Tsa Wiese1

Konzertplatz auf der Tsawiese

Mittig unter den steinernen Stufen erreichte man eine große, grüne Rasenfläche, auf der ein hölzernes Podest aufgestellt worden war. Auf dem Weg dort hinunter verbreitert sich die Treppe am Rand zu hohen, breiten Stufen, die sich seitlich in einem weiten Rundbogen in den Felsen schmiegen. Diener hatten Kissen und leichte Decken auf den Stufen verteilt, denn diese würden später am Nachmittag als Sitzgelegenheit dienen, wenn die Musik erst einmal begonnen hätte.

Der Aufforderung des Barons folgend schritt Lares die Stufen in den Garten hinab. Von der irren Szene noch völlig verwirrt, lief er an dem kleinen Pfad vorbei, der in den Hesindegarten führte und betrat die Konzertwiese. Er beschloss, eine Weile das emsige Treiben auf sich wirken zu lassen, bis weitere Gäste eingetroffen waren und man sich um das ehrbare Gespräch bemühen musste.

Maeve folgte Rozen die Stufen hinab und erhaschte einen Blick auf das kühle Nass zu ihrer Rechten, dass dort hinter behauenen Felsen verschwand: die Erbauer des paradiesischen Gartens hatten hier das Gestein als Sitzstufen geformt, die einer Vielzahl von Gästen bequem Aufenthalt bieten würden.

Gegenwärtig war der perfekte grüne Rasen ebenso wie die Kissenlager auf den Sitzkanten verwaist – mit einer Ausnahme: ein junger Mann in einer schweren schwarzen Samtrobe hielt sich gegen den heißen Schein der Praiosscheibe im Schatten der Felsen. Maeve bedauerte ihn für die ungeschickte Wahl der Kleidung, die nicht lange nach der Praiosstunde unerträglich heiß sein musste.

Es war in der Tat etwas zu heiß in seinem Gewand und er schwitzte. Der Schatten des Felsens bot nur wenig Erleichterung, war er doch nicht lang genug, um die Praiosscheibe in Gänze fernzuhalten. Die Musiker hatten ihn bis dato vollends ignoriert und tatsächlich ging es auch ihm so – in Gedanken versunken, hatte er sich in den Schatten gekauert, den Blicken und der Aufmerksamkeit entzogen.

Der Adlige wirkte düster und verloren, doch vielleicht war dies nur die gleiche Unsicherheit, die auch sie selbst verspürte.

Kurz nickte sie ihm zu und erreichte dann die letzte Stufe vor dem Grün: nur kurz zögerte sie, bückte sich und öffnete die Schlaufen ihrer schlichten roten Wickelsandalen. Rasch schlüpfte sie dann aus den Schuhen, nahm sie in die Hand und trat barfuß auf den Grasteppich. Er kitzelte ihre Fußsohlen und kurz erlaubte sie sich, genussvoll die Augen zu schließen.

Die kurze Geste hatte Lares Aufmerksamkeit erweckt. Überraschend freundlich – aber so kurz angebunden und wenig aufdringlich für eine Rahjani. Ihre Weihe war nicht zu übersehen wie er glaubte, genauso wenig wie die Schönheit, die dieses Mädchen wie eine Monstranz vor sich hertrug, wo sie doch genauso wie er kaum als erwachsen bezeichnet werden konnte. Die Ungezwungenheit des Ablegens der Schuhe hingegen löste bei dem jungen Mersinger nur einen gewissen Neid aus. Sowie die wohlgeformten Füße das Gras berührten, wollte er es ihr gleich tun, doch seine sperrige, übermäßige Kleidung ließ eine solche Freiheit nicht zu – geschweige denn die Grenzen des eigenen Standes.

Als Maeve ihre Sandalen neben ein nahes Kissen auf die unterste Stufe legte und zu Rozen aufschloss, löste sich der Knappe aus seinem wohlgehüteten Schatten und folgte ihr unauffällig in Richtung der unteren Wiese. ---

Kategorie: Briefspielgeschichte

-- Main.CatrinGrunewald - 10 Dec 2018