Tempelgemeinschaft

Sie konnten beobachten wie sich alle langsam und gemächlich auf die Feuerstelle in der Mitte des Lagerplatzes zu bewegten. Der Jongleur sammelte seine Bälle ein und verstaute sie in einem Lederbeutel an seinem Gürtel. Sein Publikum erhob sich träge und auch die Gruppe Halbwüchsiger machte sich –zwar eher gelangweilt als begeistert- daran, sich zu erheben.

Neben dem blubbernden Kessel standen drei hohe Türme hölzerner Schalen und in sechs großen, runden Schüsseln war eine bunte Sammlung mit Rohkost bereitet worden.

Viele der Menschen, die sich nun dort sammelten, trugen lustige, bunte Gewänder, einige hatten Glöckchen an Knie oder Ärmel genäht, so dass ein heiteres Klingeln erscholl, als sie sich daran machten, sich mit den Schalen und Löffeln zu bewaffnen, um die Suppe aus der großen Schöpfkelle hineinzugeben.

Eigentümlicherweise hatte Lares keinen Hunger. Obwohl sich dieser Tag deutlich aufreibender entwickelt hatte als das jedermann erwartete, verspürte er keinerlei Hungergefühl – zu sehr wollte er herausfinden, wer die Anomalie in diesem Hort der Ruhe war. Aus Respekt vor der Gastgeberin nahm er jedoch gemeinsam mit den Anderen am Feuer Platz und versuchte, sich locker und ungezwungen zu geben. Tatsächlich jedoch war er angespannt – und ein klein wenig hatte er Angst, ihre Chance, den Verbrecher zu fassen, geschmälert zu haben. Er würde noch einmal in Ruhe mit Basilissa sprechen müssen – womöglich konnte sie den Täter noch etwas besser beschreiben, wenn man ihr nur einen Moment des Ankommens gönnte. Aber zuerst würde er sich noch einmal mit Tassilo austauschen. Wie meinte er das: Ein Angriff auf das Gemälde würde zu Tsa-Jüngern passen? Er ließ sich also neben dem Geweihten der schönen Göttin nieder. „Tassilo, ihr habt vorher gemeint, das Zerstören des Gemäldes wäre als Tat eines Jüngers der Jungen Göttin passend. Könnt ihr mir diesen Gedanken erklären?“ (Lares)

Tassilo lehnte sich an seinem Platz zurück und beobachtete wie ein Vogel über der Lichtung träge seine Kreise zog. „Du musst verstehen, junger Knappe. So wie sich die Götter voneinander unterscheiden, so unterscheiden sich auch ihre Kirchen. Wo die Kirche der Holden jeden Götterlauf ihr Oberhaupt wählt, wäre der Gleichen in der Praios-Kirche undenkbar. Zu sehr unterscheiden sie sich in Ordnung und Hierarchie. Doch auch die Diener der Götter sind Individuen, jeder für sich ist einzigartig und hat einen ganz persönlichen Weg in den Schoß der Kirche gefunden. Unsere Erfahrungen, unser Lebensweg prägt uns und unser Denken. Doch egal wie unterschiedlich unsere Wege auch sein mögen, so haben sie doch alle etwas Verbindendes – denn ein jeder von uns steht den Idealen und Aspekten seiner Gottheit nahe. Die Unterschiede in der allgemeinen Auslegung unseres Glaubens an unsere Gottheit entsprechen verschiedenen Strömungen, Denkansätze bei denen ein Teil des überwältigend, komplexen Wesens unserer himmlischen Herren herausgestellt wird. Die Kirche der jungen Göttin ist dabei von besonders vielen und zum Teil misstrauisch beäugten Strömungen durchzogen – eine von ihnen sind die Bilderstürmer. Sie sind gegen die Tradition, gegen das althergebrachte, gegen die Bewahrung des Bestehenden. Sie wollen es zerstören und etwas Neues schaffen, egal was dabei mit der bestehenden Ordnung geschieht. Das zerstörte Bild ist dabei eventuell nicht zerstört worden, weil es etwas Spezielles an diesem Gemälde gab. Es könnte sein, dass es zerstört wurde, weil es etwas repräsentiert. Weil es für das Weltbild steht, wie es der Adel verkörpert und das der Baron lebt. Weil es ein Weltbild, eine Lebensweise dokumentiert, die der Täter stellvertretend durch das Bild zu zerstören sucht.“ Wer den ruhig vorgetragenen Worten des Geweihten gefolgt war, konnte diesen leicht entnehmen, dass er ausreichend Zeit darauf verwendet hatte das Wesen der Götter, ihrer Kirchen und Diener zu ergründen. [Tassilo]

Wie konnte man nur solche Vorstellungen hegen, solche Überzeugungen leben? Der Knappe konnte mit so einer offenen Ablehnung gegen die PRAiosgefällige Ordnung nichts anfangen. Und: Warum denn Bilder? Die taten einem ja nun einmal nichts. Sie waren einfach da. „Das verstehe ich nicht. Bilder sind doch farbenfroh, lebendig, voller Schöpfungsgeist. Ist es nicht das, was die junge Göttin verkörpert? Aber natürlich habt ihr Recht. Jeder lebt seinen Glauben unterschiedlich und manchmal…“ er rang um Worte „abwegig. Aber eines erschließt sich mir noch nicht. Wenn ihr sagt, diese Bilderstürmer würden das Zerstören von Bildern als Ausdruck ihres Glaubens betrachten, würde der Täter dann nicht etwa stolz zu seiner Tat stehen? Würde er nicht anstatt sich in einen Umhang zu hüllen und feige davonzulaufen lauthals verkünden, dass er im Namen seiner Göttin diese Untat begangen hat?“ Er sah sich um. Wer würde für so eine Tat in Frage kommen? Und: Wer wäre aus Sicht des kleinen Mädchens Basilissa schon ein „Mann“? (Lares)

Borindarax, der sich mit knurrendem Bauch eine Schüssel Suppe geholt hatte lauschte dem Gespräch vom Götterdiener und Knappen angeregt. Die Speise wollte ihm derweil nicht so recht munden. Gewiss, sie würde seinen Hunger vertreiben, doch es fehlte an Salz und auch an anderen Gewürzen, denn die Kinder Anrgoschs liebten mineralhaltige Nahrung. Darüber hinaus war einfach viel zu viel Grünzeugs darin, vieles davon kannte er nicht einmal. Und so stocherte er irgendwann nur noch lustlos in seiner Schüssel bis er es aufgab.

Nein, da war das Thema von Talisso und Lares bei weitem reizvoller. Von den Bilderstürmern hatte er bereits viel gelesen. Die Ausführungen des Rahja- Geweihten waren sehr treffend wie er zugeben musste. Und auch wenn die gewalttätigen Ausschweifungen der Weltanschauung dieser Tja- Jünger beängstigend erscheinen mochte, so war das, was sie auf so radikale Art und Weise erreichen wollten doch... interessant. Auch er wollte alte Strukturen, alte Denkweisen aufbrechen, jedoch nur innerhalb seines eigenen Volkes. Musste man dafür zerstören? Beschleunigte das einen Wandlungsprozess, oder war Zerstörung ein notwendiges Übel, um ihm überhaupt erst in Gang zu setzen? (Borindarax)

Während sie dort saßen, aßen, sich unterhielten oder ihren Gedanken nachhingen, konnten sie auch das Volk näher in Augenschein nehmen, dass sich nun an dem Suppenkessel traf. Überwiegend schien es sich um Gaukler und fahrendes Volk zu handeln, unter ihnen scheinbar auch einige Familienclans, wenn man die Ähnlichkeit zwischen einigen der Erwachsenen zugrunde legte. Andere hingen ebenso still wie Borax allein ihren Gedanken nach. Eine kleine Gruppe junger Leute, saß eng beieinander und schien unaufhörlich in Dispute verstrickt zu sein. In all diesen Gruppen fanden sich Geweihte verschiedenen Alters, verschiedenen Geschlechts und scheinbar mit unterschiedlichen Vorlieben für Kleidung und Stil, auch einige Novizen und Akuluthen konnten sie erkennen. Zwischen all diesen Menschen und als auffälliger Gegenpart zu der gefräßigen Stille, die sich breit gemacht hatte, sausten lachende und spielende Kinder im Lager hin und her und erfüllten den Ort mit einem dauernden Summen. Basilissa hatte sich nach einigen Momenten und einem leeren Teller Suppe erst scheu, dann immer aufgeweckter einem etwa gleichaltrigen Mädchen angeschlossen und nun tobten sie unbedarft durch das duftende Gras, besorgt beäugt von ihrer Schwester.

Der Diener der Schönen Göttin konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Die Verwirrung des Knappen belustigte ihn ein wenig, schien es doch, dass es ihm an der notwendigen Einsicht mangelte. „Es mag für dich nur ein schönes Bild sein, doch für den Täter zeigt es all das, was er verachtet und zu zerstören trachtet. Was deine andere Frage anbelangt. Sicherlich wirst du es selbst bereits am eigenen Leib erfahren haben, aber mit dem Mut ist das so seine Sache. Den Mut aufzubringen und etwas wie die Ordnung unserer Welt anzugreifen stellt ein schier unüberwindbares Unterfangen dar. Den Mut aufzubringen ein Gemälde zu zerstören, fällt hingegen leicht. Ohne Frage ein scheußliches Unterfangen, lästertet man damit doch zugleich meiner Herrin und ihrer Allweisen Schwester, aber dennoch machbar. Wenn nun das Zerstören dieses Kunstwerkes bereits deinen gesamten Mut bedurfte, könntest du dann noch genügend Mut aufbringen um deine symbolische Tat durch blutige Tatsachen zu untermauern?“ Er ließ Lares einige Augenblicke um weiter darüber nachzudenken. Nichts desto trotz fuhr er unbeirrt fort: „Für mich sind sie nichts als Tagträumer und Pfuscher. Sie sind zu Kurzsichtig um zu verstehen das Zertrümmern und Zerstören keine Lösung sein kann. Sie mögen das Hirngespinst einer Idee haben, aber wissen nicht, wie sie es erreichen sollen. Sie denken, nur weil sie etwas zerstören, würde daraus etwas Besseres entstehen. Als Kaiser Valpo starb führte dies zur Kaiserlosen Zeit, führte zu Chaos und vielen Toten. Die Ordnung ist Göttergeben und schützt uns vor dem Chaos. Bewegt man sich hingegen in der Ordnung, kann man Verbesserungen bewirken, ohne dass an den Grundfesten dieser Ordnung gerüttelt wird. Die Geschichte brachte immer wieder Männer und Frauen hervor die genau dies bewerkstelligten. Wo Hela-Horas das Chaos auf Dere brachte, da brachte Raul der Große die göttliche Ordnung zurück und wo die Priesterkaiser die Gebote der Ordnung überdehnten, da war es Rohal der Weise der sie zurück brachte. Sie brachten nicht zurück was zuvor gewesen war, sie veränderten und verbesserten, was bis dahin Bestand hatte. Zerschlagen kann keine Antwort sein, der Wandel muss aus dem Willen geboren werden und die Herzen aller berühren. Kaiser Reto hatte den Willen um die Herzen der Menschen zu entflammen und riss damit das Reich aus der Lethargie, die Bardo und Cella über sie gebracht hatte.“ [Tassilo]

Während Tassilo sprach nickte Lares immerzu. Der Geweihte hatte ganz eindeutig einen tieferen Einblick in Überzeugungen anderer Menschen als man ihm in Wehrheim, eingegraben in Bücher, jemals hätte beibringen können. „Ihr habt vollkommen Recht: Unser Mann ist kein Mörder. Ich glaube auch nicht, dass diese zwei Delikte in Zusammenhang stehen. Vielleicht hat der eigentliche Täter sich nur die Verwirrung zu Nutze gemacht, die durch die Zerstörung des Bilds entstanden ist – eine Affekttat? Das heißt aber auch: Wir suchen einen insgeheimen Feigling, der aber von seiner Sache überzeugt ist und für seine verqueren Ideale brennt. Meint Ihr nicht auch, dass er sich von selbst entlarven würde, provozierte man ihn nur genug?“ (Lares)

Tassilo blickte den Knappen auf dessen erneute Rückfrage hin an. „Zufall oder Gewollt. Feigling oder nicht. Reizbar oder besonnen. Wir wissen es nicht und werden es erst erfahren, wenn wir die Schuldigen gefunden und entlarvt haben.“ [Tassilo]

Der den beiden Menschen lauschende Zwerg indes war nicht zur Gänze überzeugt von den Worten des Geweihten. Nein, Borindarax konnte den Zielen der Bilderstürmer immer noch etwas Positives abgewinnen. Ja, er sympathisierte schon fast ein wenig mit ihnen. Dies war sicher auch damit begründet, dass der Vogt von Nilsitz ein sehr neugieriges Wesen hatte und Neuem stets aufgeschlossenem gegenüberstand, immerhin zählte er sich zu den Anhängern Simias, zu deren Aspekten auch Erneuerung, sowie der Neubeginn gehörte.

Mord jedoch konnte Borax niemals gutheißen. Dies widersprach allem was die Kirche der Tsa lehrte. Drum war es nun an ihm Lares beizupflichten. "Ich bin eurer Meinung junger Herr. Bilderstürmer und Mord, egal ob geplant oder im Affekt, das passt nicht zusammen. Zudem ich nicht glaube, dass ein Anhänger der jungen Göttin eine Armbrust benutzen würde. (Borindarax)

Verema interessierte sich gerade nicht für Glaubensdiskussionen. Überhaupt war sie sehr in sich gekehrt und mit eigenen Gedanken beschäftigt. Sie schob das Essen auf ihrem Teller lustlos hin und her. Sie sollte hier weg und ihr Leben ordnen. Davor musste aber ein Attentäter, so er denn hier war, gefunden werden. Träge lies sie den Blick von einem zum anderen schweifen, auf ihre Intuition hoffend. Vielleicht fiel ihr ja zufällig etwas auf, was nicht in die Gesellschaft passte. (Verema)

Doch es schien niemand fehl am Platz zu sein. Alle schienen sich zu kennen, zu respektieren und niemande m gegenüber konnte man Misstrauen, Missgunst oder Vorbehalte erkennen.

Bis plötzlich einige Menschen stockten und interessiert und überrascht in eine Richtung blickten; „Sie ist wunderschön,“ raunte ein heranwachsender Junge mit leuchtenden Augen und alle drehten die Köpfe in seine Blickrichtung. „Hey ihr sucht doch nach Leuten, die noch niemals hier waren?“ fragte eine junge Frau frech: „Diese dort, die kennt keiner von uns.“ Sie deutete auf einen großen, schlanken Mann, der bei jedem Schritt ein feines Klingeln um seine Hosenbeine erzeugte und er führte Maeve an der Hand. Alveranische Schönheit strahlte sie aus. Sie schritt mit Gilli an den Topf und ließ sich dann mit einem Suppenteller neben Prianna und Gilli ins Gras gleiten.

Die Anwesenheit von Gelindio inmitten der vielen fremden Gesichter war für Maeve versöhnlich und so schenkte sie den Neugierigen und besonders den Kindern ein flüchtiges Lächeln bevor sie sich mit Heißhunger über das Essen hermachte: Einige kurze Augenblicke löffelte sie hungrig und selbstvergessen die Suppe, bevor sie wieder aufblickte. Ihr Blick fiel auf die nun wohl wiedergefundene Basilissa, die scheinbar ungezwungen mit dem anderen Mädchen herumtollte und doch das Geschehene zu verdrängen suchte. Auch Prianna ließ die Jüngere nicht aus den Augen – ihr Blick flackerte unruhig und noch immer besorgt immer wieder zu Basilissa hinüber.

Daneben schien die Almadanerin, die zur Gruppe der Verfolger gehört hatte, eher mit sich selbst beschäftigt. Von den anderen, früheren Begleitern aus dem Schloss drang Gemurmel herüber, da sie alle bereits mit dem Essen fertig waren. Der junge Mann, der sie selbst heute gerettet hatte, nickte verständig zum ernsten und gefassten Tassilo.

Maeves Blick schweifte über die anderen Anwesenden: die meisten waren satt und glücklich. Doch es gab auch Ausnahmen – in einer Hochschwangeren vereinten sich Freude und Sorge. Einige der Versammelten disputierten getrieben von gedämpfter Wut, aber auch Zweifel, Neugier und Scham. [Maeve]

Allmählich leerten sich die letzten Teller, und ein junger, blondgelockter Mann und ein ebenso blutjunges Mädchen mit feurig lodernden, braun-grünen Augen füllten eine Wanne mit dem schmutzigen Geschirr und trugen sie fort. Neckische Kommentare wurden ihnen hinterhergerufen, da wohl jeden der Verdacht beschlich, dass dieser Spültrupp länger als üblich brauchen würde. Langsam zog die abendliche Kühle auf, denn die letzten Sonnenstrahlen kitzelten nur noch sacht die Ränder der Lichtung und die Menschen wurden näher ans Feuer geführt. Die Kinder huschten gähnend zu ihren Eltern und auch Basilissa machte es sich auf dem Schoß ihrer ältesten Schwester gemütlich.

„Vater, geht es doch gut?“ fragte sie scheu. Dem Gedanken, den sie den ganzen Tag verdrängt hatte, musste sie nun folgen: „Und er wird wieder ganz gesund?“ (Basilissa)

Diese nickte vorsichtig: „Ich denke schon.“ Die Anspannung entwich dem kleinen Körper und sie kuschelte sich tiefer in Priannas Schoss. „Das ist gut.“ Murmelte sie. (Prianna)

Ise wandte sich derweil an die Gäste: „Ich möchte euch zu nichts nötigen, doch … das Licht schwindet und das bedeutet, dass der Weg zurück gefährlich wird. Wenn ihr möchtet, schaffen wir ein wenig Platz, so dass ihr hier übernachten könnt. Wir könnten eine Nachricht ins Schloss senden, damit niemand in Sorge ist.“

Der Magus, welcher sich merklich zurückgehalten hatte, seitdem sie die ersten Worte mit Ise gewechselt hatten, seufzte theatralisch und verdrehte die Augen bei dieser Aussicht. „Am Ende ist es uns doch noch allen vergönnt auf dem ach so weichen, moosüberwachsenem Grund der Wiese zu nächtigen“, ließ er es da mit eindeutigem Unterton vernehmen. (Rhys)

Insgeheim bezweifelte Tassilo, dass man sie im Bunten Schloss tatsächlich vermissen würde, aber sicherlich wäre es besser, wenn sie dort Bescheid geben würden. „Wir wollen euren Leuten nicht unnötigen Gefahren aussetzen, sofern es keine zu große Gefahr darstellt – wäre es allerdings sehr freundlich, wenn ihr von unserem sicheren Verbleib berichten könntet.“

Dass sie hier am richtigen Ort waren, davon war der Geweihte inzwischen überzeugt. Ein Bursche, ein Knappe in seinem Alter würde schon bald mit der Schwertleite rechnen können, hatte sein Misstrauen geweckt. Schuldgefühle schienen ihn zu plagen, Zweifel die im rechten Maß geschürt die Wahrheit offenbaren könnten. So wandte er sich grade laut genug sprechend, dass der Bursche ihn hören könnte, dennoch einfühlsam und ruhig das Wort an Ise: „Ihr müsst verstehen, ein Bolzen hatte den Baron getroffen und schwer verwundet. Der gütigen Herrin Peraine sei es gedankt das Golgari ihn nicht über das Nimmermeer trug, während das Geschick dieses Magus…“ Beiläufig verwies er auf den Hlûtharswachter Hofmagier. „… ihn vor bleibenden Schäden bewahrte.“ Bei seinen Worten beobachtete er den Burschen weiterhin unauffällig, er wollte sehen wie weit er ihn reizen musste. (Tassilo)

Auch Baldos hatte eine verdächtige Person ausmachen können, war sich allerdings noch nicht sicher. Am liebsten wäre es ihm, wenn Tassilo noch ein wenig mehr über die Bilderstürmer herziehen würde. Allerdings schien der Geweihte vorerst etwas anderes im Schilde zu führen, aber sobald er seine Ausführungen beendet hatte, würde er ihn nochmals wegen dieser Gruppe ansprechen. [Baldos]

Ise schnappte überrascht nach Atem, während für die Gruppe, die alle interessiert beobachteten, diese Information nicht neu zu sein schien. Abneigung zeigte sich auf den Zügen der jungen Leute, Abneigung und bei einigen auch eine große Portion Scham.

Borax war unterdessen aufgestanden und kurz in die Büsche verschwunden, um sich zu erleichtern. Als er wiederkam, setzte er sich etwas abseits der Gefährten nieder und begann gemütlich seine Pfeife zu stopfen. Dabei beobachtete und belauschte er eine verdächtige Unterhaltung, in welcher es wohl um Schuld und daraus möglicherweise erwachsende Konsequenzen gehen mochte.

Da der Zwerg nicht wusste, wie er seine Gefährten unauffällig auf diese Geschehnisse aufmerksam machen konnte, ohne den schamvoll dreinblickenden Jungen und die rebellisch anmutende Frau aufzuschrecken, prägte er sich ihre Gesichter zunächst einmal sorgsam ein. (Borindarax)

Verema gesellte sich zu dem Zwerg. Sie setzte sich etwas näher zu ihm, als es die Etikette wohl erlaubte und sprach ihn in gebrochenen Rogolan an. Man merkte, dass sie durchaus die Sprache beherrschte, es ihr jedoch an praktischer Übung fehlte. "Borax", sie flüsterte fast und stocherte in ihrem Gemüsebrei. „Dort , da drüben, ist dir das aufgefallen? Mit denen... den äh Menschen , äh, dem Kerl stimmt was nicht." (Verema)

Der Zwerg war kurz Überrascht, dass Verema ihn in seiner Zunge ansprach und blickte sie irritiert an. Der Moment währte jedoch nicht lange, dann nickte er und grummelte einen Laut, welchen sie als Zustimmung interpretierte.

Nach drei weiteren Zügen und ausgestoßenen Rauchschwaden blickte er wieder unauffällig zu den beiden Menschen, die er im Auge hatte. Dabei raunte Borax beiläufig mit dem Mundstück der Pfeife im Mundwinkel, „es scheinen mehrere darin verwickelt zu sein. Ich möchte das seine Gnaden darüber entscheidet wie wir vorgehen. Möglicherweise hat er recht und wir haben es mit Geweihten zu tun.“ (Borindarax)

Sie wurde etwas rot. "Mir fehlt die Übung und Ihr dürft nicht so schnell reden. Es schien mir so am sichersten." Sie betrachtete scheinbar enorm interessiert den Inhalt ihrer Schüssel, während sie zuhörte. "Dann machen wir das so. Ich bin mit dem Bogen durchaus gut und auch ohne Waffen, aber ich kann jetzt nicht kämpfen." Sie senkte ihren Blick an der Schüssel vorbei auf ihren schlanken Bauch "Und mir fehlt die Erfahrung. Geht Ihr zu ihm ?" (Verema)

Wiederum war Borax leicht verwirrt, diesmal jedoch nicht aufgrund des stockenden Rogolan, sondern wegen der Erwähnung ihrer Kampffähigkeiten und der in seinen Augen wenig Sinn ergebenden Bemerkung im Anschluss. Borindarax schob diese Überlegungen im Geiste schnell beiseite, hoffte er doch inständig, dass es dazu nicht kommen würde. Mit Zwergenschlägel und Armbrust mochte er zwar verhältnismäßig gut umgehen können, aber mit den bloßen Fäusten war er nach Dwaroschs Aussage immer noch ein blutiger Anfänger. Sein Freund und Ausbilder mochte zwar hart urteilen, um ihn sich nicht überschätzen zu lassen, doch wollte er es nicht drauf ankommen lassen.

Trotz alledem nickte Borax kaum merklich auf die Frage der Rittmeisterin hin. „Habt ein Auge auf den jungen Burschen und die Frau bei ihm“, sprach er leise zu ihr, als er sich erhob. „Ich rede mit unserem Kleriker.“

Schlendernd und gemütlich die Pfeife rauchend überbrückte Borax dann die Distanz zu den restlichen Gefährten. Borax trat an Tassilo heran und lauschte der laufenden Unterhaltung. Erst als der Geweihte sich ihm zuwandte ergriff der Angroschim das Wort. „Eure Gnaden, auf ein Wort unter vier Augen.“ (Borindarax)

Die Unterbrechung durch den Zwerg missfiel dem jungen Ritter, hatte er doch beabsichtigt den nächsten sich bietenden Augenblick zu nutzen, um seine Ehrwürden auf das Mädchen aufmerksam machen wollen. Nun aber musste er weiterhin abwarten, wollte er nicht alles durch unüberlegtes und überstürztes Handeln vermasseln. (Baldos)

Und auch Tassilo war etwas überrascht über die Bitte des Vogtes. Bevor er jedoch auf dessen Anfrage einging musste er seinen Plan noch ein klein wenig weitertreiben. „Nicht wahr, furchtbar so etwas! Ich frage mich wie ein Mensch zu derart niederträchtigen und feigen Taten fähig sein kann … doch entschuldigt mich, ich befürchte ich werde für einen Moment an anderer Stelle gebraucht.“ Entschuldigend lächelte er Ise, während er bereits im Aufstehen auf Rogolan fragte: „Wo brennt es denn?“ [Tassilo]

Borax führte Tasillo etwas abseits der versammelten Menschen und berichtete dem Geweihten in verhaltenem Ton, denn das Gesagte war nur für dessen Ohren bestimmt, von seinen Beobachtungen und von dem was er belauscht hatte. Dabei achtete er bedacht darauf, dass er niemals direkt in die Richtung der beiden von ihm Verdächtigten sah, sondern Tasillo beschrieb wo sie sich befanden und wie sie aussahen, damit er sich ein Bild machen konnte.

Als der Vogt von Nilsitz geendet hatte, zog er genüsslich an der Pfeife, musste aber noch etwas anfügen. “Ich wollte Euch bitten unser Vorgehen zu bestimmen Euer Gnaden. Warum? Nun, ich möchte wetten”, Borax grinste schief, “ihr besitzt mehr… Fingerspitzengefühl als ich und verfügt darüber hinaus auch über kirchliche Autorität, falls wir es tatsächlich mit Anhängern der jungen Göttin zu tun haben.” (Borindarax)

Aufmerksam hatte der Göttinnendiener den Worten des Vogtes gelauscht und sich ohne größere Probleme vorstellen können, wen dieser mit seinen Verdächtigungen meinte. Ebenso leise wie Borax, antwortete er nach einer kurzen Bedenkzeit auf dessen Frage: „Der Bursche ist auch mir bereits aufgefallen, tatsächlich war ich soeben dabei auszuloten wie weit ich ihn reizen muss, bis es aus ihm herausplatzt.“ Ein schelmisches Lächeln huschte über seine Lippen, nur für einen Augenblick, so dass sich Borax fragte, ob er es tatsächlich gesehen hatte. „Es widerstrebt mir die Aura dieses Ortes zu stören, diese überwältigende Friedfertigkeit die einen dran hindert mit zornigen Gedanken das Tal überhaupt zu betreten.“ Die Magie dieses Ortes hatte nicht nur den Vogt dazu bewegt seine Waffe zurückzulassen. Diese Magie war es, die inneren Frieden, Ausgeglichenheit brachte und die junge Maeve geistig entrückt hatte. „Ich möchte, dass sie sich selbst offenbaren, dafür müssen wir ihnen jedoch ihren Irrweg vor Augen führen. Weder in der Kunst noch im Leben gebären Zerstörung und Verwüstung das erträumte Neue. Ein Bildhauer meißelt Schlag für Schlag seine Schöpfung aus dem Fels, während ein Maler Strich für Strich sein Werk ergänzt und vervollkommnet. Wir werden uns als Künstler der Wahrheit versuchen und mit verbalen Stich, für Stich sie zur Offenbarung zu reizen.“ [Tassilo]

Beide Augenbrauen des Vogtes wanderten nach oben, dazu nickte er sachte und nahm die Pfeife aus dem Mund, welches ein schelmisches Lächeln zeigte. „Ich wusste, ihr würdet wissen was zu tun ist und ich brenne darauf zu hören, mit welchem Worten ihr den Burschen aus der Reserve locken werdet. Eine kostenlose Lehrstunde menschlicher Verhaltensweisen, ich kann diesem Ausflug immer mehr abgewinnen.“ (Borindarax)

„Lasst Euch überraschen und spielt einfach mit.“ War alles was Tassilo darauf erwiderte, eh er sich zurück zu den anderen begab. (Tassilo)

Sobald Tassilo sich gesetzt hatte, fragte ihn Baldos leise ob alles in Ordnung wäre, noch immer unsicher wie sich diese Situation entwickeln würde und besorgt wegen dem von ihn verdächtigten Mädchen. (Baldos)

Doch der Geweihte tat die Sorge bewusst unbesorgt ab und antworte versehentlich etwas zu laut. Was er dabei tat, tat ihm fast schon ein wenig Leid, musste er dem armen Borax doch für sein Vorgehen einspannen. Entsprach er von den hier Versammelten doch am ehesten dem Feindbild der Angreifer. Ein Vogt im Rang eines Barons und ein Zwerg dazu, ein Zwerg der die Herrschaftsform und den allgemeinen Zustand weit über die Lebensdauer eines Menschen hinaus zementieren würde. „Nein, nein nichts schlimmes. Seine Hochgeboren wollte mir nur Kund tun wie wenig Verständnis er für derart kleingeistiges Handeln übrig hat.“ (Tassilo)

Bedächtig nickend blickte der junge Ritter daraufhin zum Vogt von Nilsitz hinüber. Auch er kannte den Geweihten erst seit kurzem, wusste also nicht wie er für gewöhnlich dachte oder handelte. Sein Gefühl sagte ihm jedoch das er an dieser Stelle mitspielen sollte, denn offensichtlich führten die beiden etwas im Schilde. „Kein Wunder die Zwerge hocken ja auch wie Glucken auf ihren Traditionen, wie der Drachen auf seinem Hort. Vermutlich kochen sie auch noch immer nach den Rezepten von vor 5.000 Götterläufen.“ Gab nun auch Baldos, versehentlich, etwas zu laut in sich gebrummt zurück. (Baldos)

‚Gut.‘ Dachte sich Tassilo, als er merkte dass sein Geleit schnell genug schaltete und das Spiel mitbetrieb. Jetzt mussten nur Borax und die anderen mit einsteigen. [Tassilo]

Auch wenn der junge Angroschim etwas brauchte, um die angestrebte Taktik des Geweihten zu erfassen, so reagierte er dann doch geistesgegenwärtig, als er sie durchschaut hatte.

Mit mahlenden Wangenknochen und leicht rotem Kopf drehte er sich zu dem Rahja-Diener und dem Ritter um und sprach nicht ohne unterschwelligen Zorn.

“Glucken? Das habe ich gehört hoher Herr!” Sprach der Vogt voller Empörung. “Ihr irrt, wenn ihr meines Volkes spottet. Traditionen sind das, worauf jede Gesellschaft baut, sie sind das Fundament für Recht und Ordnung. Man kann es leugnen, doch das ändert nichts an den unbestreitbaren Tatsachen.”

Die Argumentation, nein, die seelenlosen Reden der Traditionalisten seines Volkes war ihm nur zu vertraut, so dass er sie spielerisch wiedergeben konnte, um seine Rolle zu spielen, auch wenn sie ganz und gar nicht seiner Geisteshaltung entsprachen. (Borindarax)

Folgsam war Verema sitzen geblieben, nachdem sich der Zwerg entfernt hatte. Ihre Blicke schweiften ab, immer mal wieder zu den verdächtigen Leuten, jedoch empfand sie diese Tätigkeit bald als äußerst öde. Sie sah umher, bis sie den netten Zwerg im Gespräch gefunden hatte. War es nicht der gewesen, der so unglücklich auf seinem Pony gesessen hatte? Es kam ihr so lange vor, seit sie hier angekommen war... Doch was trieben die da eigentlich? Stritten sie? Sollte sie weiter abgestellt rumsitzen und beobachten? Wahrscheinlich. Allerdings streckte sie ihre steifen Glieder und beobachtete nun nicht nur die verdächtigen Personen, sondern auch ihre Gefährten. (Verema)

Diese hatten sich alle mehr oder weniger eng um Ise auf dem Rasen niedergelassen. Rhys saß neben Prianna, auf deren Schoß sich Basilissa mittlerweile müde anlehnte. Neben den beiden hatten sich Maeve und ein bunt gekleideter Gaukler niedergelassen. Die Baroness schien der jungen Priesterin zu erläutern, was sie bisher in Erfahrung gebracht hatten. Ise lauschte scheinbar sowohl den Worten Priannas als auch der Inszenierung Tassilos, wenngleich ihre Augen fest auf eine Person gerichtet waren. Genau auf den Jungen, der auch ihr verdächtig vorkam.

Derweil konnte es sich auch Lares in keinem Fall verkneifen, ein solches Spiel mitzuspielen – hatte er doch selbst ein solches angeregt. „Da sprach er wieder, der Geweihte der schönen Göttin. Typisch immer für diese verweichlichten Gottheiten!“ Innerlich richtete er ein Stoßgebet an die Herrin RAHja, man möge ihr diesen Frevel vergeben. „Kleingeistig nennt ihr das? Das ist viel zu kurz gegriffen. Solche Taten freveln dem Herrn PRAios, sie graben an der Grundfeste unserer gottgegebenen Ordnung. Vogt Borax hat völlig Recht. Tradition und Ehrfurcht vor althergebrachten Riten ist die einzige Sicherheit, die uns auf Dere gegeben ist!“ (Lares)

Der, dem der Knappe beigepflichtet hatte, stemmte trotzig die Hände in die Hüften und zeigte ein nicht wenig arrogantes Nicken. „Recht hat er!“ (Borindarax)

Empörtes Schnauben drang an die Ohren der Gäste. Doch es erklang aus gänzlich anderer Richtung. Und in dem Moment wurden sie gewahr, dass sich ihre provozierende Weltsicht wohl unter der Anhängerschaft der jungen Göttin keiner sonderlich großen Beliebtheit erfreute. Denn auch andere schüttelten nun die Köpfe.

„Ihr redet großen Unsinn“, sprach sie eine junge Frau an, die sich ihnen gegenüber auf den Boden niedergelassen hatte. Sie hielt einen riesigen Bauch vor sich fest, und die fortgeschrittene Schwangerschaft hatte ihre Wangen bereits rund und rot gemacht. „Für euresgleichen mag es gelten, dass die Regeln des Herrn Praios Sicherheit gewähren. Doch für uns verhält es sich nicht so.“

„Genau.“ Pflichtete ihr jemand von der anderen Seite des Feuers bei: „für euch, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, mag die Tradition und das Recht alles sein. Doch fast jeden hier hat nur eines unser Leben hochgehalten: Der Mut Neues zu beschreiten.“

Ein „Nichts für ungut.“ Wurde von der tiefen Stimme noch etwas versöhnlicher nachgeschoben.

„Uuunsinn?“ Die Gesichtsfarbe des Vogtes nahm eine rötliche Färbung an. „Die Gesetze der Götter gelten für jedermann, auch für jeden einzelnen von euch“, entgegnete Borindarax denen mit Nachdruck, die Einwände gegen seine Argumentation vorgebracht hatten. „Das heißt vor allem, dass jegliche Art von Gewalt und Rebellion gegen die göttergegebene Ordnung nicht zu tolerieren und mit eiserner Hand zu strafen ist. Vergesst das nie.“ (Borindarax)

Gerade begann Verema, sich etwas zu langweilen, da das Objekt ihrer Beobachtung, der verdächtige Junge immer bleicher, grünlich und beeilte sich, ins Gebüsch zu verschwinden, dass er sich dort erbrach, konnte die junge Frau sowohl hören als auch riechen. Sie musste husten und es schien ihr nun selbst den Magen umzudrehen. "

Das ist ja ekelhaft! Borax ?!"" brachte sie noch hervor, dann lief sie ebenfalls würgend zu dem Gebüsch, hinter dem der Junge verschwunden war. Gut, nicht die beste Entscheidung, aber es war der Sichtschutz, der am nächsten lag. (Verema)

Irritiert blickte der Zwerg in Richtung der Rittmeisterin bzw. dorthin wo der Busch stand hinter dem sie so eiligst verschwunden war. Mit einer klar erkennbaren Frage auf der Miene blickte er zu ihren Kameraden. (Borindarax)

Mit einem leichten Nicken in Richtung seines Begleiters, forderte er diesen dazu auf nach den beiden durch Übelkeit geplagten nachzugehen. (Tassilo)

Ritter Baldos nahm den Wink sogleich auf und verabschiedete sich mit den Worten: „Ich schaue mal, ob ich etwas für die Beiden tun kann.“ (Baldos)

Die Anspielung auf seinen besagten goldenen Löffel nahm Tassilo hingegen nicht auf, es ging niemanden etwas an, wie seine Kindheit ausgesehen hatte. Es ging niemanden etwas an, dass er seit frühster Kindheit in der Obhut seiner Glaubensbrüder und -schwestern verbracht hatte, weil er von schlimmen Paniktattacken geplagt wurde und eine fürchterliche Angst vor den in schwarz gewandeten Boron-Geweihten gehabt hatte. (Tassilo)

Eine weitere Stimme drang nun vom Feuer direkt zu Tassilo herüber: „Würdet ihr auch in einem Phextempel Lüge und Verhandlungsgeschick herabsetzen? Wie könnt ihr uns vorwerfen, die Götter zu missachten, während ihr in ihrem Tempel steht und die Werte unserer Göttin schmäht?“

Ihr kleines Schauspiel war genauso aufgenommen worden, wie es der Geweihte der Schönen vorgehabt hatte. Nur hatten sie nicht nur seine Ziele erreicht, sondern auch die anderen Tsaanhänger gegen sich aufgebracht: Denn sie hatten deren Göttin und Lebensweise herabgesetzt und mit der kleinen Inszenierung offensichtlich verärgert oder vielleicht eher - gekränkt.

Gili beugte sich zu Maeve hinüber und flüsterte: "Meine Schöne. Diese Gruppe dort, die deine Gefährten verdächtigt, sie hegen einen großen Groll gegen die Künste, das weiß ich. Sie ... haben schon öfters ..." er stockte, als müsse er sich überwinden weiterzureden. „Verzeih mir, meine Schöne, ich möchte nicht illoyal oder unredlich erscheinen. Doch diese Kinder dort, sie sind jung und unbedarft. Sie glauben an die große Veränderung...“

Eigentlich hätte er es sich denken können, immerhin waren die Kinder der Tsa nicht unbedingt für ihre Langatmigkeit bekannt. Wie sollten sie da die Differenzierung vornehmen, die er hier versuchte hervorzuheben? Tief und augenscheinlich resigniert ausatmend schüttelte der Diener der Schönen Göttin das Haupt. Enttäuschung, ob über dieses Missverständnis oder die auf dem Schloss begangenen Schandtaten, zeichnete sich auf seinem schönen Antlitz ab.

„Ihr missversteht mich! Nie würde ich einem der Himmlischen in seinen eigenen Hallen mit lästerlichen Äußerungen freveln. Denn es ist nicht der Glauben an die Junge Göttin gegen den ich meine Vorbehalte hege, es sind die Mittel der Bilderstürmer an denen ich mich errege.

Sind Zerstörung und Mord Mittel, die die Geberin des Lebens gutheißt?

Ist Gewalt gegen andere Lebewesen, wider ihr Heim, ihr Schaffen und das von ihnen gewählte Leben etwas das der Geberin des Neuen wohlgefällig ist?

Eure und die meine Göttin haben etwas gemein, sie lieben die Menschen, wollen das sie sich entfalten und entwickeln. Und wisst ihr was sie noch gemein haben? Sie sind friedfertig und lieben das Leben! Das Leben, nicht den Tod! Das Schaffen, nicht das Zerstören!“

Seine Worte waren ihm sehr ernst, denn wenn die Bewohner dieses Tals behaupteten, Tsa zu dienen, sollten sie die Wahrheit darin erkennen. Zerstörung konnte keine Lösung sein.

„Das Leben ist wie ein Gemälde. Jedes Wort, jede Tat und jede Handlung, die wir begehen, sind ein weiterer Pinselstrich auf der Leinwand unseres Lebens. Wir zerstören es nicht, nur weil uns nicht gefällt was wir sehen. Denn das wäre ein Frevel an der Jungen Göttin. Wir verändern es, durch neue Taten, neue Pinselstriche. In meinen Augen ist das, das Leben wie es unser beider Göttinnen es für uns wünschen.“ Seine leidenschaftliche Stimme wurde düster, als er anschließend fortfuhr.

„In meinen Augen preisen die Bilderstürmer nicht das Sein, wie es der gütigen und lebensbejahenden Tsa wohlgefällig wäre. Sie zerstören es! Soweit ich weiß, stehe ich mit dieser Meinung auch nicht alleine da. Denn selbst in eurer Kirche steht man dieser Strömung, dieser Interpretation des Tsa-Glaubens bestenfalls skeptisch gegenüber.“ [Tassilo]

In der kurzen Stille nach der leidenschaftliche Rede beeilte sich Gili, mit seinem von Tassilo unterbrochenen Einwurf leise fortzufahren: "… Sie glauben fest daran, im Recht zu sein. Und sie .. zerstören Kunst. Um anderen die Veränderung aufzuzwingen, an die sie glauben. Sie wissen noch nicht, wie schmerzhaft eine Veränderung sein kann. Und dass sie nur dann gänzlich gelingen kann, wenn sie aus dem Inneren kommt… Doch... nie im Leben kann ich glauben, dass sie etwas mit einem Attentat zu tun haben. Sie würden niemals Leben nehmen. Einige von ihnen sind schon geweiht, andere noch Novizen oder Akuluthen. Sie sind radikal - ja. Doch ... nicht so, dass sie das Heiligste zerstören würden, das uns Tsa geschenkt hat." [Catrin]

Während sich Maeve noch sammelte und die vielen Worte von Tassilo und Gelindio versuchte, zu verstehen, (Maeve)

erklang erneut die Stimme der Schwangeren, die behutsam ihren Leib streichelte. „Euch ist das Wesen Tsas zu fern, euer Gnaden. - Ihr sagt, das Leben sei eine Leinwand, die immer weiter bemalt werden muss.

Doch warum? Kann ich nicht irgendwann entscheiden, dass ich lieber ein Lied wäre, das in den Ohren der anderen fortklingt, auch wenn ich längst nicht mehr auf Dere weile? Ein Lied, dass sich stets wandelt, das stets in anderem Klang erschallt? Ja, warum nicht das Gemälde einreißen und ein Lied werden? Nichts schiene mir tsagefälliger.“

Zärtlichkeit breitete sich auf Gelindios Mine aus, wieder beugte er sich zu Maeve hinüber und flüsterte stolz: „Das, meine Schöne, ist meine Schwester.“

Sie ist schön…“, flüsterte Maeve schlicht. (Maeve)

An dieser Stelle begann Borindarax den Kopf zu schütteln. Die Frau redete sich um Kopf und Kragen. Doch er schwieg, denn für ihn gebührte dem Geweihten der schönen Göttin das Recht auf eine entsprechende Antwort. (Borindarax)

Lares war nicht derselben Ansicht wie Borax. Tassilo war darauf bedacht, Verständnis zu artikulieren – vollkommen zu Recht.

Doch mit zu viel Verständnis wäre die Provokation passé und ihr Plan würde nicht aufgehen. Zugewandtheit und Härte mussten sich die Waage halten. Also musste er den hartherzigen Criminalcommissar mimen.

„Und wann soll die Zerstörung enden? Wenn ihr alles eingerissen und aufgelöst habt? Auch ein Lied hat eine Form. Es folgt gewissen Regeln – denen der Harmonie. Ein Bild ohne Rahmen ist nur ein Stück Pergament mit Farbe. Ein Lied ohne Regeln ist nur disharmonischer Krach! Als schepperndes Geschirr wollt ihr doch nicht in Erinnerung bleiben. Das Chaos ist keine Freude der jungen Göttin, sondern ihrer schrecklichen Widersacherin!“ (Lares)

Angewidert von solchen hochspurigen Reden schüttelte Rhys nur den Kopf.

„Als wenn es die Götter großartig scheren würde, was hier unten bei uns passiert“, warf er energisch ein. „Wer von euch hat all das Grauen gesehen, welches ihre Widersachern im Osten angerichtet haben und welches dort immer noch präsent ist?“ Er sah sich um und ließ die Frage kurz in der Luft hängen.

„Ich habe es gesehen und was haben SIE dagegen getan?

Beruft euch in moralischen Disputen nicht auf die Götter. Seht ihr nicht, wie ihr Kleingeister euch hinter ihren Lehren versteckt. Habt Rückgrat! Beruft euch auf euch selbst. Der Mensch ist die erste moralische Instanz und Mord ist ein Frevel gegen die Menschlichkeit.“ (Rhys)

„Da hört ihr es.“ Sprach die tiefe Männerstimme, die bereits vorhin gesprochen hatte, zu Lares: „Selbst euer Freund findet euer Geschnatter unerträg l –autsch“ Jemand schien ihm einen Knuff versetzt zu haben. „Ist doch wahr… Kommt hierher und versucht UNS zu erklären, wie man Tsa zu verstehen hat.“ Murmelte er wenig reumütig, während Tassilo dem Magus laut erwiderte.

"Ihr habt Recht und zu gleich irrt Ihr. Es mag der Mensch sein, der am Ende die Tat vollbringt. Die Ideale, die Inspiration, die Tendenz jedoch erhalten wir noch immer durch äußere Einflüsse. Andere Menschen, sehr wohl! Aber ist nicht jeder Mensch zugleich durch die Aspekte nicht-derischer Entitäten beeinflusst?

Ich weiß viel zu genau was dort im Rahja vorgefallen ist – ich weiß es, weil ich vielen tapferen Seelen dabei half und noch immer helfe, das dort Erlebte zu verarbeiten. Dort wurde etwas in ihnen zerschlagen, es ist etwas zerbrochen, das nicht brechen sollte - ein Teil ihrer selbst.

Die Götter sind es, die uns die Kraft geben, die mit ihrer Macht auf uns wirken und unsere Wege leiten. Die Götter aber haben mächtige Widersacher, nicht jeder würde das zugeben, aber ja die Herrn der jenseitigen Sphäre verfügen über ähnliche Macht und sie nutzen sie! Auch sie nehmen Einfluss und lenken. Doch dabei verderben sie, zerstören sie in ihrer unersättlichen Gier. Der Mensch ist ein Geschöpf der Götter und alles was ihre Feinde mit der Hilfe der Menschen erreichen, schadet den Menschen. Es verdirbt ihren Kern, ihr Wesen und zieht sie in die Verdammnis. Das Verderben das sie über die Welt bringen, war es, dass etwas in gestandenen Frauen zum Zerbrechen brachte, dass erwachsenen Männer des Nachts dazu bringt, verängstigt zu weinen. Es ist der Mensch, der ausführt, da habt ihr Recht, werter Magus, aber es sind höhere Mächte, die sie dabei ungeahnt oder durch Einflüsterung und Verführung dazu bewegen.

Was im Rahja geschah, ist das tragische Ergebnis der Verführung sehr mächtiger Menschen und die verhängnisvolle Gefolgschaft von noch wesentlich mehr Personen." Es platzte förmlich aus dem Diener der sonst so liebreizenden und friedfertigen Göttin heraus, sodass man den Eindruck bekam, dass Tassilo seine voll Inbrunst gehaltenen Worte für eine Predigt vorbereitet hatte. (Tassilo)

Lange war es her, dass sich Rhys auf eine Diskussion mit einem Geweihten eingelassen hätte. Der Rahjani mochte im Ansatz ja vielleicht sogar recht haben, doch was bedeutete das schon. Nichts.

Das Wirken der Erzdämonen hatte den Magus zu einem anderen Menschen werden lassen. Er war nicht gebrochen, aber er war ernüchtert, sah sein eigenes Leben in einem anderen Kontext und hatte die Götter aus seinem Weltbild weitgehend ausgeklammert. Die Tatsache, das es sie gab, war für Rhys kein ausreichender Grund mehr, sie anzubeten, weniger noch sie als ‘gut’ anzusehen. Über diese simple These konnte er nur noch lachen.

So winkte der Magus ab und beließ es dabei. Sollten die anderen ihr Schauspiel zu Ende führen. (Rhys)

Borindarax hingegen war bei der Sache und lauschte interessiert, hielt sich aber ebenfalls zurück, wusste er doch, dass der Rahja-Geweihte viel treffender zu argumentieren vermochte, weil ihm die Menschen und ihr Weltbild nicht fremd waren wie ihm. Gut, der Vogt war nicht weltfremd, hatte er doch am Hofe des Mogmarog viele Menschen kennengelernt und bereits viele Reisen an der Oberfläche unternommen, doch verstehen tat er sie immer noch nicht zur Gänze, das würde er wohl nie. (Borindarax)

Von einigen erntete der Rahjani zustimmendes Gemurmel, doch so mancher kratzte sich auch den Kopf, andere sahen sich irritiert um. Zwei Frauen und ein Mann erhoben sich kurz nachdem Tassilo geendet hatte, wisperten leise einen Abendgruß und trugen ihre schlafenden oder blinzel nden Kinder in die Zelte. Sommerfrische küsste die Lichtung, auf der es allmählich dunkler wurde. Nicht mehr lange und auch die letzten Geister würden sich zur Ruhe betten müssen.

„Ihr habt Recht“, wandte Ise sich an den fremden Geweihten, „obgleich ich weniger Worte verwendet hätte.“ Ihr Lächeln war ohne Arg, wenngleich Traurigkeit dahinter lag.

Sie drehte sich zu Rhys um und schenkte auch ihm ein warmes Schmunzeln: „Dennoch hat euer schweigsamer Magus nicht unrecht. Es mag zu Entsetzlichem führen, wenn wir dem Klang der Götter in uns nicht mehr folgen, und doch mag es zu noch Entsetzlicherem führen, wenn wir unsere eigenen Begabungen, Ideen und Talente unterdrücken.“

Stöhnend erhob sich die alte Geweihte: „Dort drüben stehen zwei leere Zelte. Mitnichten werden sie aber für euch alle reichen, daher schlage ich vor, dass alle ein wenig zusammenrücken. Es kann durchaus frisch werden in einer Sommernacht im Wald, es ist also nicht ratsam, ohne Zelt zu nächtigen. Ich muss mich nun aber leider zurückziehen. Mein Lebenskreis hat sich fast vollendet, ich brauche mehr Kraft für den Tag als das Jungvolk.“

Und auch Gillis Schwester und einige andere erhoben sich mit Ise, die den großen Aufbruch einzuläuten schien. Die letzten schlafenden Kinder wurden in Arme gehoben und Decken und Geschirr gerafft. Mit leisen Klingeln zogen sich die meisten der Lichtungsbewohner in ihre Zelte zurück. Im Gehen wandte sich Ise noch an die junge Frau, die den Argwohn der Gäste auf sich gezogen hatte. „Yolde, ihr seid doch immer lange auf? Kümmerst du dich bitte darum, dass alle versorgt sind mit Schlafplätzen und Decken.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schlich sie leicht gebeugt in ihr Zelt, während Yolde zustimmend brummte.

Es waren besonders die Magier, die immer wieder am Gefüge Deres zweifelten, dabei waren sie doch gleich von zwei Göttinnen gesegnet worden. Tsa schenkte ihnen das Leben und Hesinde gab ihnen die Magie. Doch was taten sie mit diesen Gaben? Sie verloren sich in hochtrabenden Forschungen und Experimenten und vergaßen dabei ihren Ursprung, vergaßen den Grund wieso man sie mit der Gabe der Magie beschenkte. Sie die neben dem Adel und den Geweihten über Macht verfügten, verleugneten ihre Menschlichkeit. Stattdessen gab es einige unter ihnen die lieber die Finger beim Spiel mit den Niederhöllen verbrannten und Verderben über die Menschen brachten. Lag es daran dass sie über ihre Gabe verfügten, dass sie die Macht und die Bedeutung der Götter herunterspielten, dass sie sich mit ihnen messen wollten anstatt ihren Idealen zu folgen? Vor zwei Dekaden war es ein Magier gewesen der den Menschen gottgleiche Kräfte versprochen hatte, der ihnen eine neue Weltordnung ausmalte. Vor zwei Dekaden war es, dass das Verderben über Tobrien hereingebrochen ist. Die Bilderstürmer wollten einen Neuanfang, aber war ihnen bewusst was das bedeutete? War ihnen bewusst, dass ihre Existenz durch das System gewährleistet wird, dessen Fundamente sie zu untergraben trachteten. Der Adel mit seinen Rittern und Heeren bildeten ein Bollwerk, das sie, das ihn und jeden anderen friedliebenden Menschen schützte. Vor den Ungläubigen im Praios, vor dem Ork im Firun und vor den Dämonenbuhlern im Rahja. Dieses Bollwerk war es, das den Bethanier vor zwei Dekaden unter großen Verlusten an der Trollpforte stoppte, zu geschwächt, um seine Schergen endgültig zurückzuschlagen. Die Ritter und die Heere des Adels waren es, die mit ihrem Blut und ihrem Leben die Fürstkomturei besiegten. Sie waren bereit, ihr Leben, das Geschenk der Jungen Göttin an sie, zu opfern, um unzählige Leben zu retten. Seine eigene Mutter zählte zu eben jenen, sie hatte ihr Leben im Kampf gegeben. Für unzählige Unbekannte und in ihrem speziellen Fall um Nordmark vor einem tödlichen Streich zu bewahren.

Sie wollten einen Neuanfang? Dann sollten sie sich dem Dreischwesternorden anschließen und ins tobrische gehen. Denn da würden sie sehen, was ein Neuanfang bedeuten mochte und inständig zu Praios beten, das seine Ordnung bald in den Landen Einzug halten möge!

Doch all das hielt ihr ihnen im Moment nicht vor, wenn nötig, könnte er dies später noch tun. Stattdessen wartete er bis Yolde vor ihm stand, richtete sich mit seinen fast zwei Schritt auf und blickte zu ihr herunter. Es war nur ein Wort, eine Frage und enthielt dennoch all den Schmerz den ihn der Verlust seiner Mutter beschert hatte, enthielt die Enttäuschung, die die Ziele der Bilderstürmer in ihm hervorriefen, und die Sorge um das Seelenheil jenes Tors, der auf den Baron geschossen hatte. „Warum?“ [Tassilo]

Yoldes skeptischer Blick ruhte nun auf dem Geweihten. Sie stand unmittelbar vor ihm – in einer grauen Hose und in einen ebenso gefärbten Umhang gehüllt. Lediglich ihr Haar, das kupferrot im Feuerschein leuchtete, ein mit Farbmustern in dunklem Grün, Blau und Rot besticktes Hemd, und eine goldene Eidechsenbrosche ließen erahnen, dass sie eine Geweihte der jungen Göttin war. Von Fern noch hatte sie grob gewirkt, doch so dicht vor ihm, konnte der Rahja-Diener sehen, dass ihre Züge ganz im Gegenteil wie fein gemeißelt waren und ihre Haut jung, glatt und rosig glänzte. Alt konnte sie nicht sein, vielleicht zwanzig oder wenig mehr Winter.

Ihre Stimme klang fest und ohne Reue als sie ihm mit weicher, fast sanfter Stimme erwiderte: „Warum, was? Warum ich eine Bilderstürmerin bin? Warum ich nichts gesagt habe, als ihr und eure Gefährten selbstgefällig über unseren Glauben hergezogen seid?“

Kluge Augen forschten im Gesicht des Gegenübers. „Oder, ein anderes Warum?“ Sanft strich sie seinen Arm, wie ein Versprechen wiederzukehren, bevor sie sich in Richtung der Tempelruine abwandte, in die bereits drei ihrer Freunde verschwunden waren.

Die Offenheit Yoldes überraschte Tassilo positiv, auch wenn die Mentalität der Bilderstürmer ihm sehr missfiel. [Tassilo]

Kurze Zeit später kamen alle vier zurück, jeder mit einem Stoß Decken bewaffnet, die sie an die Gäste verteilten.

Der junge Mann, der Lares seine Decke reichte, wandte sich ab und vermied, den Knappen anzusehen. Er mochte kaum jünger sein, als es der Mersinger selbst war.

Seltsam. Irgendwie berührte ihn das. Er würde doch nicht etwa noch Verständnis für diese Verbrecher bekommen. Aber nicht alle hier hatten eine Straftat begangen. Der hagere junge Adlige beugte sich zu dem leicht herunter, um ihm in die Augen sehen zu können. „Danke“, sagte er knapp, aber aufrichtig. (Lares)

Yolde streckte dem Geweihten ihre letzten beiden Decken entgegen. „Nun? Welches Warum möchtet ihr beantwortet haben?“

Dankend nahm dieser die ihm dargebotenen Decken entgegen. „Es ist nicht nur ein Warum, es sind mehrere. Doch möchte ich an dieser Stelle nochmals betonen, das ich nicht den Glauben an die Junge Göttin herabsetzen wollte, ich bin lediglich mit den Mitteln, mit denen die Bilderstürmer einen Wandel herbeiführen wollen, nicht einverstanden.

Ihr macht auf mich nicht den Eindruck von niederer Geburt zu sein, warum habt ihr Euch den Bilderstürmern angeschlossen? Warum kam es zu den Vorkommnissen oben im Schloss? Ich möchte nicht verurteilen, nur verstehen.“ [Tassilo]

Yolde ließ sich mit geschmeidiger Leichtigkeit auf den Boden vor das Feuer gleiten, zog ihren Umhang enger um sich und wartete bis sich Tassillo (und wer sich noch anschliessen mag) neben sie gesetzt hatten.

Dieser breitete zuerst eine der beiden Decken aus und ließ sich erst anschließend nieder. [Tassilo]

Auch Maeve zog Gili mit sich auf die Beine als eine junge Frau - kaum jünger als sie selbst - ihr zwei Decken reichte. Dankbar nahm die Novizin eine Decke entgegen und lud das Mädchen an ihre andere Seite ein. Dann setzte sie sich näher an Yolde heran und legte sich die Decke um die Schultern. Gili folgte ihr, verhielt sich aber eher still, da er neugierig die Szene mit Yolde beobachtete. [Maeve]

„Ihr habt ein gutes Auge und ein geschultes Ohr.“ Plaudernd begann Yolde zu sprechen: „Warum ich mich den Bilderstürmern angeschlossen habe? Nun, es erschien mir richtig. Ise predigt, der Wandel muss immer aus den Menschen selbst entstehen. Aber was, wenn das nicht wahr ist. Was, wenn sie ... nun …etwas wie einen Anstoß brauchen?“ Sie könnte noch mehr sagen, aber schaute sich erst einmal um, wie dieser Punkt Anklang fand.

Der Diener der Schönen Göttin hörte Yolde interessiert zu, ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen und antwortete erst dann. "Einen Anstoß sagt Ihr? Etwa wie wenn die Muse den Künstler küsst und die erlangte Inspiration in seiner Schöpfung verarbeitet? Doch wäre es dann äußerer Einfluss oder hätte es seinen alleinigen Ursprung im Künstler selbst?" Der Philosoph in ihm hatte sichtlich Spaß an diesem Gedankenspiel, sodass er sich nur zu bereitwillig darin erging. [Tassilo]

Neugierig sah die junge Frau sich um, ihr skeptischer Blick streifte auffordernd Maeve, Prianna und Lares. Wie zuvor schien sie von diesen zu erwarten, dass sie widersprachen. Nur die Zwerge bedachte sie mit einem wohlwollenderen Blick - Zumindest den Jüngeren der beiden:

„Vielleicht schließt das eine das andere nicht aus. -- Der Mensch“ fuhr sie fort, während sie Borix und Borax fast entschuldigend ansah: „und vermutlich auch der Zwerg, nehme ich an, hat ein großes Problem: Wir sind verhaftet. An so viele Dinge. Viel zu vielen Dinge. Wir kleben an ihnen. Wir kleben an Besitz. An Traditionen. An Erinnerungen. An Regeln. An Ängsten. Und all diese Dinge behindern uns, uns aus uns selbst heraus dem Wandel hinzugeben, der uns glücklich machen würde. Deshalb liebe ich Kinder so sehr.“

Zärtlich blickte sie auf die friedlich dösende Basilissa. „Sie sind noch nicht von all diesen Dingen im Jetzt gefangen. Sie sind noch frei. Haben Träume und trauen sich diesen zu folgen. Je älter wir werden, desto mehr bleiben wir aber im Heute stehen. Trauen uns nicht weiter. Verharren.

Der Künstler, von dem ihr sprecht. Er schafft aus sich selbst heraus, das Heute zu überwinden. Nennt es Muse, nennt es Mut, oder Neugier. Doch wem Tsa nicht so nahe ist wie ihm, der braucht manchmal einen Stoß. Einen Stoß, um sich zu lösen. Von all den Blockaden.“ Inbrünstig hatte sie gesprochen. Mit Überzeugung. Und ohne jede Scham.

„Diese Veränderung von der ihr sprecht“, sagte Lares langsam. Er wirkte bei weitem nicht mehr so exaggeriert wie zuvor, war jedoch im Innersten deutlich aufgewühlter als er vorher ge spielt hatte. „Wohin soll sie führen? Regeln und Gesetze; ein Rüstzeug und Leitfaden sollen Verbesserungen nicht aufhalten, aber vor Verschlechterung bewahren. Schmeißt man den schützenden Panzer ab bewegt es sich leichter – wer schon einmal eine Rüstung getragen hat, der weiß das nur zu gut. Aber: Man wird offen und verwundbar.

Das ist keine Frage von Angst, sondern von Einsicht. Wer sich alle Optionen offen hält, wird beliebig. Veränderung ist kein Wert für sich, sondern nur eine Veränderung, die Vorteile und Verbesserungen bringt. Um das zu erreichen, braucht man einen Plan, ein Ziel, auf das man hinarbeiten kann. Und das geht nur gemeinsam. Und um etwas gemeinsam erreichen zu können, braucht es Regeln, an die sich alle halten. Wollt Ihr den Menschen vorangehen? Könnt Ihr ihnen eine bessere Zukunft weisen?“ (Lares)

Völlig entgeistert sah Yolde den Knappen an. Es dauerte einen Moment, denn den brauchte sie, um ihre Gedanken zu sammeln. „Ihr missversteht unseren Punkt. Veränderungen sind wichtig. Sie bereichern unser Leben. Aber nicht jede Veränderung bringt uns Vorteile und Verbesserungen, wie ihr es fordert. Manche verlangen uns alles ab, reißen uns in die schlimmsten Tiefen seelischer Qualen, und können dennoch die wertvollsten Erlebnisse unseres Lebens sein.“

*

Etwas abseits des Feuers registrierte Rhys erst nach einer Weile, in der in seinen eigenen, dunklen Gedanken gefangen gewesen war, dass Prianna nachdenklich wirkte und auf ihrer Unterlippe kaute - etwas was sie nur dann tat, wenn sie etwas sehr beschäftigte. So gut kannte er die Baroness mittlerweile. „Was geht in dir vor, worüber denkst du gerade nach?“ Fragte er vorsichtig nach. „Und erzähl mir nicht es sei unbedeutend. Ich sehe dir an, dass es anders ist“, fügte er mit einem wissenden Lächeln an. (Rhys)

Die Baroness sah auf und blickte dem Magus in die Augen. „Dieser Pfeil.“ Sie sah hinab auf ihren Schoß, in dem ihre Schwester friedlich schlummerte: „War nicht für meinen Vater bestimmt.“ Dann schwieg sie, als ob damit alles gesagt wäre. (Prianna)

Rhys Augen zeigten Unverständnis. Er schüttelte irritiert den Kopf, unfähig diese Information sogleich einzuordnen. “Wem galt der Anschlag dann?” Fragte er immer noch irritiert. “Ich wurde ja erst später hinzugezogen, um den Baron durch Madas Gabe von der Schwelle des Todes zu erretten.” (Rhys)

Die junge Frau grinste ihn kurz ironisch an. „Hinzugezogen“ war wohl nicht ganz das richtige Wort. Aber seine forsche, dominante Art war ja genau das, was sie an ihm so schätzte. In vielerlei Hinsicht. Dann senkte sie den Kopf.

„Ich habe mich zwischen sie und diesen Schmierfink gestellt. Immerhin hatte er einen Dolch in der Hand. Obwohl er damit so gezittert hat, dass ich bezweifele, dass er irgendetwas anderes damit hätte schneiden können als sich selbst.“ Dann machte sie eine kleine Pause: „Dann hab ich etwas gehört und mich zur Balustrade gedreht. Dort stand jemand im Schatten, hat auf mich angelegt und…. mir ins Gesicht gesehen und…. die Sehne losgelassen.“ Sie schluckte und strich Basilissa eine Strähne aus dem Gesicht. (Prianna)

Nachdenklich nickte Rhys fast unmerklich. „Meinst du der Schütze wollte seinen Kameraden schützen, oder hatte er es tatsächlich auf deine kleine Schwester abgesehen, was denkst du? Ich meine, von der Balustrade aus hätte er euch auch einfach nur gefahrlos drohen können, so dass ihr seinen Komplizen unten unverrichteter Dinge hättet abziehen lassen müssen.“ (Rhys)

Wie konnte sie dem Magus, der all diese Gräuel in Mendena erleben musste, erklären, wie sie sich fühlte. Bei den Göttern, jemand hatte auf sie geschossen. Jemand hatte sie umbringen wollen. Sie oder ihre Schwester. Aber eher sie. Ihr Gefühl war es, dass der Schütze, sie angeblickt hatte. Und dann sein Geschoß hatte fliegen lassen. Als er sie erkannt hatte. Aber womöglich war das nur Unsinn. Denn warum sollte sie jemand umbringen wollen?

Also schüttelte sie den Kopf und sagte leise, mit untypisch brüchiger Stimme: "Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht." (Prianna)

Wiederum nickte der Magus. Er seufzte und stand auf, wenn auch langsam und immer noch nachdenklich, unschlüssig. „Ich werde sehen was diese Sonderlinge dazu zu sagen haben. Ich kann aber auch kein Motiv erkennen. Es deutet alles auf Affekt hin.“ (Rhys)

Prianna zuckte auf diese Anmerkung mit den Schultern, das alles schien ihr verworren und noch mehr verwirrend zu sein. Den philosophischen Diskussionen hörte sie nur mit einem Ohr zu und ließ die anderen sprechen. (Prianna)

-- Main.CatrinGrunewald - 21 Jul 2020