Neunte Pläne

9. Stunde - Pläne schmieden

„Verzeiht, auch mir fallen noch einige Punkte ein und ich bin mir nicht sicher, ob wir bei der Dringlichkeit der Situation und vor lauter Vorschlägen dann nicht den einen oder anderen Punkt aus den Augen verlieren. …“ ‚Und schließlich noch einen weiteren Tod zu verantworten haben!‘ Bei diesem Gedanken musste Radulf schwer schlucken und spülte den Gedanken mit einem Schluck aus seinem Kelch fort, bevor er weitersprach: „… Vielleicht sollten wir die Punkte festhalten, damit wir nichts außer Acht lassen: - muss der Täter durch die Tür gekommen sein? - Kann man das Schloss auch ohne Schlüssel öffnen? - Der Dolch war nicht tödlich. Dieser Mengdings .. hat eine besondere Klinge? Kann man an der Wunde erkennen, ob ein solcher verwendet wurde? Oder reicht auch ein normaler Dolch mit dem passenden Gift? - und gibt es ein Gift, das mit einer Dolchwunde so schnell tödlich ist? - Was ist das für ein Zeichen auf dem Papier? - Wenn wir Nachforschungen anstellen, kann es passieren, dass wir unangenehme Fragen stellen müssen und der ein oder andere nicht antworten möchte. Gibt es eine Legitimation, die Rückfragen zu dem warum wir das wissen wollen, unterbindet? - Was hat es mit Cordovan auf sich? Hat dazu jemand eine Idee? Genauso wie Eisvogel? Oder sind das nur Decknamen? Mehr fällt mir für das Erste nicht ein.“ (Radulf)

Der Abschied von dem Geweihten war nicht abzusehen gewesen. Dhana sah ihm einen Moment hinterher, unschlüssig, was dies für die restliche Sache zu bedeuten hatte. 'Ein Anschlag, ein Mord, scheinbar Gift - bei Aves, das klingt mir sehr nach Khunchom!' waren die ersten Gedanken der jungen Frau, als sie hörte und las, was der vermeintliche Diener ihnen offenbarte. Bis zur siebten Stunde... das war nicht mehr viel Zeit, auch dann nicht, wenn man selbst nicht auffallen wollte und sich ebenso mit den normalen Vorbereitungen beschäftigen musste wie alle anderen. Sie las den Brief einmal, zweimal, dreimal. Sie versuchte sich die Schrift einzuprägen, in welcher er geschrieben war, ebenso die Art der geschriebenen Worte. Irgendetwas schien in ihrem Kopf vorzugehen, doch noch konnte sie sich auf die eigenen Gedanken keinen Reim machen. Sie hörte die Worte der anderen, deren Vorschläge, und musste hier nicken und da nur den Kopf schütteln. Gerade die Blicke einiger Herren zu Immas Dekolleté wurden mit einem leichten Hochziehen der Augenbrauen quittiert. (Dhana)

"Verzeiht, Alfons. Ich bin Veralindhana von Hamrath, wie Ihr sicher wisst. Ihr sagtet, dass der Oberst der Flussgarde ermordet wurde? Wurde denn auch bei diesem der Brief gefunden oder habt Ihr ihn von einer anderen Stelle, vielleicht sogar selbst abgefangen? Und habt Ihr die Waffe finden können, mit welcher er den Tod fand? Ich selbst bin zwar nicht sehr kundig in den Arten der Klingen, doch gibt es andere hier, die vielleicht beurteilen können, woher der Dolch stammte." Sie überlegte, voller Tatendrang und - ja, auch ein wenig objektiver als viele andere im Raum - und sah fragend zu Borax, welcher sich immerhin mit Eisen auskannte. Sie sah zu Arlan und lächelte leicht "Werter Herr, sicher ist es eine gute Idee, die Leute zu befragen. Doch bleibt so etwas nie ohne Beobachter und könnte dazu führen, wenn man zu plump vorgeht, dass ein Attentäter früher zuschlägt als geplant, was einen noch viel größeren Schaden bedeuten kann. Daher kann ich auch verstehen, dass Ihre Hoheit lieber alles wie gehabt lassen möchte." Ein kurzer Blick ging zu Hechgard: „Mengbilar heißt die Waffe. Sie findet häufig den Einsatz bei Meuchlern und anderem zwielichtigen Gesindel. Ursprünglich stammt diese Waffe aus den südlichen Landen, ist allerdings auch in den schwarzen Landen bekannt und mit einem schmalen Giftkanal ausgestattet. Einige dieser Dolche befüllt man von vorne, direkt an der Klinge, was nicht ungefährlich ist. Besonders teure Exemplare haben im Knauf einen Behälter für flüssige Substanzen." Nachdem sie die Ausführung beendet hatte, welche sich anhörte wie das Vorlesen aus einem Buch, wurde sie etwas rot: "Ich habe in der Khunchomer Bibliothek einmal davon gelesen und leider vergesse ich solche Sachen nicht, auch wenn es - bei Praios - manchmal besser wäre." (Dhana)

Dass ausgerechnet der Geweihte die Runde verließ, überraschte Lioba. Doch wer wusste schon, welche Beweggründe er dafür hatte. Und es war nicht an ihr, darüber zu urteilen. Einmal mehr musste Lioba an ihren Bruder denken, dem die Prinzipien und Belange seiner Kirche auch über nahezu alles gingen… Auch Lioba hatte unweigerlich die Augenbrauen gehoben, als Alfons sich auf diese Art auf dem Platz der Herzogenmutter breitgemacht hatte. ‚Ist dieses Benehmen denn notwendig?‘ Innerlich schüttelte sie kurz den Kopf, aber als der Mann von der Spionageabwehr die Dokumente auf dem Tisch ausbreitete, siegte ihre Neugier. Sie richtete sich gerade auf und reckte auch ein wenig den Hals, um besser sehen zu können. Doch bevor sie sich einen wirklichen Überblick hatte verschaffen können, erklärte Alfons ihnen, worum es eigentlich ging – ‚Ein Anschlag! Ein Anschlag auf die Herzogenmutter!‘ Für einen Moment konnte sie es nicht fassen. Doch dass der Mann sich einen Scherz über solch ein Thema mit ihnen erlaubte, war nun wirklich ausgeschlossen. Und spätestens, als sie den Brief zu sehen bekam, ließ es sich nicht mehr leugnen… Auch Liobas Gesichtsausdruck zeigte eine Spur von Ekel vor dem Schriftstück. Dennoch wollte auch sie es sich gerne näher besehen. Alles, was ihnen auffiel, konnte weiterhelfen, das Attentat zu verhindern und den Schuldigen zu entlarven…(Lioba)

Lioba hörte sich aufmerksam an, was die anderen zu sagen hatten. Sie brachten allesamt gute Punkte vor, auch wenn sie sich fragte, wer von den hier Anwesenden wohl… zwielichtige Kontakte haben möge, und so nickte sie an einigen Stellen – und als Imma vorschlug, sich den Brief gemeinsam anzusehen, sogar besonders nachdrücklich. „Oh ja, unbedingt“, antwortete sie ihr. ‚Ich möchte mir unbedingt auch dieses Wasserzeichen näher besehen…‘ Sie wollte diesen Gedanken gerade laut äußern, als Radulf zu sprechen begann. Sie ließ ihn also zunächst ausreden, wobei auch er schon auf das ‚Zeichen‘ hinwies. „Nun, ich würde vermuten, dass dieses Zeichen Siegelcharakter hat. Vielleicht gehört es… nun… zu einer Art Geheimorganisation. Es bedient sich sicherlich einer gewissen Symbolsprache – Säulen, Winkelmaß… Die Buchstaben,… - die uns vielleicht auch etwas sagen kann. Außerdem denke ich, dass Anreden auch kodiert sein können. Es muss sich bei dem so bezeichneten Vater zum Beispiel nicht im eigentlichen Sinne um den Vater des Briefeschreibers handeln. Es könnte zum Beispiel auch eine Art Anführer sein.“ (Lioba)

Dhanas Worte und ihre offenbaren Kenntnisse über… Meuchlerwerkzeuge, konnte Lioba nur mit Staunen und einem Schlucken zur Kenntnis nehmen. Offenbar hatte sie die eine oder den anderen der Anwesenden unterschätzt…(Lioba)

Imma sah sich um, ob sie irgendwo einen Diener erblickte, den sie nach Feder und Pergament schicken konnte. Des Herrn von Grundelsees Idee, alle Punkte festzuhalten, fand sie sehr richtig. Sie entschloss sich zugleich für die Dokumentation zu sorgen und sollte kein Diener zugegen sein, selber in ihrer Kammer ihre Schreibutensilien zu holen. „Wenn niemand von uns dieses Siegel kennt, würde ich mich anbieten, in der Hesindebibliothek die einschlägigen Werke danach zu durchsuchen, während sich die Waffenkundigen mit der Klinge beschäftigen, wie es die werte Dame von Hamrath vertreten hat. Wir sollten meiner Meinung nach noch eine Sache bedenken: Mir scheint nach dem Wortlaut des Briefes, der Meuchler strebt nicht unbedingt nach einer Machtprobe in unserer Heimat, in erster Linie scheint es ihm darum zu gehen, unsere Sache in der Fremde zu boykottieren und diesen unsäglichen Usurpator zu unterstützen. (kurz blitzte Hass in ihren Zügen auf) Es geht also nicht nur darum das Leben der Herzogenmutter zu retten, sondern auch –und das sollten wir nicht vergessen- eine Niederlage gegen die Feinde zu verhindern. Wir sollten also, wenn wir den Übeltäter enttarnen, davon absehen ihn direkt zu richten, sondern die Gelegenheit nutzen, seine Verbündeten hier und in unserem Heer zu entschleiern und so auch viele Leben (ihre Stimme zitterte leicht als sie weitersprach) in unseren Truppen retten.“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab, um sich um das Pergament zu kümmern. . (Imma)

Während die anderen Personen ihre Gedanken weiter äußerten, hörte Hechgard aufmerksam zu. Kurz dachte er auch an den Geweihten und ob sein Gott ihm eine Vision gesendet oder ihn zu einer anderen wichtigen Aufgabe gerufen hatte. Und als die edle Dame Veralindhana von Hamrath ihn betreff des Namens jener Waffe aufklären konnte, glitt ein freudiges Lächeln über sein Gesicht. „Habt Dank Edle Dame, Mengbilar. Ja, genau so heißt sie und ihr beschreibt sie ja auch so zutreffend. Nun nichtsdestotrotz eine Waffe, die nach außen hin getragen eher wie ein normaler Dolch wirkt, oder?“ (Hechard)

"Soweit ich weiß ja, doch gebe ich zu, einen dieser Dolche noch nie gesehen zu haben. Meine Informationen stützen sich allein auf das, was ich zufällig in der großen Bibliothek las." sie lächelte ihn freundlich an, dass er es ihr wohl nicht übelnahm, solches Wissen zu besitzen. (Dhana)

Abgelenkt durch den Brief wandte sich Arlan dann jenem kleinen Beutel an seinem Gürtel zu und nahm einen rund gewölbten Glasstein heraus, mit dem er das Schriftstück mit Augenkneifen betrachtet. Als er den Brief weiterreichte, schien er abwesend zu sein und über etwas intensiv nachzudenken. (Hechard)

Boromar war etwas überrascht, dass seine Gnaden Ingrawin von Wolfenstein den Raum verließ. ‚Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen.‘ Als Alfons sich zum Tisch wandte und sich anmaßend auf dem Platz Ihrer Hoheit niederließ, konnte Boromar ein ärgerliches Stirnrunzeln nicht vermeiden. ‚Gesandter seiner Exzellenz und Tätigkeit in der Spionageabwehr hin oder her‘, dachte Boromar, als er sich auf seinem Stuhl niederließ, ‚aber so ein Betragen ist in jedem Fall höchst unangemessen.‘ Als Boromar jedoch die Ernsthaftigkeit der so nüchtern vorgetragenen Ereignisse vernahm, spielte dies keine Rolle mehr. Boromar war zutiefst erschrocken und entsetzt. ‚Bei den zwölf Göttern, ein Attentat auf Ihre Hoheit! Und der Oberst der Flussgarde bereits auf das Hinterhältigste gemeuchelt.‘ Er fühlte wie ihn Furcht und Beklommenheit zu überkommen drohten. ‚Ein ehrlicher, rondragefälliger Zweikampf, das ist eine Sache. Da kann man seinem Gegner in die Augen schauen, man sieht, wen man vor sich hat und kann erahnen, was sein nächster Zug ist. Aber bei einem Attentat! Nichts! Wahrscheinlich müssen wir schon dankbar sein, dass wir das Opfer und den Tag kennen.‘ Beklommen und etwas zweifelnd blickte er in die Runde. ‚Und wir sollen den Anschlag auf die Herzogenmutter verhindern. In nur wenigen Stunden. Immerhin ist nun klar, warum wir zusammengerufen wurden.‘ Er unterbrach seinen Gedankengang und folgte Alfons Ausführungen sowie den Anmerkungen und Fragen der anderen. Bei Immas Unsicherheit, ob einer der Anwesenden verdächtigt würde, schüttelte Boromar den Kopf. „Das macht doch keinen Sinn. Warum sollten wir dann hier sein?“, murmelte er ganz leise. ‚Andererseits, wenn der ein oder andere hier anscheinend Kontakte zur Elenviner Unterwelt hat, ist das schon fragwürdig.‘ Dabei wanderte sein Blick zu Arlan. Boromar nahm den Brief von Hechgard entgegen und meldete sich, nachdem er ihn gelesen hatte, erstmals zu Wort. „Vielleicht können uns die Worte die rechts und links des Siegels zu lesen sind weiterhelfen. Stäbe. Fällt euch etwas dazu ein, Magistra?“ Nachdenklich wandte sich Boromar an Alfons. „Was macht euch so sicher, dass das Attentat auf Ihre Hoheit erst heute Abend währen des Banketts stattfinden soll? Müssen wir nicht in Betracht ziehen, dass…“ Er ließ den Satz unvollendet. (Boromar)

“Da die Damen ihren Teil beitragen, würde ich gern das meine tun. Wenn ihr keine Einwände habt, werde ich versuchen Werkzeug in der Stadt zu bekommen und mir dann die Schlösser und Verschlüsse der Fenster und Türen noch einmal genauer ansehen. Wenn wirklich keine Spuren zu finden sein sollten, gäbe es wirklich nur die Möglichkeit, dass der Attentäter Hilfe in der Garnison hatte. Oder es ist etwas Anderes was wir noch nicht sehen können, jedenfalls ist es dann ein Kenner des hiesigen Terrains, der Gegebenheiten des Herzogenhofes. Oder habt ihr oder die Anwesenden einen anderen Vorschlag, was zu tun sei? Bei einer Befragung von Soldaten und Bediensteten bin ich wohl weniger hilfreich bzw. errege wohl unnötiges Aufsehen, mehr als es eh der Fall sein wird. Falls eine Tatwaffe gefunden wurde oder wird, könnte ich das Metall einschmelzen und euch wohlmöglich sagen, wo das Erz verhüttet wurde, tendenziell versteht sich, nicht die exakte Mine, aber vielleicht die Region des Kontinents. Ihr müsst wissen, dass es da große Unterschiede gibt. Ob uns das jedoch weiterhelfen wird, wage ich zu bezweifeln.” (Borax)

Aufmerksam hörte Arlan den andern weiter zu und als die Vorschläge zum Untersuchen der Türe kamen, meldete er sich nochmals zu Wort. „Meine Damen und Herren, Ich habe aufmerksam zugehört, wenn ich noch etwas beitragen dürfte? Jener Schurke oder jene Schurkin ist gut ausgerüstet, wie es scheint, und skrupellos. Ich halte es für sinnvoll und ratsam keinerlei Aktionen allein durchzuführen. Denn sollte jemand von uns auf jene Person treffen und jene unsere Absicht erkennen, denke ich, wird es zu einer Auseinandersetzung kommen und zu zweit besteht eher die Hoffnung, dass entweder man den Attentäter überwältigen kann oder wenigsten einer entkommt um Hilfe zu holen.“ Er schaut in die Runde wie die Anderen darauf regieren. (Hechard)

Imma schluckte kaum hörbar. Sie war eine schlechte Kämpferin. Und das war fast schon zuviel gesagt. Sie wusste, wo das Heft des Schwertes war und wie man am besten einen Dolch griff. Da endeten auch schon ihre Kenntnisse. Sollte sie in irgendeinen Kampf verwickelt werden, so würde sie schneller vor Borons Halle stehen, als ihr Bruder in Medena. Andererseits war sie auch nicht unbedingt die Geeignetste um für schnelle Hilfe zu sorgen. Sie runzelte die Stirn, sie hatte allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht vor, den anderen auf die Nase zu binden, wie wenig Rondra ihr gewogen war und lächelte Hechgard an als sie ihm antwortete. „Ihr habt wohl recht, wie mir scheint.“ . (Imma)

"Ich gehe ebenfalls davon aus, dass die Attentäterin oder der Attentäter sein Handwerk sehr gut beherrscht. Den Oberst der Flussgarde... das ist bei Rondra sicherlich nicht leicht. Diesem Übeltäter direkt zu begegnen, vielleicht noch alleine..." sie seufzte und man konnte erkennen, dass sie leicht schluckte und Borax anblickte: "Zu meinem großen Bedauern muss ich zugeben, .. dass ich... nun... nicht gerade mit Rondras Segen ausgestattet wurde. Ich will dies, auch wenn für meine Familie ein Makel an mir, nicht verschweigen, denn wir werden wohl zusammenarbeiten. Mit keiner Waffe weiß ich wirklich umzugehen, Kämpfen bin ich bis jetzt eher aus dem Wege gegangen oder hatte starke Gefährten an meiner Seite." (Dhana)

Alfons hatte sich mit geschlossenen Augen zurückgelehnt und den Ideen und Gedanken gelauscht, welche den Raum wie Blätter im Wind durchwirbelten. Bei der einen oder anderen Anmerkung zeigte er mit dem Zeigefinger auf die Person, als wollte er die jeweilige Aussage hervorheben. Nach Immas Worten öffnete er die Augen wieder und deutete auf den Schreibtisch Grimbertas. „Imma, ich denke Ihr werdet dort finden was Ihr sucht.“ Er sortierte sich kurz, fasste sich an die verfärbte Nase, um dies mit einem Zischen sogleich zu bereuen, und blickte mit Tränen in den Augen wieder in die Runde.

„Nun zu euren Fragen. Die Waffe, mit der der Oberst ermordet wurde, war, hergeleitet von der Stichwunde am Hals, ein normaler Dolch. Ihn selbst habe ich nicht gefunden, nur den Leichnam untersuchen können. Es scheint mir sinnvoll, den Tatort erneut zu untersuchen, vor allem, wenn sich jemand mit Fachwissen in Metallurgie…“ hier sah er auffordernd in Borax‘ Richtung „…die Schlösser ansieht. Das könnte uns weiterbringen. Bei dieser Gelegenheit, werter Arlan, könntet ihr sogleich Bekannte des Oberst befragen. Der Vorschlag war doch der eure, oder irre ich mich?

Das Personal, altes sowie neu angestelltes habe ich nicht befragt. Ich glaube, ihr macht euch keine Vorstellung davon, wie viele Menschen für den reibungslosen Ablauf in einer solch mächtigen Burganlange erforderlich sind.“ Kurz musste Alfons lachen. „Ich würde, selbst bei unvorsichtiger und indiskreter Vorgehensweise Tage brauchen! Was ich hingegen gestern bewerkstelligen konnte, war, mir die Freiheit zu schaffen, mich in der Burg frei bewegen zu können und mit Ihrer Hoheit zu sprechen, um sie zu überzeugen, den Ball abzusagen. Letzteres leider ohne Erfolg.

Nun zum Brief. Natürlich dürft ihr diesen untersuchen, auch gemeinsam, werte Imma und Lioba. Ich verdächtige im Moment eigentlich jeden. Nur euch hier in diesem Raum ein klein wenig weniger.“ Er schnaufte über seine eigene Wortwahl. „Die Tatsache, dass ihr bis heute, verzeiht meine Direktheit, Unbekannte am Hof und in Elenvina wart, spricht für euch. Dieses Attentat in der Nacht und das geplante Attentat heute sind von langer Hand vorbereitet. Keine Aktionen von Spontanität oder reiner Reaktion. Ich wüsste keinen Ort in Elenvina, an dem ich solch potentes Gift besorgen könnte. Zumindest nicht innerhalb weniger Stunden. Übrigens, werte Imma und auch Boromar, ich denke, dass der Anschlag während des Balls heute Abend stattfinden soll, denn ich könnte mir keinen passenderen Zeitpunkt vorstellen, an dem die destruktive Auswirkung eines erfolgreichen Mordanschlags auf die Moral verheerender wäre, als bei einer großen Festivität, bei der so viele Zeugen wie möglich anwesend sind.“

Alfons blieb am linken Tischende stehen, wo er sich mit beiden Händen auf dem Tisch abstützte. Kurz ließ er den Kopf hängen, bevor er ihn wieder anhob, dann ruckartig nach rechts und links blickte, um die Nackenwirbel knacken zu lassen. „Ihr wolltet ferner auch noch wissen, woher ich diesen Brief habe…“ verächtlich nickte er zu dem Schriftstück, welches sich in diesem Moment in Hechgards Händen befand. „Ich habe ihn mit einem trainierten Falken vorgestern Abend abgefangen. Bisher kennen nur die Personen in diesem Raum sowie Ihre Hoheit selbst den Inhalt. Ich bin seit mehreren Götterläufen hier stationiert, um potentielle Spione und Attentäter, speziell solche aus der Fürstkomthurei, ausfindig zu machen. Daher habe ich die regelmäßigen Brieftaubenflüge von und nach Elenvina überwacht, analysiert und nach Unregelmäßigkeiten gesucht. Diese eine Taube, welche den Brief dort trug, flog in der Abenddämmerung aus der Gegend der Magierakademie los. Den genauen Ort konnte ich noch nicht ausfindig machen, da das Betreten des Akademiegeländes für Nichtmagier äußerst schwierig ist. Die gelehrte Dame Saria kann dies wohl bestätigen.“

Die derart Angesprochene nickte grimmig. „In der Tat, werter Herr Alfons, sprecht ihr wahr. Für Nichtmagier ist es beinahe unmöglich, das Gelände zu betreten. Aber auch Magier oder Novizen haben Legitimierungen oder Passierscheine vorzuweisen. Und wehe, es möchte sich ein Jungmagier in das spärliche Nachtleben der Stadt schleichen.“ Saria lächelte schmerzhaft in Erinnerungen schwelgend. „Ich würde mich übrigens anbieten, in der Bibliothek und dem Hesindetempel das Zeichen auf dem Brief zu recherchieren.“ (Saria)

Alfons nickte zustimmend. „Gern, gelehrte Dame, könnt ihr euch auf die Bücher stürzen. Ich würde vorschlagen, wir treffen uns später hier in diesem Salon wieder, um unsere Ergebnisse auszutauschen. Derweil dürfen wir diesen Raum benutzen, so wie wir es benötigen.“ Er stieß sich wieder vom Tisch ab, ging zu Grimbertas Stuhl und nahm weitere Papiere vom Tisch auf. Er hielt sie mit seiner Rechten in die Luft, wedelte damit leicht hin und her. „Noch zur Frage eurer Legitimation. Dies sind namentlich ausgestellte Ernennungsurkunden, die euch zu Sonderermittlern im Range eines Hauptmanns im Dienst des Reichsgroßgeheimrats, seiner Exzellenz Markgraf Rondrigan Paligan von Gareth, machen. Ihr solltet keine Schwierigkeiten damit bekommen.“ Alfons schaute die Jungadligen ernst in die Augen. „Die Ernennung gilt natürlich nur vorübergehend! Solltet ihr damit Schindluder treiben…“ Er legte eine Kunstpause ein „…werde ich euch finden, egal wann und wo.“

-- Main.CatrinGrunewald - 27 Feb 2019