Tsatag 1046 - Eine Einladung vom Baron zu Kyndoch (Neuspielerplot 2024 - Prolog)

02. Efferd 1046 BF - am Morgen

Isavena saß noch am Esstisch, kurz nach dem Frühstück, als Irmin, die alte Dienerin ihrer Mutter, ihr einen Brief überbrachte.
„Was ist das?” fragte die Junkerin, während sie sich noch schnell an der Serviette ihre Finger säuberte. Die alte Magd zuckte die Schultern. „Sieht wichtig aus, euer Wohlgeboren. Es trägt das Siegel des Barons von Kyndoch.“
Die letzten Worte ließen Isavena kurz stocken und mit einem Anflug von Sorge blickte sie Irmin an. Diese stand in ihrer stoischen Natur da und reckte Isavena das Schriftstück entgegen. Fast war es der Junkerin, dass sie eine kurze Andeutung von Ungeduld auf den Zügen der Magd bemerkte. Dann griff sie nach dem Schreiben und öffnete es.

Nach dem Lesen der ersten zwei Sätze ließ sie den Brief kurz sinken und seufzte erleichtert, ehe sie sich dem weiteren Inhalt widmete.


„Geschätzter Nachbar,
wir laden Euch und die Euren zum 25. Travia 1046 BF auf unser Schloss Efferdwacht am Rodasch. Wir wollen dort zur Herbstjagd in den Flussauen auf Federwild gehen.
Darum bringt Eure Jagdvögel und edlen Rosse, dem Herrn Firun zu huldigen.
Auch wollen wir bei dieser Gelegenheit einige bislang vakante Stellen an unserem Hofe neu besetzen und hiermit die Verbindungen zu Euch und Euren Landen erneut vertiefen und festigen.
Die Zwölfe zum Gruße, Praios und Firun voran!
Liafwin von Fadersberg, Baron zu Kyndoch"


Nach Beendigung der Zeilen runzelte Isavena die Stirn.
Mehr zu sich selber als zu Irmin, die fürderhin in der Ecke stand und darauf wartete, noch weitere Anweisungen von der Junkerin zu erhalten, meinte Isavena halblaut: „Der Baron von Kyndoch betrachtet das Junkerngut Knechtstett als seinen Nachbarn? Wir liegen doch nicht mal in derselben Grafschaft?“

„Vielleicht ist der Baron darauf aus, seinen Bekanntheitsgrad auch außerhalb der Grafschaft Isenhag zu etablieren.” Irmin schwieg einen Augenblick, ehe sie im fast schon frohlockenden Tonfall fortfuhr: "...... oooder – er ist auf Brautschau!“ Ein bald schon seliges Lächeln legte sich über Irmins sonst so gestrengen Züge.

Isavena blickte skeptisch auf und verdrehte dann die Augen. „Irmin - nicht das schon wieder!”, dann erhob die Junkerin sich und sprach: „Du kannst jetzt gehen.“, ehe sie dem Frühstückstisch samt Magd den Rücken kehrte und hinter sich zurückließ.



02. Efferd 1046 BF - am späten Vormittag

Isavena schritt langsam in Richtung des Pferdestalls und durchquerte den Hof in gemäßigtem Tempo. Die eine Hand klemmte locker am Schultergurt ihrer Umhängetasche, während sie hier und da grüßend anderen Gutshofbewohnern zunickte.

„Einen gesegneten Tsatag euer Wohlgeboren” oder „Mögen die Götter euch mit viel Gesundheit und wenig Sorgen im nächsten Jahr segnen” schallte es ihr entgegen, als die Angestellten des Gutes Isavena zum Wiegenfest gratulieren.

Mit einem leichten Lächeln näherte sie sich ihrem Ziel: ein an einem Querbalken angebundenes Pferd, das gerade noch von ihrem obersten Stallknecht Fredo - ein Mann im selben Alter wie Isavena, von sehniger Körperstatur und mit schwarzen Locken und Bart - ausgiebig geputzt wurde.

Auch auf Fredos Gesicht stahl sich ein Lächeln, als er Isavena ansichtig wurde.
„Möge Rondra dir heute besonders wohlgesonnen sein und Tsa dir Blumen auf deinen Weg streuen” grüßte Fredo die Junkerin, während er Eppo, Isavenas Lieblingspferd, mit einer letzten kräftigen Bürstenbewegung fertig putzte.
Dann wandte er sich Isavena komplett zu.

Die Junkerin wippte auf ihren Füßen vor und zurück und entgegnete:
„Danke für deine Worte, Fredo. Ich weiß deine Glückwünsche zu schätzen. Wie ich sehe ist Eppo bereits fertig - hab Dank. Aber ich befürchte, es wird heute nichts aus der Reitlehrstunde. Ich möchte heute gerne zum Großen Fluß hinunter und ein wenig malen.”
Sie klopfte bei den letzten Worten auf ihre Umhängetasche und nickte überflüssigerweise dazu noch bekräftigend.
Dem Stallmeister entglitt das glückliche Lächeln etwas und irritiert sah er auf die Tasche.

„Isavena …!? Aber jetzt ist Eppo doch bereits fertig!? Wieso kannst du das denn nicht später machen?” versuchte er die gemeinsame Zeit vielleicht doch noch zu erhandeln.
„Weil später das Licht nicht mehr so hell ist, wie es zur Praiosstunde immer ist” antwortete sie im belehrenden Tonfall.

Fredos Schultern sanken enttäuscht hinab. Er wusste, wie schwer es war, der Junkerin ein geliebtes Vorhaben auszuschwätzen, ferner sah er sich nicht in der Lage, ihr an ihrem Tsatag einen Wunsch abzuschlagen.
Seufzend blickte er zu Eppo.
„Nun, dann werde ich wohl Eppo ein wenig bewegen und mir Jasalin als Handpferd mitnehmen.“ Mit einem kurzen, beschuldigenden Blick ergänzte Fredo: „Ich hatte ja gedacht, ein Wettrennen mit Jasalin gegen dich und Eppo zu gewinnen - aber die hohe Dame muss ja malen gehen.”

Fredo seufzte abermals leicht enttäuscht.
Isavena grinste.

„Du kannst ja noch immer gegen mich und Eppo verlieren - wir verlegen den Ausritt einfach vor das Abendessen.” schlug Isavena beschwichtigend vor, was Fredo zustimmend nicken ließ.

„Ach übrigens Fredo …. ”
Der Stallknecht blickte die Junkerin erwartungsvoll an.
„.... Es kam heute eine Einladung des Barons von Kyndoch. Er lädt im Travia zur Herbstjagd ein. Ich beabsichtige, dort mit dir hinzureisen und unsere Falken ein wenig auszuführen. Kümmer dich doch um alles nötige bis dahin.”
Fredo nickte. Seine Laune schien sich mit einmal etwas aufzuhellen.
„Die Wagonette muss geölt werden - bei der letzten Reise quietschte das Ding so fürchterlich, dass ich ganz taub war am Ziel.”
Der Stallmeister nickte.
„Und dann schau, welchen der Vögel wir mitnehmen könnten. Ich hab schon an Gerifax gedacht, aber ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Wahl ist. Da sollten wir nochmal gemeinsam überlegen.”
Fredo nickte wieder. Mit einer leichten Verbeugung entgegnete er: „Ich werde alles Nötige veranlassen.” Dann richtete er sich auf und griff nach Eppos Halfter, um den Braunen zum Aufsatteln mitzunehmen.

Isavena drehte sich derweilen um und setzte den Weg in Richtung Hoftor fort, nicht aber ohne nochmal zurückzublicken und Fredo mit Eppo im Stall verschwinden zu sehen.

Sie war froh, in dem Mann einen guten Freund und Begleiter zu wissen.