Tiergefährten - Epilog

Epilog

Epilog der Briefspielgeschichte Tiergefährten

Ende gut, alles gut?

Lilienpark, Herzogenfurt, Traviastunde

Der liebliche Duft der Lilien stieg Relindis in die Nase, doch reichte es nicht, sie aus ihrem erholsamen Schlummer zu wecken. Erst das Schnattern einer Gans und das fröhliche Glucksen eines Kindes und das Läuten der Glocke des Traviatempels holten sie wieder in den Tag zurück. Ach, was für ein fantastischer Traum! Dryaden, eine wundersame Welt, regenbogenfarbenes Wasser, eine turbulente Flussüberquerung, eine riesige Ulme … eine verschwundene Elvrun. Ja, Elvrun! Erschrocken riss sie die Augen auf. Kurz war sie geblendet von der Sonne, doch dann erkannte sie, dass sie sanft im Gras am See im Lilienpark lag. Eine Wildgans saß neben ihr und schaute Relindis erwartungsvoll an. Nicht weit von ihr lag Elvrun, die ebenfalls, mit einem Lächeln im Gesicht, die Augen aufschlug. Eine andere Wildgans saß in ihrem Schoß und schnatterte. Das kindliche Glucksen kam von dem kleinen, dunklen Jungen, der in einer orangen Decke gewickelt auf dem Schoß eines Mannes saß. Relindis erkannte ihn als ihren zukünftigen Schwager Amiel von Altenberg. Eine Koschkröte floh vor den neugierigen Griffen des Kindes in den See, während das Krächzen eines Raben sie wieder erinnern ließ.

“Akka?” Es hätte nicht erst deren zustimmenden Schnatterns, gefolgt von einem sanften Zuppeln an Relindis merkwürdigerweise wieder wohlgeordneten Haar bedurft, um der Geweihten Gewissheit zu schenken, dass es genau die war. “Akka!” streichelte sie ihre neue Freundin einige Augenblicke versonnen mit einer Hand. Die Gans genoss die Berührungen sichtlich. Doch allzu lange konnten die beiden ihre vertrauliche Begrüßung nicht auskosten. Die beiden Ringe in ihrer anderen Hand, bereits ganz warm von dieser, taten ihr übriges zu den wiederkehrenden Erinnerungen, insbesondere auch die, dass ja noch eine Hochzeit auf Elvrun wartete, ihre Hochzeit!
Dennoch sprach Relindis, bevor sie ihre baldige Schwägerin aufweckte, zunächst deren Vetter an. “Amiel! Die gütige Mutter sei mit Dir! Wie ich sehe, hast Du Dich bereits mit Tsadoro bekannt gemacht. Er scheint Dich zu mögen…” stellte sie schmunzelnd fest. “Tsadoro! Lässt du die arme Kröte in Frieden?!” ‘Leb wohl, guter Onyx’ sandte sie diesem in Gedanken hinterher, als er im Wasser verschwand. “Wie lange liegen wir denn schon hier?” erkundigte sie sich wieder bei Amiel. “Und sag, wie hast Du uns gefunden?” Insgeheim war sie vor allen Dingen gespannt, ob der junge Altenberger mitbekommen hatte, wie sie hierhergekommen waren. Die Tatsache, dass Amiel so ruhig da saß, ließ zudem ihre Hoffnung wachsen, dass sie noch nicht allzu viel zu spät waren… am Ende vielleicht sogar noch gar nicht zu spät? - selbst wenn sich dies mit ihrem Zeitgefühl so gar nicht in Deckung bringen ließ. “Weißt Du, welche Stunde wir haben?”

Der dunkelhaarige Altenberger lächelte Relindis an. “Es wurde ja Zeit. Dieser Park scheint etwas besonderes an sich zu haben. Nun, wir sind zu spät. Aber immerhin hast du Elvrun gefunden.”, sagte er mit einer Ruhe, die anbetracht der Hochzeit fehl am Platze war. Dann wiegte er den Jungen ein wenig. “Ja, den kleinen Tsadoro hier kenne ich. Ein Waisenkind.” Dann blickte er auf die erwachte Elvrun. Diese gähnte, streckte sich und streichelte instinktiv die Gans in ihrem Schoß. “Ach herrje, ich muss wohl eingeschlafen sein.” Dann musterte sie ihren Vetter mit dem Kind. “Na wen hast du denn da mitgebracht? Ist das nicht der kleine Tsadoro?” sagte sie mit einem Ton, als ob sie nichts von dessen Herkunft wußte. Dann wanderte ihr Blick zu Relindis. “Ich hatte einen seltsamen Traum. Wie spät ist es denn eigentlich?” Ein misstrauischer Blick schlich sich in Amiels braunen Augen. “Nun, es ist… Tsadoro. Und…” dann schaute er hilfesuchend Relindis an. ´Stimmte etwas nicht mit Elvrun? Wieso ist sie so … fröhlich?´, ging es ihm durch den Kopf.

Relindis warf Amiel einen Blick zurück, der einen Augenblick mindestens genauso hilfesuchend war wie seiner. Auf einmal verschwammen Wirklichkeit und Traum, die sie gerade noch zu durchblicken schien, in ihrem Geiste wieder ineinander. War Tsadoro etwa doch nicht… aber nein, diese Augen. Und sein Haar… War es Teil der Heilung Ulmaceaes gewesen, dass sie jegliche Erinnerung Elvruns an ihr Fehlen getilgt hatte … oder hatte Elvrun doch gar nicht… gefehlt... und die Dryade war nur eine Traumgestalt…? “Ich habe auch seltsam geträumt” fing Relindis langsam an. “Aber auch gut… Es muss wirklich an diesem Park liegen…”
Die Ringe in ihrer Hand waren es, die ihrem schwindelnden Geiste abermals Halt gaben. Sie drückte diese kurz fester, und ein Lächeln trat auf ihr Gesicht, als sie gefasster fortfuhr: “Ein erholsamer Schlaf und gute Träume sind oft heilsam für Leib und Seele. Und in manchen Träumen liegen tiefere Wahrheiten. Manchmal sogar Fingerzeige für unser Leben.” Relindis ging vor Amiel und Tsadoro in die Hocke und streichelte dem Jungen sachte über den Schopf. “Ich habe von Tsadoro geträumt.” Dabei drehte die junge Tannenfelserin sich zur Braut ihres Bruders. “Ich sah ihn bei Dir.” Relindis machte eine kurze Pause. “Ich glaube,... der gütigen Mutter würde es gefallen, wenn mit Eurem Bund ein Waisenkind ein neues Zuhause fände…. Könntest Du Dir das vorstellen?”

Der misstrauische Blick Amiels entging ihr nicht und Relindis konnte spüren, dsas er sich zurückhielt. Elvrun lachte fröhlich auf. “Schwesterchen, Adoption ist einer der größten Gesten Travias. Was für eine Frage, natürlich werde ich einem Kind oder zweien eine Familie schenken, die ohne geboren sind. Du etwas nicht? Und wer weiß, wieviel eigene ich mit Nivard haben werde.” Nun war sie aufgestanden und die Wildgans schnatterte aufgeregt, nur um sich dann zu der anderen zu gesellen. “Nun?” griff sie die Worte Amiels wieder auf. Dieser räusperte sich kurz. “Nun, ich habe den Jungen mitgebracht. Er weinte so sehr. Naja, du weißt ja, ich kann gut mit Kindern”, log er. “Und du bist zu spät zu deiner eigenen Hochzeit.”, setzte er dann beiläufig nach. Elvrun schaute plötzlich entsetzt. “Was?! Oh nein, Nivard, das Tempelpaar, die Gäste. Warum habt ihr mich denn nicht geweckt. Oh nein, oh nein! Wie seh ich aus? Wir müssen loss! Komm, Bakka!” Aufgeregt raffte Elvrun ihre Robe, während die Wildgänse den Vormarsch machten. Nun setzte sich auch Amiel auf und unterdrückte sich ein Lachen. “Folgen wir der Braut!” sagte er zu Relindis und dem Knaben.

“Trägst Du den jungen Mann? Ihr könnt ja gut miteinander…” lächelte Relindis Amiel zu und schloss sich dem Zug eilig an. “Am Ende trage ich die Schuld für Deine Verspätung”, raunte sie Elvrun zu. “Ich hätte Dich eigentlich suchen und rechtzeitig mit Dir in den Tempel kommen sollen… stattdessen habe ich mich offensichtlich neben Dir ins Gras gelegt... auf jeden Fall siehst Du bezaubernd aus, auch ohne noch stundenlang in der Ankleide zu stehen. Nivard wird hingerissen sein.” Dessen war sie sich tatsächlich gewiss.
Auf dem Weg warf sie Amiel einen vielsagenden Blick zu. Wie viel wusste er?… Immerhin war er ein enger Vertrauter Elvruns… sie würde die Frage jedenfalls nicht offen ansprechen. Insgeheim betete sie zu Travia, dass ihre Worte der letzte Anstoß gewesen sein mochten, dass Tsadoro in sein neues und zugleich wahres Zuhause fand...

Noch bevor sie den Park verließen, ließ sich Amiel an die Seite Relindis zurückfallen und stellte ihr flüsternd nur eine Frage. “Muss ich wissen, was hier wirklich passiert ist?”

“Das wüsste ich selbst gerne.” flüsterte Relindis - ganz aufrichtig - zurück.
Es schien verschiedene Wahrheiten zu geben. Welche Wahrheit war die wahre? Musste Elvrun ‘die Wahrheit’ über ‘ihr Kind’ wissen? Und Nivard? Und war das, an das sie selbst sich erinnerte, überhaupt ‘die Wahrheit?’ Wenn die Dinge nicht so klar waren, so erschien ihr die sich jetzt darbietende jedenfalls nicht die schlechteste zu sein. Dennoch würde sie noch lange darüber nachzudenken haben.
Doch nicht jetzt, denn ein Zuppeln an ihrem Rocksaum und zwei schwarze Gänseaugen, die sie von unten ansahen, rissen sie aus diesen Gedanken.

Dann erreichten sie das Tor nach draußen.

***

Kaum waren die Menschen mit den Gänsen außer Sichtweite, bewegte sich ein Spinnerich aus seinem Versteck. Auf seinem Rücken trug er ein gefährliches Päckchen: das gefangene Übel! Doch allein war er nicht, denn die Koschkröte Onyx beobachtete ihn vom Ufer des Teiches.

Ohne sich umzuwenden krabbelte Rotlöckchen zu jenem Baum, wo ihn Frenya zuvor abgesetzt hatte. Er würde auf sie warten und sendete dabei seinen Ruf aus, obwohl er wusste, dass seine Gefährtin sowieso kommen würde wann sie das wollte. Die Beute behütete der Spinnerich, so gut es ging. Es war schön nicht mit leeren Beinen zurückzukommen und Frenya würde bestimmt etwas damit anzufangen wissen.

Träge blinzelte die Kröte in das viel zu helle Licht. Endlich fühlte sich der Körper wieder gut und richtig an. Er streckte sein langes Hinterbein, da erblickte Onyx die Spinne. Kurz war er versucht, zu ihr zu hüpfen, aber er liess es bleiben. Das sah nach Ärger aus. Lieber wollte er seiner Herrin später ein paar Vorschläge machen. Sie freute sich stets über seine Vorschläge.

Die glückliche Braut

Am Hofe der Lilienkönigin

Tsalrik hatte die Gruppe schon recht früh verlassen und der Obhut des Wächters Salgar überantwortet. Für den Hof der Lilienkönigin war der junge Ulmentorer nicht zuständig und auch lag dieser viel zu weit entfernt vom Ulmentor, dessen Schutz ihm oblag. Bei all seiner Verspieltheit und unstetem Wesen, war Tsalrik, was seine Aufgabe anging, sehr gewissenhaft.

Seine große Schwester jedoch freute sich auf die bevorstehende Feier. Sie ließ sich kurz vor Ankunft sogar noch kurz entschuldigen um sich neu einzukleiden. In einem Reitrock und Reitstiefeln wollte sie dann doch nicht am Hof der Königin erscheinen. Eine bekannte Eberbiestigerin war dafür die richtige Adresse gewesen und es dauerte nicht lange bis die junge Ulmentorerin in ein hellblau-funkelndes, leichtes Kleid gewandet wieder zurück kam. Ihre dunkelblonden Haare waren hochgesteckt, sie trug Ohrringe aus Eisflockenquarzen und eine schöne silberne Kette. Die Robe hatte einen freien Rücken, der auch den Blick auf ihre, nun satt-grünen Hautbilder freilegte, und einen hohen seitlichen Schlitz, der ihr rechtes Bein bei jedem Schritt entblößte. In diesem Moment zeigte sich recht deutlich, dass Silvagild von Rahja und Rondra gleichermaßen gesegnet war. Ihre Schultern, Arme und Beine waren muskulös - bei jeder Bewegung konnte man das Muskelspiel genau ausmachen - ihr Becken, sowie ihre Oberweite waren weiblich. Ihr breites, aber nicht unhübsches Antlitz hatte die Junkerin mit dezenter Schminke betont. Es war beeindruckend wie schnell sie sich adjustiert hatte, doch bei ihrer Rückkehr lächelte sie ihren Begleiter freundlich an. “Jetzt können wir los.”

Nachdem Hardomar sich von Tsalrik verabschiedet und sich auch bei ihm für das entgegengebrachte Vertrauen bedankt hatte und sich dann für einen kurzen Moment verträumt umschaute, fiel sein Blick plötzlich auf die hinreißende Dame. Erst nach einigen Herzschlägen, als sie sich ihm näherte, wurde ihm bewusst, dass sein Mund wohl offen stand. Er schluckte und sah sie bewundernd an. Dies war bei der Liebholden der schönste Anblick einer Dame, an den er sich erinnern konnte. “Ihr… ihr...”, der junge Hadinger merkte, wie er kurz ins Stottern kam. Obwohl sein Schwertvater Baldos ihm viel über die Hohe und Niedere Minne gelehrt hatte, so schien jetzt sein Geist leergefegt zu sein. Er holte noch einmal Luft und sah sie mit noch immer schwärmerischem Blick an “Ihr... seht aus wie eine Märchenprinzessin!” Ein wenig verlegen lächelte er Silvagild nun strahlend an, bot ihr seinen Arm zum Einhaken an und wünschte sich, dass er sich auch noch ein wenig in Schale werfen könnte.

Die als ´Märchenprinzessin´ bezeichnete junge Frau musste lachen. “Ihr seid ein Süßholzraspler, Hardomar”, meinte sie feixend. “Was wohl Eure Frau dazu sagt?” Das Lächeln auf den Lippen der Ulmentorerin zeigte, dass dieser Hinweis wohl nicht ganz ernst gemeint war. “Lasst uns gehen, der Tanz hat bestimmt schon begonnen.” Silvagild hängte sich beim Arm des Hadingers ein und gemeinsam gingen sie hin zum Fest.

Der lilienprächtige Thronsaal war erfüllt mit Harfenklängen und frohlockenden Gesängen, denn die Königin, besser gesagt das Eber-Biestinger-Paar Davrin und Nurvel, feierten ihren Bund. Die meisten der Gäste waren am Tanzen oder sangen grunzende Sauflieder. Bienen und Vögel umschwärmten den wundersamen Ort, in dessen Mitte drei wunderschöne Weiden-Dryaden saßen und noch immer schwatzten. Die schönste Gestalt von allen, die Lilienkönigin, war ebenfalls in bester Laune und ließ es sich nicht nehmen, sich unter die Tanzenden zu mischen. Ihre Haut schimmerte alabastern und ihre seidigen, blütenweißen Locken wirbelten im Takt. Fast kindlich klatschte die Königin, als die letzten Gäste erschienen: die Hüter mit ihren Tiergefährten. Rosan, die Rosen-Dryade, hatte es sich nicht nehmen lassen, allen ein festliches Gewand zauberhaft zu weben und so waren sie nun von angenehmer Gestalt.

"Seht her, Majestät, wir haben Wort gehalten", während er ihr entgegen schritt, ging ein Zittern durch seinen Körper. Seine Federn strahlten nun wie frisch gefallener Schnee, seine Augen waren klar und funkelten wie Edelsteine. Die Federstoppeln in seinem Gesicht waren verschwunden, ebenso diverse Falten. Sein Rücken schien nun weniger krumm und die Stimme weniger brüchig. Er spreizte die Flügel und hob die Arme: "Ein Hoch auf die Königin! Ein Hoch auf das Brautpaar!" Dann ging er vor der Königin auf ein Knie herunter und beugte das Haupt, als wenn er kaum älter als Caligo wäre.

Diese reichte ihm ihre Hand und half ihm auf. Ihre wunderschönen Augen strahlten nun in einem erfrischendem sonnigen Gelb. “Corax. Ich sehe, der Besuch bei Ulmaceae hat dich ´beflügelt´. Dann wird der begabteste aller Tänzer doch noch einige Zeit unter uns weilen.” Damit verneigte sie sich und gab das Zeichen, dass sie bereit zum Tanze wäre.

Der Albino begab sich in die erste Tanzposition. “Ich habe mich doch stets bemüht, Euren Wünschen nachzukommen, oh schönste aller Blumen”, lächelte er, “allein die Gesetze von Zeit und Raum drängen immer stärker auf mich ein und meine Kräfte schwinden. Doch da ich wusste, dass ich wiederkommen würde, habe ich meine Kräfte geschont, um Euch mit einem weiteren Tanz erfreuen zu können.” Die beiden schwebten förmlich über das Parkett, so dass den jüngeren Reisemitgliedern die Spucke wegblieb. Insbesondere Caligo klappte der Schnabel auf, als stünde er der großen Mutter persönlich gegenüber.

***

Sie erreichten wenig später den Hof der Lilienkönigin. Hardomar schien sichtlich gut gelaunt, als er mit Silvagild an seinem Arm den von Lilien gesäumten Serpentinenweg zur Burg hinaufschritt. Musik und das amüsierte Geplauder der Gäste waren zu vernehmen. Ihm wurde bewusst, dass sie nun wirklich das Fest der berühmten Lilienkönigin erreicht hatten. Trotz der Vorfreude war er auch ein wenig nervös. Noch einmal schaute er prüfend an sich herunter und fühlte sich mit seinem einfachen, ehemals weißen, doch inzwischen beschmutzten Hemd nicht elegant genug angezogen, um eine so liebreizende Dame zu begleiten. Daher ging er nach dem Eintreten nur zu gern auf das Angebot der Rosendryade Rosan ein und kehrte tatsächlich nach nur einem kurzen Moment zu Silvagild zurück.
Der Hadinger trug nun eine eng anliegende schneeweiße offene Jacke mit breitem Kragen, welche seinen durchtrainierten Oberkörper betonte und mit goldenen Knöpfen verziert war. Seine kräftigen Schultern unterstrichen goldene Epauletten mit Fransen. Unter der Jacke war eine rote Schärpe zu erkennen, welche das weiße Seidenhemd, die golddurchwirkte Weste und eine goldene Seidenkrawatte ergänzte. Über der eng anliegenden dunkelblauen Hose trug er elegante Reiterstiefel.
Silvagild konnte Hardomar ansehen, dass sich dieses neue Gewand für den Ritter ungewohnt anfühlte. Auf sie zugehend kratzte er sich verlegen durch sein Haar und hob die Schultern: “Nun ja, Rosan war der Meinung, dieses Gewand würde perfekt passen, wenn ich Euch zu dem Fest begleite.” Er schmunzelte und rückte mit amüsiertem Blick ein wenig seine Jacke zurecht. Dann stand er aufrecht mit einem charmanten Lächeln vor ihr und verbeugte sich tief vor der jungen Ulmentorerin, nahm die Hand der Dame und gab ihr einen Handkuss. “Ihr sagtet, die Tänze würden schon beginnen; zeigen wir den anderen, wie man eine rechte Kuslikana aufs Parkett legt.” Freudig reichte er Silvagild erneut den Arm zum Einhaken und sie betraten das Fest.

“Ja, es steht Euch”, bemerkte Silvagild lächelnd und empfand es als äußerst erheiternd, dass der Ritter sich in dem feinen Zwirn allem Anschein nach sehr unwohl fühlte. “Es ist schön hier zu sein. Meine Familie lebt eher zurückgezogen und während meiner Knappschaft in den Koschbergen komme ich auch nicht wirklich oft dazu zu tanzen.” Die junge Frau ließ sich auf die Tanzfläche führen.
Sie deutete auf die wunderschöne Frau, die mit einem Rabenmann über das Parkett wirbelte. “Seht, dort ist die Lilienkönigin. Vielleicht gewährt sie Euch dann auch noch einen Tanz?” Abermals folgte ein charmantes Lächeln. “Aber nur wenn Ihr jetzt eine gute Figur macht.”
Silvagild verstand es sogar recht gut zu tanzen, was Hardomar bereits bei den ersten Schritten bemerkte. Sie war leichtfüßig und elegant, wie schon bei ihrem Übungskampf am Vortag. Wo sie das wohl gelernt hat, wenn sie so selten zum Tanzen kam? Vielleicht sogar hier?

Hardomar bemerkte das Amusement der Ulmentorerin über seine ungewöhnlich edlen Kleider und posierte daher noch einmal übertrieben heroisch mit einem selbstironischen Grinsen, bevor er Silvagild auf die Tanzfläche führte. Er warf der Lilienkönigin einen neugierigen Blick zu. "Mein Großvater Ehrfried hat mir Gute-Nacht-Geschichten erzählt, in denen die Lilienkönigin vorkam", berichtete er mit ehrfürchtiger Stimme. "Wenn Ihr mich ihr vorstellen würdet, wäre das ganz reizend." Bei diesem Gedanken fühlte er eine gewisse Anspannung, eine so legendäre Herrscherin kennenzulernen und er hoffte, einen guten Eindruck zu hinterlassen. ‘Ob dies eine dieser Feenköniginnen ist, die am Ende eines großen Abenteuers dem Helden einen Wunsch gewähren?’, überlegte er flüchtig.
Schon seit Kindheitstagen mochte der Hadinger Musik, genoss es, sich zu ihr zu bewegen und liebte es daher, auf Feiern ausgelassen zu tanzen. Vergnügt bewegte er sich ähnlich elegant wie seine Partnerin. Zwischenzeitlich gesellten sich ein paar Bienen, die zuvor Maya umkreist hatten, zu den beiden und umschwirrten sie für einen Moment, bis der Bienenschwarm weiter zum nächsten Tanzpaar zog - einem Eberbiestinger, der gerade seine bullige Partnerin wild herumwirbelte. "Habt Ihr hier so gut tanzen…”, wollte Hardomar gerade fragen, nahm jedoch im Augenwinkel wahr, wie die Eberbiestingerin, irritiert von den Bienen, gerade das Gleichgewicht zu verlieren schien und nun unkontrolliert auf Silvagild zusteuerte. Spontan reagierte der Hadinger, indem er die junge Knappin schützend an sich heran zog. Dabei kam es zu einer unbeabsichtigten Berührung; für einen kurzen Moment drückten sich ihre weichen Brüste an seinen muskulösen Oberkörper, als die kräftige Eberbiestingerin die Knappin nur um Haaresbreite verfehlte und an ihr vorbeisauste. Silvagild konnte an Hardomars überraschtem Gesicht erkennen, dass dieser selbst nicht mit einer solchen Berührung gerechnet hatte. "Verzeihung!" entschuldigte er sich umgehend. "Das war ja mal knapp!" Er atmete erleichtert auf und versuchte schnell das Thema zu wechseln: "Wo habt Ihr eigentlich so gut tanzen gelernt?"

“Hier lebt man gefährlich”, meinte Silvagild daraufhin lachend und ließ sich über die Tanzfläche drehen. “Ich habe tatsächlich als Kind hier öfters mit Dryaden und Blütenfeen getanzt …”, abermals entblößte die junge Frau ihre strahlend weißen Zähne mit einem Lächeln, “... aber leider lernt man hier keine Kuslikana, keine Quadrille und keine Waslarella. Nein …”, sie schüttelte leicht ihren Kopf, “... die habe ich am Hof meiner Schwertmutter gelernt.”
Nach einer weiteren Drehung, fuhr die Ulmentorerin vergnügt fort: “Und Ihr? Tanzt Eure Gemahlin auch gerne?”

Hardomar antwortete ebenfalls mit vergnügter Stimme: "Ich denke schon, wir haben uns schließlich beim Tanzen kennengelernt." Der Ritter wirbelte die junge Knappin elegant und schwungvoll umher und hielt dabei den Augenkontakt mit ihr aufrecht; Silvagild konnte ihm ansehen, mit welch großer Begeisterung und Spaß er dabei war.
Dann folgte ein ruhigerer Tanz, bei dem sie wieder zu etwas Luft kamen. Hardomar fühlte seinen schnellen Herzschlag; ihm war heiß und er atmete tief durch; eilig löste er die Seidenkrawatte und begann seine Jacke abzulegen. "Keine Sorge…", sagte er belustigt zu Silvagild: "...ich entkleide mich nur ein wenig." Nach einem kurzen Zögern entledigte er sich aber auch noch der Schärpe und Weste und warf alle Kleidungsstücke nachlässig über einen hüfthohen Pilz. Verwundert bildete er sich ein, dass dieser dabei erschrocken zusammenzuckte. Vorsichtig hob er die Kleider wieder auf und legte sie lieber über einen Stuhl. Er sah sich um, wo es hier etwas zu trinken gab. "Wollt ihr vor dem nächsten Tanz auch eine Schale von dem Fruchtnektar?" fragte er und bot ihr ein Schälchen von der Bowle an. Beim Trinken schaute er sich interessiert um; die Bienenbiestingerin schien gerade wild über ihren Partner herzufallen; auf der Tanzfläche tummelten sich die erstaunlichsten Kreaturen und feierten ausgelassen; exotische Geschöpfe flatterten vergnügt um sie herum und die Lilienkönigin… "Bei Rahja, seht!" stupste er die Knappin an und deutete auf diese, wie sie mit dem Kater in inniger Umarmung davonschwebte. "Geht ja ganz schön wild hier zu; ist doch was anderes als das Hadinger Obstweinfest." Er schluckte den letzten Rest der Bowle durstig hinunter und ergriff die Hand Silvagilds. Seine Augen funkelten sie an. "Vermisst Ihr es nicht, öfter hier zu sein?" fragte er neugierig.

Silvagilds Blick folgte lächelnd der fliegenden Königin und ihres heutigen Gespielen. Feen hatten dahingehend einen sehr offenen Umgang untereinander - dabei vor allem die Dryaden, deren Blut auch in den Adern der Ulmentorerin floss. Dass auch sie hier schon einige dahingehende Erfahrungen gemacht hatte, war etwas, das sie aber Hardomar nicht unbedingt auf die Nase binden musste.
"Ach wisst Ihr, ich bin immer gerne hier", meinte Silvagild mit einem leicht wehmütigen Unterton. "Wichtig ist jedoch, dass mir klar ist wo mein Platz ist. Natürlich wäre es einfacher hier zu bleiben und unbeschwert zu sein, aber mein Platz ist in unserer Welt in meinem Lehen, bei meiner Familie und meinen Schutzbefohlenen."
Die Knappin sah auf das leere Trinkgefäß in der Hand des Ritters. Sie kicherte vergnügt. "Ihr wisst was Ihr da eben getrunken habt?"

Der junge Hadinger schüttelte den Kopf.. “Ähm, nein.” Er schaute noch einmal kurz in das leere Glas. “Es hat auf jeden Fall ganz gut geschmeckt. Was war es denn?” fragte er salopp nach.

“Etwas nach dessen Verzehr ich mich wohl oder übel von Euch fernhalten muss”, meinte Silvagild frech und abermals folgte ein vergnügtes Kichern.

Der Ritter schaute kurz ein wenig verdutzt und meinte dann zu verstehen, als er aus einiger Entfernung vernahm, wie Maya jauchzte: "Na los, Willie, zeig was dein Stachel kann!” Angesteckt von Silvagilds Kichern begann auch Hardomar zu lachen. "Ihr meint…" Er deutete auf Maya, welche sich inzwischen ihres Kleides entledigt hatte und gerade ihrem Partner die Tunika hochzog. "Und das habt Ihr mich trinken lassen?" Der junge Ritter grinste. "Aha, Silvagild, so versucht Ihr mich also rumzubekommen", neckte er sie und ließ sich nicht anmerken, ob ihn die potenzielle Wirkung des Tranks irgendwie verunsicherte.
Noch immer hielt er ihre Hand und seine Augen funkelten sie an. "Ach Quatsch, keine Sorge, sowas wirkt bei mir nicht", winkte er leichthin ab. “Ich vertrag schon einiges.” In einem lockeren, nur etwas ironischen Tonfall fuhr er fort: “Also, nur weil Ihr mit Eurem Feenblut absolut betörend riecht, wie eine Märchenprinzessin ausseht und dazu auch noch mit Eurer frechen, klugen, wie auch liebenswerten Art…” Er pausierte kurz und holte Luft: “...heißt das ja noch lange nicht, dass ich gleich wie ein wildes Tier über Euch herfalle.” Dann begann der Hadinger laut zu lachen. “Naja, es sei denn, Ihr verlangt danach.” Aus dem Lachen wurde ein vergnügtes Schmunzeln. “Ernsthaft, ich habe mich unter Kontrolle, ganz sicher.” Hardomar zwinkerte ihr zu und wollte sie wieder in Richtung der Tanzfläche führen, als so langsam der Nektar seine Wirkung zu entfalten begann…

Silvagild hob belustigt ihre Augenbrauen. "Ja, es ist ein Aphrodisiakum. Stärker als Tharf, wenn Ihr schon einmal einen getrunken habt." Als das gesagt war, begann sie zu lachen. "Was Euer, hinter Scherzen und Schalck verstecktes Angebot angeht … ich fürchte, ich muss leider ablehnen, wiewohl ich die Situation gerne ausnutzen würde … vor allem wenn Ihr in weiterer Folge Euer Gedächtnis verlieren würdet." Das Lächeln, welches sich nun auf ihren Lippen zeigte hatte das Prädikat "Mädchen". "Da ich mich aber zuvor noch dafür eingesetzt habe, dass Ihr es behält, wird es nicht gehen. Wir sind Nachbarn … und solche Dinge stehen dann oft zwischen einem. Einer von beiden verliebt sich …", in ihrem Fall durchgehend die Männer, "... es gibt Drama und Tränen. Egal wie sehr man sich einredet, es sei … nur … ein Opfer an die schöne Göttin." Abermals kicherte sie junge Frau und machte dabei eine wegwerfende Handbewegung. "Ich kann Euch mit einer der Dryaden bekannt machen, wenn Ihr wollt … sie sind sehr neugierig … und gut." Silvagild grinste breit und dann würde sie sich auch noch einen suchen … ihre Zeit in den Koschbergen dauerte schon viel zu lange und an Männern gab es dort nichts mehr brauchbares.

Das süffisante Grinsen der schönen Knappin bestätigte Hardomars Vermutung, dass Silvagild bereits einige Erfahrungen in dieser Welt und auch draußen gesammelt hatte. Das und sicherlich die Wirkung des Trankes ließen die Abfuhr in seinen Ohren nicht nach absoluter Endgültigkeit klingen, so dass er unwillkürlich einen kleinen Schritt näher an sie heran trat, sie weiterhin intensiv anschaute und ihren unwiderstehlichen Duft einsog. "Glaubt mir, Silvagild, es ist eine nicht geringe Versuchung, für eine einzige Nacht mit Euch mein Gedächtnis oder meinen Verstand zu opfern", sagte er mit rauer Stimme, merkte wie ihm ein Schweißtropfen an der Schläfe herunterlief und sich alle seine Sinne mehr und mehr vernebelten. Er zwang sich, seine wild kreisenden Gedankenstränge und Gefühle zu ordnen; es war ihm wichtig, sich ihr zu erklären, so lange er dazu fähig war. "Gut, keine Scherze und Andeutungen mehr: Ich möchte nicht, dass meine Erinnerungen gelöscht werden. Wirklich nicht. Die Bekanntschaft mit Euch, dieser unglaubliche, wunderschöne Tag, das Vertrauen, das Ihr in mich gesetzt habt, als Ihr mich in Euer Geheimnis eingeweiht habt, diese… Freundschaft, das ist mir unendlich wichtig, das möchte ich nicht verlieren", erklärte er mit fester Stimme, während er die betörende Wirkung, die ihre Nähe auf ihn ausübte, so gut es ging zu unterdrücken versuchte. "Ich glaube auch, dass Ihr vielleicht einen Freund braucht. Einen Freund, der Euch wirklich versteht und Euch so akzeptiert, wie Ihr seid. Und das werde ich, egal was passiert, für Euch sein", er bekräftigte seine Worte mit einem Nicken und einem sehr offenen, sehr ernsten Blick seiner blauen Augen.
Dann stahl sich wieder ein leichtes Lächeln auf seine Lippen. "Andererseits denke ich nicht, dass es unbedingt mit Drama und Tränen enden müsste, wenn wir einander heute etwas Freude schenken. Oder vielleicht bei anderer Gelegenheit in der Zukunft", lächelte er sanft. "Mir ist ja klar, dass es nie etwas Ernstes werden kann mit uns. Ich musste eine Frau heiraten, die ich kaum kenne; Ihr werdet Euch sicher bald vermählen, vermutlich nicht aus Liebe. Wir beide haben unsere Zwänge und Verpflichtungen, die unser Leben bestimmen. Das wird auch so bleiben. Wäre es da so schlimm, einen guten Freund als Nachbarn zu haben, um gelegentlich auszubrechen, frei zu sein und Spaß zu haben?"
Hardomar dachte flüchtig an das kurze Gefühl von Eifersucht, das er empfunden hatte, als Simunius die Knappin umgarnte. Vermutlich waren es solcherlei Komplikationen, die Silvagild befürchtete. Doch er wollte ihr keine Ausflüchte und Halbwahrheiten auftischen, sondern die Wahrheit in die Waagschale legen. "Wer weiß, vielleicht wird der Moment kommen, wo ich eifersüchtig werde, wo ich mir mehr wünsche, als ihr geben könnt…” Er hob die Schultern. “Aber das wäre dann mein Problem, nicht Eures. Ich werde Euch nicht einengen, Euch nicht bedrängen und keine Besitzansprüche anmelden.” Er schaute sie ernsthaft an und Silvagild konnte spüren, dass er von dem, was er sagte, wirklich überzeugt war: “Darauf gebe ich Euch mein Wort. Ich biete nur an, Euch hin und wieder für einen heimlichen kleinen Ausritt zur Verfügung zu stehen…"
Hardomar schmunzelte sie nun verführerisch an und merkte, wie es ihm immer schwerer fiel, die Kontrolle über seinen Verstand zu bewahren. Gegen die Wirkung des Nektars kämpfend schluckte er einmal heftig; ihm war heiß und er strich sich die Locken aus der Stirn. Langsam rückte er noch näher an Silvagild heran, so dass er die Wärme ihres Körpers auf seiner Haut spürte und strich fast unbewusst mit den Fingerspitzen ihren Oberarm hinunter. "Du und ich, wir sind uns vielleicht ähnlicher, als Du glaubst", sagte er zärtlich, während er die Haut ihres unbedeckten Rückens streichelte und mit dem Daumen ihre Wirbelsäule hinunter fuhr. Unten angekommen führte er seine rechte Hand um ihre Taille herum und drückte sie behutsam dichter an seinen Körper. "Wir sind nach außen kontrolliert und tun unsere Pflicht, werden dies immer tun, keine Frage. Aber ab und zu müssen wir frei sein und unser wahres Wesen ausleben.” Zärtlich streichelte er mit der Rückseite der Finger seiner Linken über ihre Wange und hauchte dann direkt in ihr Ohr: “Und bei mir könntest Du so sein, wie Du bist, wann immer Du das brauchst…" Seine Lippen bewegten sich nun langsam von ihrem Ohr in die Nähe ihres Mundes. "Ist nur ein Angebot", wisperte er ihr entgegen, nur noch eine Haaresbreite von ihren Lippen entfernt.

Auf eben jenem Mund zeigte sich ein freches Lächeln. "Ihr redet eindeutig zu viel", beschied sie ihm neckend. "Ein Mann, der mich haben will muss mir das Wasser reichen können. Ich bin keine dieser verträumten Prinzessinnen, die ihre Beine öffnen wenn sie ein paar nette Worte hören." Silvagild legte ihre Recht auf seine Brust und strich dann daran hinunter. Bei seinem Schritt angekommen fasste sie zu, während ihr Mundwinkel leicht zuckte. War es ein prüfender Griff gewesen? Überrascht und erregt zog Hardomar die Augenbrauen hoch. Was sie spürte war, dass der Ritter wirklich gut bestückt und dafür bereit war, wonach es der Knappin gelüstete. Es wurde Hardomar sehr schnell klar, dass die junge Frau vor ihm nicht an liebevollen Worten und ausufernder Zärtlichkeit interessiert war. Sie gab einzig und allein ihren Trieben nach - dem lauten Ruf in ihr, dem Erbe ihres Blutes. Die mahnenden Worte ihrer Mutter, Silvagild habe sich zu benehmen und müsse ihr Ansehen als Junkerin oder das der Familie um jeden Preis bewahren, wurden immer leiser und leiser. Sie dachte an ihren Cousin Aelfwin, der dafür berühmt war herumzuhuren, oder ihre Schwester Ivrea, die in letzter Zeit für den einen oder anderen Skandal im Hesindetempel zu Elenvina gesorgt hatte.
"Ich brauche keinen strahlenden Ritter, der mich zu sich auf sein weißes Pferd holt. Ich brauche einen Mann." Sie löste sich von ihm, nahm ihm den Becher aus der Hand. und stellte diesen beiseite. Dann nahm Silvagild den Hadinger bei der Hand und führte ihn an einen ruhigeren Ort.
"Ich fürchte, dass Ihr nicht wisst worauf Ihr Euch einlässt", meinte die Ulmentorerin dort angekommen lächelnd und wandte sich dann von Hardomar ab. Während sie sich ein paar Schritte von ihm entfernte, löste sie eine Schnürung ihres Kleides und ließ es wie einen Hauch von Nichts von ihr abgleiten. Was sich unter ihrer Robe abzeichnete, wurde nun sichtbar: die Schultern und der Rücken von beeindruckenden Hautbildern bedeckt, Hintern und Brust fest und weiblich, der Bauch flach, die Beine trainiert, und ihre Schambehaarung im aranischen Stil gehalten.
"Worauf wartet Ihr, Ritter", meinte die junge Junkerin fordernd. "Sattelt auf und nehmt Euch was ihr wollt."

Als Silvagild ihr Kleid ablegte, ließ er einen verlangenden, hungrigen Blick über ihren blassen, wohlgeformten Körper schweifen und fühlte, wie sein Blut durch seinen gesamten Körper pulsierte. Bei Rahja, wie sehr wollte er diese Frau! Sie war anbetungswürdig - und sie wusste es. "Ich hatte mich schon gefragt, wie weit Deine Hautbilder hinunter gehen", raunte er leise.
Hastig entledigte er sich seiner Kleidung. Seine Brust war muskulös; ebenso zeigte sein gestählter Bauch, dass sich der Hadinger täglichen harten Übungen hingab. Ohne großes Zögern warf Hardomar sie beide auf ein eher schmales und unbequemes Canapé, schob eines ihrer Beine in eine angewinkelte Position und drang hart und ungestüm in sie ein, was Silvagild ein leichtes Aufkeuchen entlockte; er nahm mit seinen Stößen den schnellen und kraftvollen Rhythmus auf, den sie forderte. Auch wenn Silvagild deutlich gemacht hatte, dass sie keine übermäßigen Bekundungen von Zärtlichkeit wünschte, zog er ihren Kopf an sich heran und küsste sie gierig, erkundete fordernd ihren Mund mit seiner Zunge, biss leicht, aber empfindlich in ihre Unterlippe und ließ diese langsam durch seine Zähne gleiten, um seine Lippen dann entlang ihres lustvoll nach hinten gebogenen Halses tiefer wandern zu lassen. Als er sich pulsierend in ihr ergoss und für einen Moment keuchend über ihr zusammensackte, überlegte er, ob Silvagild Rahjalieb genommen hatte. 'Bin ich so blöd, den selben Fehler mehrmals zu machen?' dachte er flüchtig. 'Ach, selbst wenn…' verwarf er den Gedanken. Von erneuter Leidenschaft erfasst leckte er einen Tropfen ihres Schweißes ab, welcher über ihre Brust lief, fuhr mit der Zunge über ihre sich härtenden Brustwarzen. Hardomar hatte das Gefühl, dass ihr betörender, erregender Geruch immer intensiver wurde, je mehr Silvagild ins Schwitzen kam. Er zog ihre Beine über seine kräftigen Schultern und liebkoste mit der Zunge ihre heiße, feuchte Weiblichkeit, saugte ihren köstlichen Geschmack in sich auf, der für ihn genauso unwiderstehlich war wie ihr Duft.
Die sich entfesselnde animalische Lust seiner Geliebten war etwas, das er schon den ganzen Tag über unterschwellig geahnt hatte, ihn aber in dieser Heftigkeit überraschte. Die Mischung aus der wohlerzogenen adligen Dame und diesem wilden, ungezügelten Zauberwesen, das sich auf Rahjas Wogen begierig in ihn verkrallte, war es, was Hardomar an ihr faszinierte und erregte. Als sie seinen Oberkörper und Rücken mit tiefen, blutigen Kratzern übersäte, fühlte er auf der Welle der Lust keinen Schmerz, obwohl ihm klar war, dass das später wehtun würde. Er hinderte sie nicht daran; sie sollte ruhig wissen, dass sie mit ihm gern machen konnte, was sie wollte. Flüchtig fragte er sich, ob Silvagild alle ihre Liebhaber in der normalen Welt so zurichtete und ob sie gewöhnlicherweise dabei ihre Hautbilder zu verbergen versuchte. Er fühlte sich insgeheim geehrt, dass sie sich bei ihm so gehen ließ.
Einen erneuten Kratzer auf seiner Brust kommentierte er mit einem trockenen: "Oh, das Kätzchen hat wohl die Krallen ausgefahren und markiert sein Revier…"; er spürte, dass solch neckende Sprüche während des Liebesspiels sie ein wenig ärgerten und reizten und fuhr provozierend damit fort, weil er den Eindruck hatte, dass ihr dies auch irgendwie gefiel. Die Dryaden mochten wunderschöne Körper haben, waren aber in seiner Vorstellung ziemlich langweilig und hatten keinen Witz. Er war sich sicher, dass er Silvagild mehr zu bieten hatte, und wenn es zweideutige Neckereien waren. "Verstehe ich das richtig, Süße", flüsterte er in einem ruhigen Moment selbstbewusst grinsend in ihr Ohr, ohne eine sinnvolle Antwort zu erwarten, "... dann soll ich also bei unseren nächsten Stelldichein keine großen Reden schwingen, sondern gleich über Dich herfallen und Dich an Ort und Stelle nehmen?"
Nach mehreren Stundengläsern und bebenden Höhepunkten bestieg die Knappin ihn erneut wild und lüstern. Ihre erhitzten Körper rieben aneinander; die Schweißtropfen liefen in Strömen an ihnen herunter. Obwohl der Nektar seine Wirkung inzwischen weitgehend verloren hatte, war Hardomar in höchsten Maßen erregt und wollte sie in all ihrer Wildheit auf sich spüren. Er ergriff kräftig mit seinen gespreizten Fingern ihr Gesäß, um sie bei ihrem Ritt zu unterstützen, rang aber schon heftig nach Luft. "Jetzt nur nicht schlappmachen, Prinzessin! Reite mich hart", spornte er sie augenzwinkernd an, wohl wissend, dass er sie damit nur noch mehr herausforderte, ihn völlig zu verausgaben. Wild und ungebändigt, genauso wollte er sie.

***

Der Kater Aslan brachte nicht wirklich ein großes Maß an Geduld auf und Etikette, wie sie der alte Rabe lebte, war ihm fremd. Er freute sich einfach hier zu sein und mit den anderen feiern zu können. Besonders die hübschen Dryaden hatten es ihm angetan - sie waren so viel hübscher als Alina. Der Kater wusste, dass ihn seine Gefährtin für solch eine Aussage wohl seiner Männlichkeit berauben würde, aber die rachsüchtige Hexe war ja nicht hier gewesen. Schnurrend bewegte er sich auf die Weidendryaden zu. Mit so schönen Frauen, Tanz und Musik würde es bestimmt ein tolles Fest werden. “Komm Bienchen … das wird lustig”, rief er Maya vergnügt zu.
“Das wird es ganz bestimmt!” sagte sie euphorisch und zupfte immer noch leicht irritiert an ihrem Kleid herum. Die Biene hatte es eigentlich nicht als erforderlich erachtet, Kleidung zu tragen, doch Rosan hatte sie davon überzeugt, dass dies bei einem Ball eine gute Idee wäre. Nun trug Maya ein sonnengelbes Kleid mit schulterfreiem Oberteil und einem weiten luftigen Rock. Ihr wildes, rostrotes Haar, das sie bisher bis zur Hüfte umflossen hatte, war nun zum Teil gebändigt und hochgesteckt, bis auf einige Locken, die über ihren Nacken fielen. So richtig verstand sie das Konzept von Kleidung immer noch nicht, aber sie mochte es, wie der Rock sich glockenblumenartig um sie bauschte, wenn sie sich schnell um die eigene Achse drehte.
Neugierig entdeckte sie ein großes Gefäß mit Nektar, zumindest hielt sie es für welchen, aus dem sich Gäste ihre Becher befüllten. Sie probierte etwas davon und stellte fest, dass der Nektar einerseits wie erwartet süß, aber überraschenderweise auch ein bisschen scharf schmeckte, genauso die in der Flüssigkeit eingelegten Früchte. Aufgeregt über dieses fremde Geschmackserlebnis brummte sie mit den Flügeln auf und drehte sich noch ein paar Mal mit fliegenden Armen um sich selbst. “Hui, was ist das denn?”, fragte sie mit begeisterter Stimme den Kater. “Davon sollte ich noch mehr trinken!” Sie schaute zu den anderen Gästen und nahm mit ihren Fühlern die Düfte der verschiedenen Dryaden wahr. Plötzlich versammelten sich einige der kleinen, hier überall herum schwirrenden Bienen um die junge Frau. Sie hatte fast das Gefühl, dass diese sie ihrerseits interessiert beobachteten und dann, als die Musik wieder einsetzte, sogar im Rhythmus um sie herum brummten. Maya begann langsam mit ihrem Gesäß im Takt der Musik mitzuschwingen. “Na los, Katerchen, lassen wir es krachen”, rief ihm zu, leerte ihren Kelch und stürzte sich ins Getümmel der Tanzenden.
Auch Aslan wurde in Kleidung gesteckt, was ihn jedoch nicht störte. Immerhin war das nicht das sein erstes Mal in einem menschlichen Körper und auch Alina steckte ihn öfters in Kleidung. Die getragene Weste und Hosen in erdernen Tönen waren doch eher etwas Rustikales, im Gegensatz zum wunderschönen Kleid der Bienenfrau. Dennoch folgte der Kater Maya bereitwillig in den Reigen der Feiernden und Tanzenden nach. Das war eindeutig besser gewesen als auf Alinas Zimmer zu warten während sie sich amüsierte.

***

Es dauerte nicht lange und alle sahen das Brautpaar, besonders war das Augenmerk auf der glücklichen Braut. Die rotborstige Eber-Biestingerin war für ihre Gattung als eher schmal zu bezeichnen, doch ihr fröhliches Grunzen war kaum zu überhören. Auch der Gatte fing immer wieder an, Lieder zum besten zu geben, auch wenn es ihm nicht gelang, seine Gemahlin zu übertönen. Diese fröhliche Stimmung steckte auch die Gäste an, die in wilde Reigen und Tänze verfielen und die Kelche mit gegorenem Nektar reichlich füllen ließen. Die Lilienkönigin lachte und tanzte wild mit ihrem räbischen Tanzpartner, doch dann hielt sie inne, als sie Maya, die Bienenfrau, wie auch Aslan den Katermann, erblickte. Ihre dunkelrosanen Augen schenkten Aslan einen lasziven Blick. “Oh, Corax. Habt Dank für diesen Tanz, doch nun möchte ich mich diesem Prachtburschen widmen.” Tänzerisch wand sie sich aus dem Griff des Älteren und blieb vor dem Katermann stehen. Dennoch sprach sie Maya als erste an. “Meine liebste Brumme, ich werde nun euren Tanzpartner entführen”, gurrte sie und ergriff eine der Bienen, die die Bienenfrau umschwirrten. “Doch keine Sorge, ihr werdet nicht alleine bleiben.” Noch bevor irgendjemand etwas sagen konnte, verwandelte sich die Biene in einen gutaussehenden Bienenmann. Er war etwas kleiner als Maya, hatte wuscheliges hellblondes Haar, einen rotblonden Backenbart, dunkle Augen, zwei kleine Fühler auf der Stirn, sowie zwei durchsichtige Flügel auf dem Rücken. Gekleidet war er in einer schwarzen Tunika, die seine helle Haut betonte. Etwas verwunderte schaute er sich um, doch schenkte er seinem weiblichen Gegenstück ein Lächeln. Zufrieden drehte die Königin sich zum Katermann. “Wollen wir?”

Maya zwinkerte Aslan zu: „Na los, wilder Kater; zeig was du drauf hast!“ Sie schaute nun zu dem Männchen vor ihr. Die Bienenfrau kannte männliche Bienen aus ihrer frühen Jugend. Diese wurden normalerweise vor den Weibchen geboren, warteten dann auf deren Schlüpfen und hatten in ihrem extrem kurzen Leben nur einen einzigen Zweck: die Weibchen zu befruchten. Maya erinnerte sich an diese wilde Paarungszeit zur Anfangszeit ihres Lebens, im zeitigen Frühjahr, doch dies lag nun ja schon Ewigkeiten zurück. Interessiert, aber auch unsicher, was sie von dem männlichen Bienenbiestinger erwarten durfte, fragte sie ihn neugierig: „Tanzen wir erst oder magst du mich gleich bestäuben?“ Sie lehnte sich kess an eine Säule und zog vielsagend die Augenbrauen hoch.

Mit nasaler Stimme schaute er kurz schüchtern zu Boden, lächelte sie kurz an. “Ich bin Willibald, doch nenn mich Willie. Nun, lass uns tanzen!” Anstatt ihre Hand zu greifen, wie es die anderen Tanzenden taten, fing er an, seine gebeugten Arme hin und her zu bewegen, gefolgt von einer wippenden und drehenden Bewegung seiner Hüften.

Maya wunderte sich ein wenig über die für ein Wildbienenmännchen ungewöhnlich schüchterne Art von Willie. Dass ein Männchen vor der Befruchtung bei den wenigen begehrten Weibchen mit einem Tanz für sich werben wollte, war ihr vertraut. Doch hatte sie ihm ja bereits ihr Interesse signalisiert. Warum zierte er sich also so? Ihre Fühler bewegten sich neugierig in seine Richtung und zuckten im Rhythmus der Musik. Sie drehte sich ein paar Mal wild herum und spürte wie der Nektar ein leichtes, aber nicht unangenehmes Schwindelgefühl in ihr auslöste. Immer wieder brummten ihre Flügel kurz auf, um sie im Gleichgewicht zu halten. Beim Tanzen beobachtete die Biene interessiert den zur Musik schwingenden Willie. Nicht nur Fühler, Arme und Beine bewegten sich zur Musik. 'Das ist ja vermutlich nicht sein Stachel, was da unter der Tunika zwischen seinen Beinen mitschwingt', überlegte sie mit einem kessen Schmunzeln. 'Ganz schön groß', stellte sie fest und fragte sich, wie das bei diesem menschlichen Körper wohl funktionierte. Sie war gespannt und tanzte mit einem rhythmischen Hüftschwung an den Bienenbiestinger heran. Aus nächster Nähe betrachtete sie ungeniert das, was sie für sein Fortpflanzungsorgan hielt. Abrupt ergriff sie Willibald und drückte ihn leidenschaftlich gegen den nächsten Baumstamm. "Ach, komm her, Willie!" rief sie ungeduldig und begann ihn vergnügt und wild zu küssen.

Der Kater verneigte sich vor der Lilienkönigin. “Es ist mir eine Freude, Euer Hoheit”, meinte er dann vollmundig und ihre Schönheit, gepaart mit dem guten Duft raubte ihm den Atem und die Sinne. Betört vom Duft und der Optik ließ er sich mit sich ziehen und gänzlich auf den wilden Reigen ein. “Ihr riecht so gut …”, flüsterte er der Königin in einem ruhigen Moment zu.

Die Königin lachte glockenhell, während sich ihre Augen glutrot färbten. Sie wirbelte den Katermann herum, nur um dann mit ihm in die Lüfte zu steigen. Das Ziel dieses tänzerischen Flugs war Aslan schnell klar: die gigantische, rosafarbene und geschlossene Lilienblüte hinter ihrem Thron.

Aslan wusste was nun folgen würde und er freute sich darauf. Der Katermann kannte seinen gegenwärtigen Körper und auch die rahjagefällige Vereinigung in dieser Gestalt war ihm alles andere als fremd gewesen. Er blickte auf dem Weg hin zu den Gemächern der Königin auf die Feiernden hinab. Wie anders es hier war … so schön und lebhaft. Ganz anders als der dunkle Wald, in den ihn Alina immer mitnahm. Dieser roch nach Tod und Gefahr und sogar die Schwarzpelze fürchteten ihn. Nein, er wollte hier nicht mehr weg.

***

Der alte Corax keuchte schwer und musste sich den Schweiß von der Stirn wischen. Er hatte sich eindeutig verausgabt. Allein der Zauber hatte schon zu viel seiner Energie gekostet. Er taumelte an den Rand der Tanzfläche. Vor seinen Augen verschwamm ihm die Sicht. Als Caligo sah, wie es dem alten Freund ging, eilte er ihm entgegen, bot ihm seinen Arm an und führte ihn zu einem Sitzplatz. Als Corax dort sicher saß, holte er ihm etwas klares Wasser und sorgte dafür, dass der Alte sich etwas erholen konnte. So stolz und arrogant Caligo oft auf andere wirkte, hier konnte man sehen, dass er doch ein Herz hatte und sich sehr wohl auch um andere sorgte. Er würde warten, bis die Königin ihren Spaß gehabt hatte, doch dann würde er die anderen einsammeln und zum Aufbruch drängen. Draußen segelte das Zeitenschiff in einer anderen Geschwindigkeit als hier und sie durften nicht zu lange bleiben.

***

Als abends die junge Cupida vom Lilienhain nach ihren Lilien und Rosen sah, bemerkte sie ein gelb-grünes Augenpaar, das sie dabei beobachtete.

“Miez … miez …”, versuchte die Gärtnerin die hübsche Katze anzulocken, denn fast schien es ihr als wirke der Vierbeiner traurig und niedergeschlagen. “Na komm mein Hübscher …”, säuselte die rothaarige Frau dann weiter, als sich keine wirkliche Regung des Katers einstellen wollte, “... ich bin sicher, dass ich noch etwas Fisch für dich habe …”, erst jetzt schien der Vierbeiner auf ihre Worte anzusprechen und strich Cupida schnurrend um die blassen Beine, “... ja, das gefällt dir. Na dann komm mit.”

Gemeinsam verschwanden die beiden in der Nacht.

***

Als Hardomar seine Augen öffnete, lag er unbekleidet im kühlen Gras. Alleine. Das Geräusch der Feiernden war verschwunden und auch der Himmel wirkte anders. Es war … dunkel … keine Feen, keine Biestinger, stattdessen … es wurde dem Ritter bald klar, dass er sich nicht mehr am Hof der Lilienkönigin, sondern wieder im Stadtpark zu Herzogenfurt befand. Doch wo war Silvagild? Er erinnerte sich an die letzten Stunden - an ihr leidenschaftliches Liebesspiel. Wie ein Rondrikan kam sie über ihn. Laut, tosend und alles verzehrend. Er fühlte die Spuren ihrer Leidenschaft auf seinem Rücken, den Oberarmen und seiner Brust. Die Kratzer dort nässten und bluteten immer noch leicht und würden wohl zu kleinen Narben führen. Lange dauerte es nicht, da schoss dem Hadinger der nächste Gedanke ein: der Junggesellenabschied … die Einladung.

Er setzte sich auf und sah sich im Licht des Madamals um. Ihm wurde klar, dass seine Kleider sich nicht bei ihm befanden. “Du kleines Biest”, fluchte er leise, während er sich hinter einen Busch begab, um nicht gleich möglichen Spaziergängern ins Auge zu fallen. ‘Sie hat sich bei dem Gedanken, mich hier so abzusetzen, sicher köstlich amüsiert…’ Der erste Ärger verflog jedoch schnell und ein breites Schmunzeln umspielte sein Gesicht. Hardomar war der Knappin nicht wirklich böse; gerade wegen solch kleiner Gemeinheiten mochte er sie so sehr. ‘Irgendwann zahle ich dir das heim’, nahm er sich vor.
Er spürte nun deutlich die blutenden Kratzer auf seinem Oberkörper und betrachtete diese stirnrunzelnd in dem schummrigen Licht. ‘Da hat sie ja ganze Arbeit geleistet’, dachte er verblüfft und ein bisschen erschrocken, während er sich daran erinnerte, wie sie ihm diese in wilder Ekstase zugefügt hatte. Er war überzeugt, dass es keine Absicht gewesen war, sondern den animalischen Trieben geschuldet war, die das Feenblut offenbar auslöste. Insofern war das wohl der Preis, den eine Nacht mit Silvagild kostete. Das war es seiner Meinung nach jedoch wert gewesen. Vielleicht sollte er heute im Laufe des Abends Imelda fragen, ob sie ihm mit einem Segen etwas Linderung verschaffen könnte.
Während die Szenen ihrer leidenschaftlichen Vereinigung vor seinem inneren Auge vorbei zogen, wurde ihm erst bewusst, dass er seine Erinnerungen an den Tag mit ihr behalten hatte. Darüber war er froh und erleichtert, hatte er doch seine Zweifel gehabt, ob es Silvagild sich nicht im letzten Moment noch anders überlegen würde. Hardomar schaute glücklich in die Sterne über sich und freute sich über das Vertrauen, das die Ulmentorerin offenbar in ihn setzte.
Außer einer leichten Brise war es still und ruhig in diesem Teil des Parks; er nahm jedoch von der Großen Festwiese her Lichter und Geräusche wahr, die darauf hindeuteten, dass die letzten Vorbereitungen für den Junggesellenabschied liefen oder vielleicht sogar schon die ersten Gäste eintrafen. Diesen wollte er um nichts in der Welt in seinem jetzigen Zustand über den Weg laufen. Er musste zunächst in sein Zimmer in der Burg, um sich dort frisch zu machen und so anzukleiden, dass Silvagilds Liebesmale nicht sichtbar waren.
Er sah zum Schuppen der Gärtner hinüber und flitzte, nackt wie er war, in geduckter Haltung dorthin. ‘Glück gehabt’, dachte Hardomar, als sich die Tür öffnen ließ. Er schlich sich hinein, lehnte die Tür vorsichtig wieder an und suchte nach einem Stück Stoff, irgendeiner Art von Kleidung, die er notdürftig verwenden könnte, um seine Blöße zu bedecken. In der Dunkelheit konnte er kaum etwas erkennen. ‘Hier muss es doch eine Gärtnerschürze oder sowas geben’, dachte er zunehmend gestresst, als er hinter sich an der Tür ein Geräusch wahrnahm.

"Sooo, da ist dein Fisch mein Hübscher", erklang die Stimme einer jungen Frau. "Ich hole dir vielleicht noch einen Teller … hm … ich müsste hier im Schuppen …” Die Tür öffnete sich und die Stimme erstarb für einen Moment. “Wer bist du?”, fragte eine junge rothaarige Frau mit einem Messer in der Hand, welches sie mutig auf den Eindringling richtete. “Was willst du hier? Und warum …”, erst jetzt schien sie den nackten Zustand des Mannes zu bemerken, “... ich … hole die Garde wenn du nicht verschwindest.”

Hardomar schrak heftig zusammen, abrupt richtete er sich auf. "Nein, nicht die Garde!" rief er mit unterdrückter Stimme, als die Gärtnerin ihn mit dem Messer in der Hand zur Rede stellte und hob beschwichtigend seine unbewaffneten Hände. Der Gedanke, sich öffentlich dafür verantworten zu müssen, nackt einer jungen Frau aufgelauert zu haben, ließ Panik in ihm aufsteigen. Langsam, um sie nicht mit einer hastigen Bewegung zu erschrecken, griff Hardomar nach einem tönernen Blumentopf, um diesen notdürftig vor seine Blöße zu halten. "Entschuldigt bitte mein Eindringen, ich… ähm, ... kann das erklären…" Ihm war klar, dass er nicht besonders vertrauenswürdig auf die Frau wirken musste. Verzweifelt versuchte er ein freundliches, charmantes Lächeln aufzusetzen, in der Hoffnung, dass sie ihm erst einmal zuhören und nicht gleich Alarm schlagen würde. "Also, wie ihr seht, befinde ich mich in einer kleinen Notlage…" Fieberhaft überlegte er ein paar Augenblicke lang, welche harmlose Erklärung für sein Tun und sein Aussehen es geben könnte. Von Räubern überfallen und durch eine Rosenhecke geflohen? Beim Baden von einem Luchs überfallen? Nein, das war alles zu absurd. "Ich hatte ein Techtelmechtel mit einer jungen Dame, die einen recht seltsamen Humor pflegt", blieb er letztendlich weitgehend bei der Wahrheit und lächelte entschuldigend. "Ihr hättet nicht zufällig ein Handtuch oder ein Kleidungsstück, das Ihr mir freundlicherweise ausleihen würdet?"

“Sooo?”, die junge Frau schob verärgert ihre Augenbrauen zusammen. “Ich war im Park und habe niemanden gesehen, geschweige denn es mitbekommen, dass hier jemand … hm …” Cupida seufzte tief. “Ich habe keine Kleidung für Euch und nun geht … bevor ich es mir anders überlege und das der Garde melde. Den Topf könnt Ihr behalten.”

Hardomar rollte entnervt die Augen und bewegte sich langsam in Richtung der Tür, während er den Blumentopf an Ort und Stelle hielt. So langsam war das alles nicht mehr lustig. "Keine Sorge, ich geh ja schon", versuchte er die Gärtnerin zu beschwichtigen. Ihre grimmige Miene bewies ihm, dass mit ihr nicht zu spaßen war. Vermutlich war sein gewinnendes Lächeln, das ihn gewöhnlicherweise - insbesondere bei der Damenwelt - weit brachte, nicht mehr so wirkungsvoll, wenn er nackt, blutverschmiert und vermutlich erbärmlich stinkend in einen Schuppen einbrach. Trotzdem wagte er, gewohnt, dass die Leute seinen Überzeugungsversuchen Gehör schenkten, einen letzten Versuch, ihr Herz zu erweichen. "Bitte, so habt doch Erbarmen… Ich bin Gast beim Junggesellenabschied und muss zu meinem Zimmer in die Burg, um mich anzukleiden. Wollt Ihr mich da nur mit einem Blumentopf bekleidet reinmarschieren lassen?"
Er sah der jungen Frau direkt in die Augen und versuchte so viel Charme, Offenheit und ehrliche Verzweiflung wie möglich in diesen Blick zu legen."Noch nicht mal eine Schürze? Oder einen zweiten Blumentopf für die Hinterseite?" Er musste angesichts der Absurdität dieser Situation selbst ein wenig grinsen. "Könnt ihr mir wenigstens sagen, welche Stunde wir jetzt haben? Hat das Fest schon begonnen?"

“Ich habe keine Schürze”, folgte die schroffe Antwort auf seine Fragen auf dem Fuß. “Und wenn dann würde sie Euch nicht passen.” Cupida blickte kurz hin zur Tür und Hardomar verstand den Wink, dass er nun wohl wirklich bald aufbrechen sollte. “Wenn Ihr wirklich der seid, der Ihr behauptet zu sein, dann werdet Ihr hier irgendwo eine Unterkunft haben in der Ihr Euch ankleiden könnt.”

Der Ritter erwog kurz, der Gärtnerin zu erläutern, dass er ein Gästezimmer in der Burg bewohnte, weil seine Schwester Geweihte war, und er da unmöglicherweise nackt hinlaufen konnte, doch ihr weiterhin unfreundliches Gebaren überzeugte ihn, dass es keinen Zweck mehr hatte. Ohne Vorwarnung warf er ihr abrupt den Blumentopf zu, in der Hoffnung, dass sie diesen reflexartig auffangen würde und ihm die Ablenkung einen kleinen Vorsprung geben würde, falls sie doch noch ihr Messer einsetzen oder die Garde rufen wollte. Dann rannte er los, so schnell er konnte, ohne sich noch einmal umzusehen.
Zum Glück waren um diese Zeit nicht mehr allzu viele Leute in der Stadt unterwegs und die Dunkelheit gewährte ihm einen gewissen Schutz. Aus dem Park heraus wandte er sich gleich nach rechts, um nicht direkt über den Marktplatz zu müssen, spurtete am hell erleuchteten, auf einer Anhöhe stehenden Anwesen des Stadtvogts vorbei durch taunasse Gärten und Wiesen, machte einen Hechtsprung über einen Weidezaun, rollte recht agil ab und hetzte weiter. Dass ihm dorniges Gestrüpp auch noch die nackten Beine zerkratzte, war ihm inzwischen egal. ‘Bloss nicht von der Stadtgarde aufgegriffen werden, lieber die Burgwache’, ging ihm hektisch durch den Kopf.
Er passte einen günstigen Moment ab, um die Reichsstraße ungesehen zu überqueren und versteckte sich, als ein Fuhrwerk heranrumpelte, schnell hinter einigen Büschen. Für einen Moment verschnaufte er. ‘Was tue ich hier eigentlich?’ dachte er missmutig. ‘Nackt durch Herzogenfurt rennen… Ich werd mir für Silvagild was ganz besonderes überlegen, um mich zu revanchieren…’ Mit einem grimmigen Lächeln setzte er sich wieder in Bewegung.
Als er hinter Meister Barseloks Taverne entlangschlich, bemerkte ihn eine Gruppe sehr betrunkener Gäste, die ihm lauthals hinterher johlte. Er reagierte nicht darauf und beschleunigte seinen Lauf, auch wenn spitze Steine seine Fußsohlen plagten, er kaum noch Luft in den Lungen hatte und so langsam einfach nicht mehr konnte. ‘Jetzt nur noch der Burgberg’, versuchte er sich zu motivieren und biss die Zähne zusammen, während er den steilen Serpentinenweg hochhetzte. Hier passierte er nur wenige Leute und einen Eselskarren, nahm die überraschten oder erschrockenen Blicke, die in der Dunkelheit auftauchten, nur flüchtig wahr. Für einen Moment machte er sich Hoffnungen, dass der Eingang zur Burg vielleicht unbesetzt sein könnte, doch als er das offen stehende Schweinetor durchquerte, lief er direkt in die Arme zweier Wachleute. Er fluchte, brach fast zusammen, brauchte einige Momente, um wieder zu Atem zu kommen und erklären zu können, wer er war, dann wurde nach etwas Hin und Her nach seiner Tante geschickt. Als die Burgoffizierin in einem eleganten dunkelblauen Abendkleid heranschritt und ihn mit strengem Blick musterte, überwog bei Hardomar bereits die Erleichterung, sich endlich etwas ausruhen zu können, über schlechtem Gewissen und Scham. Matt lächelte er sie an.

***

Coletta war bereits auf dem Weg zum Junggesellenabend der Baronin gewesen, als sie zum Burgtor gerufen wurde. Mit Überraschung musste sie feststellen, dass man ihren Neffen, dem sie heute früh noch ein Pferd für seinen Ausritt ausgeliehen hatte, nackt und in einem erbarmungswürdigen Zustand aufgegriffen hatte. Die Frau - oder vermutlich eher Harpyie! - mit der Hardomar da offenbar zugange gewesen war, musste es ihm wirklich angetan haben, denn selbst jetzt konnte er ein kleines, triumphierendes Lächeln nicht unterdrücken. Coletta seufzte. Ihr Vater Ehrfried wäre alles andere als erfreut, wenn er davon erfahren würde, hatte er doch gehofft, dass Imelda und Hardomar auf den gesellschaftlichen Parkett eine gute Figur abgeben würden.... Nun ja, von ihr würde Vater nichts erfahren. Sie wusste, dass ihre Wachleute bei so etwas halbwegs diskret waren, schließlich drückte sie bei privaten Verfehlungen ihrer Männer und Frauen auch stets großzügig beide Augen zu, solange die Arbeit ordentlich gemacht wurde. Selbst bei Schweinsmanns diversen Eskapaden.
Coletta winkte einen ihrer Leute heran, Hardomar eine Decke zum Überwerfen zu geben und schnitt dessen Versuche, sich zu erklären, mit einer unwirschen Handbewegung ab: “Ich will gar nicht wissen, was du getan hast.” Ohne weitere Umstände ließ sie ihren Neffen auf sein Zimmer bringen, wo er sich - hoffentlich geschwind - ordentlich waschen und ankleiden sollte. “Ach, und ich hoffe doch sehr, dass mein Pferd wieder wohlbehalten im Stall steht”, rief sie ihm noch hinterher. Erst, als er aus ihren Augen war, gestattete sich die Burgoffizierin ein leises, schadenfrohes Grinsen.

Finis.