Papier ist Geduldig (Teil VIII) - Der Mühen Lohn

Gleißend hell lag das Sonnenlicht auf den Dächern der Eilenwïd-über-den-Wassern und diejenigen der Adelsleute der Nordmarken, die diesen Tag in Elenvina feiern konnten, waren soeben in ihrem prächtigsten Praiostagsstaat aus dem Neujahrgötterdienst in der Wehrhalle gekommen und noch immer begleitete Weihrauchduft die Adligen. Gorfang Reto vom Großen Fluss und von Brüllenfels, der Allwasservogt, hatte seine Streiter ein letztes Mal vor sich versammelt und betrachtete mit Wohlgefallen die Gruppe. 'Diskret' war zwar eine andere Sache, doch sie hatten Ergebnisse geliefert – und das schnell und zuverlässig. „Ihr habt Eure Sache gut gemacht.“ Seine Augen blitzten. „Und die Nordmarken sind euch zu Dank verpflichtet.“ Er stütze seine Fingerspitzen gegeneinander und lehnte sich bequem in seinem lederpolsterten Sessel zurück. „Und die Nordmarken pflegen ihre Schulden zu bezahlen. Ihr, Lerchentrutz, Ihr, Finsterbinge, und Ihr, Kropfenhold, seid mir in der Flussgarde als Weibel willkommen. Reussenstein, Ihr habt bereits einen Lehnseid geschworen, und einen zweiten werde ich euch nicht abnötigen. Doch ist Euer Name am Hofe nun bekannt – und Ihr werdet in Bälde wieder von mir hören.“ Er schmunzelte. Der Vom Berg war zwar für seinen dicken Schädel bekannt, doch hatte der letzte Krieg böse unter seinen Persevanten gewütet. Das versprach eine kurzweilige Angelegenheit zu werden – für beide. „Firnholz, Euch darf ich eine Einladung der Herzogin übermitteln, die Euch für sechs Monde an den Hof laden möchte. Wernhag, Ihr macht einen guten Eindruck. Ihr sollt mir als mein Adjudant dienen.“ Damit wäre der Posten auch wieder aufgefüllt. Der Junge würde sich sicher als anstellig erweisen – und die viele Laufarbeit und die Einsätze im Auftrage des Allwasservogtes sicher nicht scheuen. „Richtwald – ihr habt bereits ein Gut. Und dieses habt Ihr zu führen. Doch was Eure Belohnung anbelangt, wird Euch in Bälde ein Ruf aus der Herzogenstadt ergehen..“

Versonnen blickte er einen nach dem anderen an. Die hochstehende Sonne fiel in langen Lichtspeeren durch die kunstvoll verglasten Fenster der Arbeitsräume des Allwasservogtes. Ein Tag zum Feiern – und kein Tag für staubige Amtsstuben.

„Kalterbaum, für Euch habe ich dieses hier.“ Er überreichte der jungen Dame eine mit einem Siegel verschlossene Pergamentrolle. „Dies ist eine Ladung an den Hof des Barons von Gernebruch. Findet Euch ein, damit Ihr ihm Euren Vasalleneid leisten könnt.“

„Winterspitz, Euch lade ich zu einem Jagdausflug nach Fuchsgau – dort sollt ihr die neue Armbrust einweihen, die gerade für Euch gefertigt wird.“

Der Allwasservogt holte tief Luft, hievte sich aus seinem Sitz und trat einen Schritt nach vorn. „Mersingen, die Zeiten sind unruhig, verschwunden ist unser Herzog und dem Reich stehen große Prüfungen bevor. Ihr seid noch jung, und Eure Knappenzeit ist noch nicht beendet. Von Eurer Schwertmutter habe ich mir die Ehre erbeten, Euch für die letzten zwei Jahre Eurer Knappenzeit anleiten zu dürfen. Willkommen am Herzogenhofe, junger Mann!“

Er verschränkte die Arme, nicht unzufrieden mit seiner Truppe. Die jungen Leute würden sich sicher noch mehr als einmal der guten Sache nützlich erweisen. „Doch jetzt kommt. Heute ist ein Feiertag – und den solltet Ihr entsprechend begehen. Ich habe Euch im Güldenen Greifen einen Tisch reserviert – heute sollt Ihr meine Gäste sein!“


--- Ende ---