Postludium Rote Hochzeit

Postludium Rote Hochzeit

Ort: Albenhus
Zeit: Rahja 1041 BF

Personen: Baron LucrannVonRabenstein und Cavalliere Travingo Rizzi.

Eine Briefspielgeschichte von StLinnart und IseWeine.

Inhalt: Der Baron und der Cavlliere erörtern die Hlûtharswachter Hochzeit. Und andere Begebenheiten. (Dokument hängt an).

Postludium Rote Hochzeit

Rahja 1041 BF

Postludium Rote Hochzeit

Hotel Admiral Sanin, Albenhus, Anfang Rahja 1041 BF

Travingo Rizzi tippte mit seinem Zeigefinger auf die edle Tischplatte. Vor ihm stand ein Zinnkelch voll mit Rotwein, auf der anderen Seite des Tisches lugte die Lehne eines unbesetzten Stuhles hervor. Abermals vertröstete der Horasier die Kellnerin mit einem charmanten Lächeln. Nein er wollte noch kein Entrée ordern. Der Blick des Rizzi ging hin zur Tür in den Schankraum und er fixierte das Portal mit einer Intensität als würde er dieses mit Gedankenkraft öffnen wollen. Das abermalige Erscheinen der Maid rief seinen Geist ins Hier und Jetzt zurück. Würde der junge Cavalliere nicht schon den gesamten Abend auf Nadeln sitzen und hätte er seiner hübschen Bedienung mehr Aufmerksamkeit entgegen gebracht, dann wäre die Zeit des Wartens wohl viel schneller verstrichen.

Der Rizzi saß nun schon ein halbes Stundenglas im Gastraum des besten Hauses der Stadt Albenhus. Gekleidet in eine Stehkragen-Weste aus schwarzem Brokat, der mit Silberfäden durchwoben war über einem schwarzen Seidenhemd, konnte sich seine Aufmachung ohne Zweifel sehen lassen. Auch der leichte Bart war sorgsam gekürzt und gepflegt wie immer und sein dunkelbraunes, schulterlang getragenes, lockiges Haar zu einem Zopf gebunden. Seine stahlblauen Augen lagen abermals auf dem Stuhl vis a vis von ihm und seinen Lippen entwich ein leises Seufzen.

Kurz ließ er daraufhin noch einmal die letzten Tage Revue passieren. Alles begann mit dem Wunsch der Domna Verema, die ihn darum bat sie auf eine Hochzeit zu begleiten. Ein Freundschaftsdienst, dem der Cavalliere ohne zu zögern nachgekommen war, doch sollte es nicht irgendeine Hochzeit gewesen sein. Es war die Feier des Barons von Hlûtharswacht, der ihm bei seinem letzten Gespräch zu verstehen gab, dass er ihn nicht mehr in seiner Nähe sehen möchte. Eine Anordnung, die den Horasier nicht überraschend völlig kalt ließ und die er nun schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Monde brach. Der Gedanke, es dem Baron unter die Nase zu reiben, motivierte ihn zusätzlich und so ließ er sich beinahe gar nicht mehr davon abbringen, bei der Hochzeit aufzuschlagen.

Das Fest selbst verlief dann recht ruhig. Erst sprach er sich mit seiner ehemaligen Geliebten Ira von Plötzbogen aus, dann lernte er die Baronsgemahlin von Rabenstein kennen. Eine gebildete Frau, die im Horasreich die Künste der Magie studierte. Alles in allem also ein nettes Fest, auch wenn er lieber länger in der Nähe der Domna geblieben wäre.

Was dann passierte, sollte jedoch alles auf den Kopf stellen. Plötzlich wurden die Festgesellschaft angegriffen und - den Göttern sei es gedankt - konnte er sich während des Angriffes an dem alten Baron von Rabenstein orientieren. Gemeinsam besiegte man unter anderem eine Traviaverfluchte Vampirin und Travingo schaffte es den Tag nur mit einigen kleinen Wunden und Blessuren zu überleben. So schnell das Chaos begann, so bald war es dann auch wieder verschwunden, auch wenn es nicht wenige Opfer zu beklagen gab. Für ihn persönlich jedoch stellte diese "rote Hochzeit" nicht ganz das Fiasko dar, das die Hochzeit Iras einige Monde davor war.

Kurz nach den Kampfhandlungen dann schaffte es der Cavalliere noch einmal kurz an den Rabensteiner Baron heran zu treten. Als Dank für seine Hilfe wollte er ihn eben am heutigen Abend zur Firunsstunde ins Admiral Sanin einladen, um gemeinsam zu reden, zu essen und zu trinken. Travingo hatte im Laufe des heutigen Abends das Zeitgefühl verloren. Deshalb saß er nun, nicht wissend ob er versetzt wurde oder es noch gar nicht Firunsstunde war, im Schankraum und starrte abwechselnd auf die Tür und den lehren Stuhl ihm gegenüber.

Ein Abendessen. Zu zweit. Mit dem Begleiter seiner Geliebten. Der alte Baron schüttelte den Kopf, als er aus der Kutsche stieg, die ihn zum ‚Admiral Sanin’ gebracht hatte. Die Sache war skurril genug, um der Einladung zu folgen. Gar nicht so schlecht hatte sich der blutjunge Liebfelder geschlagen – er war einem Vampir gegenübergetreten und hatte die Sache nahezu unbeschadet überstanden, mehr, als viele andere der Gäste von sich behaupten konnten. Der Rabensteiner würdigte die Bediensteten, die ihm eilfertig die Tür aufhielten, anscheinend keines Blickes und steuerte zielstrebig den Tisch des Rizzis an. „Boron zum Gruße.“ höflich nickte er dem Jungen zu und setzte sich, seine tiefschwarze Robe ein Flecken aus Dunkelheit vor der farbenprächtigen Kleidung der übrigen Gäste.

Travingo war sogleich von seinem Stuhl aufgestanden als der alternde Baron die Stube betrat und setzte sich erst wieder als es sich auch sein Gast bequem gemacht hatte. "Euer Hochgeboren...", hob er blumig an. Innerlich war ihm ein Stein vom Herzen gefallen, dass der Herr von Rabenstein seiner Einladung nachgekommen war. "Es ehrt und freut mich gleichermaßen, dass Ihr gekommen seid." Der junge Cavalliere lächelte freundlich, dann löste er seinen Blick von Lucrann und ließ diesen durch das Etablissement schweifen, ganz so als wäre er selbst auch gerade erst eingetroffen. "Ein schönes Haus wie ich meine. Ich hoffe, dass das Essen hält was das Ambiente verspricht. Ihr wart schon einmal hier?" Ohne eine Antwort abzuwarten plauderte der Horasier nur Herzschläge später weiter. "Meine Familie besitzt einige Hotels im Yaquirbruch. Wenn Ihr einmal in der Gegend seid, würden wir uns über Euren Besuch in einem unserer besseren Häuser freuen."

Der Borongeweihte betrachtete den jungen Ritter mit undeutbarem Blick und nickte schließlich kurz – ob als Dank für seine Einladung oder als Bestätigung auf dessen Frage blieb offen. „Ihr habt mich gewiss nicht eingeladen, um über Gasthäuser zu plaudern, Cavalliere.“ Er winkte der Magd, ließ sich die Weine aufzählen und entschied sich dann für einen eher herberen Rotwein. Als die Magd das gewünschte gebracht, die Bestellung der Vorspeise aufgenommen und sich selbst wieder zurückgezogen hatte, fuhr er fort. „Was habt Ihr auf dem Herzen?“

Der Angesprochene beobachtete sein Gegenüber mit einem schmalen Lächeln. Ein meisterlicher Menschenkenner mochte in diesem Moment so einiges daraus lesen können: Interesse, Dankbarkeit, aber auch leichte Anflüge von Unsicherheit. Als der Baron seine Frage gestellt hatte, sollten demnach einige Herzschläge vergehen bis der junge Horasier darauf einging. Es schien in diesem Moment ganz so als treffe ihn die Frage unvorbereitet. "Ich werde ganz offen mit Euch sein - mit offenem Visier sozusagen ... ", abermals folgte ein Lächeln, "... zuvorderst will ich Euch mit dieser Einladung für Euer Verhalten bei der Hochzeit danken, als ...", er zögerte, "... Ihr wisst schon ... es war gut, dass Ihr in dieser Situation an meiner Seite wart." Travingo hob seine Augenbrauen und nahm einen Schluck von seinem Wein. "Darüber hinaus möchte ich mit Euch über die Domna Artigas sprechen. Sie ist mir eine gute Freundin geworden und ich habe sie darum gebeten mir beim Aufbau meines Gestüts zu helfen. Sie hat eingewilligt." Der Cavalliere stoppte abermals, als er eine Bewegung von seiner Rechten vernahm. Die Magd trug dem Rabensteiner den georderten Wein auf und Travingo lächelte der jungen Frau daraufhin dankbar zu. "Ihr werdet Euch wohl fragen warum ich Euch davon erzähle ... ", fuhr der Horasier dann fort, " ... es schien der Domna wichtig zu sein was Ihr davon denkt."

„Und dann schickt sie Euch, anstatt selbst zu fragen?“ Der alte Baron roch an seinem Weinglas, hob den Blick und betrachtete den jungen Cavalliere mit ruhigem, vollkommen gelassenem Blick aus seinem verbliebenen Auge. Der Vorfall auf der Travienfeier war eine Selbstverständlichkeit gewesen und der Rede nicht wert – absichtlich hätte er keinen Zwölfgöttergläubigen dem Namenlosen anheimfallen lassen. Doch darum war es dem jungen Liebfelder auch nur vordergründig zu tun – wenn er denn überhaupt umfassend verstanden hatte, was dort tatsächlich geschehen war. „Aber sie weiß nicht einmal, dass Ihr hier mit mir sprecht, nicht wahr?“

Der Horasier rieb sich sein Kinn. "In der Tat. Sie weiß nichts davon, dass ich mich heute hier mit Euch treffe." Travingo nahm einen kurzen Schluck von seinem Wein. "Es ging auch weniger darum um Eure Erlaubnis zu fragen. Mit Verlaub, ich wüsste nicht, dass die Domna in Euren Diensten steht." Der Cavalliere schüttelte leicht seinen Kopf. "Nein, wie auch immer Ihr zur Domna stehen mögt - es ist eine Sache, die mich nichts angeht - aber es scheint mir so, als wäre es ihr wichtig, was Ihr davon denkt." Er lächelte. "Es ist beinahe so als spräche ich beim Vater meiner Zukünftigen vor und versuche ihm sein Einverständnis hinauszuleiern ... ." Travingo winkte ab, "...nein...die Domna ist mir eine gute Freundin und ich denke es täte ihr gut einen Ort zu haben wo sie sich zurückziehen und frei entfalten kann. Ich bin froh, dass sie mir mit dem Gestüt hilft und ich denke, dass es ihr auch gut tut."

„Ihr meint also, in Elenvina wäre sie weniger glücklich?“ Der alte Hochadlige lehnte sich entspannt zurück, roch an seinem Wein und drehte den Kelch zwischen seinen behandschuhten Händen, so dass in der dunklen, trägen Flüssigkeit ein roter Funken erwachte. „Was könnt Ihr der Domna bieten, das sie in Elenvina nicht findet?“ Auf das Spiel eines jungen Galans, der um die Hand seiner Angebeteten anhielt, mochte er sich einlassen – oder auch nicht. In der vollkommen ruhigen Miene des Rabensteiners indes fand der Liebfelder nichts zu lesen.

Travingo hob beschwichtigend seine Hand. "Dass sie in Elenvina nicht glücklich ist, habe ich nicht gesagt, Hochgeboren. Es stünde mir gar nicht zu so etwas im Namen der Domna auch nur auszusprechen." Die Ruhe, die der alternde Baron in diesem Moment ausstrahlte beunruhigte ihn nicht, im Gegenteil, jenes Gebaren hatte auch auf ihn eine beruhigende Wirkung. Verflogen war jene Nervosität, die er noch Momente zuvor in sich trug.

"Auch geht es nicht primär darum was ich ihr bieten kann und will...", nun griff auch der Rizzi zu seinem Weinkelch, hob seine Augenbrauen und nahm dann einen Schluck daraus, "...seht es als einen Freundschaftsdienst. Wichtig ist was die Domna will und so wie ich das verstanden habe, wäre es ihr selbst Wunsch und Anliegen zugleich und ich wäre bereit dazu, ihr dies zu erfüllen."

„Das ist gut zu wissen.“ Der alte Baron trank langsam einen Schluck und schmeckte dem Wein auf seiner Zunge nach – herb und voll und gut ausgewogen, die harte Arbeit eines Winzers aus dem Tal des Großen Flusses, wo, spitzen Zungen zum Trotz, der eine oder andere hervorragende Tropfen gedieh, meist aber nicht großflächig in den Handel gelangte. „Ich werde dessen eingedenk sein, wenn sie mich darauf anspricht.“ Leicht kam der Kelch auf dem Tisch auf. Der Baron stützte seine Fingerspitzen gegeneinander und gewährte seine volle Aufmerksamkeit seinem Gesprächspartner. „Wie groß ist Euer Gut, werter Herr - und wie viele Stuten und Hengste welcher Rasse haltet ihr dort?“ Was nicht der einzige, doch der einzig ausgesprochene Inhalt der Frage war.

"Sowohl Elenviner Vollblüter als auch Shadifs, ohne sie zu kreuzen...", was eine ernste und ehrliche Antwort des Cavalliere war rang ihm dennoch ein Lächeln ab. Sogleich musste er an sein letztes Gespräch mit einem Nordmärker über Pferdezucht denken. Damals wurde ihm noch vollmundig ausgerollt, wie streng das Zuchtbuch der Elenviner Rasse geführt würde und dass man als Ausländer sowieso keine Chance habe, sich einen Namen zu machen. Travingo fühlte sich deshalb dazu genötigt, noch ein paar erklärende Worte anzufügen. Nicht, dass er sich auch vom Rabensteiner Baron einen ähnlichen Sermon anhören musste.

"Pferde sind eine meiner Leidenschaften. Die Zucht ist aber nicht mehr als ein Hobby, dem ich auf einem kleinen Gut am Uras, firunwärts der Stadt Unterfels, nachgehen möchte." Der Horasier nippte abermals an seinem Kelch. Es war definitiv einer der besseren Weine, die er in den Nordmarken getrunken hatte. Klar, an einen schweren Goldfelser, einen süßen Sikramtaler, oder einem harzigen Vinarii kam der Tropfen nicht heran, doch wenn man ihn mit dem Essig verglich, der auf dieser zugigen Burg Rickenbach kredenzt wurde, dann war er ein Hochgenuss. "Es sollten insgesamt 10 Stuten und 2 Hengste sein. Die Domna ist mir derzeit bei der Auswahl der Tiere behilflich. So groß meine Liebe für diese Tiere ist, so ausbaufähig ist mein Wissen, was ihre Zucht angeht."

„Ihr würdet Euch mit diesem Garadanzug die Hilfe einer recht talentierten Züchterin sichern – für wenig mehr als Kost und Logis, in einem nachgerade winzigen Gestüt.“ Kein schlechter Einfall des blutjungen Liebfelders – und mit so einiger Aussicht auf Erfolg, bedachte man die Begeisterungsfähigkeit der Domna. Andererseits – das herzögliche Gestüt mit seinen über zweihundert Zuchtstuten gegen die Vergnügungszucht eines Liebfelders zu tauschen, war nicht eben eine Verbesserung. „Allerdings würdet Ihr der Domna damit auch Anerkennung und Erfolg als Zuchtmeisterin in Elenvina verwehren – und sie von ihrer Position im Haushalt des Herzogs fernhalten. Weshalb, glaubt Ihr, seid Ihr und Eure Zucht diesen Preis wert?

Travingo blinzelte kurz etwas irritiert. "Hochgeboren, ich denke nicht, dass ... wie sagtet Ihr...", er kratzte sich sein Kinn, "...ich und mein Gestüt es wert sind, dass der Domna Anerkennung und Erfolg am herzoglichen Gestüt verwehrt bleiben. Sie ist eine Freundin und ich wäre nie so selbstsüchtig ihr so etwas zu raten."

Er lächelte schmal. "Diese Frage stellt sich meines Wissens auch nicht und ich gebe Euch recht wenn Ihr meint, dass es auf keinen Fall ein erstrebenswertes Ziel für eine begabte Züchterin sein sollte meinen kleinen Hof dem renommierten Gestüt zu Elenvina vorzuziehen."

Kurz ließ der Cavalliere seine Worte wirken. "Der Domna ginge es nur um einen Ort für eine Auszeit - wenn Ihr es so wollt, würde auch sie meine Zucht nur als Vergnügen sehen. Ihr solltet sie bei der Planung gesehen haben...", der Rizzi lächelte beim Gedanken daran breit, "...sie war sofort Feuer und Flamme für die Idee, ihre Augen leuchteten und es machte ihr Freude." Das Gesicht des jungen Horasiers wurde wieder ernst. "Inwiefern sich das mit ihrer Aufgabe am herzoglichen Gestüt vereinbaren lässt muss sie selbst wissen. Ich freue mich darüber wenn sie Zeit und Muße aufbringt und mir zur Hand geht."

Lucrann unterließ jede Bemerkung auf den letzten Satz des Liebfelders. Über dessen Selbstverständnis besagte das mehr als genug – und machte ihn nicht wirklich angenehmer. „Teilt Ihr mit der Domna euer Bett – oder plant Ihr das?“ Brachte er das Herumgeschleiche des Burschen auf den Punkt.

Der Rizzi schüttelte leicht den Kopf. Es war eine Frage gewesen, die er erwartet hatte. Kurz schien es dem Rabensteiner Baron auch, als bedachte er den Nebentisch mit einem kurzen Seitenblick. Dort saßen zwei Männer, die allem Anschein nach in eine Unterhaltung vertieft waren. "Hochgeboren, ich werde bald heiraten und es wird nicht die Domna sein. Mein Interesse an ihr beschränkt sich in erster Linie die Freundschaft, die ich mit Verema teile."

„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“ Der Borongeweihte lehnte sich zurück und stützte die Fingerspitzen gegeneinander. „Würdet ihr bei Travia beschwören, dass ihr mit der Domna nicht das Lager teilt noch dies tun werdet?“ Nicht nur angesichts des Familienhintergrundes des Rizzi eine durchaus spannende Situation.

Travingo antwortete nicht, sondern nahm seinen Weinkelch in die Hand, schwenkte ihn, betrachtete die Farbe des Weins im Licht der nahen Kerzen und nahm dann einen Schluck daraus. Was nach außen hin provokativ wirkte, hatte einzig und alleine zum Zweck ihm noch etwas Zeit zu erkaufen. Zeit, um sich einerseits eine passende Antwort zurecht zu legen und andererseits um sein Gemüt abzukühlen. Bei allem Respekt - was dachte sein Gegenüber wer er war?

"Ihr kennt meinen genauen familiären Hintergrund nehme ich an...", es war keine Frage, sondern eine Feststellung, "...dann sei Euch gesagt, dass ich die Herrin Travia mit der selben Inbrunst verehre wie das jeder gute Mann und jede gute Frau tun sollte, die unter IHREM Segen miteinander verbunden sind. Also wie wahrscheinlich auch Ihr...", Travingo hob seine Augenbrauen, "...ich durfte auf der Hochzeit ja Eure bezaubernde Frau kennen lernen und mich angeregt mit ihr unterhalten." Der Rizzi machte eine abwehrende Handbewegung. "Die Domna ist eine erwachsene Frau, und ohne Eure Frage zu bejahen ... selbst wenn dem so wäre, bei allem Respekt, was würde es Euch kümmern? Es wäre eine Sache zwischen mir und der Domna."

Abermals führte er seinen Kelch zu den Lippen und nahm einen Schluck vom Wein. "Auf die Götter schwöre ich nicht. Würde ich nie und es wäre eine Torheit. Wie bereits gesagt sind die Domna und ich Freunde. Was Ihr aus dieser Information macht sei Euch überlassen. Ich denke zu mehr Rechenschaft bin ich Euch auch nicht verpflichtet."

Womit der Bursche die Frage deutlich beantwortet hatte. Der Geweihte hob eine Augenbraue und prostete dem Grünschnabel zu, ehe er, noch immer gelassen, und vielleicht nur einen Hauch nachdenklicher denn zuvor hinzusetze: „So wünscht Ihr von mir die Absolution, in Frieden Eurer Fleischeslust zu frönen? Das werdet Ihr nicht erhalten, Cavalliere. Es ist armselig, wenn Ihr mich allein deswegen hierhergebeten habt.“ Vollkommen mit sich und seiner Sache im Reinen war der Alte. „Bedauerlich.“

Travingo machte äußerlich eine gute Miene zum bösen Spiel und prostete dem Baron kommentarlos zu. Dass Lucrann in diesem Moment der ausgelebten Herrschsucht und Eifersucht einen extrem schlechten Eindruck auf den Horasier machte, würde er wohl verschmerzen können. "Mit Verlaub, Hochgeboren...", eine Frage brannte ihm dann doch auf der Zunge, "...wer seid Ihr für Verema? Ein väterlicher Freund? Ein Ersatzvater?", ... 'oder einfach nur ein alter Zausel, der gerne jungen Frauen nachstellt'. Letztere Frage ließ er unausgesprochen. "Ich frage dies, weil es mir nicht ersichtlich ist warum Ihr denkt jemand benötige Eure Absolution um eine Liebelei mit der Domna beginnen zu können. Sie ist immerhin eine erwachsene Frau und unverheiratet ... noch dazu habe ich gegenwärtig kein Interesse an einer rahjagefälligen Beziehung zur Domna. Aber da habt Ihr Euch ja sowieso schon Eure Meinung gebildet und die steht Euch selbstverständlich zu."

Den Baron schienen die Einwände des Jüngeren nicht über Gebühr zu scheren. „Ihr habt mit diesem Thema begonnen.“ stellt er achselzuckend fest. Also war es dem Jungen bei der Einladung tatsächlich nur um seine Gespielin gegangen. Nicht um die – ungleich wichtigeren – Geschehnisse auf dem Hlutharswachter Travienbund. „Wenn Euer Anliegen damit beantwortet ist, werde ich Euch nicht weiter aufhalten. Ihr habt gewiss noch zu tun.“

Der Cavalliere zog seine Augenbrauen zusammen. Innerlich ärgerte er sich über das Verhalten seines Gegenübers, dessen trotzig-pampiges Gebaren viel von dem hatte, das er sonst nur von verschmähten Liebhaberinnen kannte. Der Rabensteiner setzte sich als verheirateter Mann hier her und hatte den ... ja fast schon Schneid ... zu denken er hätte das Recht ihm und der Domna Dinge vorzuschreiben, die ihn nichts angingen. Dabei war der Grund dafür Verema überhaupt anzusprechen ein einfacher Freundschaftsdienst gewesen, da es ihr, warum auch immer, allem Anschein nach wichtig war was Lucrann dachte.

Äußerlich versuchte der junge Horasier sich davon nichts anmerken zu lassen. "Mein Anliegen...", er schüttelte leicht den Kopf, "...nein, das war etwas ganz anderes. Die Domna wurde nur zum Thema, weil ich weiß, dass ihr wichtig ist, was Ihr denkt, und es war ein Dienst als Freund, Euch mitzuteilen, was sie vorhat." Er wies in einer weitläufigen Handbewegung um sie. "Das hier diente nicht dem Zweck Euch eine Zustimmung zu irgendetwas hinaus zu leiern. Es diente in erster Linie dazu Euch zu danken, was Ihr bei dieser Hochzeit getan hattet und auch um Euch besser kennen zu lernen."

Der Baron schwieg eine Weile. Der junge Liebfelder klang wie ein weinerliches Kind, dem ein begehrtes Spielzeug verweigert wurde. Was die Domna in diesem unreifen Burschen zu finden hoffte – so sie überhaupt etwas in ihm suchte – war ihm ein Rätsel. „Eine tatsächliche Wahl ließ mir der Travienbund schwerlich.“ Ohne eine merkliche Regung lehnte der Freiherr sich wieder zurück. „Zumindest gingen unsere Begleiter unbeschadet aus der Angelegenheit hervor.“ Eine Sache, die nur den wenigsten geglückt war. Das neue Rapier hatte sich gar nicht so schlecht geschlagen – die Waffe, die ihm vor einem Götterlauf von seiner Kirche überreicht worden war, hatte sich als tauglich erwiesen. „Es ist hilfreich, wenn Ihr die Leute, die Eurer Obhut unterstehen, zu verteidigen wisst. Bedauerlicherweise hilft blanker Stahl nur gegen einen Bruchteil der Dinge, die hier zugange sind.“ Insbesondere in Albenhus. Doch damit musste er diesen jungen Burschen nicht beunruhigen. "In der Tat...", stimmte der junge Horasier dem Baron zu. Er hoffte auch, dass man nun alle Unhöflichkeiten und Missgünsteleien beseitigt hatte.

"Meint Ihr...", Travingo zögerte etwas und suchte nach den richtigen Worten, "...dass Dinge wie sie bei der Hochzeit passiert sind nun öfter geschehen werden? Denkt Ihr, dass wir uns alle auf diese Gefahr einstellen müssen?" „Es schadet nicht, wachsam zu bleiben. Wo diese Wesen einmal auftauchen, bleibt zumeist ein Rest zurück, der immer wieder aufflackern kann.“ Besonders angenehm war diese Aussicht nicht. Lucrann zuckte die Schultern. „Sie nicht zu übersehen, eine kluge Sache. Habt Ihr mitbekommen, wie es dem Baron von Kaldenberg erging?“ Mit ruhigen Augen betrachtete er den jüngeren. Wenn das Schicksal seines Standeskollegen dem Einen oder Anderen im wahrsten Sinne des Wortes den Hals zu retten vermochte, so würde aus dieser traurigen Angelegenheit zumindest ein kleiner Sinn erwachsen. Travingo blickte einige Herzschläge lang still vor sich hin. Die Worte des Barons betreffend der Vampirgefahr hallten in seinem Kopf immer noch nach und vermischten sich dort mit Gefühlen der Sorge. Nicht etwa um sein Leben, sondern um das seiner Lieben - genauer gesagt seiner beiden jüngeren Schwestern Travietta und Traviesca, für die sich der Cavalliere seit dem Tode seiner Mutter verantwortlich fühlte. "Kaldenberg...", der junge Cavalliere runzelte die Stirn, "...jener ... äh ... Edelmann, der Euch angefallen ist?" Der Horasier musste sich eingestehen, nicht zu wissen wer gemeint war. Als Ausländer war es ihm schier unmöglich diese ganzen Namen, die meist auf -Stein oder -Berg endeten auseinander zu halten und den wenigen nordmärker Gesichtern zuzuordnen, die er schon kennenlernen durfte. „Boromil von Kaldenberg, der Baron von Kaldenberg aus der Grafschaft Albenhus. Ein alter, mit vielen Wassern gewaschener Adelsmann. Genutzt gegen diese Gefahr hat es ihm nichts.“ Der Geweihte trank einen Schluck aus seinem Weinkelch und blickte einige Atemzüge lang auf die rote Flüssigkeit, die im Licht der Kerzen fast schwarz wirkte. „Würdet Ihr es bemerken, wenn Eure Familie davon heimgesucht würde?“

Der erste Impuls des Cavalliere war Empörung, doch schaffte er es diesen recht einfach zu unterdrücken.

"Eher unwahrscheinlich...", gab Travingo zu bedenken, "...nicht wenige meiner Familienangehörige sind der Travia geweiht oder haben eine ihrer niederen Weihen erhalten. Mein Vater steht zwei Tempeln der Gütigen vor und bei den ganzen Heiligtümern und unserem Palazzo...", kurz sann der junge Horasier nach und wog den Weinkelch in seiner Rechten, "...ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine solche Kreatur in der Gegenwart meiner Familie überhaupt aushalten würde."

Der Rizzi nahm einen Schluck vom Wein und schüttelte kurz seinen Kopf - eine Geste, die eher sich selbst und weniger seinem Gegenüber galt. "Ich bin ein vom Krieg gebranntes Kind, Hochgeboren. Man möge es nicht glauben, aber auch das Horasreich hatte in den letzten 12 Jahren mit der einen oder anderen düsteren Phase zu kämpfen. Der Krieg im Yaquirbruch, an dem ja auch die Almadaner nicht ganz unbeteiligt waren, hat ein großes Loch in meine Familie gerissen, das bis zum heutigen Tage noch nicht geschlossen ist."

Er wies vage in die Richtung Hlûthars Ruh. "Was dort vorgefallen ist kannte ich nicht und es ist mir auch nicht geläufig, dass es im Horasreich derzeit ein Problem wäre. Warum also Albenhus? Könnt Ihr das beantworten?"

„Ich wünschte, dem wäre so.“ Der Rabensteiner nahm ebenfalls einen Schluck aus seinem Kelch und kostete den herben Geschmack des Weines auf seiner Zunge. „Jedesmal, wenn die Seuche in den vergangenen Götterläufen aufflackerte, war ihr Ursprung hier. Doch was sie auslöst, verbirgt sich gut.“ Fast geräuschlos fand der Kelch wieder seinen Platz „Bislang.“ Lucrann stützte seine Fingerspitzen gegeneinander und betrachtete sein Gegenüber zwei, drei Augenblicke lang schweigend. „Was wisst Ihr über diese unheiligen Kreaturen?“ "Nicht viel um ehrlich zu sein...", kam es als nüchterne Antwort. "Ich wurde das erste Mal mit dieser Gefahr konfrontiert und muss mich dabei in erster Linie auf kundige Personen aus den Kirchen verlassen." In Gedanken war der Horasier froh darüber, dass ihn seine Wege wohl zukünftig nicht mehr so oft nach Albenhus führen würden - wenn denn überhaupt noch. Mit dem Baron von Hlûthars Ruh verbindet ihn nichts außer seichten Drohungen, über die der Rizzi gegenwärtig immer noch lächeln konnte, und sonst hatte er hier keine Bekannten. Eine Tatsache, die ihm nun zupass kam. "Was tut die hiesige Obrigkeit dagegen, dass sich das Problem nicht ausbreitet?" Er hob fragend seine Augenbrauen. "Die Gräfin? Die hier in den Nordmarken so mächtige Kirche des Praios? Was von hier aus seinen Ursprung nimmt, kann sich leicht über das Land verbreiten."

„Die Kirchen sind informiert und aufmerksam.“ Der Baron lehnte sich zurück und stützte seine Fingerspitzen an die Seite „Ihr solltet wissen, dass diese Verfluchten verschiedene Verletzlichkeiten besitzen. Diese stehen häufig in Verbindung mit den Göttern, denen sie zu Lebzeiten nahestanden. Nur durch Artefakte, die einem dieser Götter geweiht sind, ist ihnen einigermaßen beizukommen. Die große Frage ist: wie erkennt man, ob jemand ein Vampir ist? Und wenn ja – von welchen der Götter trägt er einen Fluch?“ Er betrachtete den Jüngeren. . „Was würdet Ihr in dieser Situation tun?“ Kurz schweiften die Gedanken des jungen Mannes ab. ´Göttern, denen sie zu Lebzeiten nahestanden´, sinnierte er nach. Welche Gottheit das dann wohl bei ihm wäre? Travia? Er hoffte nicht. Dann wahrscheinlich Rahja? Travingo zwang seine Gedanken zurück ins Hier und Jetzt.

"Das ist eine gute Frage...", der Rizzi lächelte etwas verlegen, "...eine, die ich Euch mangels Erfahrung mit diesen Kreaturen nicht beantworten kann. Ich müsste mich in diesem Fall auf kundige Männer und Frauen verlassen. So wie Euch. Oder gibt es da Prüfschemata, die Ihr mich lehren könnt?" Der alte Baron sah kurz so aus, als sei er davor, zu schnauben. „Wenn ihr diese Schemata findet, gebt mir unter allen Umständen Bescheid. Die Kirchen werden sie Euch dankbarst abnehmen.“ Immerhin – die große Krux hatte der junge Rizzi mit wenigen Worten erfasst. Hopfen und Malz schien an ihm also doch nicht verloren. Rasch legte er wieder eine ausdruckslose Maske über sein Gesicht, wie so oft. Eine gut geübte Regung. „Was aktuell gehandhabt wird, ist ein reines Austesten. Wenn Ihr Euren Gegner kennt, ist es möglich, seine Verletzlichkeit einigermaßen abzuschätzen. Aber es ist und bleibt ein Spiel mit höchstem Einsatz. Die Wesenheiten sind underisch schnell – viele Versuche habt ihr nicht. Und bislang hat es noch niemand geschafft, eine allen Zwölfen geweihte Waffe herzustellen, welche alle Weihen auch bis zum ersten Kampf trug.“ Wie solche Gegensätze wie Rondra und Tsa zu vereinen seinen – und ob das Ziel tatsächlich eine Waffe oder etwas ganz anderes sein sollte, darüber herrscht noch lange kein Konsens innerhalb der Geweihtenschaft. "Hum...", Travingo kratzte sich die Nase, "...das macht die Sache natürlich extrem schwierig, wenn nicht gerade nahezu unmöglich." Er griff abermals nach seinem Weinkelch und beinahe schien es, als wolle sich der Cavalliere daran festhalten. "Es wird nicht immer eine Person anwesend sein, die dem Verfluchten zu seinen ... äh ... Lebzeiten ... nahe stand und zum Probieren wird im Ernstfall die Zeit fehlen."

Der Horasier blickte sich nach der Schankmaid um. Eigentlich hatte er sich mit Hunger hier an den Tisch gesetzt, dieser war ihm nun jedoch vergangen. "Habt Ihr Hunger? Ihr seid eingeladen." Der alte Baron schüttelte den Kopf. „Seid bedankt – doch ein Glas Wein reicht.“ Er betrachtete sein Gegenüber und setzte, einen Hauch versöhnlicher, hinzu: „So Ihr in diesen Angelegenheiten einmal Rat oder Unterstützung benötigt, sucht mich auf.“ Nicht, dass ihm solche Situationen nicht ohnehin zu folgen pflegten wie Pech und Schwefel.

Der Rizzi lächelte dem Älteren daraufhin dankbar zu. Ob dieses Lächeln seinen Ursprung in dem eben artikulierten Angebot hatte, ihn bei Fragen betreffend vampirische Umtriebe zu unterstützen, oder dass er darauf verzichtete Essen zu bestellen, konnte Lucrann in diesem Moment jedoch nicht sagen.

"Habt Dank, Hochgeboren. Das beruhigt mich zu wissen." Travingo leerte seinen Weinkelch und versuchte dann das Thema zu wechseln. "Werdet Ihr nun wieder in Eure Heimat aufbrechen, oder verweilt Ihr hier in der Stadt?"

„Ich werde mittelfristig wieder auf mein Lehen reisen.“ Der Einäugige trank den letzten Schluck und stellte seinen leeren Kelch wieder zurück. „Und Ihr?“ "Ebenso ...", gab der Cavalliere knapp zurück. Hier hielt ihn nichts mehr und nach all den Erlebnissen der letzten Monde konnte es ihm nicht schnell genug gehen das Herzogtum in Richtung heimatlicher Gefilde zu verlassen. "Ich werde früh morgens in Richtung Heimat aufbrechen." Dann leerte auch der Horasier seinen Kelch. "Es waren mir Ehre und Freude gleichermaßen Euch kennen zu lernen und denke, dass wir uns bald wiedersehen werden." Der alte Baron nickte dem Rizzi zu.. „Ich danke Euch für die Einladung, Cavalliere.“ Er hob seinen Kelch. Schwert und rot rann der Rebensaft über seine Zunge, herb auf seinem Gaumen, mit dem Geist einer Erinnerung an den metallischen Geschmack nach Kampf und Streit und einem ganz anderen Tropfen. „Auf bald.“

* finis *

-- Main.IseWeine - 27 Nov 2019