Nilsitz Jagd Entscheidung

Kapitel 17: Eine schwere Entscheidung (7. Ingerimm) 

Eine schwere Entscheidung

Nachdem Borindarax von Nilsitz sich begeistert alle Vorträge angehört und dabei sichtbar mitgefiebert hatte, blieb er lang Zeit ruhig auf seinem Lehnstuhl sitzen und dachte angestrengt nach. Wer das Mienenspiel des Zwergen währenddessen beobachtete, konnte förmlich sehen, wie es im Kopf des Vogtes arbeitete und dass ihm die Entscheidung wahrlich nicht einfach fiel. Dennoch, die Entscheidung würde ihm niemand abnehmen. Schließlich, es war mittlerweile sicher eine halbe Kerzenlänge vergangen, stemmte sich Borax aus seinen Lehnstuhl hoch und ließ seinen Blick durch die Reihen der Versammelten schweifen, versonnen nickte er. “Zum Jagdkönig”, setzte der Vogt mit lauter Stimme an, “küre ich Nivard von Tannenfels und mit ihm seine Jagdgefährten Gelda von Altenberg, Meister Borix, Meister Tharnax und Doratrava, die anscheinend viele Talente besitzt.” Zunächst etwas zögerlich setzte das Klatschen ein, denn viele der Anwesenden suchten mit ihren Augen die genannten Personen. Schnell wurden dann der Beifall lauter, als Borindarax mit der Hand winkte und das Zeichen gab, dass die gekürten Jäger noch einmal in die Mitte treten sollten. Als dies geschehen war, nickte er huldvoll in ihre Richtung. “Eure Namen sollen von nun an, gemeinsam mit der von euch gemachten Trophäe einen Ehrenplatz in der großen Halle haben, auf dass sich noch zukünftige Generation daran erfreuen mögen und es ihnen vergönnt sein wird herauszufinden, wer diejenigen waren, die in diesem, unserem Götterlauf zum Jagdkönig gekürt wurden. Aber auch die Geweihe, die Keilerköpfe und der Schädel des Bären werden wie angekündigt ihren Platz bekommen. Die Zangen des Schröters jedoch, das nehme ich mir heraus, werden in Zukunft über meinem Platz in der Halle hängen. Und jetzt meine Gäste, feiert die Sieger, lobt den Herrn der Jagd und versammelt euch in einem Stundenglas wieder in der großen Halle. Bevor ich dann das Bankett eröffne, habe ich noch eine kleine Ankündigung für euch."

Familienspaziergang

Rondradin  machte einen Schritt in Richtung der eben gekürten Jagdkönige. Er freute sich für die Gruppe um Doratrava und Gelda und nur zu gerne hätte er ihnen direkt gratuliert. Allerdings war bei den vielen Gratulanten, welche die Sieger umschwärmten, kein Durchkommen. ‘Später!’ Dachte er bei sich und wandte sich der Baronin von Rabenstein neben sich zu. “Wollen wir den Spaziergang vorziehen?” Rondradin sah hinüber zum Baron von Rabenstein. “Hochgeboren, gestattet Ihr mir, Eure Gemahlin zu geleiten?” “Ich würde ihrer Bitte keinesfalls entgegenstehen.” Die dunkle Stimme des alten Barons war aufgeräumt. “Viel Vergnügen.” wünschte er beiden.  “Nun denn. Euer Gnaden?” Mit einem strahlenden Lächeln nickte die Baronin Rondradin zu und reichte ihm ihre Hand. Auf ihren Wink reihte sich ihre Zofe hinter ihr ein. “Wir können.”  Der Geweihte nickte und warf einen Blick auf seinen Vetter. “Du kommst ebenfalls mit.” Der Angsprochene nickte schickalsergeben und reihte sich neben der Zofe ein. “Dann lasst uns aufbrechen.” Rondradin führte sie ein wenig weg von der Menge, so dass sie in Ruhe sprechen konnten. “Hochgeboren, Ihr wolltet mit mir sprechen?” Begann er das Gespräch. “Ihr werdet meine Tochter ehelichen.” begann die Baronin. “Und damit ein Teil meiner Familie. Und doch weiß ich fast nichts von euch, euer Gnaden.” Sie schwieg einige Momente. “Mögt ihr mir nicht etwas mehr über euch und eure Familie erzählen? Was hat euch dazu bewogen, um die Hand Ravenas anzuhalten?” Es dauerte einen Moment bis Rondradin zu einer Antwort ansetzte. “Nun, wo soll ich beginnen? Meine Eltern sind Frowin von Wasserthal, Leibritter des Barons von Tommelsbeuge und Jolenta von Wirselbach. Ich habe eine ältere Schwester, Andesine, die sich den Ritterschlag verdient hat. Der junge Palinor dort, ist mein Vetter. Sein Vater, mein Onkel, ist der Edle von Pappeln, dem Stammsitz unserer Familie in der Baronie Meilingen. Gleichzeitig ist Dorcas von Wasserthal auch das Familienoberhaupt. Die Familie dient den Baronen von Meilingen nun schon seit einigen Generationen und der Einfluss der Familie ist in Meilingen entsprechend groß.” Kurz unterbrach Rondradin sich und sah zu Shanija hinüber, die an seinem Arm ging. “Bitte unterbrecht mich, falls meine Erzählung zu langweilig wird. Vielleicht sollte ich nun von mir erzählen. Ich wurde in der Baronie Riedenburg geboren, im Familiengut Wirselbach, wo ich auch die ersten Jahre meines Lebens aufwuchs. Meine Novizenzeit verbrachte ich hingegen in Tobrien, auf dem Kleinwardstein. Erst nach meiner Weihe kehrte ich in die Nordmarken zurück und seitdem bin ich hier.” Wieder fiel sein Blick auf Shanija von Rabenstein. “Darf ich Euch auch ein paar Fragen stellen?”

“Gewiss, Euer Gnaden.” Shanija nickte. Weit herumgekommen war der junge nordmärker Geweihte - und viel gesehen hatte er sicher. Es war nur rechtens, Fragen mit Fragen zu beantworten. “Was wollt ihr wissen?” “Nun, ich würde auch gerne etwas mehr über die Familie meiner Verlobten erfahren.” Das Wort war noch ungewohnt. “Würdet Ihr mir etwas über Euch erzählen? Wir sind nun schon mehrmals miteinander gereist, haben zusammen verschiedensten Gefahren getrotzt und doch weiß ich nicht allzu viel von Euch.”  “Ich stamme aus der schönen  Baronie Metenar im Kosch. Mein Vater, Baron Myros Stragon, war ebenfalls ein Magier, von ihm habe ich diese Gabe geerbt. Heute ist mein älterer Bruder Graphiel Blauendorn der Baron, während meine jüngere Schwester Jileia den Baron von Galebquell im Gratenfelser Land geheiratet hat.” Bei der Erwähnung ihrer Schwester huschte ein liebevolles Lächeln über die Züge der Baronin. “Ich selbst habe in Vinsalt studiert. Zu dieser Zeit verstarb mein geliebter Vater auf dem Hoftag zu Praske. Mein Gemahl, der mit ihm befreundet war, warb um mich … und so bin ich schließlich nach Abschluss einer Ausbildung in den Nordmarken gelandet.” Sie hob die Schultern. “Kein so ereignisreiches Leben wie das Eure, Eurer Gnaden.” “Ich bin mir sicher, dass auch Ihr so Einiges erlebt habt. Vor allem an der Seite Eures Gemahls.” Rondradin lächelte. “Aber Ihr habt schon recht, als reisender Geweihter der Leuin erlebt man allerhand, Gutes wie Schlechtes.” Ein abwesender Ausdruck lag auf seinem Gesicht, bevor er sich wieder fing. “Aber das alles zu erzählen, würde den Rahmen unseres Spaziergangs wohl sprengen.” Er hob entschuldigend die Schultern. “Was wollt Ihr noch von mir wissen?”

“Da gibt es vieles.” Die Baronin schmunzelte. “Wollt Ihr nach dem Traviabund weiter reisen, oder gedenkt ihr, sesshaft zu werden?” “In der Tat hatte ich den Plan sesshaft zu werden, schon vor der Verlobung. Ich bin zwar immer noch kein Tempelvorsteher, aber vor kurzem wurde ich von der Baronin von Meilingen mit dem Edlengut Wolfstrutz belehnt. Derzeit werden dort noch einige Renovierungsarbeiten ausgeführt, aber Anfang des nächsten Götterlaufs werde ich dort einziehen können.” Nachdenklich sah Rondradin Shanija an, bevor er weitersprach. “Das albenhuser Land war in der Vergangenheit des Öfteren verknüpft mit düsteren Ereignissen und ich halte es immer noch für gefährlich. Diese Einschätzung teilen noch andere, darunter auch Baronin Tsaja vom Berg. Aus diesem Grund nehme ich auch die kleine Alrike zu mir. Ihr erinnert Euch doch noch an die Kleine? Sie ist das kleine Mädchen, welches wir in Albenhus gerettet haben.” Es tat gut, das alles jemanden erzählen zu können und die Baronin war eine geduldige Zuhörerin. “Gewiss. Wie alt ist sie jetzt? Zwei, drei Jahre?” Shanija grübelte eine Weile. “Es ist gut, dass ihr ein eigenes Lehen habt. Dann können Ravena und ihr bereits Erfahrungen sammeln, ehe sie irgendwann Rabenstein übernehmen wird. Ich halte es auch für recht wahrscheinlich, dass mein Gemahl Ravena irgendwann ein Edlengut in Rabenstein vermachen wird. Immerhin war sie lange weg und sollte Land und Leute kennenlernen, die sie eines Tages beherrschen wird. Sagt, euer Gnaden, wart ihr bereits längere Zeit auf Wolfstrutz - und wie groß ist das Gut?” Interessiert blickte sie zu dem mindestens zwei Köpfe größeren Krieger auf. “Ja, Alrike ist dieses Jahr Zwei geworden.” Stimmte Rondradin der Einschätzung Shanijas zu. Das Ravena ein Edlengut bekommen würde, überraschte den Geweihten nicht, ähnliches hatte er schon öfter gehört und es machte ja auch Sinn. Aber das würde unter Umständen auch bedeuten, dass sie - zumindest zeitweise - getrennt leben würden. Aber darum würde er sich Sorgen machen, wenn es soweit war. “Viel Zeit habe ich dort noch nicht verbracht, da ich erst vor einem Mond belehnt wurde. Das Gut umfasst Dorf und Burg Wolfstrutz sowie das Umland. Insgesamt leben dort etwa 350 Seelen.” 

“Dann habt ihr das gesamte spannende Kennenlernen noch vor euch.” freute sich die Baronin. “Wisst ihr schon, was die Haupterzeugnisse eures Gutes sind? Und gibt es etwas, dass ihr unbedingt dort ansiedeln werdet - abgesehen von einem Rondratempel?” schmunzelte sie. Haupterzeugnisse? Der Vogt hatte etwas in die Richtung erwähnt, aber zu dem Zeitpunkt war er abgelenkt worden. “Es gibt dort weite Korn- und Hopfenfelder. Aber mit dem Thema habe ich mich noch nicht allzu groß auseinandergesetzt. Schließlich musste ich bald aufbrechen um rechtzeitig hier zu sein. Einen Rondratempel gibt es bereits, er ist Teil der Burganlage, aber vielleicht erweitere ich ihn um eine Komturei meines Ordens. Jetzt da die Bedrohung in Tobrien schwindet, sollte man sich den lange vernachlässigten Bedrohungen hier widmen.”

“Hier ist nicht Albenhus.” warf die Baronin ein. “Doch scheint ihr gutes Ackerland zu haben - damit lässt sich bestimmt einiges machen. Doch habt ihr einen Vogt bestellt, wenn ihr reist? Es ist nicht gut, die Geschäfte eines neuen Gutes so lange sich selbst zu überlassen.” “Albenhus ist nur einige Meilen entfernt, auf der anderen Galebraseite.” Erinnerte Rondradin die Baronin. “Es gibt einen Vogt. Ein tüchtiger Mann, der mir von der Baronin empfohlen wurde. Außerdem ist es mir, als Geweihten, eh verboten, das Lehen direkt zu regieren.” “Sehr gut. Das macht euch unabhängiger. Aber es freut mich, dass ihr die Zeit des Reisens hinter euch lassen wollt. Es ist wichtig, irgendwann einen sicheren Ort zu haben, den ihr Heimat nennen könnt.”  Rondradin nickte bestätigend. “Darf ich Euch nun wieder eine Frage stellen?” Auf ein Zeichen der Baronin hin, sprach er weiter. “Würdet Ihr mir etwas über Ravena erzählen? Leider weiß ich nicht viel von ihr.”

“Selbstverständlich. Sie ist ein recht ruhiges Kind - eine Frau, inzwischen. Neugierig. Aufgeweckt. Sie hinterfragt die Dinge gern und zieht ihre eigenen Schlüsse. Ich glaube, sie wäre auch eine gute Gelehrte geworden.” Was aus dem Mund der Baronin durchaus ein Lob war. “Was wollt ihr genau wissen?”  “Könnt ihr mir von ihrem Wesen erzählen? Woran findet sie Gefallen? Was ist ihr zuwider? Im Grunde alles, was mir gestattet ein besseres Bild von ihr zu bekommen.” Der Geweihte kaute nervös auf seiner Unterlippe. “Es ist mir ein Anliegen, dass Ravena und ich uns verstehen. Ich möchte ihr Herz gewinnen. Auch wenn das erst nach der Hochzeit möglich sein sollte.” Betreten senkte er seinen Blick. “Ich bin sicher, ihr werdet das.” Shanija hob eine Hand und legte sie auf den Arm des hochgewachsenen Priesters. “Ihr müht euch ehrlich - und das wird sie anerkennen. Sie ist kein böses Kind - nur ein wenig eigen und hin und wieder ein Träumer. Sie konnte es noch nie leiden, angelogen oder vertröstet zu werden. Ich kann euch aber leider nicht sagen, was sie dieser Tage schätzt. Dass sie als Kind liebend gerne karamellisierte Grießschnitten mit Pflaumenkompott mochte, wird euch hier wenig helfen, fürchte ich.” Ein jungenhaftes Lächeln zeigte sich bei den Worten Shanijas. “Habt Dank, ich werde mich anstrengen dem gerecht zu werden.” Rondradin schwieg einen Augenblick, dann sah er seine zukünftige Schwiegermutter direkt an. “Hochgeboren, Ihr habt mich eingangs gefragt, wie es zu dieser Verlobung kam. Diese Antwort bin ich Euch bisher schuldig geblieben.” Ein tiefes Durchatmen folgte. “Euer Gemahl unterbreitete mir aus heiterem Himmel das Angebot einem Antrag von mir um Ravenas Hand zuzustimmen. Ich war überrascht und bat mir Bedenkzeit aus, da mir die Bitte, Ravena die Gelegenheit zu geben mich vorher kennenzulernen, verwehrt wurde. Es war abgemacht, das ich morgen meine Entscheidung bekanntgeben sollte.” Wieder verfiel er in Schweigen. “Und nun habt ihr euch kurzfristig umentschieden.” grübelte die Baronin. “Hat die Sache mit den Knappen etwas damit zu tun?” “Ja.” Erwiderte Rondradin knapp. “Das hat meine Entscheidung… beschleunigt.”   “Mögt ihr mir etwas mehr darüber erzählen?” Neugierig geworden hakte Shanija nach.

Rondradin war stehengeblieben. Tief durchatmend blickte er hinauf zu dem klaren Sternenhimmel. Diese Nacht versprach kalt zu werden. “Ich sorgte mich um die Unversehrtheit der beiden Knappen, denn Euer Gemahl wirkte äußerst wütend auf mich und es kursieren Geschichten darüber, was passiert, wenn er ungehalten ist. In der Art wie er meine Versuche mit ihm zu reden ignorierte, sah ich mich darin bestätigt. Erst als ich ihn als Schwiegersohn bat, hörte er mich an.”  “Er mag es nicht, wenn seine Untergebenen Anweisungen missachten oder über die Stränge schlagen. Ich glaube, ihr habt sehr bedacht gehandelt, Euer Gnaden. Sagt mir -  bereut ihr es?”

Der Rondrageweihte starrte die Baronin geraume Zeit nachdenklich an, unfähig ein Wort zu sprechen. Die Frage hatte ihn überrascht und er brauchte seine Zeit um eine ehrliche Antwort darauf zu finden. “Ja und nein. Ich bedauere den Umstand, keine Wahl gehabt zu haben. Ich bedauere es, eurer Tochter diese Verlobung aufgezwungen zu haben, ohne vorher mit ihr darüber sprechen zu können.” ‘Und ich bedauere es, dass ich … ach Gelda ..’ Diesen letzten Gedanken sprach Rondradin nicht laut aus. “Allerdings bereue ich es nicht, Ravena zum Altar führen zu dürfen. Ihr habt es selbst gesagt, sie ist klug und hübsch. Das ist mir schon damals aufgefallen, als Ihr uns vor zwei Götterläufen vorgestellt habt.”  “Sehr vieles wird die Zeit regeln, Euer Gnaden. Ich denke, ihr werdet ein guter Gemahl für sie sein. Ihr habt das Herz am rechten Fleck und steht mit beiden Beinen auf dem Boden - zwei sehr wichtige Dinge für eine erfolgreiche Ehe.” Und er zeigte den Wunsch, es seiner künftigen Frau recht zu machen, was seine Frage nach deren Vorlieben bewies. Eine nicht ganz so häufige, dafür aber um so begrüßenswertere Eigenschaft. “Eine kurzfristige Verliebtheit vergeht schnell - aber ein kluger Gemahl wird es schaffen, auch darüber hinaus das Herz seiner Dame zu erobern.” Wieviel eigene Erfahrung darin mitschwang, konnte der wackere Rondrapriester bestenfalls erahnen. Nach der aufmunternden Rede seiner zukünftigen Schwiegermutter fiel die Anspannung von Rondradin ab. Ja, er würde Gelda noch nachtrauern, aber der Geweihte hat es auch ernst gemeint, als er davon sprach, Ravena für sich gewinnen zu wollen. “Habt Dank, Hochgeboren. Ich weiß Eure Worte sehr zu schätzen.” Ein befreites Lächeln umspielte seine Züge. “Möchtet Ihr sonst noch etwas wissen?” “Gibt es sonst noch etwas, das ich eurer Meinung nach wissen sollte?” fragte die Baronin mit einem leisen Lächeln.

“Eine Sache vielleicht noch, Euer Gnaden. Habt ihr Kinder?” Die Frage kam nicht überraschend, tatsächlich hatte Rondradin sie schon früher erwartet. Er schüttelte den Kopf. “Keines von dem ich wüsste, Hochgeboren. Außer Ihr zählt Alrike, welche ich zu mir nehmen werde.” “Sie ist nicht euer leibliches Kind. Oder habt ihr vor, sie an Tochter statt anzunehmen?” Was dann wiederum Auswirkungen auf die Erbfolge gehabt hätte - und zwar keine erfreulichen aus der Sicht der Baronin. “Das Kind braucht ein sicheres Umfeld und ich ihr sicherlich so etwas wie ein Vater sein. Falls es nötig werden sollte, würde ich sie adoptieren. In diesem Falle könnten wir aber etwas im Heiratsvertrag festhalten, was sie von der Erbfolge der Baronie ausschließt. Allerdings sieht es so aus, als ob sie als Mündel der Rondrakirche zugesprochen wird. Damit wäre eine Adoption nicht notwendig.” “Nun, Euer Gnaden, das freut mich.” Die Baronin musterte den jungen Geweihten aufmerksam. “Die Erbfolge wird wenn, dann ausschließlich euer Gut betreffen. Rabenstein wird den Kindern Ravenas zufallen - sie wird die Baronswürde erben, ihr werdet der Baronsgemahl sein - so, wie ich es zu meinem Gemahl bin.  Rondradin nickte beipflichtend.  Dennoch wird es eure Pflicht sein, die Baronin nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen und euch um die Rabenstein zu sorgen - so, wie dies noch meine Pflicht ist. Es ist nicht nur ein reines Privileg, sondern auch eine Bürde, die ihr mit dem Travienbund erhaltet, Euer Gnaden.” “Ich verstehe.” Mit einem Male schien sein Leben noch komplizierter geworden zu sein. Auf der anderen Seite, was hatte sich damit wirklich geändert? War es ihm nicht eh schon auferlegt, sich um die Menschen zu sorgen? Da gehörten die Bewohner der Baronie dazu und seine neue Familie ebenso. “Ich hoffe, Ihr werdet mir mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn ich diese Pflicht übernehme, Hochgeboren.” “Selbstverständlich, Euer Gnaden.” Bislang hatte Shanija die Verwaltungsarbeit der Baronie, ebenso wie die politischen Züge und die Rechtsprechung, sehr zufrieden ihrem Gemahl überlassen, während sie sich auf ihre Forschungen - und die Kinder - konzentriert hatte. Sie blickte Rondradin in die Augen. “Mögt ihr Kinder? Und seid ihr willens, Zeit, Nerven und Nächte für sie zu opfern?” Oder würde er den einfachen Weg über eine Kindermagd gehen?

Der Geweihte erwiderte ihren Blick, als er zu einer Antwort ansetzte. “Ihr dürft nicht vergessen, dass ich immer noch ein einfacher Diener der Himmelsleuin bin und keinem Tempel vorstehe. Von daher kann mich jederzeit ein Befehl erreichen, der mich von zuhause fort führt. Aber ja, ich liebe Kinder und freue mich darauf einmal selbst Vater zu sein. Ich habe trotz meiner Verpflichtungen vor, meinen Kindern ein guter Vater zu sein, den sie nicht nur aus Erzählungen anderer kennen. Und wenn das bedeutet, dass ich des Nachts am Bett meines Kindes ausharre, weil es Fieber oder einen Alpdruck hat, dann soll es so sein. Ich werde meine Gemahlin gewiss nicht zwingen die Kinder alleine aufzuziehen.” ‘Vor allem wenn wir in Wolfstrutz leben und erst nach Rabenstein ziehen, wenn Ravena Baronin wird.’ Noch immer sah er die Baronin unverwandt an. “Gibt es von Eurer Seite noch etwas von dem ich Kenntnis haben sollte?” “Bleibt ehrlich zu euch selbst - und zu meiner Tochter. Mehr ist nicht notwendig.” Sie lächelte ihn aufmunternd an. Alles andere würde er später, nach dem Travienbund, gewiss noch erfahren. Und das spielte auch kaum eine Rolle. Ein warmer Ausdruck trat in ihre Augen. “Und schenkt mir einige Enkel. Das würde mir gefallen, Euer Gnaden.” Rondradin nickte nur, da er keine passenden Worte dafür fand. Allerdings brachten ihn die Worte Shanijas auf ein anderes Thema. Palinor sah sich plötzlich der Aufmerksamkeit Rondradins ausgesetzt. Sein Vetter musterte ihn nachdenklich und wandte sich wieder der Baronin zu. “Euer Hochgeboren, wir müssen noch über ein anderes Thema sprechen. Ich wende mich damit an Euch, da Ihr mehr über den menschlichen Körper wisst, als Euer Gemahl oder ich. Was für Möglichkeiten gibt es, falls Boromada von Tsa gesegnet wurde?” “Wie meint ihr das, Euer Gnaden?” Die Augenbrauen der Baronin waren in die Luft  geschnellt. “Und was wünscht ihr von mir?” “Was wird geschehen, wenn das kleine Stelldichein der jungen Knappin und meines Vetters dazu geführt hat, dass sie schwanger ist? Ich habe davon gehört, dass es Möglichkeiten gäbe eine solche zu beenden, allerdings könne sowas auch eine Gefahr für die werdende Mutter darstellen. Was wäre Eurer Meinung nach das Beste für Boromada?” Rondradin seufzte. “Bitte verzeiht. Ich weiß, es ist keine einfache Frage.”  “Diese Möglichkeiten gibt es durchaus. Würdet ihr sie anwenden wollen?” Aufmerksam blickte Shanija ihr Gegenüber an, so dass ihr kaum eine Regung entging. Dieser schüttelte den Kopf. “Wenn Tsa die Verbindung der beiden gesegnet hat, wer bin ich, mich gegen ihren Willen zu stellen. Aber Ihr habt meine Frage nicht zur Gänze beantwortet. Was wäre Eurer geschätzten Meinung nach das Beste für Boromada?”  “Jede Handlung hat Konsequenzen - eine Sache, die Boromada vielleicht noch nicht klar war. Und jede Möglichkeit, eine Schwangerschaft zu beenden, bedeutet auch eine Gefahr für die Mutter - abgesehen davon, dass es ein Frevel an Tsas Wirken wäre. Würdet ihr dies eingehen wollen? Auch wenn es ihr Wunsch wäre?” “Würdet Ihr es ihr denn empfehlen?”  Shanija schüttelte entschieden den Kopf. “Nein, ich würde ihr abraten. Aber ich würde ihr die Entscheidung auch nicht überlassen wollen.” “Ich nehme an, das würde der Schwertvater der Knappin, also Euer Gemahl entscheiden müssen.” Der Geweihte seufzte erneut. Ihm fielen gerade noch andere Fragen ein, aber die würde er mit dem Baron besprechen müssen - morgen. “Das würde er wohl.” Aus Shanijas Stimme sprach auch die Erleichterung darüber, diese Entscheidung dieses Mal nicht selbst treffen zu müssen. “Wollen wir hoffen, dass es nicht notwendig wird.” “Wollen wir hoffen.” Echote der Rondrianer. Die Wellen die eine Schwangerschaft schlagen würde, wären recht hoch und unangenehm für alle Beteiligten. Zumal er gehört hatte, dass die Mutter Boromadas ein aufbrausendes Wesen hatte. “Euer Wort in der Götter Ohr.” stimmte Shanija zu. “Doch diesen Vogel können wir erst füttern, wenn er geschlüpft ist.” Nachdenklich betrachtete sie Palinor, der vergeblich versuchte, unter der Aufmerksamkeit der Baronin hindurchzugeraten. “Und was hat Euer Neffe dazu zu sagen? Wollen wir ihn fragen?” Plötzlich der ungeteilten Aufmerksamkeit der Baronin und seines Vetters ausgesetzt, wich Palinor unwillkürlich einen halben Schritt zurück. Was wollten sie von ihm? Rondradin tat sein Vetter schon beinahe leid, aber eben nur beinahe. "Ihre Hochgeboren und ich würden von dir gerne wissen, was dein Rat an Boromada wäre, wenn sie von dir ein Kind erwarten würde. Das Geschenk Tsas annehmen oder der Göttin freveln und es töten, mit dem Risiko, dass auch Boromada zu Schaden kommt?" Der Knappe wurde bleich und schwankte. "Sie ist schwanger?!" stieß er hervor, die Baronin mit Schreck geweiteten Augen anstarrend.  “Das ist noch nicht sicher.” Aufmerksam musterte Shanija den Burschen. “Wenn dies so ist - was wirst Du tun?” “Ich…” der Knappe schluckte. ‘Das ist noch nicht sicher.’ wiederholte er in Gedanken. Was bedeutete das für ihn? Heute morgen war er vor dem Gedanken an ein Kind zurückgeschreckt. Hatte sich seitdem etwas daran geändert? Er konnte und wollte nicht abstreiten, dass ihm Boromada etwas bedeutete. Allein die Annahme, ihr Knappenvater könnte ihr etwas antun, hatte ihn beinahe in Panik verfallen lassen. Palinor suchte den Blick Rondradins, aber dieser stand abwartend mit verschränkten Armen da und musterte ihn mitleidlos. Wer mochte es ihm verdenken? War es doch Palinors Schuld, dass sein Vetter die Verlobung eingehen musste. Von dieser Seite war keine Hilfe zu erwarten. Was also würde er tun, wäre seine Liebste wirklich schwanger? Beide aufgezeigte Möglichkeiten wollten ihm nicht recht schmecken. Aber Boromada einer Gefahr aussetzen? Niemals! Mit entschlossener Miene sah er zu der Baronin auf. "Euer Hochgeboren, ich würde es mit Ihr besprechen wollen." Abermals musste er schlucken, bevor er fortfahren konnte. "Wir sind beide noch zu jung für ein Kind! Aber ich will Boromada keiner Gefahr aussetzen."Ergänzte er etwas leiser.

“Es mag sein, dass du dich zu jung für ein Kind fühlst, Junge. Aber zu jung für den Rahjadienst fühltest du dich offensichtlich nicht.” Ihre Stimme wurde eine Winzigkeit sanfter. “Dass du nicht für sie entscheiden willst, spricht immerhin für dich. Du solltest nächstes Mal nachdenken, bevor dich in Dinge stürzt, deren Auswirkungen du nicht kontrollieren kannst.” Sie schüttelte den Kopf. “Sollte Boromada guter Hoffnung sein, wirst du das von deiner Schwertmutter erfahren - was dann zu tun ist, obliegt ihr.”  Palinor atmete innerlich auf. Boromada war also gar nicht schwanger. ‘Aber was, wenn doch?’ fragte er sich? Entweder würden sie sich nach dem Willen ihrer Familien nie wieder sehen dürfen oder man würde sie kurzerhand verheiraten, auch um die Peinlichkeit eines Kegels zu vermeiden. Seinen Gedanken nachhängend entging ihm deshalb fast das stolze Lächeln Rondradins. Scheinbar war seine Antwort ganz im Sinne seines Vetters gewesen. Dieser hatte verfolgt, wie sich Palinor gegen Shanija von Rabenstein geschlagen hatte. Sein Vetter war nicht zusammengebrochen, sondern hatte sich, wenn auch wackelig, gehalten.  Sie blickte Rondradin an. “Und dabei begann der Tag heute so friedlich.” Der Seufzer zu diesen Worten kaum aus tiefstem Herzen.

“Findet Ihr?” feixte Rondradin und befühlte die genähte Wunde auf seiner Nase. Eine gute Möglichkeit um die Situation etwas zu entspannen.  “Wollen wir zurückgehen?” “Ihr hättet noch an ganz anderen Stellen Stiche abbekommen können.” konterte die Baronin, mit einem fröhlichen Grinsen, dass dem Feixen des Geweihten eine elegante Parade bot. “Lasst uns zurückgehen. Für heute ist es genug.” “Wollt Ihr eurem Gemahl unterstellen, er hätte mir etwas antun wollen?” Er zwinkerte ihr zu um seinen Worten einen etwaigen Stachel zu nehmen.  “Wenn er es hätte tun wollen, so hätte er dies vermutlich getan.” schmunzelte die Baronin. “Da ihr noch in der Lage seid, euch darüber zu beschweren, war dem wohl nicht so.” Sie lachte leise. Rondradin lachte. “Und doch wart Ihr ungehalten, als wir zum Frühstück kamen. Dabei hatten wir den Knappen und Pagen nur eine überzeugende Darbietung geboten.”  Shanija gab ein wenig damenhaftes Schnauben von sich, und der Rondrageweihte vermeinte, ein zutiefst mißbilligendes ‘Männer!’ daraus zu entnehmen. “Gehen wir!” beschied die Baronin, wandte sich in Richtung Feierhalle und reichte Rondradin auffordernd den Arm. Dieser nahm ihren Arm und führte sie, ein Grinsen unterdrückend,  zurück zur Halle. Da hatte er wohl einen Nerv getroffen. Die Baronin schüttelte innerlich den Kopf. Hier würde noch einige Arbeit auf ihre Tochter zukommen - und dennoch zweifelte sie nicht im Geringsten daran, dass diese ihre Aufgabe meistern würde. Immerhin hatte sich der junge Rondrianer mit der freundschaftlichen Stichelei auch ganz gewiss eine Sonderbehandlung bei seinem nächsten Schmiss verdient. Schließlich wollte niemand, dass der Bursche mit Narben verunstaltet würde - vorerst. Ein freundliches Lächeln auf den Lippen trat sie den Rückweg zum Jagdschloss an.

Sieger

Kaum hatte Borindarax seine Wahl verkündet, sprang Doratrava mit einem freudigen Aufschrei in die Luft, dann fiel sie erst Nivard und dann Gelda um den Hals, um dann auch die Zwerge mit einem etwas dezenteren Schulterklopfen zu bedenken. Borix hat es noch gar nicht gefasst, dass seine Jagdgefährten und er zu den Jagdkönigen gewählt worden waren und so zuckte er zusammen als ihm die Gauklerin auf die Schulter klopfte. Der Schlag rief ihn wieder in die Wirklichkeit zurück und begann über das ganze Gesicht - oder besser über das was durch den Bart nicht verdeckt wurde - zu strahlen. Dann drehte er sich zu Tharnax um und fiel seinem alten Freund in die Arme und hüpfte mit ihm im Kreis. Tharnax war etwas überrascht, ja überrumpelt von dem Ausbruch seines Freundes, dennoch lachte er und ließ sich von dessen Freude bereitwillig anstecken.

“Wir haben es geschafft! Wir haben es wirklich geschafft!” rief Doratrava begeistert und überschwänglich aus und machte noch ein paar Luftsprünge mehr, bis sie sich etwas beruhigte und den Applaus und die Glückwünsche der anderen Jagdteilnehmer und der Gäste wahrnahm. Die Gauklerin war zwar Beifallsbekundungen zuweilen gewohnt (und auch das Gegenteil …), doch war dies etwas anderes als nach einem normalen Auftritt, irgendwie fühlte sie sich besonders an diesem Abend. Glücklich schlang sie ihre Arme erneut um Nivard und Gelda gleichzeitig und genoss das Gefühl, etwas Außerordentliches mit Freunden zusammen vollbracht zu haben. Für einen Moment stand Nivard ganz still da, und wiederholte im Geiste die Worte Borindarax’, deren Bedeutung erst langsam sickern musste. Waren sie etwa tatsächlich… zu den Jagdkönigen… gekürt worden? Noch in dieser Trance wurde er von und mit seinen Gefährten in die Mitte des Kreises geschoben, wo ihm alsbald zuerst Doratrava um den Hals fiel. Ihr anschließend wie wild fortgeführter Freudentanz erschien ihm viel langsamer, als er tatsächlich war,  und noch immer ein wenig unwirklich. Eher automatisch als aus Überlegung verneigte sich der junge Tannenfelser kurz in Richtung des Vogtes, dann wandte er sich seinen Gefährten zu. Dabei streifte sein Blick zuerst die vom Feuerschein erhellten und glänzenden Augen von Tharnax und Borix, dann sah er sich in einer Umarmung mit Doratrava und Gelda, hörte von fern Applaus aufbranden. “Wir sind Jagdkönige!” war das einzige, was er in diesem Moment, ganz langsam und mit vor Ergriffenheit belegter Stimme hervorbringen konnte. Aus seinen Augen aber und seinem Gesicht sprachen nunmehr, nach der anfänglichen Ungläubigkeit, tiefe Freude - und Dankbarkeit, die Kurim dem Jäger für seine Gnade, vor allem aber seinen Freunden und Gefährten galt. “Wir sind Jagdkönige, gemeinsam, alle zusammen!” 

Seine Augen trafen die freudestrahlenden Geldas, und wieder versank er in diesen, umspült von einer warmen Woge des Glücks. Heute waren sie Könige! “Ja! Wir haben es geschafft!” rief nun auch Borix und schüttelte erst Doratrava, dann Gelda und Nivard vor Freude kräftig die Hände - völlig vergessend, dass es zum einen nicht so wirklich der Etikette entsprach und zum andern dass der alte Zwerg es hier nicht mit muskelbepackten Schmieden, sondern auch mit zwei Menschenfrauen zu tun hatte. Auch Gelda wurde von dem Rausch des Gewinnens erfasst. Jubelnd und umarmend, ließ sie sich mit ihren Gefährten feiern. Sie versuchte Rondradins Blick zu erhaschen, mußte traurigerweise feststellen, das dieser sich mit der Baronin von Rabenstein von der jubelnden Masse entfernte. ´Jagdkönige´, ging es ihr wieder durch den Kopf. Barone, Ritter, Junker und Edelmänner haben teilgenommen, aber die Vögte, der Krieger, eine Gauklerin und sie selbst hatten es geschafft. Kaum zu glauben und für immer in der Geschichte der Nordmarken verewigt. Die Geweihte der Schwanengleichen hatte recht, Ifirn war mit ihr! Sie suchte wieder die Nähe von Doratrava und schaute sich den jubelnden Nivard an. Er war an ihrer Seite, er hatte die Jagd mit beendet. ´Könnte er mehr sein als nur ein Freund?` Ihr wurde seltsam warm bei diesem Gedanken. Plötzlich wurde sie herum gerissen und umarmt. Ein Kuss fand ihre Wange. “Wir sind so stolz auf dich!!” Es war ihr Cousin Elvan der sie hielt. “Wer hätte das gedacht, Gelda!” Die Altenbergerin drückte nun auch ihn. Über seine Schulter hinweg, sah sie ihre Tante Maura, die am Rande noch immer applaudierte und ihr stolz zu nickte. Elvan löste sich und umarmte nun auch seinen Freund Nivard. “Ein wahrer Held, mein Freund, ein wahrer Held!” Der Schreiber schaute ihm tief in die Augen. “ Ich kann mit kein besseren Beschützer für meine Familie vorstellen als dich, Nivard. Meine Mutter hat ein wichtiges Anliegen an dich, würdest du kurz zu ihr gehen?” Er deutet mit seiner Hand Richtung der Doctora.

“Du übertreibst, Elvan!” - entgegnete Nivard lächelnd, dennoch geschmeichelt und im vizeköniglichen Glück schwelgend - “es war die starke Gemeinschaft, die uns, obwohl wir uns erst so kurz kannten, alle Prüfungen meistern ließ, die Firun uns heute auferlegte. Sicherlich konnte ich einen guten Beitrag dazu leisten, aber ebenso Gelda und Doratrava, und natürlich auch die beiden Bergvögte, Tharnax und Borix. Schade nur, dass Du selbst nicht gerne jagst - es wäre schön gewesen, wenn auch Du dabei gewesen wärst. Aber wir werden ja noch ein paar gemeinsame Tage haben, wenn es dabei bleibt, dass ich Euch in Richtung Herzogenfurt begleiten darf - was ich liebend gerne tun werde. Will mich Deine Mutter deswegen sprechen? Auf jeden Fall möchte ich Sie nicht länger warten lassen!”  Elvan nickte nur und ließ seinen Freund gehen. Obgleich Nivard den direkten und nicht allzu langen Weg zur Doctora von Altenberg wählte, dauerte es ein paar Augenblicke, bis er sie erreichte, wurde doch die Gelegenheit, dass er sich aus dem Pulk in der Mitte gelöst hatte, zu weiteren, mit ausgiebigem Anstoßen und dem einen oder anderen Wort ausgeschmückten Gratulationen genutzt. Endlich gelangte er an. “Verzeiht bitte, hochgelehrte Dame, dass Ihr etwas warten musstet - Ihr habt es vielleicht gesehen, dass es nicht ganz einfach war, zu Euch durchzukommen. Euer Sohn berichtete mir, Ihr wolltet mit mir sprechen?” 

“Herr von Tannenfels, meinen Glückwunsch. Der Titel spricht für euch.”  Sie verneigte sich ein wenig vor ihm, bekam aber einen ernsten Gesichtsausdruck. “Ich wollte eigentlich warten, aber ich muss gestehen, dass ich nicht zur Ruhe kommen, wenn ich eure Bestätigung habe. Nun”, sie machte eine kurze Pause,” während ihr bei der Jagd war ist etwas ´Unerfreuliches´ und für uns äußerst peinliches passiert. Wir Altenberger stehen nun ohne Reisebegleitung zurück nach Elenvina da. Wenn es möglich ist, würde ich euch schon jetzt als Schutzbegleitung für uns anstellen. In euren Händen würden wir uns sicher fühlen, was sagt ihr?” Mit leicht hilfesuchenden Blick schaute sie den jungen Krieger an. Jagdkönig hin oder her - Nivard errötete etwas, als er der angedeuteten Verbeugung der Dame von Stand vor ihm gewahr wurde. “Nicht doch…” wollte er bereits ansetzen, da eröffnete die Doctora bereits ihr Anliegen. Keinen Moment zögernd und mit einem freudigen Lächeln entgegnete der junge Krieger: “Selbstverständlich ist es mir eine Ehre und Freude, Euch und die Euren sicher nach Elenvina zurückzugeleiten.” Erst als ihm diese Worte, einem Reflexe gleich, rausgerutscht waren, fiel ihm siedend heiß ein, dass er eigentlich keine Aufträge direkt annehmen durfte. Andererseits konnte Emmeran von Plötzbogen in so einer Notlage unmöglich von ihm verlangen, die Anfrage zurückzuweisen oder zuerst in der Zentrale anzumelden, bevor er ihn ausführte. Die kaufmännischen Details konnten ohne Zweifel auch noch danach in Elenvina geklärt werden. Dennoch wurde Nivard ernst - als Geleitschützer musste er es wissen: “Ohne Euch an dieser Feier mit Unerfreulichem behelligen zu wollen, doch darf ich fragen, was heute am Tage hier geschehen ist? Ich hoffe, nichts, was noch zur Gefahr für Euch werden könnte?”  Die Altenbergerin zögerte kurz. “Den Söldner den ich eingestellt hatte, hat sich der Borongeweihten unsittlich genährt. Er ist in Gewahrsam, es wird um ihn gekümmert.”, kürzte sie die Geschichte ab und es war klar das sie nicht mehr darüber reden wollte. “Wir sehen uns dann bei der Abreise.” Sie lächelte wieder.  Über Nivards Züge huschte kurz ein bestürzter Ausdruck, doch er verstand sogleich, dass dieses Thema keiner weiteren Vertiefung bedurfte. Bereits gestern Nacht war ihm dieser Kerl alles andere als vertrauenserweckend erschienen, wenngleich er nicht genau sagen konnte, woran dies gelegen hatte. Entscheidend war aber, dass dieses Schwein, dass sich offensichtlich an der blinden Geweihten vergriffen haben musste, in sicheren Händen war.  Er straffte sich und erwiderte  nickend das Lächeln der Doctora: “Ich werde bereit stehen. Bis allerspätestens dann, hochgelehrte Dame!”

Ein Bier in Ehren

Als nun die Menschen auf die Gruppe losstürmten, nutzte Borix die Gelegenheit und organisierte fix zwei Humpen für Borix für sich und Tharnax und ließ diese dann lautstark zusammenschlagen. “Prost, mein Alter! Da haben wir ja noch mal wieder was auf die Beine gestellt, was?” Besagter Bergvogt aus dem Kosch grinste breit  und legte seinem Amtskollegen aus den Nordmarken den Arm um die Schultern. "Wir mögen vom alten Eisen sein, aber aus uns wurde respektabler Stahl und kein spröde Grauguss, auch wenn unsere Knochen nicht mehr so geschmeidig sind wie früher." Tharnax lachte herzhaft und stieß seinen Krug kurz gegen Borixs Bauch. "Prost! Ich hab jetzt schon Angst vor dem Brummschädel morgen früh." Borix lachte laut auf und meinte: “Du sollst doch den Humpen nicht an meinem Bauch zerschlagen!” Dann hob der den Humpen an den Mund und leerte ihn in einem Zug. “Ja, das tat gut und nun weiter nach dem alten thorwalschen Motto:  Solange ich noch alleine am Boden liegen kann, bin ich nicht betrunken!” Nachdem die Krüge geleert waren, wandte sich Tharnax an all die Menschen, die nun auch vor sie traten und schüttelte gut gelaunt viele derer Hände.  "Wahrlich, Borindarax hat etwas für das Verständnis zwischen den Rassen getan, wir sind das beste Beispiel dafür. Er mag jung sein, aber man wird mit ihm rechnen müssen." Wiederum lachte der Bergvogt von Arxozim. "Mindestens die nächsten zweieinhalb Jahrhunderte."

Thalissas Gedanken

Als der Vogt das Ergebnis der Kür verkündete, durchfuhr Thalissa ein ganz leiser Stich. Verwundert lauschte sie in sich hinein, als sie automatisch in den Applaus der anderen Gäste einfiel. Nanu, sie würde doch nicht etwa neidisch sein, immerhin hatte sie aufgrund ihrer eigenen bescheidenen Fähigkeiten nichts Großes erwartet? Nun, erwartet nicht, aber gehofft, und diese Hoffnung war eben enttäuscht worden. Enttäuschte Hoffnung, ja … besser als Neid, sagte sie sich. Sie würde es überleben. Ihr Blick fiel auf Tar’anam, der wie immer mit stoischer Miene neben ihr stand und sich nichts anmerken ließ, aber außer einem beifälligen Nicken, wenn es denn so gemeint war, keine Regung zeigte und auch nicht in den Applaus einstimmte. Was er wohl dachte? Und wie oft hatte sie sich das schon gefragt? Dann betrachtete sie die  Gruppe der Sieger, vor allem diese Schaustellerin, die völlig aus dem Häuschen zu sein schien. Nun, Thalissa konnte es ihr nicht verdenken, sie nahm an, die junge, exotische Frau war ob ihres Standes eher selten in einer solchen Situation. Sie beschloss, den Jagdkönigen ihren Erfolg zu gönnen und winkte Tar’anam, ihr zu folgen. Vielleicht gab es heute hier irgendwo besseren Wein. Sonst würde sie sich einfach wieder an die Rabensteiner halten, die hatten sicher vorgesorgt. Etwas, dass sie selbst das nächste Mal auch tun sollte. 

Wunnemines Ansichten

Wunnemine grämte sich nur kurz, als sie das Resultat der Kür durch den Vogt vernahm - die eigentliche Jagd ihrer Gruppe war den Berichten zufolge - obgleich die beiden Hirsche mehr als respektable Trophäen darstellten - weit weniger spektakulär verlaufen als die der anderen. Und die Botschaft des Trolls, die hier - wenigstens kurz - für Aufsehen gesorgt hatte, mochte vielleicht die wichtigste Ausbeute der gesamten Jagd gewesen sein, konnte aber offensichtlich nicht aufwiegen, dass außer ihr niemand aus ihrer Jagdgruppe es für nötig erachtet hatte, dem Vortrag beizuwohnen und so der Kür gegenüber den nötigen Respekt zu erweisen. Insofern war der Ausgang nur würdig und recht. Sollten sich der junge Tannenfels und seine ihr unbekannten Gefährten freuen - sie gönnte es ihnen, und auch Celissa, seiner Mutter, die mächtig stolz sein würde, wenn sie davon erfuhr.  Gemeinsam mit Leodegar stimmte sie in den Applaus ein. An ein Durchkommen war gerade nicht zu denken, aber später am Abend würde sich zweifelsohne Gelegenheit ergeben, den Siegern zu gratulieren. Der Baronin von Ambelmund entgingen, wie sie so dastand und die Szenerie betrachtete, nicht die Blicke und das Lächeln, dass der junge Tannenfels der jungen Frau schenkte, bei der es sich zweifelsohne um die Altenbergerin der Jagdgruppe handeln musste. Unwillkürlich musste sie grinsen. Wenn Celissa wüsste, wie vorauseilend sich ihr Sohn, ohne es zu selbst zu wissen, in deren Pläne fügte... 

Die Baronin und der Vogt

Die Gruppen um die Jagdkönige lösten sich. Shanija hatte diesen den Sieg aus ganzem Herzen gegönnt, nicht nur, aber auch, ob des wundervollen Schröters, der ihr und Maura eine spannende Stunde geschenkt hatte und dies vermutlich auch noch ein wenig weiter tun würde. Nun aber steuerte sie entschieden auf den Vogt von Nilsitz zu und begrüßte diesen mit einem strahlenden Lächeln. “Euer Hochgeboren - habt Ihr einige Minuten Zeit für mich?” "Selbstverständlich Hochgeboren", antwortete Borindarax von Nilsitz strahlend. Er schien im höchsten Maße zufrieden über den Ausgang der Jagd. "Was kann ich für euch tun?"  “Die Jagdgruppe meines Gemahls heute ist einem Schrat begegnet.” begann sie ohne Umschweife. “Nach Euren Äußerungen hattet Ihr bereits häufiger mit ihnen zu tun. Ich habe leider noch nie einen getroffen.” Sie schwieg einen Augenblick, ehe sie zum Kern der Sache kam. “Wisst ihr, ob es stimmt, dass sie sich bei ihrem Tod in Stein verwandeln?” forschte sie nach. “Wissen wäre übertrieben in diesem Zusammenhang Hochgeboren”, entgegnete der Vogt im sachlichen Ton. “Aber da ich noch keines auch nur grob einem Troll ähnlichen Steines ansichtig wurde, würde ich vermuten, dass dies eher eine Legende ist, oder, dass sie es vermögen um sich zu schützen, es aber nicht im Falle ihres Ablebens tun. “Oh!” Ungebremstes Interesse blitzte in den Augen der Baronin auf. “Das ist ein interessanter Ansatz! Ich danke euch dafür!” Strahlend betrachtete sie ihren benachbarten Lehensherr. “Würdet ihr mich informieren, wenn Eure Leute doch einmal einen toten Troll finden? Allein im Sinne der Wissenschaft würde ich diesen zu gerne in Augenschein nehmen.” Sie strahlte in an. “Ich weiß, dass dies eine große Bitte ist - doch ihr würdet mir damit eine sehr große Freude machen.” Das, “ich werde es in Erwägung ziehen, sollten die Umstände dies ermöglichen”, kam Borax nur vorsichtig über die Lippen. Offensichtlich wollte sich der Vogt auf nichts festlegen.  “Im Vordergrund steht mein Bestreben mich den Schraten anzunähern. Die Gefahr sie zu verärgern und gegen uns aufzubringen muss in jedem Falle möglichst gering gehalten werden. Ich schätze, sie sind unserer Wissenschaft gegenüber nicht sonderlich aufgeschlossen.” Borindarax lächelte. “Seid versichert, dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten agieren werde, gerade weil meine Neugierde mich dazu neigen lässt, viele altmodischen Beschränkungen zu ignorieren.” Shanija entgegnete das Lächeln ohne Vorbehalte. “Neugierde ist wichtig, Euer Hochgeboren. Ohne sie gäbe es keine Entwicklung - und keinen Zuwachs an Wissen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir in dieser Sache uns noch mehrmals sehen und besprechen würden.” Sie reichte dem Zwergen mit eleganter Geste eine Hand, wie sie es ganz selbstverständlich auch einem gleichrangigen menschlichen Adligen gegenüber getan hätte (der diese wohl mit einem der Situation angemessenen, gebührend nichtssagenden Handkuss, der gleichzeitig auch das Gespräch beendet hätte, gewürdigt hätte). Borindaraxs Reaktion, der folgende Handkuss, vor allem aber die Bewegung die dahin führten, waren weniger formvollendet, wie sie es die Baronin gewohnt war, jedoch verstand der Zwerg die menschliche Etikette offenbar besser als gedacht. Der Vogt schenkte Shanija von Rabenstein ein gewinnendes Lächeln, als er den Oberkörper wieder durchstreckte. Borax war kein ungehobelter, ungeschliffener Vertreter seiner Rasse. Nein, er hatte am Hofe seines Großvaters in Isnatosch so manche Gesandtschaft menschlicher Reiche erlebt, beobachtet und gelernt. Zudem verschlang der Urenkel des Rogmarog jedwede sich damit beschäftigende Lektüre. Borindarax hatte nicht nur Ambitionen, er tat auch alles ihm Mögliche, sich im Reigen ‘der Großen’ entsprechend bewegen zu können. Shanijas Brauen schossen nach oben - das war entschieden der erste Handkuss, den sie von einem Angroscho erhalten hatte. Ein zauberhaftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie ihrerseits mit hoch erhobenem Haupte in einen höflichen, leichten Knicks versank. “Ich sehe dem Austausch mit euch mit Vorfreude entgegen, Euer Hochgeboren.” verabschiedete sie sich von ihrem Nachbarn.