Treffen der Hainritter I

14. Rondra 1045 BF, Schloss Hainblick

„Wann wohl hat Schloss Hainblick das letzte Mal derart viele Ritter gesehen“, fragte der junge Vizelin, mit leuchten in den Augen, den im Schatten lungernden Jartgar. Beide Burschen waren Stallknechte auf dem Schloss, auch wenn Vinzelin mit seinen 12 Lenzen deutlich unerfahrener war als der fast 15 Götterläufe zählende Jartgar.

„Ich kann mich nicht daran erinnern, wann das gewesen sein sollte.“ Erwiderte der ältere Bursche und erweckte mit seiner altklugen Art fast schon den Eindruck als würde er ausreichen Lebensjahre zählen um weit über die Zeit des aktuellen Junkers hinweg Aussagen treffen zu können.

„Schau doch Jartgar …“ rief Vizelin aufgeregt und deute auf einen stämmigen Ritter der soeben über den Hof schritt. „Das ist Ritter Falkwin von Birkenbruch! Er ist einer der vier ‚Turmritter‘!“ Womit er lediglich den Umstand beschrieb, dass nur vier der Hainritter ein festes Aufgabengebiet hatten.

„Ist dir überhaupt bewusst, wie besonders die Hainritter überhaupt sind?“ Erkundigte sich der ältere Stallknecht neugierig beim Jüngeren. Einem anderen wäre hier bereits klar gewesen, dass er lediglich mit Wissen prahlen wollte, was er irgendwo aufgeschnappt hatte. Vizelin jedoch war noch zu jung und grün hinter den Ohren, um derlei Dinge erkennen zu können.

„Nein, aber wieso denn?“ Fragte er deshalb und bot Jartgar damit genau die Bühne die er gesucht hatte.

„Der Niederadel von Kyndoch, so wie Herr Otgar, kann sich mit Fug und Recht wohlhabend nennen, aber unserem Herr Otgar können die anderen nicht im Entferntesten das Wasser reichen. Der ist so Reich, musst du wissen, dass er mehr Gold hat als die Barone in Nordgratenfels. Und damit das auch immer so bleibt, dafür hat er die Hainritter. Die sorgen dafür das der Herr Baron seine Finger in seinem Säckel lässt.“

„Wirklich?“ fragte Vinzelin mit vor Unglauben weit aufgerissenen Augen. Wie reich der Otgar nun wirklich war, konnte sich der Junge beim besten Willen nicht ausmalen. Ebenso wenig wie er sich vorstellen konnte wie wohl in Nordgratenfels aussah, schließlich hatte er aus Weiden am Hain, den Hauptort des Junkertums, und Schloss Hainblick noch keine anderen Orte kennengelernt. Doch auch wenn er all das nicht wirklich verstand, so war er nur noch stolzer auf die Hainritter die dieser Praiosläufe zu Besuch waren.

„Hab ich die alte Lucasta sagen hören!“ Gab Jartgar seine Quelle preis.

„Sie bedient ja immer die hohen Herrschaften und bekommt deshalb sicher immer alles aus erster Hand mit. Wenn sie das sagt, muss es wohl stimmen!“ Bestätigte Vizelin eilig. „Oh sie nur, Ritter Falkwin unterhält sich mit Ritter Thefwif von Birkenbruch, Frau Rondirai vom Kleinen Hain und Herrn Baldos von Münzberg.“ Sprudelte es dann auch schon aufgeregt aus dem Mund des Burschen. Alle vier waren sie festlich gewandet, trugen aber dennoch ihre Schwerter gegürtet. Ritter Thefwif war mit seinen knapp vierzig Götterläufen der Älteste in der Runde. Eher klein von Wuchs war er sehr muskulös und trug einen dichten Bart. Ritter Baldos hingegen war der Jüngste in der Gruppe, groß, kräftig und mit schulterlangem blondem Haar. Ritter Falkwin hingegen hatte lichtes braunes Haar und hatte deutlich mehr Substanz auf den Hüften. Ganz anders als Rittfrau Rondirai die neben dem Birkenbruch noch magerer Aussah als sie in Wirklichkeit war. „Das sind alle vier ‚Turmritter‘! Was sie wohl zu besprechen haben?“ Seine gehauchte Stimme überschlug sich, unsicher ob seine Neugierde oder seine Begeisterung obsiegen sollte.

Bevor die Unterhaltung jedoch weiter gehen konnte, erschien der Stallmeister und die beiden Burschen sprangen wie von der Maraske gestochen auf. „Lungert hier nicht so herum, macht lieber eure Arbeit und nehmt die Pferde der Gäste in Empfang.“

Zu den bereits angekommenen Rittern, waren nun auch die letzten Mitglieder des Schutzbundes der ostendorfer Lande endlich eingetroffen. Gemeinsam mit seinen Oheimen Siegrond und Rondhelm, ritt Hlûthard vom Kleinen Hain auf den Hof, gefolgt von ihrem Lanzen. Voll Tatendrang und den Kopf voll Tagträumen, im Gefolge eines dieser Ritter große Heldentaten zu vollbringen, eilte Vizelin ihnen entgegen um sich sogleich um die Pferde zu kümmern.