die ansteigende Bergflanke des Eisenwaldes gehauene und sich bis hinauf zum Widdertor erstreckende Teil Senaloschs. Seltsam für das menschliche Auge muten die auf vielen Felsterrassen, scheinbar schräg aus dem Berg hinauswachsenden Gebäude an. Hier wohnen die Sippenoberhäupter, die reichen Schmieden- und Gießereibesitzer. Dort befinden sich die Hallen der Zünfte, ebenso wie das Haus des Vogtes von Nilsitz - ganz oben, unweit des Tores nach Isnatosch.
Das gesamte Bild innerhalb der Ortschaft ist geprägt von ordentlichen und robust wirkenden Steinbauten und gepflasterten Wegen und Plätzen.
Die Häuser besitzen zumeist ein Obergeschoss, vereinzelt sieht man auch zwei, die in der Regel aus Fachwerk gefertigt sind.
Die Gebäude sind zum Teil mit viel Platz zueinander gebaut und es gibt auch noch freie Flächen innerhalb der Ringmauer, was darauf schließen lässt, dass man Senalosch weiteren Raum zum wachsen lassen möchte und langfristig plant.
Auffällig ist, dass, soweit man es sehen kann, in den oberirdischen Stadtteilen von Senalosch ebenso viele Zwerge wie Menschen leben und das Miteinander ganz selbstverständlich zu sein scheint. Von den Stadtteilen im Berg spricht man an der Oberfläche nur respektvoll als Eisenhalle, die jedoch einzig den Angroschim vorbehalten ist. Menschen werden am Widder-Tor stets brüsk und mit entsprechendem Nachdruck abgewiesen.
Besondere Sehenswürdigkeiten der Stadt sind der bereits erwähnte, kolossale Menhir im Zentrum von Felsenruh, der unterirdische Kor-Tempel - der Hort der Bestie der immerwährenden Dunkelheit mit seinem Kriegerdenkmal, welcher Metallplaketten mit den Namen aller Angroschim beinhaltet, welche auf dem Haffax-Feldzug gefallen sind und natürlich der innerhalb der Kirchen des Ingerimm und Angrosch bedeutende Tempel der Schätze des Allvaters, einem der Zentren beider Kulte auf dem Kontinent.
Sehenswürdigkeiten anderer Art hingegen sind die Lorenbahnen, welche vom Fuß des Berges, rechts und links des Tempels am Marktplatz bis zum Widder-Tor, parallel zu den Treppenstufen hinaufführt. Schienen, Ketten und die versteckt im Berg liegenden Schächte mit den dort hängenden Konter- und Gegengewichte, welche die Loren wie von Geisterhand hinauf und hinab fahren lassen, geben einen kleinen Eindruck von den mechanischen Brillanz, mit der die Angroschim sich das Leben am und wohl im Berg erleichtern.

Nordmarken Barsch2.png

Gut gerüstet und gewappnet kam eine kleine Delegation aus Kyndoch in die Stadt geritten. Drei der Gerüsteten waren zuletzt vor einigen Götterläufen zur Jagd von Nilsitz in die entlegenen Bergregion gereist. Für das Ranghöchste Mitglied der Gruppe aber, lag die letzte Reise in die Region noch zwei Götterläufe länger zurück - wobei er damals jedoch auf der anderen Seite des Großen Flusses gewesen war. Interessiert nahm Liafwin von Fadersberg die so gänzlich andere Umgebung, als seine Heimat Kyndoch es war, wahr. Diese Lande waren unwirklich, rau und vor allem sehr spärlich besiedelt. Als der Herzog ihn damals an den Hof von Graf Ghambir geschickt und dieser ihn gleich dort behalten hatte, hatte er die Welt der Zwerge kennen gelernt. Dennoch unterschieden sich der Hof des Zwergengrafen und diese Zwergenstadt spürbar.
Vor dem jungen Baron ritt eine kleine persönliche Garde, während Landjunker Otgar von Salmfang an seiner Seite ritt und dessen neue junge Knappin aus dem Hause Zweigensang und zwei Hainritter die Nachhut bildeten. Otgar war es gewesen, der zur Großen Jagd angereist war, ebenso wie seine beiden Begleiter, Siegrond und Hlûthard vom Kleinen Hain.

Wie schon damals, zur Großen Jagd hatte sich Segil, Sohn des Sortosch, erneut auf den langen und beschwerlichen Weg in den Isenhag gemacht. Er und seine Sippen waren eigentlich in Vairningen zu Hause und fühlten sich dort sehr wohl, von Zeit zu Zeit wurden allerdings Reisen zu anderen Sippen notwendig und jetzt war es anscheinend mal wieder soweit.

Isotta hatte sich den mühseligen Weg auf das Hochplateau hinauf gekämpft. Tatsächlich war sie das erste Mal in diesem Teil des Isenhages, und dass obwohl sie im Isenhag geboren und aufgewachsen war und sich sehr mit ihrer Heimat verbunden fühlte. Ihre Dienstherrin hatte ihr zwei Monde frei gegeben, damit sie sich verschiedenen ritterlichen Aufgaben widmen konnte. Sie war zuvor in Hlûtharswacht gewesen und beabsichtigte im Anschluss wieder den Weg zurück, jedoch nach Orgilsheim zu reisen. Der Orgilsbund - bei dem sie eine Anwartschaft anstrebte - lud dort zu einem Einsatz die Gruftasseln am Grabe des Heiligen Orgils zu entfernen. Doch jetzt war sie erst einmal hier. In Nilsitz. Zwerge hatten sie immer schon fasziniert. Im heimatlichen Breewald gab es nur sehr wenige, eine Handvoll. Bekannt war dort der Schmied Xallinosch in den Grimbergen sowie sein Sohn Xobbel, der ein Krieger aus rxozim war, im Kosch ausgebildet. Sie hatte gehört, dass auch er bei diesem Tunier dabei sein würde, mit seiner Dienstherrin, der Ritterin Ira von Plötzbogen, reisend. Sie war schon gespannt, wie er sich schlagen würde. Dann gab es noch einen Hügelzwerg in Breewald, Mîm, der eine Wassermühle betrieb und eine seltsame Katze hatte. Seit ein paar Jahren lebte auch der zwergische Baumeister Palladiosch Sohn des Vitrufax in Breewald. Er hatte den neuen Rahjatempel in Eisenstein gebaut und errichtete nun im Schatten der Scheuburg eine Landvilla, in die er selbst ziehen wollte.
Isotta hatte für die Reise ihre Ausrüstung überwiegend auf eines der beiden Ponies geladen. Auf dem anderen Pony saß ihre Pagin Aiobhe. Sie selbst saß in luftiger Kleidung auf ihrem Schlachtroß - den Temperaturen des Frühjahrs angemessen. Sie freute sich schon auf das, was sie hier in Senalosch erwartete, schaute sich alles mit großem Interesse an. Die von Zwergen und Menschen gemeinsam geprägte Kultur interessierte sie sehr. Mal schauen, was diese Tage bringen würden, dachte sie.

Es war nicht das erste Mal, dass Borix begleitet von seinen Söhnen Bengurr und Baschtasch die Stadt betraten die so kurze Zeit ihre Heimat war, bevor sie nach Ishna Mur gezogen waren. Damals war der Weg zwischen Ishna Mur und Senalosch nur über die schmalen Bergpfade am Rand des Eisenwaldes entlang möglich.
Heute hingegen waren sie durch die wieder errichtete Lorenbahn unter der Oberfläche Deres angereist. Eine sehr bequeme und vor allem von den Unbilden des Wetters unabhängige Art zu reisen. Und jetzt standen die drei im Widder-Tor und mussten die Augen wegen dem strahlenden Praiosmahl zusammenkneifen, dass ihnen hier entgegen lächelte. Sie würden die Zeit bis zum Beginn des Turniers nutzen, um sich in ihrem alten Haus in Felsenruh mit Borix und Boram zu treffen und gemeinsam ein Wiedersehen zu feiern.
Boram, der Schmied, hatte das Haus in Felsenruh nach dem Umzug seiner Eltern und Brüder weiter bewohnt und Borix, der Jüngere, zog, nachdem er zum Hauptmann des 2. Banners ernannt und damit nach Senalosch versetzt worden war, das weitläufige Haus der tristen Offiziersstube in der Kaserne vor.

Da es Barox sich nicht hatte nehmen lassen durch die halben Nordmarken zum Hlûtharsturnier zu reisen, war es für ihn auch ebenso klar, dass er auf dem Rückweg noch Halt bei seinem Freund Borindarax machen musste und hier bei doch den Angroscho geeigneteren Spielen teilzunehmen.
So rappelte der Streitwagen des Vogtes, gefolgt von seinen beiden Adoptivsöhnen auf Zwergenponys, durch das Isenhagener-Tor den Berg hinauf zum Haus der Vögte. Sollten sich doch die Kurzlebigen in den Gasthäusern vergnügen, er wusste wo es das beste Bier und Topaxandrinas Essen gab.

Gera hatte ihren Vetter - oder wie es sich jetzt wohl als sicher herausstellte, ihren Bruder - Godobald nach vielen Jahren ausgerechnet auf dem Weg nach Senalosch wiedergetroffen und so hatten sich die beiden eine Menge zu erzählen und so bemerkten sie beinahe gar nicht, dass sie schon vor dem Tor Senaloschs angekommen waren. Auf Raboschsalm waren sie schon seit ihrer Kindheit immer wieder mit den Angroschim zusammengekommen und beide beherrschten Rogolan auch soweit, dass sie sich in der Stadt auch ohne Probleme bewegen konnten.
Ihre Frage daher in der Sprache der Zwerge an die Torwachen gerichtet, wo man in der Stadt den eine Unterkunft bekommen können, wurde mit einem freundlichen Brummen und der Empfehlung einer kleinen, ruhigen und sauberen Pension einer älteren Angroschna in Simiaheim, die ein paar Zimmer an Gäste vermietet, beantwortet.

Den ganzen Weg aus Hlutharswacht kommend hatte die Reisegruppe um die Vögtin von Oberrodasch nur Rogolan gesprochen. Vorwiegend für den jungen Hartsteen, damit sich dieser noch etwas an seinen eigenen Fähigkeiten üben könne. Während Utsinde keine Schwierigkeiten besaß, die Zunge der Angroschim zu sprechen, kam ihr Knappe Brinjan recht schnell an seine Grenzen, und auch ihr Dienstritter Ronan hatte hin und wieder Mühe, dem jungen Mann zu übersetzen. Nicht, dass dies Utsinde dazu verleitet hätte, damit aufzuhören, nein, sie trieb dieses Spiel so lange weiter, bis alle vor dem Stadttor standen.
„Nun, ich denke, es ist des reinen Rogolan Genüge getan.“ ging die Vögtin von Oberrodasch endlich wieder in eine Sprache über, die jeder verstand. „Brinjan, ich hoffe, dass etwas davon an deinen Backen kleben blieb, wenn wir jetzt einige Freunde besuchen gehen, bei denen du gleich unter Beweis stellen kannst, wie groß diese Brocken sind.“
„Ja, Frau Utsinde - ich meine: ‚da‘.“
„Und Ronan, du grinst nicht so unverschämt, denn für dich gilt dasselbe.“
„Aber Frau Utsinde, meint Ihr nicht, Ihr habt uns genug gequält? Wir sind doch fürs Turnier hier und nicht der Diplomatie wegen.“ versuchte der großgewachsene Ritter von Hetzenberg seinem jungen Schützling aus der Seele zu sprechen.
„Ach, nicht?“ fragte die Vögtin mit hochgezogenen Brauen, dann drückte sie ihre Schenkel an den Körper ihres Reittiers und ritt mit einem Schmunzeln voraus, durch das Stadttor.

Nordmarken Barsch.png