Hoefische Spiele

Kapitel 1-5: Höfische Spiele

Milian von Altenberg & Lambrinus von Schweinsfold

Autor: DanSch

Phex 1042 B.F., Gratenfels

Schon lange hatte er sie im Auge. Nicht viele Frauen konnten seinem Charme widerstehen, doch diese junge Dame schien sich ihm zu entziehen. Vielleicht lag es daran, dass sie nicht unbedingt mit Schönheit gesegnet war und ein Mann, den die Meistens als von `Rahja gesegnet´ bezeichneten, ihr Aufmerksamkeit schenkte. Anfänglich war es nur ihre Herkunft und die Möglichkeiten, die sich mit einer Heirat für ihn erschließen würden, die ihn angezogen hatten. Doch nachdem sein Hofieren nicht fruchtete, war sein Ehrgeiz geweckt. Jedes mal, wenn sie am Gratenfelser Hof zu Gast war, nutzte er jede Gelegenheit, um ihrer Nähe zu suchen. Der heutigen Abend allerdings war etwas anders als sonst. Praihild Greifax saß in einem eher schlichten, aber edlen Kleid ihm gegenüber an der Tafel des Grafen. Ihr untersetzter, kräftiger Körper, die muskulösen Arme, der schlichte Schnitt ihrer kurzen Haare, wirkten alles andere als weiblich im klassischen Sinne und ließen ihre Gewandung wir eine schlechte Verkleidung wirken. Die Edle hob ihren Weinkelch und prostete ihm zu. Und nicht nur das. Praihild schaute ihm tief in die Augen … und lächelte! Milian konnte es kaum fassen. All die Monate der Ignoranz und nun endlich sah sie ihn. Der Höfling in seinem edlen grünen Wams, hob ebenfalls seinen Kelch und beantwortete ihr Zuprosten. Er setzte sein verführerischstes Lächeln auf und zwinkerte ihr zu. Die junge Frau blickte kurz nach unten, errötete leicht, doch blickte ihn dann wieder selbstsicher an. Oh ja, er hatte sie gewonnen! Siegessicher schmiedete er den Plan, die Nichte des Grafen zum Tanze aufzufordern, als er an der Schulter angetippt wurde und ein Diener ihm etwas ins Ohr flüsterte. ´Warum ausgerechnet jetzt?` Nachdem ihm kurzzeitig das Lächeln entschwand, setzte er es wieder auf und prostete Praihild noch einmal zu. Dann folgte er dem Diener aus dem Saal. Die verwunderten Blicke der Greifax folgten seiner Schritte.

Gedankenverloren betrachtete Lambrinus seine schwieligen Hände und versuchte dabei zu zählen, in wie vielen Kämpfen er in seinem Leben verwickelt gewesen war. Einst war er ein ehrgeiziger junger Ritter, der schon früh an den Gratenfelser Grafenhof kam. Er war sich immer gewiss, dass er zu Höheren auserkoren war und dereinst den Baronsthron von Schweinsfold oder gar ein eigenes Lehen verwalten würde. Als er das Leben des Boten des Lichts beschützte und Zeuge eines leibhaftigen Wunders des Götterfürsten Praios wurde, war er mehr als bestätigt. Viele Jahre stand er an der Seite des Boten und führte die Nordmärker Garde mit an. Bis diese aufgelöst wurde. Die Praioskirche belohnte ihn mit der Akoluthenwürde, der Grafenhof mit einem Platz am Hofe. NUR einem Platz am Hofe. Nichtmal die eigene Familie, die Barone von Schweinsfold, erkannten seine Verdienste an. 52 Götterläufe zählte er nun und war noch immer nicht an der praiosgewollten Stelle, die er für sich sah. Erst im letzten Herbst glaubte er, dass endlich seine Zeit gekommen war. Die praioslästerliche Baronin von Schweinsfold war verstorben und die Kunde, dass es Schwierigkeiten gab mit ihrem Testament, war ihm flugs zu Ohren gekommen. War es nicht ein Zeichen des Herrn Praios? Hatte die sture Baronin doch erkannt, dass nur er es sein konnte, der das Heimatland in die gerechte Ordnung führen konnte? Wie arg wurde er enttäuscht, als er erfahren musste, das sie ihre grüne Enkeltochter zur Erbin bestimmt hatte. Selbst ihr eigener Vater, der designierte Thronerbe, war fassungslos. Wie hatte dieses verzogene Ding es nur geschafft? Das konnte Praios Wille nicht sein, da war Lambrinus sich sicher. Lange hatte er darüber nachgegrübelt. Sein Leben war vom Kampf für den Götterfürsten bestimmt. Und wie es schien, war es auch noch nicht vorbei. Er würde weiter für seinen Platz kämpfen müssen. Und am gestrigen Abend kam ihm eine Idee.

„Euer Ehren, Milian von Altenberg. Wie ihr gewünscht habt.“, kündigte der Diener lauthals an und wies dem Höfling einzutreten. Der junge Mann trat in die Wohnstube des Lambrinus von Schweinsfold, wartete bis der Diener die Tür geschlossen hatte und setzte sich dann dem älteren Mann gegenüber. Dieser saß in einem Ohrensessel und betrachtete seine eigenen Finger. Der alte Ritter war in blauer Stoffhose, festen Stiefeln und einer rot-weißen Tunika gekleidet. Die Schultern waren breit und auf seiner kräftigen Brust prangte ein goldenes Amulett, das der Sonnenscheibe nachempfunden war. Sein Gesicht war hart und tiefe Furchen zogen sich um Nase und Mund. Das einst volle blonde Haar war gänzlich grau geworden und nicht mehr als ein länglicher Haarkranz war davon übrig geblieben. Lambrinus war kein schöner Mann. Milian wartete ab, bis er endlich seinen Blick auf ihn richtete. „Oheim Lambrinus, ihr habt mich rufen lassen. Was kann ich in so einer späten Stunde für euch tun?“ Der Ritter nahm seine Hände zusammen und betrachtet kurz seinen Verwandten. „Ich hatte gestern ein Gespräch mit eurer getreuen Frau Mutter. Sie hat mir erzählt, dass ihr euch der Brautschau in Herzogenfurt versagt habt. Sie war sichtlich betroffen. Und ich muss gestehen, dass ich solch eine praiosgetreue Frau nicht gerne im Kummer sehe.“ Milian wurde übel. Ja so war er. Sein Oheim sprach nie um den heißen Brei herum, geradlinig und ohne taktvoll auf Befindlichkeiten zu achten. Eigentlich dachte er, dass ihn die Angelegenheiten der Altenberger nicht interessieren, doch anscheinend hatte er sich getäuscht. Überrascht von diesen Worten, brauchte er einen Moment zum antworten. „Also, ich wollte … ganz bestimmt nicht meine Mutter in Kummer stürzen. Aber, ich bin noch nicht bereit ...“. Lambrinus unterbrach ihn mit einem Fingerzeig. „Kein Wort mehr. Ich kann euch gut verstehen, Neffe. Ihr vertraut eurer eigenen Familie nicht. Und wie könnt ihr auch. Die Altenberger haben ja fast nie etwas herausragendes hervorgebracht. Der Bau einer Tempelschule vielleicht. Aber ansonsten? Es ist eine Schande, dass er nicht unseren Namen trägt.“ Lambrinus betrachtete wieder seine Finger. Der Altenberg schnappte nach Luft. Die Familie Altenberg war vielleicht nicht das ruhmreichste Haus der Nordmarken, aber dennoch sah er keinen Grund, sich dafür zu schämen. Viel schlimmer fand er die herablassende Art seines Oheims. „Ganz so ist es nicht, wie ...“, protestierte er, wurde aber wieder von einem Fingerzeig unterbrochen. „Ich war noch nicht fertig.“ Der kühle Blick des Schweinsfolder fixierte den jungen Mann. „Ihr seid der Sohn meines verstorbenen Bruders. Einst ein aufstrebender Stern der Sonnenlegion. Ich sehe sehr viel von ihm in euch. Im Herzen seid ihr ein Schweinsfolder.“ Er schwieg einen Moment, ließ seine Worte wirken. „Ich möchte das ihr das einzig richtige tut, Milian. Nehmt den Kummer von eurer Frau Mutter und nehmt an der Brautschau teil!“ Die letzten Worte waren wieder hart ausgesprochen, was Milian kurz zusammenzucken ließ. Langsam spürte er nun, wie Wut in ihm aufstieg.´ Wie kommt er dazu, über mich zu Entscheiden?´ „In aller Ehren, Oheim. Ich bin dazu noch nicht bereit!“ Die Wut hatte sich nun in seinen Ton geschlichen. Aber anstatt die Fassung zu verlieren, wie Milian es erwartete, zog sich nun ein feines Lächeln über das Gesicht seines Oheims. „Ich hatte eurer Mutter nach dem Tod eures Vaters versprochen, auf euch aufzupassen. Ich nehme an ,ich muss euch daran erinnern, wer den Weg für euch geebnet hat? Wer hat eure Mutter überzeugt, nicht den Weg eines Rechtsgelehrten einzuschlagen? Wer hat euch an den Grafenhof geholt? Und wer hat euch die Position an der Seite des Hofzeremonienmeisters Winterspitz beschafft? Wie ihr seht, ihr seit für mich wie ein eigener Sohn.“ Die Worte waren ruhig und freundlich gesetzt. Milian dachte nach und beruhigte sich. „Ich bin euch auch zu tiefst dankbar, aber ...“ Wieder schnellte Lambrinus Finger hoch. Er sog die Luft scharf durch die Nase ein, behielt aber sein Lächeln. „Immer noch ein aber. Wieso vertraut ihr euren Oheim nicht? Lasst es mich euch erklären.“ Er schloss kurz die Augen und sprach dann weiter. „Ich bin dem Götterfürsten Praios ein treuer Diener und ich habe gelernt, Recht und Ordnung zu erkennen. Ihr seid noch jung. Ihr seht das größere Bild nicht und die Möglichkeiten, die sich hier für euch eröffnen.“ Nun war Milians Neugierde geweckt. „Von was für Möglichkeiten sprecht ihr, Lambrinus?“ Das Lächeln des Älteren wurde breiter. „Ich weiß, dass einige hohe Herrschaften kommen werden. So zum Beispiel die neue Baronin von Schweinsfold. Sie ist jung, naiv und unvermählt. Ihr Herz gilt es zu erobern. Ist es nicht etwas ,was ihr auch wollt? Herrscher einer reichen Baronie?“ Sein Oheim kannte ihn gut, das musste Milian ihn lassen. Für einen Moment geriet er ins Träumen. Ja, er wollte unbedingt aufsteigen. Aber dennoch. Er kannte seinen Verwandten auch gut und wusste, dass dieser ähnliche Ambitionen hatte. Also hakte er nach. „Ich nehme an, eure Söhne nehmen an der Brautschau teil? Das wäre doch eine gute Gelegenheit für euch? Immerhin könnten sie ja auch um die Baronin werben.“ Das Lächeln des Ritters erstarb und Milian wusste, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte. Sollte der Alte ruhig wissen, dass er kein naiver Höfling war. „Meine Söhne haben nicht, was ihr habt, Milian. Und unser Name wird keine Interesse bei ihr regen.“, sagte er trocken. „Aber ihr könnt das schon. Ihr habt das Aussehen und das gewisse Etwas, was die Hofdamen zu euch zieht. Ihr seid ein Schweinsfolder, heißt aber nicht so. Seid ihr erst einmal ihr Gemahl, bin ich sicher, dass ihr eure Familie, euren Oheim, nicht vergessen werdet!“ Lambrinus schaute ihn noch immer direkt an, aber das Lächeln kehrte nicht zurück. ´Ah, daher weht der Wind also. Da hat sich der Alte aber reichlich getäuscht. Nicht mit mir!`, flammten Milians wütende Gedanken wieder auf. Leicht gereizt setzte er zur Antwort an: “Ich muss euch enttäusch ...“ Weiter kam er nicht. „Schluß jetzt!“ Lambrinus Stimme war jetzt laut und befehlsgewohnt. Der Ritter stand auf ging zu einem Schränkchen und holte etwas daraus hervor. „Ich hatte gehofft, ihr wärt einsichtig. Aber ihr lasst mir keine andere Wahl.“ Er drehte sich um und hielt ihm ein violetten Schal entgegen. Milian erkannte den Schal sofort. ´Bei allen Göttern, das ist Kalbreshas Schal! Wie konnte das sein?´ Wie vom Donner gerührt, erstarrte der Höfling in seinem Sessel. Jegliche Farbe verschwand aus seinem Gesicht, der Blick schreckensgeweitet. „Hast du wirklich geglaubt, mir entgeht, was du hinter meinem Rücken verheimlichen wolltest? Der Herr Praios hat mich ausgewählt und mein Auge geschult. Wer sich mit Buhlen einlässt, deckt der Herr auf!“ Mit lodernden Blick schaute der Oheim seinen Neffen an. „Was würde der Graf, die Kirche und deine Mutter nur denken?“ Drohend hielt er den Schal höher. „Dein Glück ist, dass nur ich es weiß. Also denk nach, Milian. Wie entscheidest du dich?“ Abwartend blieb der Ritter regungslos stehen. Der junge Altenberger schloss die Augen. Er hatte das Gefühl das man ihm den Sessel unter seinem Gesäß wegziehen würde. Alles wäre zerstört. Sein Oheim hatte gewonnen. Diesmal. Milian öffnete die Augen wieder und stand mit gesengten Blick auf. „Ich verstehe. Ihr habt recht … Oheim. Meine Mutter wird sich freuen, dass ich zur Brautschau gehe.“ Lambrinus ließ den Schal senken und setzte ein seichtes Lächeln auf. „Praios sei dank! Alles kommt in Recht und Ordnung. Ihr könnt jetzt gehen, Milian.“ Der Höfling rang nach Haltung und verließ langsam die Gemächer seines Oheimes. ´Wie du willst. Das Spiel hat begonnen.´