Haffax Feldzug Tesralschlaufe Hinter Der Trollpforte

Hinter der Trollpforte

Inhalt:


  • Kurze Zusammenfassung der Ereignisse des Zwischenstops bei Eslamsbrück

  • Ein paar Nordmärker dürfen sich in einer geheimen Mission beweisen: ein Unheiligtum soll gestürmt und Schlüsselfiguren ausgeschaltet werden. Dabei wird ein vermeintlicher Feind zu einem hilfreichen Verbündeten. Die extra für diese Mission ausgewählten Personen müssen das Lager verlassen, aber dürfen nicht sagen, wohin sie gehen. Das sorgt bei den Zurückbleibenden nicht nur für Verwirrung, sondern auch für Argwohn und Gedankenspiele. (teilweise Tisch-Abenteuer)

  • Die Boroni Marbolieb versucht nach wie vor, die finsteren Schatten auf der Seele des Zwergen Dwarosch zu vertreiben

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Die Euphorie der ersten Tage war schnell und gründlich vergangen. Nach der Steinspaltung Kaiserin Rohajas am 21. Ingerimm und der Durchquerung der zerstörten Trollpforte erklang an den Abenden frohes Gelächter aus den Lagern. Das Bier war würzig, die Aufregung groß und die Meilen schmolzen dahin. Die ersten grünen Wiesen und goldenen Felder verhießen Erfolg bei der Rückeroberung und Befriedung der Lande im Osten. Die Priester des Dreischwesternordens hatten Übermenschliches geleistet in der Rabenmark: ein jeder Grashalm, ein jedes Vogelzwitschern zeugte von der unermüdlichen Arbeit der Peraine-, Tsa- und Traviapriesterinnen und -priester und dem Wohlwollen der Götter!

Doch ach, als das „Schwarze Wehrheim“, Altzoll, mit seinen zerstörten Mauern und geschliffenen Tempel der Jenseitigen Familie hinter dem Heer lag, schwand die Zuversicht. Die Länder der ehemaligen Warunkei waren erreicht und das Tote Land noch allgegenwärtig. Flecken von schwarzer, bröckeliger Erde zogen sich über die Ebenen, der Himmel war grau und tief, und das Bier, das vormals noch schmeckte, wurde rasch schal. Immer wieder gingen Soldaten, die das Lager auf der Suche nach Feuerholz oder Nahrung verließen, verloren und wurden nicht mehr gesehen. Düstere Träume vom baldigen Tod befielen die schlafenden Kämpfer, so dass die Geweihten des Borons viel Zulauf erhielten. Doch wie alle Geweihten der Zwölf spürten sie, dass ihre Götter in diesen Landen fern waren und andere Mächte die Seelen der Menschen umschmeichelten. So manch Bauerndorf mit seinen Einwohnern wurde von den Priestern des Praios und der Rondra ‚gereinigt‘. Sei es sanft, durch Überzeugung, oder blutig und mit Scheiterhaufen, wenn die Menschen zu tief in der Verdammnis der letzten Jahre verwurzelt waren.

So begleitete Leid und Elend den Heerzug, denn die Tiere mussten fressen, die Soldaten essen und Seelen mussten gerettet werden. Nicht überall erklangen daher Jubelrufe über die Befreiung.

Auch wurde der Heerzug von so manchem tobrischen Ritter oder Baron weiter dezimiert, wenn dieser sich mit einigen Waffentreuen absonderte, um altes Land wieder in Besitz zu nehmen.

Eslamsbrück

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Die erste wirklich große Herausforderung, die Eroberung Eslamsbrück mit dem verfluchten unheiligen Pandämonium, zeigte den Streitern, worauf sie sich einstellen mussten. Mit Göttermacht und Zauberkraft drangen die Kämpfer des Reiches am 14. Rahja in die verfluchte schwarze Pyramide vor, um sie zu zerstören, bevor der Sturm auf die Stadt beginnen konnte. Die unentwegt gegeneinander prallenden Kräfte von Götterwirken, Magie und Dämonenmacht brachten schließlich die Pyramide zum Einsturz; viele der Geweihte und Gildenmagier, Soldaten und Sappeure wurden dabei jedoch bitter im Triumph zerquetscht.

Es blieb keine Zeit für Trauer oder Freudensang, der Ehrgeiz trieb an, so dass auch Eslamsbrück einen Tag später erobert ward. Im Sturm. Doch unter etlichen Fehlern. Die Regimenter agierten zum ersten Mal miteinander, so dass es hier und da noch Kommunikationsprobleme und ineffiziente Befehle gab. Man arbeitete jedoch an allen Stellen erfolgreich daran, so dass die Katapulte sich bald auf die Mauern eingeschossen hatten. Die Schützeneinheiten holten Verteidiger der Roten Legion und der Bluttempler letztlich von eben jenen herab. Schwer gerüstete Infanterie bildete danach einen Angriffsblock, welche das Stadttor im Osten einnahm, während die Flussgarde mit Herzog Hagrobald an der Spitze die Flussbastion und somit das zweite Tor eroberte. Gemeinsam mit Prinz Arlan von Löwenhaupt stand er in der ersten Reihe des Angriffs und befahl seine mutigsten Recken an seine Seite.

Als die Tore genommen waren, preschten schwere Reiterlanzen in die Straßen der Stadt, nur um von albtraumbringenden Morcanen in finstere Traumwelten gezerrt zu werden. Auch hier waren die Anstrengungen der Geweihten und der Zauberer von Nöten, die finsteren und unsichtbaren Albtraumspinnen zu bannen, so dass der Vorstoß schließlich doch noch siegreich enden konnte. Nissa ay Komra, Komturin von Eslamsbrück und Blutschwester der Bluttempler, entkam allerdings mit einigen Kämpfern und floh in Richtung Mendena.

Nachdem das Reichsbanner über der Stadt wehte, bestimmte die Kaiserin einen Tag Pause. Die Stadt musste gesichert und über die Besatzungsstärke Einigung getroffen werden, die entstandenen Verluste ausgeglichen und Lücken in den Regimentern geschlossen werden. Zudem erhielten die Sappeure und Schreiner aus Hlûthars Wacht und der Flussgarde die Aufgabe, Flöße und Schiffe zu sichten und für den weiteren Verlauf vorzubereiten. Ab hier sollte ein großer Teil der Ausrüstung und des Fußvolkes über die Tobimora verschifft werden.

Und so brach das Heer des Mittelreiches am folgenden Tag auf, dem Fluss teils zu Pferd, teils auf Flussschiffen, Booten und Flößen folgend.

Im Geheimdienst Ihrer Majestät

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Im Zelt neben dem Lazarett war es still. Und still würde es bleiben, gleich, welche Geschäftigkeit sich später entwickeln würde.

Marbolieb entzündete eine einzelne Kerze und ließ sich auf die Knie nieder, schloss die Augen und atmete tief. Die Ruhe vor dem Sturm. Draußen dröhnten Stimmen und Schritte, das aufgeregte Wiehern der Streitrosse klang laut und die Spannung vor dem Angriff lag wie ein Summen in der Luft, abgedämpft durch die ungebleichten Bahnen des Leichenzeltes. Kein Geräusch war zu hören, und doch hatte sich etwas geändert. Ein Gegenwart, spürbar wie der Schein der Kerze vor ihren geschlossenen Augen. Er war gekommen.

Sie hatte Ihn erwartet.

Er war der Grund ihres Hierseins. Heute. An diesem Ort und in diesem Heer. Das sie Dinge erblicken ließ, von denen sie bislang geträumt hatte.

Leicht wie der Hauch einer Feder strich eine Berührung über ihre Schulter. Duft nach Räucherwerk und der Ernte der Gewürzinseln schmeichelte ihrer Nase – eine Ahnung nur. Genug.

Ihr Herz flatterte, dem eines Vogels gleich, der sein Gefieder schüttelt zum ersten Flug, unwissend, wohin der Wind ihn trägt.

Eine lederbehandschuhte Hand fasste ihre Rechte. Schloss ihre Finger zur Faust um einen kleinen, schweren Gegenstand. Marbolieb fröstelte, Gänsehaut wuchs auf ihren Armen.

„Ihr wisst, was Ihr zu tun habt.“

Sie nickte. Dunkel zeichneten sich ihre Wimpern auf ihrer Haut ab. Es war besprochen. Sie würde tun, was von ihr verlangt war. Wie immer.

Dann war er gegangen. Feuchtigkeit in ihrem Augenwinkel. Warum? Schwer und kalt wie Marbolieb das kleine Ding in ihrer Hand. Tief atmete sie ein. Und aus. Die Kerze vor ihr fast vergessen. Ein. Und aus. Gleichförmig. Fließend. Für eine Ewigkeit. Einen Atemzug. [Tina (Marbolieb) 22.4.2016]

*

„Euch steht eine Schlacht bevor. Bald.“ Lucrann von Rabenstein war von einer Unterredung im Lager zurückgekehrt, zu der ihn ausnahmsweise nicht einmal seine Knappen, die ihm meist wie ein Schatten auf den Fersen waren, begleitet hatten. Ohne ein weiteres Wort hatte er damit begonnen, zu packen. Eine Armbrust, ein Bündel passender Bolzen, sorgsam in Tuch eingeschlagene Tiegel und Fläschchen undifferenzierten Inhalts und einige Kleinigkeiten summierten sich zu sehr leichtem Gepäck.

„Haltet Euch zurück. Keine Kämpfe in der Frontlinie – und keine freiwillige Meldung. Zu nichts. Verstanden?“

Er musterte knapp seine beiden Ritter, Knappen und den Pagen. Nur Marbolieb war wieder einmal anderweitig unterwegs.

Oldegrulf und Odewin, die beiden Ritter, nickten. „Äh, Hochgeboren?“ Odewin kam diese Sache merklich almadanisch vor. „Und Ihr?“

Der Einäugige schnallte seine Waffen um. „Ich stoße später zu Euch.“

Der beleibte Wolfssteiner Ritter verschluckte nur knapp ein unglückliches ‚Aber ....!’

Lucrann bedachte Odewin mit einem kalten Blick, beließ es aber dabei. „Tsalind, Boronian, ihr sorgt dafür, dass Ihrer Gnaden nichts zustößt.“

Er wandte sich zum Gehen. „Die Götter mit Euch.“ Ohne einen weiteren Blick zurück verließ er das Lager. Zu Fuß. Untypischerweise. Oldegrulf musterte seine Begleiter mit einem Fragenzeichen in den Augen und hob die Schultern. [Tina (Lucrann) 27.4.2016]

Sie durften nicht kämpfen. Diese Nachricht war für den jungen Knappen, welcher sich vor seinem Herren und den anderen Rittern beweisen wollte, wie ein Schlag ins Gesicht. Zurückhaltung und Schutz von Marbolieb. Mehr nicht? Nicht, dass es keine ehrenvolle Aufgabe war, für die Borongeweihte zu sorgen. Doch eine Schlacht war es nicht. Er musste schlucken, ein 'warum' stand in seinen Augen, doch er akzeptierte zähneknirschend den Befehl. [Mel (Boronian) 29.4.2016]

*

Ebenfalls auf dieser ominösen Unterredung war der Trossmeister der Baronie Vairningen gewesen. Zurück in eigenen Zelt hatte er seinen Wappenrock gegen Kleidung getauscht, die ihn nicht identifizierte und zugleich seine Rüstung verbarg, wodurch der eh kräftige Hühne noch Voluminöser erschien. Schwert und Bogen verschwanden in seiner Decke und wurden auf den Schild gespannt. Die allgegenwärtige Wildnis rief und irgendwie freute er sich darauf.

Mit seinen Sachen gewappnet suchte er Baronin Ulinai auf. „Herrin. Die Pflicht führt mich kurzfristig fort, doch werde ich mich eilen ihr schnellst möglich wieder nachzukommen zu können.“ Ulinai Timerlain hingegen dachte sich ihren Teil und ersparte dem Krieger weitere Nachfragen und Ausflüchte. „Dann eile er sich und bereite uns keine Schande … und die Zwölfe mit dir.“ Verabschiedete sie ihn. Dankbar nickte er, erwiderte den letzten Gruß und verließ das Vairninger Lager. Auch wenn sie nicht nachgefragt hatte, fragte sich die Baronin dennoch wohin ihr Gefolgsmann wohl entsandt wurden war. [Arvid(Otgar von Salmfang)28.04.2016]

*

Jost stürmte in sein Zelt. Hektisch blickte er sich um, sah seinen Bannerträger Sigiswolf und seine Knappin Ira im Gespräch. Mit vor Aufregung roten Flecken im Gesicht erteilte er knackig kurze Aufträge: „Ira, leichte wildnistaugliche Kleidung, schnell. Und bind mir einen Beutel mit Verpflegung für mehrere Tage.“ Er zog seinen Wappenrock und die edlere Kleidung aus, während er an den Flusswachter gerichtet fortfuhr: „Sigiswolf, ich muss mehrere Tage weg. Du führst die Truppen! Keine rondrianischen Aktionen wenn’s genehm ist. Mach nur das, wofür sie und auch Du ausgebildet seid, verstanden? Jetzt hol mir meinen alten Langbogen und Pfeile, ich muss mit Ira noch kurz in privatim reden, sei so gut.“

Jost riss seiner Knappin die eilig zusammengekramte dunkle, robuste Kleidung aus Leder förmlich aus den Händen und zog sich wieder an.

Als sie dann im Zelt alleine waren, atmete er für den Moment tief durch und betrachtete die Plötzbognerin einige Momente, intensiv und nachdenklich. [Chris (Jost Verian)29.04.2016]

Die hatte längst wahrgenommen, dass irgendetwas nicht stimmte. "Was ist los?" fragte sie daher argwöhnisch, als jene merkwürdige Stille eintrat, da er sie musterte. Mit diesem seltsamen Blick, fand sie. So voller Sorge und irgendwie… beängstigend. [Ira (Tanja) 2.5.]

„Ira, ich muss in einem Geheimauftrag das Heer verlassen. Ich kann nicht sagen, wohin oder wann ich zurückkehre.“ Er trat einen Schritt auf sie zu und nahm ihre Hände in die seinen, hielt sie fest, als ob er für einen Moment selbst Halt bräuchte. „Halt Dich an den Flusswachter, wenn es zu Kämpfen kommt, bleib an seiner Seite. Dein ‚Vergnügungsverbot‘ hebe ich jetzt auf, lebe, Ira, lebe!“ Er ließ ihre Hände los, trat wieder auf eine angemessenere Entfernung zu ihr zurück.

Sie war schon im Begriff, etwas verdutztes sagen zu wollen, als er ihr zuvor kam: „Wir haben nie über Deinen Ritterschlag gesprochen, nicht wahr?"

Ira schüttelte als Antwort mit den Kopf. Irgendwie gefiel ihr diese Sache aber gerade gar nicht.

"Du weißt, dass Du eigentlich noch Zeit bräuchtest. Deine Kampfeskünste sind bereits hervorragend, aber an deinem gesellschaftlichen Umgang müssen wir noch feilen.“ Er ging auf und ab, die Stirn in Denkrunzeln gelegt und sah sie dann unerwartet an. Mit einer unerwarteten Botschaft: „Wenn wir Mendena eingenommen habe, sollst Du zur Ritterin werden."

Der Blick der 17-jährige blieb stehen. Ihr Mund formte ein erstauntes, tonloses "Was?", welches aber nur eine Bewegung ihre Lippen war.

"Nur gewähre mir noch ein weiteres Jahr, in welchem du an meinem Hof bleibst, es gibt noch so vieles das ich Dir mit auf Deinen Weg geben will. Und wenn ich die Ehre, Dich in diesen Edlen Stand zu erheben, nicht mehr wahrnehmen kann, wird dies Sigiswolf an meiner statt tun. Ich instruiere ihn sogleich.“ Er hob danach lediglich die rechte Hand zum Gruß und verließ das Zelt schnellen Schrittes, eine verdutzte und überrollte Knappin hinter sich lassend.

Vor dem Zelt trat er auf Sigiswolf zu, nahm Bogen und Köcher aus dessen Hände und machte sich marschbereit. „Sigiswolf, frag nicht, ich darf nichts sagen. Nur versprich mir eins. Pass auf Ira auf, nimm sie mit und lass sie von Dir lernen. Und sollte ich nicht zurückkehren, erteile ihr den Ritterschlag, solltet ihr beide Mendena überleben“. [Chris (Jost Verian)29.04.2016]

So hatte Sigiswolf Jost noch nicht erlebt. Verwunderung war in sein Gesicht geschrieben. Doch die Worte waren klar und was er zu tun hatte ebenfalls. „Jost, mögen die Götter mit dir und deinen Begleitern sein.“ Sigiswolf musste schwer schlucken. „Ich werde nichts befehlen, was du nicht auch tun würdest. Und sollte Eintreffen, was du befürchtest, kannst du auf mein Wort zählen. Ich verspreche es.“ [Heiko (Sigiswolf) 02.05.2016]

Tatsächlich fühlte sich Ira niedergeschmettert, als hätte sie ein Steinschlag unter sich begraben, wie er in den Hlutharswacher Bergen oft niederkam. Die Neuigkeit, dass Jost sie nach diesem Krieg, das hieß vor der Zeit, zur Ritterin machen wollte, musste sie erst mal sacken lassen. Sie rang einen Moment tief atmend um Fassung. Wo war er hingegangen? Und warum allein? Und wie kam er nur auf die Idee, sie…--?

So ganz freuen konnte sie sich noch nicht darüber. Hin und her gerissen zwischen Sorge um ihren Schwertvater, Stolz über seine Entscheidung, Angst vor dem, was kommen würde, auch bezüglich der ungewissen Umstände ihres Ritterschlags und Überforderung, auf einmal durch das Wort des Baronets an dessen Freund 'übergeben' worden zu sein, stand sie unschlüssig im Zelt herum, ehe sie ihrem Schwertvater schließlich nachlief, ihn aber doch nur mehr in der Entfernung wahrnehmen konnte, denn er war entschwunden.

So blickten sich Ira und Seine Wohlgeboren Sigiswolf von Flusswacht einen Augenblick lang stumm an. Für beide bedeutete dieses 'Bündnis' etwas Neues. Und beide mussten sich erst noch damit zurechtfinden. [Ira (Tanja) 2.5.9)

*

Wenig später war der Baronet von Hlutharswacht fort, aber seine Worte standen immer noch wie ein gewaltiger Berg vor ihr und Ira vermochte diesen weder zu ignorieren, noch zu bezwingen. Sigiswolfs Aufmunterungen konnten auch nicht verhindern, dass Ira pausenlos daran denken musste und beinahe platzte, weil diese Neuigkeit aus ihr herauswollte. Sie schmiss daher hin, was sie im Begriff war, anzufangen, und rannte ins Rabensteiner Lager. Sie musste Boronian davon erzählen! Ganz dringend.

Etwas aufgekratzt tauchte sie nur Augenblicke später dort auf. Der einäugige Baron hatte das Lager eben erst mit dürftigen Erklärungen, die mehr verwirrten, sowie unbekanntem Ziel und Sinn verlassen.

„Räblein!“ rief Ira ihren Vetter schon von fern zu. „Scheiße, ich muss dir was erzählen!“ [Ira (Tanja)]

Tsalind polierte demonstrativ weiter an der Klinge ihres Schwertes und strafte den hereinwirbelnden Derwisch mit Nichtachtung. Sie warf ihrem kleinen Knappenbruder einen warnenden Blick zu ... lange genug kannte sie Boronian mittlerweile, um bei dem Jungen sich nur einer Sache sicher zu sein: dass er immer für eine Überraschung gut war. Doch dass nun der Kater aus dem Haus war und die Maus anfing, auf dem Tisch zu tanzen, das würde sie ihm dann doch nicht zutrauen ... hoffentlich. Sie spitze nichtsdestotrotz die Ohren, um herauszufinden, was denn so schrecklich wichtig war, um die Hlutharswachter Knappin in ihr Lager zu führen.

Sean hatte da deutlich weniger Skrupel. Er warf das Zaumzeug, das er gerade einfettete, neben sich auf den Tisch und drehte sich neugierig und mit blitzenden Augen zu der Knappin um. "Was gibt's denn?"

"Sean! Du bist nicht zum Bummeln hier!" Tsalinds Stimme konnte ganz erstaunlich laut werden.

Der Kleine zuckte zusammen, griff mit einem trotzigen "Ist ja gut!" nach der vergessenen Arbeit und fuhr lustlos fort, den mit Wachs und Öl getränkten Lappen wieder über das Riemenwerk zu wischen.

"Und Du, Ira, pass auf was Du sagst. Wenn Dein Herr solche Sprache toleriert, gut für Dich. Aber hier nicht!" Tsalinds Augen blitzten, als sie die Jüngere fixierte. [Tsalind+Sean (Tina)]

Boronian hatte seine Base schon von weitem wettern gehört. Ja, wenn sie wollte, konnte sie ganz schön zetern. Aber Tsalind hatte Recht, auch wenn es ihn manchmal ebenso überkam wie die junge Plötzbogenerin: Der Baron mochte solche lauten Ausbrüche nicht - wie auch das Meiste andere, was etwas mit Lautstärke zu tun hatte.

Er ging schnellen Schrittes zu Ira, immerhin schien sie etwas sehr mitzunehmen. So aufgeregt war sie nicht oft: "Was ist denn? Was musst du mir erzählen? Hat dein Schwertvater dir weiterhin Lagerarrest gegeben?" die Augenbrauen fuhren zusammen. So kurz vor der Schlacht wäre das schon blöd. [Boronian (Mel)]

Ira ignorierte die Rüge Tsalinds und machte nur eine genervte wedelnde Handbewegung in deren Richtung. Solange der Baron nicht selbst zu ihr sprach, rutschte ihr die Weisung der Knappin einfach den Buckel runter. Auch Sean übersah sie – aber das tat sie systematisch, seit er aus ihr und Boronian ein angebliches Liebespaar gemacht hatte.

„Arrest? Nein, scheißverdammt, viel schlimmer!“ Dass sie dabei weder lachte noch wirklich verängstigt wirkte, irritierte im ersten Moment, weil Ira doch eine große Anspannung anhing. [Ira (Tanja)]

Tsalind stutzte kurz, warf dann das Polierzeug auf den Tisch und steckte ihre Waffe in die Scheide, während sie sich gemächlich erhob und auf die Jüngere zutrat. "Hör mal, Ira. Du kannst hier ins Lager kommen. Aber wenn Du noch einmal solche Ausdrücke hier benutzt, während der Baron fort ist, dann werde ich Dich auch wieder rauswerfen. Ist das klar?" [Tsalind (Tina)]

Ira warf Tsalind einen schnellen Blick zu, als diese sich in ihre Richtung bewegte und immer noch motzig war. „Bist du jetzt Hauptfrau der Garde oder was?“ machte die Plötzbogenerin klar, was sie davon hielt, jetzt so angegangen zu werden. Sie war aber nicht auf Streit aus, daher wandte sie sich auch just wieder dem eigentlichen Grund ihres Hierseins zu: Boronian.

„Du weißt doch noch, wie wir uns über das Ende unserer Knappenzeit unterhalten haben, stimmt's? Jetzt will mir Jost nach Mendena die Schwertleite geben!!“ [Ira (Tanja)]

Doch so einfach ließ Tsalind sich nicht abschütteln. Sie fasste Ira, bevor Boronian auf Iras Worte etwas sagen konnte, am Oberarm und blickte ihr in die Augen. "Ich bin hier die Älteste, und was die Knappen treiben, ist sehr wohl meine Verantwortung." Im Blick der großen, schlanken Tsalind lag mit einem Mal blanker Stahl. "Du achtest auf Deine Zunge oder ich werfe Dich hier eigenhändig raus. Hast Du verstanden?" Die blitzschnellen Reflexe der blonden Nablafurterin und der leichten Griff, der aber jede Menge gut geübte Muskel und Sehnen in ihrem Arm verriet, verlieh dieser Aussage einiges an Gewicht. [Tsalind (Tina)]

Zornig erwiderte Ira Tsalinds Blick. Die beiden jungen Frauen mochten sich in diesem Punkt nichts schenken und ließen Boronian, der von allem - Iras 'Überfall' und Tsalinds 'Revierverteidigung' - überrumpelt schien, außen vor. Mit einem Ruck entzog sie ihren Arm dem Griff der anderen und schnappte sich ihrerseits den Arm von Boronian.

"Was ich mit meinem Vetter zu sprechen habe, geht dich aber nen Scheißdreck an, Tsalind. – Boronian komm, gehen wir kurz ein paar Schritt, dann muss dein…" Iras Augen blitzten belustigt. "…die Frau Oberst mich nicht rauswerfe'!"

Eigentlich hatte Ira 'dein Kindermädchen' sagen wollen, sich aber dann doch für einen militärischeren Titel entschieden, der ihrer Meinung nach aber auch ganz gut passte. [Ira (Tanja)]

"Verschwindet nur. Und Du darfst auch gleich draußen bleiben, Ira." Tsalind stemmte die Fäuste in die Hüften und wartete ab, wie der 'Kleine' dieses Problem lösen würde. Mit ihrem Segen durften sich sehr gerne alle beide erst einmal eine Weile rarmachen. [Tsalind (Tina)]

Boronian, sichtlich perplex über diese beiden streitenden Frauen, stand einen Moment daneben und versuchte im Geiste noch, die eben erhaltenen Informationen zu verarbeiten. Ira? Schwertleihe? Was hat das mit seinem Haus...? SCHWERTLEIHE? IRA? Nach Mendena? Und wieso zoffen die sich jetzt?

Ja, natürlich, der Baron war wortkarg und solcherlei Aussprache sollte man hier tunlichst vermeiden... aber... er atmete einmal tief durch, drückte das Kreuz durch und stellte sich zwischen die beiden: "Gut jetzt, ja? Lasst uns bitte nicht streiten, ehe der Krieg anfängt. Wenn wir es alle überleben, dann gebe ich auch Bier dazu aus, dann können wir streiten wie wir wollen und anschließend lachen und uns vertragen. Doch jetzt will ich davon nichts hören." Damit wandte sich der sanfte Riese an Tsalind: "Du hast Recht. Der Baron mag solcherlei Worte nicht, weder wenn er da, noch, wenn er, wie jetzt, fern dem Lager ist. Doch Ira ist meine Base und ich erlaube nicht, dass du so mit ihr sprichst, auch wenn sie sich vielleicht im Ton vergriffen hat." Seine Stimme wurde, während er ruhig sprach, fester und man merkte, dass er es ernst meinte: "Zieh mich zur Strafe ran, wenn ich wiederkomme, sei's drum. Doch lass sie in Ruhe! Sag es dem Baron, dass er mich strafen soll. Ich nehme es gerne auf mich. Aber gehe sie nicht so an, wenn sie so aufgewühlt ankommt und Hilfe oder einen Rat erbittet." Damit drehte er sich mit dem Rücken zu seiner Mitknappin und lächelte Ira leicht an: "Na komm. Gehen wir ein Stück und dann erzählst du es mir nochmal langsam und in Ruhe. Ich hab ja eben kaum ein Wort mitbekommen. Was ähm… hat dein Schwertvater ausgeheckt?" [Boronian]

Erst nachdem sie Tsalind und das Rabensteiner Lager hinter sich gelassen hatten, kam Ira auf die Neuigkeiten zurück. Es platzte regelrecht aus ihr heraus:

„Also, stell dir vor, vorhin kommt Jost daher, packt eilig ein paar Sachen zusammen und sagt, dass er weg muss, und dass er nicht weiß, ob er zurückkommt. Ich weiß nicht, wo er hinging. Er machte jedenfalls ein großes Geheimnis daraus. Das Gute: Er hat dieses drecksdämliche Vergnügungsverbot aufgehoben!“

„Der Baron ist auch abberufen worden. Wir haben Order, im Lager zu bleiben.“ Sprach er in ihre Erzählung hinein, und wirkte missmutig.

„Oh, das ist ja doof.“ Widmete sie sich nur kurz seinen Worten. Denn ihre eigene Sache beschäftigte sie viel zu sehr. Sie freute sich, dass das Verbot aufgehoben war, das war offensichtlich. Es hatte auf der lebenslustigen Knappin gelegen wie ein Stein. Dennoch schien Ira die Erlösung nur bedingt genießen zu können: „Vielleicht haben unsere Schwertväter den selben Auftrag? Jedenfalls bevor Jost also aufbricht, sagte er noch, dass Sigi - ich meine der Ritter von Flusswacht - mich an seiner Statt nach Mendena zur Ritterin machen soll, falls es ihm nicht selbst möglich sei, das zu tun. -- Verdammte Ogerkacke, Räblein, das heißt, ich bekomme die Schwertleite!!! Vor der Zeit!!!“

Beide blieben stehen. Boronian weil er überrascht war, Ira, weil sie immer noch nicht ganz verstand, was für einen Grund es geben mochte, dass sie dieses Vertrauen nun doch verdiente. Ungeduldig griff sie mit beiden Händen in Boronians Hemd und zerrte nervös daran. „Dabei kann ich sie doch noch gar nicht bekommen, ich bin doch erst 17. Was heißt das denn jetzt? -- Und, oje, hoffentlich sind ihm nicht noch andere Dinge eingefallen. – Bei den Zwölfen, Boronian, hoffentlich kommt er zurück! Ich meine, ich weiß ja nicht, wohin er gehen musste. Was, wenn er mich an seiner Seite braucht und ich nicht da sein kann? Und was, wenn er doch nicht wiederkommt? -- Scheiße! Räblein! Was ist, wenn ich noch gar nicht Ritterin werden… will? Kann ich das Ganze auch … ablehen?“

Ihren Worten wohnten einige Gedankensprünge inne und sie waren auch wie ein Wasserfall aus ihrem Mund geradezu herausgesprudelt, denn Ira war so nervös wie ein Pferd, das zu viel Hafer gefressen hatte. Unstet ließ sie ihn los und machte einen Schritt von ihm fort, nur, um sich im gleichen Augenblick wieder zu ihm umzudrehen und verloren zu gestikulieren. Dabei strich sie sich immer wieder das Haar hinter die Ohren, wischte sich verunsichert über den Nasenrücken und wirkte wie ein eifrig springender Fisch, während der Schwertleiher wie der gemächliche Strom war, dessen Gewässer der Fisch dabei durchkreuzte. Daher wohnten

„Komm doch mal her.“ Boronian öffnete die Arme weit und nickte ihr aufmunternd zu. Er hatte das Gefühl, dass er sie einfangen musste, diesen Wildfang. Er drückte sie sanft, als sie seiner Einladung folgte und ihrerseits die Arme um seine Brust schlang. „Jetzt atme mal durch und beruhige dich.“ Boronian atmete tief, als er seine Base so hielt. „Komm mal zur Ruhe.“

Die hob rasch den Kopf: „Wie kann ich da zur Ruhe kommen! Hast du mir nicht zugehört?“ Sie kämpfte gegen seine Umarmung an und verlor, weil er sie wirklich festhielt, aber auch, weil sie keine große Lust hatte, sich allzu sehr zu wehren.

„Doch das hab ich. Dein Schwertvater will dir nach Mendena den Ritterschlag gewähren und du fühlst dich aber noch nicht bereit dazu.“

„Mir macht das Angst.“ Sagte sie und es klang salopp daher gesagt, aber Boronian wusste, dass es der Wahrheit entsprach.

„Glaubst du denn, dass du ihn nicht verdienst?“

„Doch. Doch, natürlich verdiene ich ihn. Aber vielleicht später erst. Mit 20, wie jeder andere Knappe. Das sind doch noch 3 Jahre, Räblein.“

In Boronians Gesicht grub sich ein schmerzhafter Gedanke ein. Vielleicht würden sie beide, – oder nur einer von ihnen – in drei Jahren längst nicht mehr auf dieser Welt sein. Vielleicht würde in Mendena ihr Leben auf Dere enden. So oder so. Es war unsinnig, allzu große Pläne zu schmieden für nach dem Krieg, denn es konnte noch so viel passieren. „Du planst aber weit,“ sagst er, in seiner Stimme schwang ein Seufzen mit. „Ich plane erst einmal bis zur nächsten Schlacht. Und dann sehen wir weiter. Vielleicht ruft dich Rondra früher an ihre Tafel, als du denkst. Dann musst du dir diese Sorgen, die du da hast, gar nicht mehr machen.“ Er versuchte ein Lächeln, das sie erwiderte, aber es gelang ihm nicht so recht. Stattdessen glitt seine Hand über ihren Rücken. Es war mehr eine unbewusste Bewegung.

Etwas unwohl war es Ira nun schon, dass der Schwertleiher sie so lange und so eng im Arm hielt. Und wollte seine Hand hin? „Du…äh, du kannst mich übrigens loslassen.“

„Ach so. Verzeih.“ Er gab sie frei und errötete. Ihm war nämlich gar nicht aufgefallen, dass er Ira so eng an sich gezogen hatte. Sie hatten sich schon zuvor mal im Arm gehalten, sich gedrückt, aber seit viele hier im Lager dachten, dass er um sie werben würde oder dass sie sogar das Lager miteinander teilten, und vor allem nach den deutlichen Worten, die sein Herr Vater in Gallys an ihn verloren hatte, empfand der 19-jährige Iras Nähe mit gemischten Gefühlen. Er ertappte sich sogar dabei, dass er kurz auf ihren Mund starrte. Doch bevor sie es merkte, riss er den Blick irritiert los.

Ein paar Schritte gingen sie schweigend nebeneinander her, bevor Ira die Stille brach, die zwischen ihnen herrschte, seit er sie losgelassen hatte.

„Tsalind ist ne blöde Kuh. Wundert mich immer, wie du es mit ihr aushältst.“

Er stutzte, war aber glücklich um die Abwechslung. „Kuh: naja. Und aushalten: ich fürchte, mir bleibt da nicht viel anderes übrig. Aber ich verstehe mich mit ihr gut. Sie ist wie eine große Schwester für mich. Du weißt ja, dass ich welche habe, aber die sind mir so fern.“

Iras Stirn furchte sich verkrampft. Sie hätte erwartet, dass er von ihr als ‚Schwester‘ sprach, aber nicht von Tsalind. Ausgerechnet Tsalind! Ihre Enttäuschung wollte sie sich allerdings nicht anmerken lassen. „Wird der Baron von Rabenstein sie vor oder nach der Schlacht zur Ritterin machen, was meinst du? Sie hat ja das richtige Alter.“

Boronian zuckte mit den Schultern.

„Und was ist mit dir? Oder bin ich die einzige, die vor der Zeit…“

„Nein, das glaube ich nicht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Knappen vor dem entscheidenden Angriff in den Ritterstand erhoben werden, oder nach einer schweren Schlacht, wenn sie sich bewiesen haben. Ich habe jedenfalls vor, mich zu beweisen. Aber im Gegensatz zu dir würde ich mich freuen, wenn mir die Ehre zuteilwird, endlich Ritter werden zu dürfen. Das ist die Belohnung für harte Jahre als Schüler – und du kennst meinen Paten, den Baron, der ist wirklich nicht so wie andere.“

So wie andere. Das war Jost auch nicht. Ihr Blick flog davon. Wo er wohl jetzt war? Dann griff sie unvermittelt nach Boronians Hand. Ira wusste zwar nicht, warum, aber sie blieb erneut stehen und machte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Du meinst also, ich soll mich freuen?“

Boronian nickte.

Iras Mundwinkel zuckten. „Götter, ich weiß gar nicht, was ich denken soll….“

„Dass dich dein Schwertvater für reif genug hält, dir die Schwertleite geben zu wollen. Das heißt doch auch, dass er dir wohl nicht mehr gram ist wegen…“

„…der Sache an der Tränke. Ja, da hast du Recht. Der Gedanke kam mir auch schon.“

„Na, siehst du. Alles halb so wild.“ Er lächelte seine Base freundlich an und streckte eine Hand nach ihrem Gesicht aus, nahm diese aber dann doch wieder zurück, bevor er ihre Wange berührte. Das war einfach nicht richtig. „Gehen wir zurück? Oder brauchst du noch?“

Die Plötzbogenerin richtete sie auf und er sah, dass sie nun an sich arbeiten würde. Sie wirkte ruhiger, nachdenklich zwar, aber auch geerdet. Mehr hatte er nicht bezweckt. Er versuchte, sie mit einem Scherz aufzumuntern. „Weinst du, wir sollten die Frau Oberst und den kleinen… ähm, wie sagst du zu Sean?“

„Pisser!“

„..den kleinen Pisser ein wenig ärgern?“

„Nette Aussicht, doch vielleicht geh ich auch zurück. Sigiswolf wollte mit mir sprechen. Wahrscheinlich lasse ich ihn besser nicht länger warten.“ Ein anderer Gedanke, den sie noch loswerden musste. „Räblein, du würdest mir aber schon sagen, wenn du wüsstest, wohin unsere Schwertväter gegangen sind, oder?“

Er zog die Augenbrauen zusammen. „Natürlich. Wir haben keine Geheimnisse, Füchschen.“ Boronian lächelte Ira an.

„Du bist ein wahrer Freund!“ Ira trat kurz an den jungen Mann heran und küsste ihn auf eine Wange, wozu sie sich wahrlich strecken musste, um diese zu erreichen, da er sie um mehr als einen halben Kopf überragte. Dann trennten sie sich und Ira trottete beschwingt ins Hlutharswachter Lager zurück. Sie freute sich zwar immer noch nicht, dass sie so bald Ritterin werden würde, aber es versetzte sie nun nicht mehr in Panik.

*

"Ich kann dir nicht mehr dazu sagen. Hör auf zu fragen!" murmelte die Junkerin vom Reussenstein, während sie eilig das Kettenhemd über den Gambeson zog, dabei in der Eile ihre liebe Not hatte und Roric ihr schnell zur Hand ging, ihr brav, aber mit irritierten und auch skeptischem Blick Übergewand, Schwertgürtel, Schulterplatte und die Kettenhandschuhe reichte. Sie hatte angesagt, leichte Rüstung tragen zu wollen. Über das Warum schwieg sie sich aus und seine Frage verlief auch beim zweiten Mal ins Leere. „Glaub mir, nichts lieber täte ich, als dich einzuweihen..." [Loriann (Tanja)]

"Dann tu's!" forderte er mit mehr Nachdruck und konnte doch nur zusehen, wie seine Freundin von etwas ergriffen war, was sie ihm aber vorenthielt. Warum? [Roric (Tanja)]

"Das geht nicht, Roric. Bitte, bitte frag nicht mehr! Bitte!"

"Das heißt ich soll also hinnehmen, dass du herkommst, deine Sachen packst und irgendwohin verschwindest und ich nicht weiß, was mit dir passiert?" Der Albernier reichte seiner Herrin missmutig die geforderte Seitenwaffe.

Loriann prüfte die Schneide zuerst. Sie war gut. Scharf und sauber und da sie das Gewicht der Waffe gewohnt war, wurde das gute Stück schnell zu einer nützlichen Verlängerung ihres Armes. Sie schnallte die Klinge an sich fest, steckte ihren Dolch nebendran und griff nach einem einfachen Mantel. Auf Rorics wütende Frage antwortete sie nicht. Dass auch sie Unbehagen bei dieser mysteriösen Geschichte empfand, mochte er ihr ansehen.

Nein, sie konnte ihm nichts vormachen. Er brauchte nur eins und eins zusammenzählen: Ihr Verhalten, die Geheimniskrämerei,… Es konnte nur ein Auftrag dahinterstecken, der von höchster Stelle an Loriann herangetragen worden war, so dass ihr nicht die Möglichkeit geblieben war, Nein zu sagen. Denn eigentlich wollte sie diesen Auftrag nicht, das sah er ihr an.

Roric griff Loriann an die bepanzerten Schultern, und zwang sie, ihn endlich mal bewusst wahrzunehmen, ihn anzusehen. "Was will der Herzog von dir? Reicht's nicht, dass du diesen Heroldsdienst für ihn tust, der verhindert, dass du in diesen Krieg an der Seite deiner Reussensteiner stehst, wo du eigentlich hingehörst?" Dass er dabei im Grunde aber eher sich selbst meinte, war ein offenes Geheimnis zwischen beiden. Sein Tonfall klang anklagend

Sie seufzte tief. "Ach Roric... Nicht der Herzog!," rutschte es Loriann da heraus und als sie ihr Missgeschick bemerkte, war es schon zu spät.

"Wer dann, die Kaiserin?!" Rorics Frage war eher eine Feststellung, man hörte aber seine Verachtung für das Kaiserhaus heraus. Er ließ abrupt ihre Schultern los und trat einen Schritt zurück. Er hatte keine weiteren Fragen an sie, obwohl er tausende davon in seinem Herzen trug. "Ich hoffe, die Sache ist es wert. Ich will Menden mit dir erobern, vergiss das nicht!" Er wandte sich zähneknirschend und mit Furchen seiner Ärgernis auf der Stirn von ihr ab und hielt ihr lieber den Zelteingang auf. Aus seinem Gesicht konnte sie lesen wie ein Buch. Er wollte ihr allerdings nicht verheimlichen, dass er ihr Fortgehen keinesfalls gut hieß. Aus mehreren Gründen. Auch ganz persönlichen, egoistischen.

Loriann trat noch einmal an ihn heran und griff nach seiner freien Hand. Auch er trug Kettenhandschuhe, was die Berührung seltsam unpersönlich sein ließ. "Ich komm zurück, keine Sorge. Ich werd ja nicht allein gehen." Ein sanftes Schmunzeln ihrerseits, aber es vermochte Rorics Laune nicht aufzuhellen.

"Du weißt, Spezialaufträge haben die Angewohnheit, gefährlich zu sein, richtig gefährlich!" grummelte er und er wollte noch etwas mehr sagen, aber ihre Worte durchschnitten sein Vorhaben:

„Ich weiß!" Sagte sie sehr bestimmt und blickte Roric an, "aber irgendwer muss sie tun - du weißt das doch."

'Ja - Aber nicht du', hatte er auf den Lippen, sprach es allerdings nicht aus.

"Außerdem sind wir im Krieg. Was ist da nicht gefährlich?"

Er knurrte. Sie hatte ja Recht. Zumindest was die Aussage mit dem Krieg anging. "Tu mir bitte einfach den Gefallen und pass auf dich auf. Damit meine ich: überschätz dich nicht." Er sah sie eindringlich an, wissend, sie würde das letzte nicht hören wollen, aber er war ihr Freund, ihr Gefährte, und ja, oft auch schon derjenige, der sie wieder erdete. Er musste das einfach sagen.

Sie antwortete nur indirekt darauf. "Ich werd schon versuchen, keine Dummheiten zu machen." entgegnete sie ihm überzeugend und er wusste endgültig, dass er sie nicht von ihrem Vorhaben abbringen konnte, obwohl er es nur gerne gewollt hätte. Ein Argument hatte er zwar noch, es war 12 Jahre und trug blonde Locken – aber ob er Lorianns empfindsame Mutterliebe über den Auftrag der Kaiserin stellen durfte? Roric zögerte und damit war der Moment, in der er es hätte vorbringen können, auch schon vorbei.

Sie schien nicht länger gewillt zu verweilen und so ließ er sie schließlich gehen.

Draußen vor dem Zelt besah sie sich hektisch, da unschlüssig, die Auswahl an Schilden. "Nimm das hier. Unauffällig, stabil, nicht zu schwer. Gut zu schwingen und auch gut eine Weile in der Hand zu tragen" Er drückte ihr ein einfaches, braun geöltes Rundschild mit Macken und gerußten Nieten in die Hand und klopfte vertraut auf das Leder verstärkte Holz. Es würde seinen Dienst tun und besaß keine reflektierenden Stellen. Eine gute Voraussetzung für...für was auch immer. Mit bangem Blick sah er ihr dann nach, wie sie kurz darauf in zügigen Schritten das Firnholzer Lager verließ.

Die Fänge der Dunklen Mutter II

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Die Tage verstrichen und Marbolieb arbeitete intensiv mit ihrem zwergischen Schützling. Immer wieder, in unregelmäßigen, größer werden Intervallen legten sich die Schatten der Widersacherin Borons auf seine Seele und er wurde von IHR in seinen Träumen heimgesucht. An den Abenden besagter Tage vertieften sich beide gemeinsam ins Gebet und sie segnete Dwarosch, begleitete seinen Geist jeweils ein Stück weiter auf dem Weg zu Bishdariels Flügelschlag, dem friedlichen Schlaf des Herren der Träume.

Am Abend des sechzehnten Tages war es dann schließlich soweit. Marbolieb hatte Dwarosch darauf hingewiesen, dass es letzte Mal sein würde, dass er von ihr die Segnung während der Zeremonie erhalten würde. Weiter hatte die Geweihte gesagt, dass er danach frei sein würde, FREI. Die dunkle Mutter würde ihn nicht mehr erreichen, ihn nicht mehr in seinen Träumen heimsuchen. Oh, wie dankbar er war! Marbolieb würde ihm nach der Messe kundtun, was sie von ihm für ihren Dienst an seiner Seele verlangen würde. Doch das sorgte ihn nicht, denn diese Aufgabe würde die Verinnerlichung ihres gemeinsamen Weges sein und verhindern, dass er zu Lebzeiten vergaß, was er ihr und ihrem Herren verdankte. Was immer sie ihm auferlegen würde, es würde nicht ihre Hilfe nicht aufwiegen können.

Feierlich, nur in einer leichten, dunklen Wollhose und einem hellen Hemd aus dem gleichen Stoff, barfuß trat er vor sie an den Altar. Seine Haare dufteten nach Kräutern. Auf der Stirn trug er ein mit Öl und Asche gezeichnetes Boronsrad. Das Lächeln was er auf den Lippen trug kam aus seinem Innersten, es war ein Ausdruck eines seelischen Gleichgewichts, das der Zwerg auf ihrer gemeinsamen Reise gefunden hatte. Dwarosch war bereit, denn er hatte IHREM Herren alle Tore geöffnet, die seine Seele verschlossen hatten, um sich vor IHR zu schützen. Boron würde seine Seele mit seiner allumfassenden Dunkelheit fluten und ihm anhaltenden Frieden schenken. (Stefan [Dwarosch] 29.04.16)

Zu beiden Seiten des Altars standen Feuerpfannen mit glimmenden Kohlen. Dünne Rauchschleier stiegen auf und trugen den würzigen Duft von kostbaren Hölzern, Weihrauch und Mohnsamen in die Luft. Weit breitete Marbolieb ihre Arme aus, eine Geste, ein Willkommen an Dwarosch. Zu ihrer Messe, zum Dank an den dunklen Herrn des Todes, des Schlafes und der Träume.

„Herr, eine Seele tritt vor Dich. Nach langem Weg hat sie zu Dir gefunden, Ihre Fesseln gelöst.“ Sie netzte ihre Hände mit Salböl, trat einen Schritt auf den Zwergen zu und legte ihm beide Hände auf den Scheitel. Geschärft waren Dwaroschs Sinne und berichteten ihm vom leisen Knistern der Kohlen im Feuer, dem dichten Teppich unter seinen Knien, den Schritten vor dem Zelt und dem dumpfen Gemurmel, das die niemals schweigende Stimme des Lagers war. Leicht koste der Duft des Räucherwerks seine Nase und Stück um Stück verstummten die störenden Geräusche, wurde seine Welt stiller und enger, bis sie nur noch die Dinge von wirklichem Wert umfasste an diesem Abend. Die Frau vor ihm, ein mächtiger Fels, Ankerpunkt und fester Grund unter seinen Füßen, er, sein innerstes Selbst, offen vor ihm ausgebreitet und bar jeglicher Selbsttäuschung, jeglicher Lüge. Jede Verfehlung, die er begangen hatte, jede unrechte Tat, doch auch aller Mut, jedes erbrachte Opfer, bereit, gewogen und gerichtet zu werden vor den Augen des Unergründlichen.

Ein Offenbaren, tiefer als Haut und Knochen. Nackt bis auf die Seele.

Und mit dieser Offenbarung unendliches Vertrauen, aufgenommen, für wert befunden zu werden.

„Herr, in Deinen Händen ruht sie. Gib ihr Kraft, gegen die Widersacherin zu bestehen, bis dass ihr Rad zerbricht.“

Dunkelheit legte sich wie Rabenschwingen in Dwaroschs Geist, bedeckte mit Balsam, was wund und blutig und voller Schmerzen war, und ein tiefer Frieden legte sich in ihn.

„So sei es!“ Ruhig wie der Einbruch einer Sommernacht drangen Marboliebs Worte in seine Ohren, fanden donnernden Widerhall im Schlag seines Herzens, dröhnend in seinen Ohren, ein einziges Geräusch in einem dunklen Bett aus Ruhe und Schlaf.

Zuverlässig.

Beständig.

Ein Wegpfand von nun an bis zum Beginn der Ewigkeit.

Frieden.

(Tina [Marbolieb] 30.4.16)

Als der Morgen des Tages der Schlacht an der Teralschlaufe dämmerte und das Auge des Götterfürsten seine erste, goldenen Strahlen über die Ebene sendete kniete Dwarosch, der breit gebaute, scheinbar körperlich unerschütterliche, ehemalige Söldner auf dem Boden vor Marbolieb und hatte seinen Kopf in ihren Schoss gepresst. Sie waren nach der letzten Messe wieder spazieren gegangen und er hatte erneut von einem für menschliches Empfinden unbegreiflich langen und ereignisreichen Leben erzählt. Der ehemalige Söldner hatte ihr alles anvertraut über die letzten Tage, alles, sein ganzes Leben, alle Verfehlungen, alle Gräuel, alle dunklen Gedanken, nichts hatte er ausgelassen, so empfand er es, nichts was von dem was ihn heimsuchte und seine Seele schwer machte. Sie hatte einfach zugehört und verstanden, wie sie es stets tat, wenn die beiden beisammen waren.

Marbolieb hatte erkannt, dass es nicht der Ruf der Waffen gewesen war, welcher ihn veranlasst hatte nach all der Zeit wieder in einen Krieg zu ziehen. Das mochte er sich vielleicht eingeredet haben, doch sein Unterbewusstsein war es, der ihn dazu trieb. Nein, es war die Sehnsucht nach dem ewigen, endgültigen Frieden, dem Tod. Es war an ihr gewesen ihm diese Sehnsucht zu nehmen und das hatte sie getan, denn sonst hätte die dunkle Mutter, so nannten die Kinder der Schattenlande Thargunitoth, die Widersacherin Borons, gewonnen. So hatte sie seine Seele auf dem langen, dunklen Weg zur Linderung, nach Haus, zu sich selbst begleitet und sie hatte Schritt für Schritt, Tag für Tag, Gebet für Gebet gespürt, wie sein Feuer immer mehr zu brennen begann. Denn Boron hatte die Worte seiner Dienerin vernommen und die kranke Seele für wertvoll genug befunden, sie zu heilen.

So war seine kniende Position kein Ausdruck seiner Schwäche, sondern der tiefen Verbundenheit, noch mehr aber Dankbarkeit Marbolieb und ihren Herren gegenüber. Dwarosch hatte Boron als einen seiner Götter angenommen und sie war sich sicher, dass er ihn ehren würde bis zu seinem letzten Tag.

Mit rauer, belegter Stimme richtete er nach einer scheinbaren Ewigkeit das Wort an die Geweihte. „Wenn mich heute der Tod ereilt so wird meine Seele nicht in die Fänge der dunklen Mutter geraten, sondern in Angroschs ewige Esse aufgehen. Habt Dank für alles, was ich für mich getan habt und seid euch gewiss, ich werde die mir auferlegte Aufgabe gewissenhaft erfüllen, so die Götter mich diesen Tag überstehen lassen. So bitte sagt mir nun was es ist?“ Langsam hob er den Kopf und blickte sie aus strahlenden Augen an, Augen die Rührung und tief empfundener Dankbarkeit erzählten. (Stefan [Dwarosch] 01.05.16)

Marbolieb hatte ihre Hände in Dwaroschs graudurchschossenem Haar vergraben. Als er den Kopf hob, begegneten sich ihre Blicke. „Sorge dich um die, um die sich keiner mehr kümmert. Bestatte die Toten dieses Feldzugs.“ Auf dass ihre Seelen die Fesseln lösen und eingehen können in die Hallen des Unergründlichen. Dunkel, still und tief waren die Augen der Borongeweihten, und für einen Lidschlag lang schien die Zeit innezuhalten. (Tina [Marbolieb] 1.5.16)

Dwarosch nickte bedächtig, was Ausdruck dafür war das er ihre Worte vernommen, ihren Sinn aber noch nicht ergründet hatte. Seine Erwiderung, welche er kurz darauf an sie richtete, war fest und in ihren Ohren voller Glauben und innerer Überzeugung. „Das werde ich tun, so soll es sein. Ich werde eurem Herren, den ich nun auch als den meinen anerkenne, versuchen Ehre zu bereiten, indem ich sein Werk verrichte, die Toten bestatte und begrabe. Auch werde ich fortan meine Worte und Gebete an ihn richten, ebenso und ebenbürtig wie an Angrosch und Kor.“ (Stefan [Dwarosch] 02.05.16)

Langsam nur brach der Zauber, und mit dem Licht des Sonnenaufgangs drangen die Geräusche des Lagers an beider Ohren.

Ein neuer Tag begann, und mit ihm würde die Schlacht kommen, eine Welle von Blut, Gewalt und Tod. Jetzt aber herrschte Frieden.

Auf dem Rückweg ins Lager waren beide gelöst, alle Anspannung war gewichen, doch eine tiefe Verbundenheit, über das gemeinsam erreichte Ziel hinaus, war geblieben. Und so richtete Dwarosch erneut das Wort an sie, denn er wollte es nicht darauf beruhen lassen. Für ihn begann ein neuer Lebensabschnitt, nein, mehr noch, ihm war, als seie er gestorben und seinem alten Körper neues Leben eingehaucht worden. Seine Todessehnsucht, welche er sich nun auch als solche selbst eingestehen konnte, war gewichen. Der Gott des Todes hatte sie ihm genommen, welch eine Ironie und doch war ER so viel mehr, das hatte er auch verstanden. „Eure Gnaden, wäret ihr bereit, so wir beide diesen Feldzug überleben, mich auf dem Heimweg nach St. Boronia zu begleiten, es liegt ja fast auf dem Weg durch die Sicheln ins Reich? Ich möchte diesen heiligen Ort sehen, um mehr von dem zu verstehen was SEIN Wesen ist?“ (Stefan [Dwarosch] 02.05.16)

Marbolieb nickte. Worte benötigte sie nicht, um dem Zwergen zu sagen, wie willkommen ihr eine weitere gemeinsame Reise war. Dieses Mal eine körperliche Reise. Durch fremde Lande. Und hin zu einem ehrwürdigen Ziel.

Und dies alles – hoffentlich – in einer friedlicheren Zeit. (Tina [Marbolieb] 2.5.16) ---

Kategorie: Briefspielgeschichte