Haffax Feldzug Dunkle Mätresse2

Die dunkle Mätresse: Das Abenteuer geht weiter

(Briefspiel)

Inhalt: 
  • Noch ein Freundschaftsdienst
    Loriann bittet die Gruppe um einen weiteren Gefallen. Sie sollen Kisten mit magischen Artefakten, die im Keller der Burg auf ihren Versand nach Yol-Ghurmak warten, austauschen, damit der Inhalt nach Mendena gelangen kann. Damit will die Gemahlin Arngrimms zum einen Lorianns Loyalität ihr gegenüber auf die Probe stellen, zum anderen verfolgt die Herrscherin damit eigenen Pläne, mit dem in Tobrien wiedererstarkten Reich zusammen zu arbeite, um sich ihre Pfründe für nach dem Fall Arngrimms zu sichern. Es dürfe aber kein Zusammenhang zur Herzogin oder zu Loriann hergestellt werden können. Eine Aufgabe, der sich die Nordmärker nicht unbedingt gerne, aber notgedrungenermaßen annehmen.
  • Im Keller
    ...schauen sich die Nordmärker die Kisten an, in denen sich die magischen Artefakte befinden. Efferdane, die Haushälterin, zeigt ihnen einen Geheimgang, der vom Keller der Burg in den Wald vor der Burg führt. Ein Fluchttunnel?
  • Währenddessen in der Kemenate der Herrin
    Der Rondrageweihte Hagrian spricht mit der neuen Baronin Loriann über ihr Leben hier. Beide wissen, dass es schwierig werden wird, Loriann hat sich jedoch darauf eingestellt und ist bereit, alles herzugeben für den Auftrag, den sie nur aus Liebe zu ihrer Tochter angenommen hat. Ihr zuliebe nimmt sie die Gefahr auf sich. Sie bittet außerdem, dass der Geweihte ihr Schwert segnet, damit sie etwas zwölfgöttergefälliges hat, das ihr durch die kommende schwere Zeit helfen kann.
  • Ankunft der Ysilier
    Der Kisten-Abholtrupp aus Yol-Ghurmak kommt an. Wie immer gedenkt der Trupp über Nacht zu bleiben und sich bei den wenigen Vorräte der Burg durchzufressen. Der Anführer ist ein Paktierer, dem sich Loriann entschlossen aber höflich entgegenstellt.
  • Im Fluchttunnel
    ...schmieden die Nordmärker einen Plan, wie sie Leute aus Yol-Ghurmak überlisten können. Schnell wird klar, es geht nur, wenn diese verschwinden. Ganz. Dann wollen die Nordmärker sich als diese Leute ausgeben und ganz legal mit den Kisten die Burg verlassen. In der Küche soll eine einschläfernde Mahlzeit für den Trupp gekocht werden.
  • Im Versteck des Geweihten
    Während der Anwesenheit der Ysilier 'versteckt' sich der Rondrageweihte Hagrian widerwillig in einer Gesindekammer. Ira 'wacht' über ihn.
  • Auf und davon (Setzung)
    Der Plan der Nordmärker funktioniert. Nachdem die echten Ysilier als Schweinefutter endeten, machen sich die Nordmärker verkleidet als Ysilier auf, die Kisten gen Mendena zu bringen. Verfolgt werden sie wieder von Häschern des Dunklen Herzogs. Das Hund-und-Katz-Spiel geht weiter.
  • Rondras Tribut und Shinxirs Triumph
    Schicksalsmorgen in Tobrien: Hagrian und Ira erleben einen der seltenen Momente der Zweisamkeit, da kommt er hinter ihr Geheimnis, dass sie Shinxir Anhängerin ist, weil er ihren goldenen Hornissen-Anhänger findet, den sie von Jost bei ihrem Ritterschlag bekommen hat. Hagrian ist erbost. Es kommt zum Streit, in der er aus Liebe zu ihr auf eine Anklage ihr gegenüber verzichtet und stattdessen ihren Schwertvater Jost zum Zweikampf fordert. Denn er sieht in ihm den wahren Ketzer, und Ira nur gefangen in einer Verirrung. Es entbrennt ein harter Kampf zwischen dem Geweihten und dem Baronet. Hagrian zertrümmert mit seinem Rondrakamm Josts Knie. Nur durch eine shinxirgefällige List kann der geschwächte Hlutharswachter den überlegenen Rondrianer überwinden. Und töten. Als Hagrians Leben erlischt gilt sein letzter Gedanke seiner jungen Geliebten. Als Jost am nächsten Morgen allein zurückkehrt und vorgibt, Hagrian sei beim Decken des Rückzugs ums Leben gekommen, bricht für Ira eine Welt zusammen
  • Weiter und weiter und weiter
    Die Nordmärker ziehen weiter mit ihrer Fracht, aber die Stimmung ist nicht mehr dieselbe. Ira und Jost aber sprechen kein privates Wort mehr miteinander. Maga Caya ist enttäuscht, nicht noch mehr Zeugnisse der alhanischen Zeit zu finden. Alle kommen heil in Eslamsbrück an, wo sie die Kisten schließlich mit Nachricht an Herzog Bernfried gen Mendena schickend zurücklassen. Die Gruppe holt das Nordmärker Heer vor Gallys ein. Im Gepäck ein Eid an Kaisergemahl Paligan, niemandem etwas über diese Mission zu verraten.

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Die Helden:

  • Baronin Loriann von Reussenstein zu Viereichen, Junkerin von Reussenstein (Tanja)
  • Baron Lucrann von Rabenstein (Tina)
  • Baron Jost Verian zu Hlûtharswacht (Chris)
  • Ritterin Ira von Plötzbogen (Tanja)
  • Ehrwürden Hagrian von Schellenberg (Catrin)
  • Kriegerin Otgar von Salmfang (Arvid)
  • Maga Caya von der Aue (Arvid)
  • Tar’anam sin Corsacca, Edler von Hottenbusch (Jürgen)

Noch ein Freundschaftsdienst

Am Tag der Ankunft in Viereichen Ende Praios 1040 ist bereits viel geschehen. Loriann wurde als Baronin begrüßt und auf der Burg willkommen geheißen. Ein erstes Kräftemessen zwischen dem Hofpaktierer des Blakharaz und Hagrian eskalierte im Tod des Paktierers auf dem Burghof.

Die Herzogingemahlin offenbarte Loriann ihre Pläne für sie und sich selbst: die Reussensteinerin sollte die im Keller gelagerten Kisten mit Artefakten, die für Balphemor von Punin gedacht waren, in Bernfrieds Hände spielen. Dies jedoch derart, dass kein Verdacht auf Loriann oder die Herzogingemahlin fällt. Der Trupp aus Yol-Ghurmak, der die Kisten abholen soll, würde in Kürze hier sein.

Es war Nachmittag und ging auf den Abend zu, als die Nordmärker im Großen Saal der Burg zu Viereichen zusammentrafen. Ehrwürden Hagrian wurde von den schlimmsten Verletzungen geheilt und Haushofmeisterin Efferdane brachte eine kleine Erfrischung.

Glücklich darüber bald schon wieder aufbrechen zu können musste Otgar vorerst noch verdauen was er in den letzten Stunden, ja letzten Wochen gesehen hatte. Als Krieger war er es gewohnt zu sehen welchen Schaden Menschen anrichten konnten, was jedoch diese Dämonenbuhler und Magier anrichteten ging weit über seine bisherigen Vorstellungen hinaus. Ihre Taten waren es, die es ihm schwer machten die Magierschaft nicht gesammelt über einen Kamm zu scheren. Unstet wanderte er nun im Saal auf und ab, darüber nachsinnend auf welchem Weg sie am schnellsten Transysilien verlassen könnten. Würde man ihn fragen, käme er nicht ohnehin zuzugeben, dass ihm die wilde Natürlichkeit des Landes irgendwie berührte – seine werwölfischen Bewohner widerten ihn jedoch an.

Nachdem sie Hagrians Verletzungen nach besten Gewissen versorgt hatte, musste sich Caya erstmal gründlich das Blut des Geweihten von ihren Händen und Unterarmen gewaschen. Sich anschließend etwas Wein aus der Karaffe vor Jost-Verian und dem rabensteiner Baron einschenkend, setzte sie sich auf einen freien Stuhl und trank einen ersten zaghaften Schluck. Nach einer Ausbildung voll Drill, Exerzitien und nächtlichen Alarmübungen, sowie fünf Götterläufen im kaiserlichen Heer bereitete ihr all das keine ungewohnten Strapazen mehr. Entspannt schlug sie deshalb das linke Bein über und zog ein kleines Buch aus ihrer Kleidung hervor. Sein Einband war abgegriffen und ebenso waren die Ränder seiner, mit kleinen Notizen versehenen, Seiten von der Zeit gezeichnet. Routiniert schlug sie es auf, las eine bestimmte Passage und packte es anschließend wieder fort. Dann lehnte sie sich zurück und genoss einen weiteren Schluck Wein. Abwartend und dennoch nicht aufdringlich Loriann anschauend. [Arvid (Otgar, Caya) 18.08.16

Tar'anam hatte inzwischen seine Waffe und sich selbst gereinigt und eine Kleinigkeit gegessen und getrunken. Efferdane war da sehr zuvorkommend gewesen, eine unerwartet freundliche Seele an diesem eher beklemmenden Ort. Auch seine eher untypischen Gefühlsregungen der Abscheu und Wut, die ihn fast dazu veranlasst hätten, den aufreizend provozierenden Paktierer vorzeitig ins Jenseits der Niederhöllen zu befördern, wo seine Essenz nun nach allem, was er wusste, vermutlich sicher angekommen war, hatte Tar'anam nun wieder im Griff. Schweigend und nachdenklich saß er auf einem der Stühle und sah abwartend in die Runde. Die Aufgabe war erfüllt, insofern sollte Loriann, die ihre Begleiter ja gebeten hatte, noch über Nacht zu bleiben, ihnen am nächsten Morgen den Segen zur Heimreise geben. Vielleicht blieb aber Hagrian als neuer Hofgeweihter? Für Loriann wäre das sicher nicht die schlechteste Möglichkeit. Zumal die Frage war, was Arngrimm wohl von der Entsorgung des alten „Hofgeweihten“ hielt. Schon schloss Tar'anam wieder die Hand zur Faust, um sie gleich darauf willentlich zu entspannen und flach auf den Tisch zu legen. [Jürgen (Tar'anam) 18.08.16]

Lucrann streckte die Beine aus, reinigte seine Waffen und betrachtete dabei seine Reisegruppe und die Halle des Viereichener Herrschaftssitzes. Viel hatte sich in der Halle seines alten Bekannten Tremal seit dem Borbaradkrieg und seinen Folgen geändert, doch dass hier nun wieder eine zwölfgöttergläubige Interimsherrscherin walten würde, war ein Zeichen der Besserung. Wenn sie es schaffen würde, sich durchzubeißen und nicht dem Nachfolger des letzten Hofgeweihten zum Opfer fiele. Er ölte die geschwärzte Klinge seines Rapiers und polierte die Klinge mit einem Tuch. „Plant Ihr, Junkerin Loriann weiterhin zu unterstützen? wandte er sich an den nicht ganz so glücklich aussehenden Rondrageweihten. [Tina (Lucrann) 4.9.16]

„Ich fürchte,“ antwortete die frischgebackene Baronin, noch bevor der Geweihte es tun konnte, „ich muss euch ALLE um einen weiteren Gefallen bitten, Freunde. Oder zumindest um einen Rat, eine Meinung, oder, wie auch immer ihr es nennen mögt.“ Ihr Blick fiel müde in die Runde, während sie sich mit beiden Handflächen das strähnige blonde Haar aus dem Gesicht wischte, welches ihr ungebändigt auf die Schultern viel, weil sie ihren Pferdeschwanz gelöst hatte. Einen Moment verharrte sie mit beiden Händen an den Wangen, die kleinen Finger vor den Lippen zusammengeführt, und seufzte tief, ehe sie von ihrem hochlehnigen Herrenstuhl am Ende der Tafel aufstand. Dorthin hatte sie sich zurückgezogen, nachdem sie alle in die Halle eingekehrt waren, um den Machtkampf der beiden Geweihten durch Schweigen, Trinken und Essen zu verdauen. Ein Machtkampf, den genaugenommen Loriann geführt hatte, nur, dass Hagrian ihr Schwert gewesen war. Ihr Blick blieb einen Augenblick länger an dem lädierten Rondrageweihten hängen, dem die junge Ritterin sorgsam mit einem getränkten Tuch Blutreste vom Körper wusch. Wehmut erfasste Loriann. Mit Bedauern riss sie sich vom Bild der beiden in Zuneigung verbundenen los, denn es rief nicht nur Schemen der Vergangenheit, sondern auch eine schmerzhafte Aussicht auf ihre Zukunft in ihr hervor: sie würde hier alleine sein, eine Verräterin am anderen Ende der Welt, fernab jeglicher Vernunft und Würde, und Maire – wie auch Roric – waren unendlich weit fort. Für eine lange, lange Zeit.

Lorianns Blick suchte den der Haushälterin. „Efferdane. Bitte sorg dafür, dass wir ungestört sprechen können. Es ist wichtig! Hab vielen Dank.“

Efferdane nickte großmütterlich lächelnd und verschwand mit den Bediensteten aus dem Saal, die mit ihr dort bislang ausharrten, um den Herrschaften zu Diensten sein zu können.

Loriann wartete, bis auch die letzten Fußtritte verklungen waren und wirklich absolute Stille herrschte. Eine unwirkliche Stille. Ihre Worte zerbrachen sie, während sie am Tisch entlang schritt, wobei sie an jedem der Stühle, auf dem jemand saß, anhielt, um sich daran festzuhalten. „Bei den Zwölfen, ich hoffe nicht, dass die Wände Ohren haben, aber ich weiß nicht, wie ich es euch sonst anders sagen soll, denn ihr müsst etwas erfahren. … Ich weiß, ihr habt schon so viel für mich getan. Mich hergebracht. Eure Waffen für mich gezückt. Für mich geblutet. Könnt ihr euch vorstellen, dass ich nicht wüsste, was ich ohne eure Begleitung getan hätte? Diese Sache ist so verdammt wichtig.“ Das letzte klang eindeutig einstudiert – als hätte sie es sich selbst eingeredet, mühsam, aber wie es schien wirksam. „Und ich kann das nicht allein schaffen.“

Loriann sah in einigen Gesichtern Stirnfalten.

„Lasst mich erklären, was ich meine:“ fuhr sie sogleich fort, während sie noch überlegte, wie sie diesen Menschen beibringen konnte, dass sie abermals ihre Unterstützung brauchte. Dass sie mit Worten haderte war ihr anzusehen. Schließlich fasste sie sich ein Herz. „In ein paar Tagen schon kommen einige Leute aus Yol-Ghurmak, um ein paar Kisten abzuholen, die momentan in diesen Kellern lagern. Sie sind für den Puniner bestimmt. Das hat mir Ihre Hoheit vorhin mitgeteilt. Was sie mir auch noch mitgeteilt hat ist, dass der Inhalt allerdings nicht nach Yol-Ghurmak kommen darf!“ Eine kurze Pause. „…Sondern nach Mendena muss, weil dies Teil einer Abmachung ist, die Ihre Hoheit hat. Ich soll ihr helfen, diese, ähm, Abmachung zu erfüllen. Aber ich kann weder selbst nach Mendena, noch darf mein Name oder der Name Ihrer Hoheit in irgendeiner Weise mit dem hm…Verschwinden… des Inhalts in Verbindung gebracht werden. Ähm, versteht ihr?“ [Loriann (Tanja) 7.9.]

Otgar war nicht sonderlich glücklich mit dieser Entwicklung, sollten sie jetzt ernsthaft nochmals zurück nach Mendena? Sollte sich ihre bereits gefahrvolle Heimreise durch diese Aufgabe und die damit verbundene Rückreise nach Mendena weiter verzögern und auch noch gefährlicher werden? Ohne sich umzudrehen und damit seine unentschlossenen Gesichtszüge zu offenbaren richtete er das Wort an Loriann: „Sehe ich das richtig – dass wenn kein Bezug hergestellt werden darf, wir diese Leute überfallen müssen? Ich möchte dies nur klären, denn sobald der Überfall bekannt würde, würde sich unsere Reise ungleich verkomplizieren.“

Anders als Otgar hatte Caya weniger Probleme mit dieser Bitte und das aus gleich verschiedenen Gründen. Sie war es gewohnt dass ein Auftrag weitere Aufgaben nach sich zog, anders kannte sie es überhaupt nicht. Außerdem bot sich ihr so wahrscheinlich die Gelegenheit ihr erwecktes Interesse an den magischen Erscheinungen der Naturzauberer noch etwas länger zu betreiben und wichtige Erkenntnisse zur dämonischen Schändung des Landes gewinnen. Geduldig wartete sie ab bis Otgar, der ihnen durch diese Wildnis bisher stets einen sicheren Weg gewiesen hatte, seine Bedenken geäußert hatte, faltete dabei ihre Hände locker zusammen und Ergänzte anschließend eigene Rückfragen. „Was für eine Gruppe wird denn den Transport von was begleiten? Und wer hat in diesem Spiel mit wem Übereinkünfte? Versteht mich nicht falsch, ich möchte Euch gerne helfen dennoch muss geklärt werden wie wir die Ware schnell befördern können und welche Gruppierungen uns im Anschluss auf den Fersen sind.“ Derweil wanderte ihr Blick über die Anderen, suchten in ihren Augen Wohlwollen und Ablehnung für die vorgetragene Bitte. [Arvid (Otgar, Caya) 08.09.16]

Loriann ließ sich währenddessen in einen freien Stuhl zwischen Jost Verian und Tar’anam fallen und streckte die Beine aus. Mit dem Blick auf die Tischplatte geheftet, fuhr sie sich erneut durchs Haar, mit den Händen übers Gesicht und schloss für einen Augenblick – den Kopf lehnte sie dabei am Stuhl an – die Augen.

„Soweit ich von der Herzogin weiß, stammt der Inhalt von ihrem Mann und soll von ihm aus an den Magus gehen.“ fing sie an, das wiederzugeben, was ihr die Herzogin vorhin anvertraut hatte. „Als eine Art Bezahlung für irgendwelche Dienste, die Balphemor für Arn-…den Dunklen Herzog leistet. Es werden also wohl Truppen aus Yol-Ghurmak sein, die kommen werden.“ Ihre Worte mochten wahr sein. Ihr Anflug von Überforderung auch.

„Die Herzog IN selbst wiederum möchte eine Übereinkunft mit Herzog Bernfried erreichen, indem sie IHM die Sachen aus den Kisten zuspielt. So erhofft sie sich, dass der sich bei ihr erkenntlich zeigen wird, wenn es mit der Herrschaft ihres Mannes zu Ende geht. Hoheit Frenija sagte wörtlich zu mir, dass sie hinter dem Rücken ihres Mannes an einem besseren Ruf für sich arbeiten will – der auch mir zugutekommen würde! Daher ist es umso wichtiger, dass keinerlei Verbindung zu ihr und mir entsteht.“ Sie öffnete die Augen wieder und hob den Kopf an. Die Konsequenz, die sie und die Herzogin tragen würden, wenn der Verrat herauskam, schnürte Loriann die Kehle zu. Sie wusste nur zu gut, dass sie von nun an ein doppelt-gefährliches Spiel zu spielen hatte. Und ihr wurde schlecht dabei, also griff sie ungefragt nach Josts Tringefäß und stürzte den Inhalt in ihre Kehle, um zu verhindern, dass sie sich augenblicklich übergeben musste. [Loriann/Tanja 8.9.]

‚Was für ein großer Scheiß!‘ dachte sich Ira, nachdem sie die Worte der Junkerin mit Sorge verfolgt hatte. Sie drückte eben das Tuch, mit welchem sie Hagrians Verwundungen grob von Blutresten gereinigt hatte, aus und räusperte sich kurz, weil ihre Zunge vom Schweigen regelrecht an ihrem Gaumen klebte.

„Ich weiß nicht, vielleicht müssen wir den Trupp nicht überfallen, aber vielleicht können wir den Inhalt unterwegs einfach, naja, heimlich austauschen? Hier können wir das nun mal leider nicht tun, auch wenn das vielleicht das einfachste wäre. Aber wenn nur einer von denen, die die Kisten abholen, prüft was drin ist, dann würde es gleich auf euch, Loriann, zurückfallen, wenn der erwartete Inhalt ein anderer wäre. Verlassen aber die Kisten unbehelligt eure Baronie, kann man euch schon mal nicht belangen. – Oder?“ [Ira/Tanja 8.9.]

Sie war sich nicht sicher ob der noch frische Idealismus oder Naivität aus der jungen Ritterin sprach, doch kam Caya nicht daran vorbei die Schwachstellen aufzuzeigen. „Wir haben nur leider mehrere Probleme.“ Begann sie und fing damit an, an den Fingern abzuzählen. „Die Kisten müssen Viereichen verlassen, ohne dass der geringste Verdacht auf eine Täuschung besteht. Bevor uns der Burghauptmann begrüßt hat, konnten wir Yol-Ghurmak bereits sehen, sprich, wir haben wenig Zeit. Während der letzten Nächte hörten wir Wächter um unser Lager streunen, wird das weiterhin der Fall sein? Entkommt ein Mitglied vom Geleitschutz oder kann später Auskunft geben, werden wir uns vor Häschern nicht retten können.“ Mit dem vierten erhoben Finger endete sie ihre Aufzählung. „Wir sollten ermitteln was wir nach Mendena bringen sollen und dafür sorgen, dass die notwendigen Transportbehälter an den mitgeführten Pferden befestigt werden. Ebenfalls sollten wir herausbekommen, mit wie vielen Leuten wir es zu tun bekommen und wo sie entlang reisen! Zur Ausführung möchte ich eine List vorschlagen. Wir haben Wappenröcke erbeutet, genauso wie Pferde mit dem Brandzeichen des schwarzen Herzogs. Lasst uns dieses Geschenk nutzen um den Gegner zu übertölpeln.“ [Arvid (Caya) 08.09.16]

Hagrian hatte die ganze Zeit über stumpf vor sich hin gestarrt. Iras Säuberungsaktion hatte er fast gleichgültig über sich ergehen lassen. Er fragte sich unaufhörlich, wie er in diese Situation geraten war. Er saß hier, in einer finsteren Burg, mitten in den schwarzen Landen, mit diesen Menschen, die ganz selbstverständlich davon sprachen, Hinterhalte zu legen, Kisten vermeintlich niederhöllischen Inhalts zu stehlen und diese dann mit größtmöglicher Heimlichkeit zu einem geheimen Ort zu bringen, wo sie für, wussten die Götter, was für Ungeheuerlichkeiten verwendet werden würden.

Er schnaubte. Diese ganzen Heimlichkeiten.

Sein Kopf dröhnte als er sich erhob und auf Loriann zuging. Hinter ihrem Stuhl hielt er an: „Die Götter sind in diesen Landen fern. Bei all euren Entscheidungen – solltet ihr gut darauf achten, dass dies nicht in Kürze auch auf eure Seele zutrifft --- Und das sollten wir alle.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Hochgeboren. Wo sind diese Kisten?“

„Im Keller.“ antwortete Loriann auf die Frage des Geweihten mit leiser Stimme. Ihr Gesicht vergrub sie anschließend in ihren Händen. Sie konnte diesem Mann, diesem Geweihten, der schon so viel für sie eingesteckt hatte, nichts vorwerfen. Er sah die Dinge mit anderen Augen, musste ja nicht, wie sie, all diese gefährlichen Kompromisse und Wagnisse eingehen. Daher mochte ihm jetzt auch das Verständnis dafür fehlen. Trotzdem verurteilte sie ihn nicht dafür, denn er hatte ja Recht: Die Götter waren in diesen Landen fern und jede Seele in Gefahr, auch die ihre. Davor hatte Loriann große Angst. Aber was blieb ihr anderes übrig, als Frenijas Spielchen mitzutreiben? Auch dies schien der Geweihte nicht zu sehen und das war bedauerlich. [Loriann]

Er wartete noch einen Moment, ob noch etwas anderes von der Baronin zu hören war. Dann drehte er sich um und wollte den Saal verlassen.

Keinen schien zu interessieren, ob es nicht besser war, den Inhalt der Kisten schlicht SOFORT zu zerstören. Dieser Frage würde er augenblicklich nachgehen. (Hagrian (Catrin) 08.09)

Schnell erhob sich Tar'anam, um dem Geweihten zu folgen. „Ehrwürden. Wartet.“ Eigentlich hatte er andere Fragen in die Runde werfen wollen, aber die Reaktion Hagrians ließ dies nicht zu. „Ich stimme mit Euch überein, dass wir den Inhalt der Kisten prüfen sollten – wenn sie nicht versiegelt sind?“ Ein fragender Blick traf Loriann und auch Caya, die vor dem Mahl bereits im Keller gewesen war. „Doch das, was ihr vermutlich vorhabt, wird unser Tod sein!“ Trotz der Dringlichkeit der Situation klang die eindringliche Stimme des Kriegers leise und beherrscht – wenn auch ein wenig gepresst.

Jost saß still am Tisch und hatte dem Ersuchen Lorianns nachdenklich gelauscht. Er wusste noch nicht, was er davon halten sollte, nur so viel, dass sie sich in Angelegenheiten einmischten, die ihn und seine Ritterin schnell überrollen konnten. Daher wollte er eigentlich erstmal abwarten. Doch als Hagrian, völlig erschöpft und körperlich entkräftet, aufstand, hatte dieser den brennenden Blick des Fanatikers in den Augen. Und da wusste Jost, dass er sich bereitmachen musste. Dieser Narr würde ihr aller Leben riskieren, um seiner fallenden Göttin zu dienen. Langsam und vorsichtig zog Jost sein Rapier und lockerte den Parierdolch. Die Körperspannung stieg, er machte sich bereit blitzschnell zuzustoßen. Er nickte Ira zu und deutete ihr, dasselbe zu tun.

„Ehrwürden, Euren Tatendrang in Ehren, doch bitte schont Euch! Ich habe Euch nicht zusammengeflickt, damit Ihr Euch direkt überanstrengt.“ Deutlich war ihren Worten die Erfahrung aus mehreren Götterläufen Militärdienst anzuhören. Ebenso wie der Umstand, dass sie ihre Arbeit ungern so missachtet und wenig wertgeschätzt wusste. „Selbstverständlich gucken wir uns die Kisten an, dennoch sollten wir uns erst anhören was uns darüber berichtet werden kann!“ [Arvid (Caya) 08.09.16]

Ira hatte Jost Blick verstanden. Sie war allerdings schon vorher aufgestanden, mehr aus Sorge um Hagrians Wunden heraus, die bei dessen ‚Glück‘ schnell wieder zu bluten anfangen konnten, wenn er sich nicht endlich ausruhte, aber diese Erkenntnis sprach sie dem Geweihten gerade ab. So folgte sie Tar’anam hinterher. Schnell hatte sie beide Männer eingeholt und schnitt dem Geweihten den Weg ab, in dem sie sich vor ihn stellte und liebevoll eine Hand nach seiner Brust ausstreckte. Sein Blick gefiel ihr nicht. „Hagrian!“ versuchte sie zu ihm durchzudringen, in dem sie ihm bei seinem Namen nannte. Etwas, was sie bisher auf dieser Reise erst wenige Male getan hatte und wenn, dann nie so, dass ihre freundschaftliche Beziehung offenkundig war. Darauf schiss sie jetzt. „Warte doch mal. Tar’anam und Caya haben ganz Recht. Wir sollten nichts überstürzen. Hei, die Kisten laufen uns nicht weg, du wirst sie dir noch in Ruhe ansehen können, heute, oder morgen, egal, du hast die Herrin Loriann doch gehört, der Trupp kommt erst in ein paar Tagen. Bis dahin werden wir eine Lösung finden!… aber du solltest dich jetzt nicht aufregen...“ Und unbeeindruckt davon, dass er ihr gleich über den Mund fahren würde ob ihrer liebgemeinten Bevormundung: „Das ist nicht gut in deinem …Zustand.“ Ihre Hand griff nach seiner. „Komm, bitte setz dich wieder. Wir besprechen alles in Ruhe. Vielleicht kannst du dich auch irgendwo lang machen, mal ein paar Augenblicke durchatmen.“

Während sie sprach war der besorgte Ausdruck in ihrem Gesicht nicht gewichen. Seit Mendena lag auch immer noch etwas anderes in ihrem Blick, wenn Ira ihn ansah. Etwas, was über bloße Verehrung hinausging. Auch in diesem Moment konnte die Sorge jenen Ausdruck nicht verdrängen, im Gegenteil, er schien durch die Sorge, die sie ihm gegenüber empfand, sogar noch stärker. Oder umgekehrt. [Ira/Tanja 8.9.]

Er blickte in Iras Augen und ihre Nähe schien ihn etwas zu beruhigen. Sein Blick schweifte in die Runde und verharrte kurz beim stillen Rabensteiner, der ihm bereits auf der Reise das Vieraugengespräch angeboten hatte. Er seufzte. Es gab hier keine richtige Entscheidung, jede Entscheidung, die sie treffen konnten, fühlte sich falsch an. Zugegebener Weise gab es durchaus Entscheidungen, die falscher waren als andere.

Gräulich schimmerten seine blassen Wangen als er die Arme vor der Brust verschränkte: „Gut. Hören wir uns zunächst alles an. So sprecht.“ Fast trotzig reckte er das Kinn. In den letzten Wochen hatte er so oft Entscheidungen treffen müssen, die ihn fast körperlich zersetzt hatten. All seine Kapazitäten – körperlich, geistig, seelisch – waren bis an die Grenzen ausgereizt. (Hagrian (Catrin) 11.09)

Er entriss sich zwar ihrem Griff, Ira nahm es Hagrian jedoch nicht übel. Da sie aber das Gefühl hatte, dass er ihre Berührung brauchte – auch wenn er vielleicht im Moment selbst anderer Meinung war – legte sie die Handfläche erneut auf seinen verschränkten Arm.

Schwerfällig hob Loriann den Kopf, denn der Geweihte hatte sie angesprochen. „Es sind irgendwelche magischen Artefakte. Mehr weiß ich nicht.“ [Loriann/Tanja]

Die eingetretene Wendung befand die Magierin für höchst interessant. Da hatte sie sich doch tatsächlich zwischen Kisten voll mit Artefakten frisch gemacht, ohne zu ahnen, was sie umgab. Zugleich überlegte sie aber auch, was für eine Abmachung wohl hinter diesem Handel steckte. Erkaufte sich Arngrimm auf diese Weise Sicherheit vor den dämonischen Auswüchsen des verseuchten Yol-Ghurmak, während er zugleich die möglichen Gefahren die die Artefakte darstellten als Zahlungsmittel einsetzte? An sich ein geschickter Plan, der Balphemor auf Dauer jedoch nur noch gefährlicher werden ließ.

Als sie sich dazu äußerte, blickte sie besonders den Geweihten Hagrian eindringlich an. „Dann sollte ich mir das einmal genauer angucken. Wer möchte mag mich begleiten, doch bitte ich um Ruhe und Zeit, um meine Arbeit sorgfältig erledigen zu können. Und Euer Ehrwürden, da ich davon ausgehe, dass Ihr Euch dies nicht nehmen lasst, sucht Euch bitte einen Sitzplatz und gönnt Eurem Körper die Ruhe, die er sehr dringend benötigt.“

„Die Magistra hat recht. Bitte, Hagrian, setzen wir uns wieder. Und lass uns abwarten, was die Magistra rausfindet.“ drang Iras Stimme an das Ohr des Geweihten, der wie ein drohender Riese nahe dem Platz stand, auf dem die Baronin in ihrer offenkundigen Hilflosigkeit saß. Dabei kam die zur Schau gestellte Stärke eher von Hagrians Starrsinn und dem Frust, den er nur schwer ertrug. Ira spürte die Anspannung, unter der er stand, und selbige erhöhte ihre eigene. Denn sie wusste, dass ein kleiner Funke Feuer genügte, um dieses Fass Hylaier Feuer zu entzünden. Und sie wusste ebenfalls, dass es ihr wohl kein zweites Mal gelingen würde, ihren Einfluss auf den Mann in der Geweihtenrüstung auszuspielen – so gern sie sich beide hatten. Daher selbst in einer anderen Art von Hilflosigkeit gefangen, tauschte die junge Plötzbogen einen Blick mit ihrem Schwertvater. Vielleicht hörte Hagrian ja auf einen anderen Ritter, wenn er es nicht bei ihr tat. Oder Jost hatte eine seiner gefürchteten Ideen… [Ira (Tanja) 1.11.]

Bevor der Baron von Hlutharswacht allerdings reagieren konnte, war es die Herrin Loriann, die Ira unerwartet Schützenhilfe bot. Sie rührte der ohnmächtige Ausdruck im Gesicht der jungen Ritterin und deren zärtlichen Bemühungen an. Sie war außerdem Frau genug, um zu sehen, dass die blutjunge Adlige versuchte, den Geweihten vor sich selbst zu schützen, weil zwischen beiden Gefühle im Spiel waren. Loriann bewunderte den Mut dieses Mädchens. Und bedauerte die Situation, in die sie die beiden Liebenden gebracht hatte. Hätte sie nur gewusst, dass… dann… – Nein, dies war ein völlig falscher Ansatz, denn die Antwort lautete in jedem Falle: Es ist wie es ist und nicht mehr zu ändern. Loriann konnte nur dafür sorgen, dass sie denen, die für sie kämpften, auch ein stückweit entgegenkam.

„Ehrwürden,“ sprach sie den Geweihten daher an und erhob sich dabei. „die Magistra braucht sicher einige Zeit für ihre Analyse … Dürfte ich euch in der Zwischenzeit um einen weiteren Gefallen bitten?“ Sie sah gequält drein. „Ich weiß, ich verlange schon so viel von euch, Euer Ehrwürden, mehr als es jemandem wie mir zusteht, das ist mir bewusst. Doch gewährt mir eine letzte Bitte: Könnt ihr die himmlische Leuin anrufen, sodass sie mein Schwert segnet? Es wird mir als einziges bleiben, wenn ihr alle von hier fortgeht. Nun, vielleicht kann es helfen, dass ich die Zwölfe nicht ganz vergesse.“ Ein hoffnungsvolles, fast schon ermunterndes Lächeln schob sich in Lorianns bleiches Gesicht, was sie mehr zu einem hübscheren Tauschobjekt machte, als der triste Trauerflor aus Resignation und Selbstmitleid, hinter dem sie sich versteckte. [Loriann]

Der Priester nickte. Endlich eine nützliche Aufgabe. Eine Aufgabe, bei der sich seine Eingeweide nicht schmerzlich verzogen. Er würde ihr Beistand leisten und - in irgendeiner Form - das Rüstzeug mitgeben, das sie brauchte, um den Zwölfgöttern an diesem Ort den Raum zu geben in den Herzen und Seelen der Menschen Platz zu finden. Er straffte sich und mit geradem Rücken folgte er der Hausherrin in ihr Schlafgemach. [Hagrian]

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Ira blickte den beiden erleichtert nach.

Auch Jost atmete laut hörbar aus, als die Baronin mit dem Geweihten verschwunden war und weiter oben im Turm eine Tür ins Schloss fiel, hinter der die beiden wohl erst einmal eine Zeitlang beschäftigt sein würden. Zumindest hoffte er das. Er nickte Ira lobend zu und steckte die Waffe, die er heimlich schon ein paar Fingerbreit aus der Scheide gezogen hatte, zurück in selbige.

Den Weg in den Keller kannte Caya bereits, so musste sie nicht erst fragen, wo es entlang ging. Zielsicher tat sie einen der Wandteppiche zur Seite und glitt die Treppe hinab, die von dort abwärtsführte in das Gewölbe unterhalb der Halle. Kaum angekommen machte sie sich auch sogleich daran, die nötigen Vorbereitungen zu treffen, um eine effiziente und dennoch aussagekräftige Analyse der gelagerten Artefakte vornehmen zu können. Zudem legte sie sich Notizbuch und Schreibutensil parat, um ihre Erkenntnisse und Entdeckungen für weitere Überlegungen vermerkt zu haben. [Arvid (Caya) 19.09.16]

Lucrann hatte schweigend das Schauspiel betrachtet. Ungleich interessanter noch als die Bitte der Junkerin waren die Reaktionen ihrer Gäste auf selbige. Wie bereitwillig der Hlûtharswachter dem Priester an die Gurgel gegangen wäre, als er diesen nur ansatzweise als Sicherheitsrisiko einschätzte. Der alte Baron seufzte innerlich. Würde er angesichts dieser Prämisse seine Begleiter auswählen, dann würde er vermutlich nur noch mit Otgar zurückkehren – eventuell noch mit der Magierin.

Immerhin schien die Reussensteinerin nun endlich ansatzweise zu begreifen, welche Rolle ihr in diesem Spiel zugedacht war. Und welche Verantwortung sie tragen musste.

Insgesamt aber besaß die Zusammensetzung dieses bunten Haufens erschreckende Ähnlichkeit mit einem Selbstmordkommando. Er würde gut daran tun, seine Armbrust gespannt und einen Bolzen griffbereit zu lassen.

Jetzt, da der Geweihte dank der Hilfe Lorianns endlich eine Beschäftigung erhalten hatte, mit der er etwas anfangen konnte, so dass sie sich erst einmal nicht mehr um seinen Fanatismus kümmern mussten, betrachtete Lucrann die anderen. „Es ist in Euer aller Interesse, keine Aufmerksamkeit von wem auch immer auf diese Kisten zu ziehen. Den Preis jeglicher Unvorsichtigkeit werdet ihr mit Eurem Leben bezahlen.“

Warum mit dieser Truppe? Jung, unausgebildet und starrsinnig. Nun, jene, die zurückkehren würden, wären um einige Lehren reicher.

Interessiert, was es mit den Kisten auf sich hatte, nahm er sich vor, der Magierin bei ihren Analysen Gesellschaft zu leisten.

Auch Tar'anam war schon auf dem Weg, der Magierin zu folgen. Beiläufig bemerkte er, wie der einäugige Blick des alten Barons von Rabenstein über ihre Begleiter strich – nicht sehr gnädig, wollte ihm scheinen. Doch ihn selbst sparte die Aufmerksamkeit des Rabensteiners aus. War das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen? [Jürgen (Tar'anam) 22.09.2016]

Jost trank noch gemütlich seinen Kelch aus, ehe er sich die Reste des Gebräus vom Kinn wischte und aufstand. Es interessierte ihn nicht wirklich, was er da zu sich nahm. Darüber wollte er sich keine Gedanken machen, denn es gab vieles, was wichtiger war. Er drückte Ira beim Vorbeigehen die Schulter – ‚Gut gemacht‘, sollte das heißen. Der Rabensteiner und Tar’anam waren der Magistra bereits nachgegangen. Auch der Hlutharswachter Baron würde mal einen Blick in den Keller werfen. Das konnte ja nicht schaden. „Kommst du mit?“ wollte er von Ira wissen, die sich müde auf einem der Stühle niedergelassen und die Füße weit von sich gestreckt hatte. [Jost]

Doch die junge Ritterin schüttelte den Kopf und wandte selbigen der Treppe zu. „Ist besser, wenn jemand hier oben bleibt. Falls jemand zurückkommt, meine ich.“ Es war klar, wen sie meinte. Sie beugte sich vor und zog sich ihr Trinkgefäß über den Tisch, um es aufzufüllen und setzte sich dann so, dass sie die Treppe bequem im Blick behalten konnte.

Ihr Pflichtbewusstsein ließ Jost angestrengt schmunzeln. Er wusste ja, dass es nicht nur die Pflicht war, die Ira hier verharren ließ. Etwas missmutig machte er sich auf, die anderen im Keller zu besuchen.

Im Keller

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Im Keller angekommen fiel der Blick des Rabensteiner Barons äußerst missbilligend auf einige dort lagernden Holzkisten. „Magistra, könnt Ihr die Artefakte auf magischem Wege in Augenschein nehmen? Und verfügt Ihr über die Möglichkeit, ihre Aura auf anderen Laststücken zu imitieren?“ Darüber hinaus verblieb lediglich die Frage, wie sie sich transportieren ließen, optimaler Weise so, dass der Tausch erst später bemerkt würde. Viel später. [Tina (Lucrann) 21.9.16)

Die Magierin hatte die sechs Kisten mit ihrem halben Schritt Kantenlänge separiert aufgestellt. Während dieser Arbeit hatte sie die angebrachte Verschnürung, kompliziert verknotet und oben drein noch mit Siegelwachs und Siegel versehen, in Augenschein nehmen können. Dass der Rabensteiner, ein Mann, der die borongefällige Ruhe stets rühmte, sie in diesem Moment unterbrach, befand sie als sowohl positiv als auch negativ. Immerhin zögerte er so ihre Arbeit unnötig heraus, zu Gute halten konnte man ihn jedoch das er dies tat bevor sie sich auf ihre Arbeit konzentriert hatte. „Nun Hochgeboren…“ Eröffnete sie ihre Antwort. „… wenn Ihr plant den Inhalt vorab auszutauschen stehen wir vor mehreren Problemen.“ Wie schon zuvor fing sie erneut an, beim Aufzählen ihrer Argumente mit den Fingern mitzuzählen. „1. Angesicht der Art und Weise wie diese Kisten verpackt wurden, stehe ich dem Listenreichen nicht nahe genug um ein derartiges Wunder zu vollbringen. 2. Da ich deshalb keine haptische und visuelle Prüfung der Objekte vornehmen kann – habe ich die Kisten wie zu sehen aufgestellt – in der Absicht eine magische Betrachtung vorzunehmen. So wäre mir zumindest eine erste Einschätzung möglich. 3. Nein, ich beherrsche keine Technik mit der ich die Aura im Kisteninneren imitieren könnte, genauso wenig ist mir eine solche bekannt. Die Aura, sofern sie von den Abholenden überprüft würde, könnte nur durch andere magische Artefakte erzielt werden. Dafür könnte ich natürlich einen Zauber applizieren, allerdings handelt es sich dabei einen ungemein schwachen Täuschungsversuch und würde mich zugleich viel Kraft kosten.“ Einen Moment zögerte sie ob ihr noch weitere Punkte einfielen.

Da meldete sich Otgar zu Wort. Der wenn auch mit Widerwillen ebenfalls in den Keller hinabgestiegen war. Immerhin stand zu befürchten, dass er diese Suppe, so oder so auslöffeln musste. „4. Yol-Ghurmak ist zu nahe. Ich würde vermuten, dass die Kisten direkt nach ihrer Ankunft ausgepackt und der Inhalt begutachtet wird. Wie lang der Transport tatsächlich dauern wird kann ich nicht sagen, aber mehr als zwei Praiosläufe wird es nicht dauern. Wir hätten also schnell nicht nur die niederhöllischen Kreaturen Yol-Ghurmaks auf dem Hals, sondern auch die Werwölfe des geprellten dunklen Herzogs. Außerdem würde schnell klar, dass der Austausch hier stattgefunden haben müsste.“ Während dessen besah er sich erstmals die Knoten genauer und befand, dass auch wenn er sich durchaus damit auskannte, er diese Knoten nur mit etwas Üben ansatzweise erneuern könnte. [Otgar]

Caya hatte entsprechend den vierten Finger gehoben. „Wie wir sehen und auch schon wussten, stehen wir vor gleich mehreren Problemen und zugleich verrinnt die uns gegebene Zeit!“ [Caya]

Der – nun ehemalige – Leibwächter der Baronin von Rickenhausen war Caya ebenfalls in den Keller gefolgt. Ein wenig wehmütig wünschte er sich nun den scharfen Verstand seiner Herrin und Freundin herbei, doch schnell verdrängte er diese Gefühlsaufwallung wieder, denn sie führte zu nichts. „Magistra, wir könnten vielleicht einfach ein Loch in den Boden der Kisten brechen. Wenn es nicht zu groß ist, fällt nichts heraus, zumal wenn man es anschließend mit einem Tuch abdichtet, und den Boden der Kisten werden die Boten doch kaum überprüfen, wenn sie keinen Anlass dazu haben? Ansonsten – wer hat denn diese Knoten angebracht? Vielleicht jemand von hier, der es wieder tun könnte?“ [Jürgen (Tar'anam) 22.09.2016]

„Was schlagt Ihr denn vor, Magistra?“ Der Rabensteiner hatte sich an die Wand gelehnt und kreuzte die Arme, während er die Magerin betrachtete. „Es wird immer entweder auf einen Tausch hier oder einen Überfall oder eine Täuschung der Transporteure hinauslaufen. Knoten hin oder her. Und um eine Täuschung überzeugend zu inszenieren, bezweifele ich unsere Pläne und ... Mittel. Bei einem Tausch hier und einem schnellen Aufbruch haben wir einige Tage Vorsprung – die uns vielleicht an den Rand des Gebietes des Ehrensteiners bringen können. Bei einem Überfall der Transportgruppe stehen uns, wie von Euch richtig angemerkt, die Wächter entgegen.“ [Tina (Lucrann) 7.10.16]

„Was ich vorschlage wollt Ihr wissen?“ Nahm Caya die Frage des Rabensteiners auf. Dabei musste sie zugeben das Tar’anams Idee mit den Löschern in den Kistenböden nicht schlecht war und auch, dass ein gehöriger Vorsprung ihnen gut zu Gesicht stände, beides lieferte jedoch nicht die notwendigen Resultate. „Ich befürchte, dass die Herren noch nicht den eigentlichen Kernpunkt erkannt haben. Selbstverständlich wäre auch mir ein großzügiger Vorsprung sehr willkommen, doch was ist wichtiger? Schlagen wir die Kistenböden ein und sehen zu, dass wir mit deren Inhalt schnellst möglich nach Mendena gelangen, mögen die Artefakten gesichert sein – was aber wird dann aus der Dame Loriann? Sofort würde der Verdacht auf sie fallen und alle Mühen sie wohlbehalten hierher zu geleiten wären vergebens. Ja ich möchte, … will, dass diese Artefakte in die Obhut des Reiches gelangen. Jedoch wird dies meines Erachtens nach nur dann mit unserer aktuellen Aufgabe harmonieren, wenn Viereichen ganz klar nicht beteiligt gewesen sein kann und sogar bei der Suche nach den Tätern Hilfe leistet!“ Forsch schaute sie dabei Lucrann von Rabenstein an, seiner Herausforderung standhaltend. „Mit etwas Ruhe könnte ich endlich die Analyse vornehmen und Ihr hättet Gelegenheit nochmals meinen Einwand zu überdenken.“ Fügte sie abschließend an und hoffte nun endlich zur Tat schreiten zu können. [Arvid (Caya) 17.10.16]

Der alte Baron verzichtete darauf, diesen Strauß mit der Magierin auszufechten. Er zuckte die Schultern und gab ihr mit einer knappen Handbewegung an, weiterzutun in ihrer Analyse. Er hatte wahrlich genug Erfahrung mit der Lenkung zickiger Magierinnen, um zu wissen, wann ein Zank den Atem wert war – und wann nicht. [Tina (Lucrann) 27.10.16]

Tar'anam war geneigt, die Magierin erst einmal ihre Untersuchung durchführen zu lassen, sonst standen sie morgen noch ohne Ergebnis hier. Er stellte sich mit verschränkten Armen vor die Wand neben dem Eingang und blickte die steinerne Treppe hinauf. [Jürgen (Tar’anam)

Jost hatte unweit von Tar’anam auf den letzten beiden Treppenstufen Platz genommen, um aus dem Weg zu sein, und beobachtet das Vorgehen von dort still. Er wachte auch immer mit einem Ohr in den Saal. Zu seiner Zufriedenheit kamen keine Geräusche von dort, weswegen er gespannt war, was sie hier unten herausfinden würden. Den kleinen ‚Zank‘ zwischen der Magistra und dem alten Baron nahm er schmunzelnd hin. [Jost]

Da offensichtlich keine weiteren Einwände mehr erfolgten konzentrierte sich Caya endlich auf ihre Analyse. Für Außenstehende eine gefühlte Ewigkeit auf die einzelnen Kisten starrend kam die Magierin ihrer Aufgabe gewissenhaft nach und schrieb ihre Erkenntnisse ebenso sorgfältig nieder. In kleinem, fein säuberlich geschriebenem und stark abgekürzten Bosparano bannte sie ihre Erkenntnisse auf die Seiten ihres Notizbuches.

Mit der Analyse fertig lehnte sie sich gegen eine der Kisten und überflog nochmals kurz ihre Resultate, bevor sie dann zum Treppenabgang spurtete, um von dort in den Saal zu rufen, dass sie ihre Ergebnisse nun zusammenfassend verkünden wolle...

Für den großen und kräftigen Otgar waren die Kellerräume auf Dauer nichts. Sie mochten selbst im Sommer eine angenehme Kühle haben, ließen ihm jedoch meist wenig Raum um sich normal zu bewegen. So hatte er sich, auch um der Magierin die nötige Ruhe zuzugestehen, wieder in den Saal begeben und genüsslich etwas getrunken.

Zur Verkündung der Ergebnisse und zur weiteren Planung war er allerdings wieder im Keller anzutreffen. [Arvid (Otgar) 27.10.16]

In der Hoffnung, die Baronin und Hagrian würden nicht gerade in dem Moment wiederkehren, in dem keiner die Treppe ‚bewachte‘, schloss die Plötzbogenerin sich letztlich Otgar doch an und fand ebenfalls den Weg in das kühle dunkle Gewölben hinab.

Caya wartete, bis sich alle in dem dunklen Kellergewölbe eingefunden hatten und verkündete dann ihre Erkenntnisse: „Wir haben hier eine interessante Mischung, die der Ehrensteiner zusammengetragen hat. Geschätzt die Hälfte der Stücke weist Spuren von daimonider Machart auf, ebenfalls finden sich Artefakte, die der am Hügelgrab gewirkten Magie stark ähneln. Mit besonders viel Bedacht und vorrangig sollten wir folgende Stücke künftig schützen.“ Dabei schritt sie an den Kisten entlang und tippte auf die jeweiligen Deckel. „In ihnen befinden sich Artefakte von besonders großer Machtfülle, Artefakte die unter keinen Umständen in die Hände des Feindes gehören!“ [Arvid (Caya) 26.10.16]

„Tja, dann bleibt die Frage: wie schaffen wir es, unauffällig die Ladung zu übernehmen? Da ihr sie nicht, was die sich anbietende Variante wäre, bereits hier austauschen mögt, habt Ihr sicher einen guten Vorschlag.“ [Tina (Lucrann) 27.10.16]

Ein wenig ärgerte sich Caya über die Frage des Rabensteiners. In diesem Keller fanden sich nordmärker Edelleute, Männer mit mehr Götterläufen Kampf- und Schlachten-Erfahrung als sie Lenze zählte und auch sonst ausgebildete und erprobte Kämpfer, wer aber sollte den Schlachtplan liefern? Sie! Besser wäre nur, wenn sie die frisch geschlagene Ritterin, die dauernd, im Glauben keiner sehe es, den Geweihten der Rondra anschmachtete, nach einem Plan fragten. Allerdings hatte auch Caya Kampferfahrung und eher würden die Niederhöllen zufrieren, als dass sie dem sich windenden, hasenfüßigen Baron mit seinem elenden Hang zum Tragen von Schwarz nach dem Mund redete. Etwas schnippisch und mit leicht gehobenen Kinn gab sie ihre Vorschläge zum Besten: „So wie ich das sehe, haben wir zwei Möglichkeiten, beide mit Vor- und Nachteilen. Möglichkeit Eins: Wir leeren die Kisten und gucken, dass wir möglichst viel Strecke machen, bevor der Abholtrupp hier ankommt. Vorteil, wir haben einen Vorsprung, der es uns wahrscheinlich erlaubt, unbeschadet in Mendena anzukommen. Nachteil, die Junkerin von Reussenstein würde sofort verdächtigt und vermutlich nicht mehr lang am Leben sein. Möglichkeit Zwei: Wir schlagen während des Transportes zu. Vorteil, die Junkerin, ich meine, Baronin!, wäre nicht verdächtig und könnte die ihr zugedachte Rolle erfüllen. Nachteile, wir haben die direkte Konfrontation und die Verfolger wären uns sehr dicht auf den Fersen. Für den Zugriff könnten wir die erbeuteten Wappenröcke einsetzten und, sofern verfügbar, den Begleitschutz durch Kräuter oder andere Substanzen empfindlich schwächen. Allerdings müssten wir dafür mehr über das Prozedere erfahren: Werden sie hier versorgt? Rasten sie unterwegs? Sicherlich könnt Ihr aus Euren Dekaden zurückreichenden Erfahrungsschatz Vorschläge beisteuern.“ [Arvid (Caya) 27.10.16]

Der alte Baron betrachtete die aufgeplusterte junge Magierin, ehe er schließlich mit unbewegter Miene antwortete. "Möglichkeit eins hattet Ihr bereits verworfen, um ihre Wohlgeboren zu schonen, Magistra." Er schwieg einen Atemzug lang. "Doch bedenkt, alles hat seinen Preis."

Er verschränkte gelassen die Arme, noch immer entspannt an die Wand gelehnt.

"Es sollte zu schaffen sein, den Transport zu überfallen und die Ladung zu übernehmen; vorausgesetzt, seine Gnaden läßt sich dazu herab, und es gibt keine zu massive siebtsphärische Sicherung. Vorhanden ist diese gewiss."

Lucrann wandte sich der Zauberin zu. "Damit beginnen die Schwierigkeiten.

Dass Ihr alleine es schafft, Euch weitgehend unbemerkt durch das Feindesgebiet bis zur Kaiserin durchzuschlagen, Magistra, bezweifele ich nicht." Der alte Baron ließ sich einen Augenblick Zeit, ehe er fortfuhr.

"Doch nun habt ihr eine Begleitung von einem halben Dutzend Leute, dazu noch mindestens ebenso viele Packpferde. Wenn Balphemor von Punin auch nur einen Skrupel Verstand hat - und über diesen verfügt er, sonst säße er nicht mehr auf seinem Posten - wird er den Transport seiner Artefakte von Anfang an magisch überwachen lassen. Somit weiß der Feind, wo ihr seid, wer ihr seid und wo und wie schnell ihr euch bewegt. Geht davon aus, dass er uns ein paar Tage verfolgt, nachts kleine Angriffe startet, und uns dann nach ein paar Tagen einen Hinterhalt legt. Seine Leute kennen das Gelände, im Gegensatz zu uns - und der eine oder andere Augendämon wird dafür sorgen, dass wir unseren Verfolgern so leicht nicht auflauern. Und im Gegensatz zu ein paar Dämonen oder einer Horde Kalter Alriks müssen unsere Pferde und wir schlafen - sonst ist nach spätestens fünf Tagen ihr Weg zuende."

Er blickte ruhig in die Runde. "Unsere Möglichkeiten sind Unauffälligkeit und Geschwindigkeit. Sobald wir die Aufmerksamkeit eines der Heptarchen auf uns haben, kommen wir als Gruppe nicht mehr weiter." [Tina (Lucrann) 12.11.16]

Jost, der bisher unbeteiligt dem Gespräch folgte, stand von der Treppe auf, auf der er bisher eher lässig abgewartet hatte. Doch der Gedanke, den der Rabensteiner da aufwarf, sorgte für ein gehöriges Maß an Unfrieden in ihm, so dass er etwas sagen musste. Auch war ein Plan in ihm gereift, den er seinen Begleitern einmal zuwerfen wollte:

„Lucrann, alleine geht ein jeder für sich eher zu Grunde als in der Gruppe. Wer wacht nachts über Euren Schlaf, wer deckt Euren Rücken und achtet auf Eure linke Seite, wo Ihr nichts seht, wenn Ihr alleine seid?“ Er lief auf und ab, umrundete die sechs Kisten, die es zu sichern galt. „Wenn wir uns aufteilen, wer transportiert die Kisten? Nein, wir müssen uns einen Weg überlegen, wie wir unseren Vorsprung maximieren können um sicher in Mendena anzukommen. Was haltet ihr davon, die Gruppe Balphemors abzufangen und gegen uns auszutauschen, bevor sie hier ankommen? Wir schauen nach einer Wegherberge und greifen sie uns dort, schlüpfen in ihre Kleider und kommen hier her, um die Kisten, hochoffiziell natürlich, abzuholen. Und außerhalb der Sichtweite Viereichens Mauern biegen wir ab. So schöpft hier niemand Verdacht und das Fehlen der Kisten fällt erst in einigen Tagen auf, wenn diese in Ysilia ankommen sollten. Und gegen magische Überwachung könnten wir ja unsere Magistra einsetzen, oder? Was meint ihr?“ [Chris(Jost)12.11.2016]

Er hielt dergleichen nicht aus, er war von endlosen Diskussionen entnervt. Ewig redeten sie. Ich will das! Aber ich will das und deshalb ist mir der Rest egal. … Es nimmt einfach nie ein Ende, erst wenn die Zeit abgelaufen war folgten gelegentlich Taten. Jost hatte durchaus recht, hier draußen waren sie allein NICHTS. Sein Plan hatte jedoch einen eklatanten Haken. Doch bevor Caya ihrer Frustration über den Rabensteiner Ausdruck verleihen konnte, legte er ihr die große Hand auf die Schulter und verschaffte sich zumindest bei ihr Zeit zum Reden.

„All DAS führt zu nichts! Seine Hochgeboren hat Recht, allein sind wir hier draußen verloren. Da man uns bei Einritt Bewohner und Wachen mehr als deutlich gesehen haben, wird es jedoch auch schwer werden uns als Abholmannschaft auszugeben.“ Sich streckend richtige er nun seine Aufmerksamkeit auf den Rabensteiner. „Hochgeboren von Rabenstein, ich kann Eure Zweifel nur zu gut verstehen. Ich kenne die Gefahren eines Überfalls, an ruhigen Praiosläufen in den Nordmarken ist das Stellen von Räubern mein täglich Brot.“ ‚Bei den Göttern was tue ich hier? Ich bin das kleinste Licht in dieser Runde und selbst die kleine Plötzbognerin steht noch über mir.‘ Ging es ihm durch den Kopf bevor er sich ein Herz fasste. „Nehmen wir die Kisten oder nur ihren Inhalt und suchen das Weite war alles vergebens. Wir hätten uns die Mühe nicht machen müssen und die Reussensteinerin her zu bringen, denn ihre Tarnung wäre dahin. Erinnert Ihr euch an den Vorfall in Boronwein? An die Toten? An die Menschen die dort hätten nicht sterben müssen und vermutlich in den Fluten dieses verseuchten Flusses geendet sind! Zählen ihre Leben nichts? Wir haben vier Praiosläufe Zeit bis der Zug hier ankommt. Hatte der Druide nicht etwas davon gesagt dass es hier ein weiteres ihrer Heiligtümer gäbe? Könnten wird dort womöglich Hilfe suchen? Und könntet Ihr nicht eine magische Unterstützung erkennen oder stören?“ [Arvid (Otgar13.11.2016]

Etwas überrumpelt unvermittelt angesprochen zu werden, gab sie dennoch eine Antwort: „Der Handel zwischen den Verrätern besteht schon länger und verläuft über gesicherten Grund. Sollte also eine Sicherung bestehen, dann vermutlich durch Dämonen und denen kann ich beikommen!“ [Arvid (Caya) 13.11.2016]

„Wir nehmen uns die Artefakte gleich heute Nacht,“ erhob nun Tar'anam die Stimme, der dem Streitgespräch bisher ohne sichtbare Regung gefolgt war. „Wir lassen es so aussehen, als hätte die Dame von Reussenstein unsere nächtliche 'Geheimaktion' bemerkt und sich uns mit ein oder zwei ihrer Wachen in den Weg gestellt und wir hätten uns den Weg freigekämpft. Da es echt aussehen muss, sind Verletzungen oder Schlimmeres der Wachen in Kauf zu nehmen, auch die Baronin sollte nicht ungeschoren davonkommen.“ Der Krieger hielt inne und sah abwartend in die Runde. [Jürgen (Tar'anam) 14.11.2016]

In ihrer Ausbildung und auch in der Zeit im kaiserlichen Heer hatte Caya gelernt ihre Mimik, Gestik, ja ihre gesamte Körpersprache zu beherrschen. Der Vorschlag Tar’anams forderte dennoch fast ihr gesamtes Geschick um nicht aus der Haut zu fahren. [Caya]

Dem hünenhaften Krieger hingegen, gelang dies nicht. Mehrfach öffnete und schloss er den Mund bevor er seine Gedanken in Worte fassen konnte. „Seit ihr Euch da sicher Wohlgeboren? Wenn wir aus Viereichen ausbrechen und fliehen wird es mit ein zwei Wachen nicht erledigt sein. Man ist uns nicht wohlgesonnen! Wir müssten sowohl aus dem Verteidigungsring des Turms, als auch des Ortes ausbrechen. Beides nicht kampflos. Selbst wenn wir die Kämpfe gewinnen sollen, würden die Probleme erst anfangen. Die neue Baronin hätte ihre Leute nicht einmal vor ihren eigenen Begleitern beschützen können, ganz zu schweigen von dem Fakt, dass wir vom ersten Moment an Verfolger an den Fersen hätten. Verfolger, die die Umgebung besser kennen und womöglich nicht einmal mehr Mensch sind.“ Auch trotz deutlich anzusehendem Unbehagen, ließ er den zu erwartenden Fluchtverlauf folgen. „Seine Gnaden ist noch immer geschwächt, weiteres Blut wird vergossen werden und auch wenn wir alle gesehen haben, dass Ihr das Kämpfen beherrscht sind auch Eure Kräfte begrenzt. Unsere Fährte wird vor Blut und Schweiß nur so triefen, während wir von ausgeruhten Werwölfen verfolgt ins Dunkel fliehen. Sie werden unsere Pferde und uns, einen nach dem anderen Reißen noch bevor wir die Grenzen der Baronie hinter uns gelassen haben!“ [Arvid (Otgar 22.11.2016]

Jost dachte lange nach, wog die unterschiedlichen Vorschläge ab, und setzte, nach dem er sich selbst durch ein Kopfnicken in seinen Gedanken bestätigte, zu sprechen an: „Wenn wir herausbekommen können, ob die Wachen, die üblicherweise die Kisten abholen, Helme tragen, können wir uns wunderbar maskieren. Dann kann die Magistra hier die eventuell vorhandenen dämonischen Wachen ausschalten, wir überwältigen Balphemors Leute und holen einfach die Kisten aus der Burg. Wenn aber der Trupp ohne Helme zu reisen pflegt, sodass wir uns nicht maskieren können, müssen wir die brachiale Methode wählen und türmen mit den Artefakten direkt aus der Burg.

Egal wie, wir brauchen weitere Informationen eines Ortskundigen. Sei es jemand Vertrauenswürdiges, oder jemand, der erst überzeugt werden muss, mit uns zu kooperieren. Wobei ich die zweite Option nur ungern wählen würde. Soll ich die Haushofmeisterin Efferdane danach fragen? [Chris(Jost)14.12.2016]

„Ihr habt Recht Hochgeboren, bevor wir – in welcher Richtung auch immer – weiterplanen, sollten wir alle verfügbaren Informationen einholen.“ Stimmte Otgar nur zu gern Josts Vorschlag zu. Dem Rest stand er jedoch sehr zwiegestalten gegenüber. Welche Wirkung würde ihr Handeln auf die künftige Stellung Lorianns haben? Selbst wenn sie die Begleitschützer überwältigen konnten, könnte sie ihre Rollen einnehmen? Hätten sie eine ähnliche Statur wie die Mitglieder ihrer Gemeinschaft? Wo sollten sie überhaupt mit ihnen hin? Da war ein eiliger Aufbruch mit den Artefakten im Gepäck doch noch immer die bessere Lösung. [Arvid (Otgar) 14.12.2016]

„Ich geh sie holen – Efferdane meine ich,“ meldete sich die junge Plötzbogen zu Wort, wartete noch kurz einen Einwand sowie Josts Nicken ab und verschwand nach oben. Neben diesem Dienstbotengang wollte sie natürlich sehen, wie es dem Geweihten ging.

Es dauerte eine kurze Weile, da kam sie in Begleitung der Haushofmeisterin zurück in den Keller. Von der hatte sie dann auch erfahren, dass sich Seine Ehrwürden mit der Baronin auf den Turm zurückgezogen habe. Ira wunderte sich zwar, aber angesichts der Tatsache, dass es besser war, wenn Hagrian auch weiterhin von ihren Planungsgesprächen nichts mitbekam, hoffte sie, dass er und Loriann noch ein wenig beschäftigt sein würden. Mit was auch immer.

Efferdane wirkte nicht überrascht, als sie die beinahe vollzählig versammelten Begleiter ihrer neuen Herrin um die Kisten streunen sah wie eine Horde Kater um eine rollige Kätzin.

„Helme?“ Die Tobrierin stutze nur einen kurzen Moment, bis sie begriff, auf was diese Frage zielte. „Ja, sie haben Helme. Sehen dabei aus wie Geierschädeln und man kann ihre Gesichter nicht erkennen. Ihre Rüstungen sind schwarz.“

„Könnt ihr uns sagen, wie diese Kisten hier in diesem Keller gelangt sind? Sie wurden ja sicher nicht alle einzeln durch die Halle getragen, nicht wahr?“ wollte Jost wissen, er fragte nicht ohne Hintergedanken. [Jost]

Efferdane lachte und ging zu einer Regalwand aus grob gezimmerten Brettern, in der mit Wachs verklebte bierhumpengroße Tongefäße standen. Nach einem beherzten Griff in eine dunkle Ecke war ein Klicken zu hören und das gesamte Regal drückte sich dort, wo Efferdane stand, von der Wand ab. Mit der Hand schob sie es weiter zur Seite und dahinter kam ein dunkles Loch zum Vorschein. „Der Tunnel wurde angelegt, um die Herrschaft in größter Not zu retten. Er führt außerhalb des Ortes in einem Waldstück wieder an die Oberfläche. Nur wenige wissen das.“ Erklärte Efferdane und sah in ein paar lächelnde Gesichter. Sie schmunzelte selbst auch.

Jost stand sofort bereit, um den Eingang – oder Ausgang, je nachdem – zu inspizieren. Ein Leichtes! Sie würden ja auch nicht die Kisten durch den Tunnel transportieren, sondern nur die vorher durch die Maga als besonders wertvoll befundenen Artefakte. „Ich nehme an, dass dieser Tunnel den Gesandten von Balphemor nicht bekannt ist?“ [Jost]

Efferdane schüttelte bestätigend den Kopf. Dass es ihr Genugtuung verschaffte, dass diese Kerle sich die Kisten mühsam aus dem Keller und aus der Burg schleppen mussten, während die Männer und Frauen des Herzogs sie einfach durch den Fluchttunnel deponierten, erzählte sie nicht. Aber man konnte ihr ansehen, dass sie diese Tatsache nicht im Geringsten störte.

Lucrann zuckte die Schultern und ließ den Jungspund reden. Der Fluchttunnel überraschte ihn wenig – nahezu jede Burg verfügte über einen solchen. Dafür ahnte er durchaus, welches Waldstück es war, auf das Efferdane anspielte. Auch wenn die Zeit für eine unbeschwerte Jagd in einem leidlich befriedeten Tobrien lange schon vorbei war.

Der junge Hlûtharswachter leistete sich gerade noch einen gravierenden Denkfehler – wollte das Fell, aber gleichzeitig den Bären behalten. Nun – vor der guten Efferdane war es nicht der Ort, dies zu besprechen. Sie wäre eine der ersten, die nach dem Verschwinden der Güter von dem falschen Herzog und vermutlich auch von den Gesandten des Ysiliers eingehendst befragt werden würden – je weniger sie involviert war, umso besser.

Er betrachtet seine unfreiwilligen Begleiter. „Habt ihr noch Fragen? Ansonsten danke ich Dir für die Auskünfte, Efferdane.“

Tatsächlich hatte Caya noch eine Frage an die Hofmeisterin. „Wie groß ist die Gruppe die die Kisten abholt?“ Für sie eine genauso offensichtliche, wie relevante Frage. Denn egal für welchen Weg sie sich auch entscheiden mochten, mussten sie den Begleitschutz überwältigen oder würden ihn womöglich als spätere Verfolger auf den Fersen haben. [Arvid (Caya) 16.12.2016]

Efferdane nickte. "Nun... Bislang waren es immer Patrouillen von normaler Stärke, die kamen. Das sind dann so zwischen 4 und 6 Köpfe, je nachdem, wo sie noch hinwollen und was sie sonst noch so vorhaben. – Einen fast unmenschlichen Appetit bringen sie in jedem Falle immer mit." Bei letzten Worten hörte man ihren Unmut heraus, ständig für die Verpflegung fremder Herren sorgen zu müssen. Sie stöhnte. "Wenn wir Pech haben, und das haben wir meistens, bleibt die Bande einen ganzen Tag, bevor sie weiterzieht. Mit einigen unserer Vorräte versteht sich." Ihr kam da ein dringender Gedanke und sie murmelte mehr zu sich: "Oh, das muss ich der Herrin ja noch sagen..."

„Gehe ich recht in der Annahme das die Herrn sich nach dem Beladen und vor dem Aufbruch nochmals stärken?“ Die Magierin hatte bereits eine Idee wie sie verfahren könnten. Wenn ihre Annahme zutraf könnte man die Leute mit dem oder während des Essens außer Gefecht setzten und ihre Rollen übernehmen. Zuvor müssten sie jedoch offiziell abreisen, um durch den Tunnel zurückzukehren. Die toten Wachen und die zerstörte Kutsche wären dann auch leicht zu beseitigen. Es würde ihnen Zeit verschaffen, würden einen offenen Kampf vermeiden und am besten daran gefiel ihr der Umstand das sie von Loriann ablenken würden. [Arvid (Caya) 16.12.2016]

"Magistra, wenn ihr mit 'stärken' meint, dass sie sich die Bäuche vollstopfen, dann ja. Für gewöhnlich tun sie das oben in der Halle, legen die Beine auf den Tisch, spucken auf den Boden, benehmen sich wie Schweine. Ich schicke dann immer schon im Vorfeld die Mägde in den Wald zum Holzsammeln, ihr versteht."

Efferdane hoffte, dass sich das alles nun ändern würde, nachdem Viereichen eine neue Baronin besaß, die dieses Treiben sicherlich nicht tolerieren würde.

„Habt dank, genau das war es was ich wissen wollte.“ War alles was Caya vorerst wissen wollte und würde somit die Hofmeisterin nicht länger aufhalten. [Arvid (Caya) 16.12.2016]

„Du kannst Dich zurückziehen, Efferdane, Danke.“

Die Ältere senkte ehrvoll vor Lucranns das Haupt, wartete jedoch kurz höflich ab, ob jemand der anderen Herrschaften etwas dagegen hatte. Erst dann verließ sie den Keller.

Der Rabensteiner wartete, bis die Haushofmeisterin verschwunden war, und wandte sich dann wieder an seine Reisebegleitung. „Nun – die Rahmenbedingungen kennen wir nun. Welche Vorgehensweise präferiert Ihr?“

Otgar wollte nur zu gern den Plan endlich vorantreiben, wollte das sie sich für ein Vorgehen endschieden und anschließend entschlossen handelten. „Egal wie wir uns entscheiden, vor der Ankunft des Transportes sollten wir offiziell Viereichen verlassen haben! Über den Geheimgang können wir anschließend zurückkehren, die Kisten leeren und den Inhalt auf die Pferde verladen.“

Caya konnte sich nicht so schnell entscheiden. Welche ihrer Möglichkeiten versprach die höchste Wahrscheinlichkeit auf Erfolg? Dabei empfand sie den Vorschlag des Kriegers als durchaus sinnvoll, allerdings noch nicht als Ausreichend. „Ich stimme Euch zu, dennoch müssen uns auch der Wachen annehmen. Für sie sehe ich zwei Möglichkeiten. Wenn sie in Anzahl und Statur von uns ersetzt werden können, können wir sie während sie sich im Saal vollfressen und saufen überwältigen. So würden wir zumindest zum Teil den Plan seiner Hochgeboren umsetzten. Besteht diese Option nicht, lauern wir ihnen an der Stelle im Wald auf an der sie sonst die Huren erwarten. Doch egal welche Möglichkeit wir ergreifen, so oder so sollten wir einen Raubüberfall vortäuschen.“

Otgar fühlte sich offensichtlich nicht wohl bei diesem Plan. Er störte sich nicht daran diese Verräter an den Zwölfen und dem Reich in die Niederhöllen zu schicken, dorthin wo sie hingehörten. Dennoch missfiel ihm die Vorstellung sie hier zu betäuben und anschließend am Ort des vorgetäuschten Raubüberfalls zu meucheln. Vermutlich störte sich der Rabensteiner nicht daran, er jedoch schon und der Geweihte mit Sicherheit auch.

Doch auch Caya von der Aue sah überhaupt kein Problem darin diese Unbekannten für ihr Ziel einzusetzen. Es waren Verräter an der zwölfgöttlichen Ordnung, Männer und Frauen die offen den Niederhöllen huldigten und jede nur erdenkliche Strafe verdienten. Vor Ort vergiften, Meucheln, ihre Leichen verstümmeln um einen Kampf vorzutäuschen oder was auch immer nötig sein würde wäre ihr nur recht und billig.

Der Rabensteiner hatte sich den Plan der beiden schweigend angehört. Nun warf er ruhig in die Runde: „Ich stimme Euch zu – wir müssen vor dem Eintreffen der Wachen abreisen. So auffällig, dass jeder Beobachter über jeden Zweifel erhaben weiß, dass wir nicht mehr auf der Burg weilen.“ Er strich sich über den Bart und überlegte einen Augenblick. „Es ist nahezu unmöglich, sie nach ihrer Abreise ohne jedes Aufsehen zu beseitigen. Die meisten Überfälle machen Lärm, und wir sind wenige. Zudem wird der Zug gewiss auch durch nicht mundane Mittel bewacht. Am besten, wir kehren zurück und schalten sie hier aus. Wir hüllen uns in ihre Gewänder und transportieren sichtbar die Ware ab. Es verschafft uns vielleicht einen Vorsprung von ein paar Tagen, bis in Yol-Ghurmak ihr Ausbleiben auffällt. Gegenstimmen?“[Lucrann, 15.1.17]

Unschwer zu erkennen hatte Caya nichts Anderes vorgeschlagen, ganz im Gegenteil, sie hatte gleich noch die Eventualität abgedeckt, dass es sich bei dem Tross um mehr Leute handelte, als sie selbst waren. „Wenn es zu viele sind können wir uns nicht für sie ausgeben, hoffen wir also, dass ihre Zahl klein ist. Und zur Not müssen wir ihrer Stärkung etwas langsam Wirkendes beimischen um ihren Widerstand bereits vorab zu schwächen. Wobei mir die Alternative jedoch deutlich weniger Sorgen bereiten würde.“ Beendete sie das was im Großen und Ganzen ein Zustimmender Kommentar werden sollte.

In Angesicht der drohenden Verfolgungsjagd war er sehr unzufrieden mit der Aussicht einen oder gar mehrere Karren mitzuführen. „Dennoch sollten wir den Inhalt der Kisten auf die Pferde verladen. Mit ihnen sind wir schneller und unauffälliger, als wenn wir eine Wagenladung mit uns führen, ganz zu schweigen von den möglichen Routen, die uns zusätzlich zur Verfügung stünden.“ Weicher Untergrund, dichte Wälder und schlechte Wege wären ihr Verhängnis, zumal ihre Spuren noch um einiges leichter zu verfolgen sein würden. [Arvid (Otgar, Caya) 14.01.2017]

Ira sah von einem zum anderen, während sie die Vorschläge für sich selbst abwog, dabei jedoch immer nachdachte, was Hagrian dazu sagen würde. Ihn galt es am Ende zu überzeugen, egal, welchen Plan sie schmiedeten. Der Blick der Jungritterin fiel auf das angestrengte Gesicht Josts – dieser würde nicht zimperlich sein und auch vor einer Lüge oder sogar List gegenüber dem Geweihten nicht zurückschrecken, und fast war ihr, als könne sie vorausahnen, zu welchen Kosten dies gehen würde.

Sie selbst wollte keinen Vorschlag machen und die Entscheidungen über das wie, wer und wo den ‚Älteren‘ überlassen. Andere Dinge beschäftigten sie mehr. Beständig lauschte sie nach oben. (Ira/Tanja)

„Nein, nur eine Ergänzung, Lucrann. Was machen wir mit den Wachen? Betäuben oder gleich töten? Ihre Körper wären dann hier, während sie ja eigentlich längst aufgebrochen sein sollten. Das wiederum könnte zu unschönen Fragen für Loriann führen.“ Er beantwortete sich die Frage dann doch sogleich selbst. „Wir müssten die Leichen durch den Tunnel in den Wald schaffen, bevor wir, als Wachen Balphemors verkleidet, die Burg vorne raus wieder verlassen. Und zwar genau so, wie sie betreten wurde, also auch eventuell mit einem oder mehreren Wägen. Umladen können wir die Artefakte dann im Wald immer noch.“ An Caya gewandt: „Magistra, habt Ihr Betäubungsmittel oder Gifte, oder könnt Ihr solche herstellen? Diese könnten den Wachen ins Essen gemischt uns einen nicht unerheblichen Vorteil verschaffen.“ Und an Lucrann: „Lucrann, wie sieht das Waldstück aus, wo dieser Tunnel mündet, wisst Ihr das? Ihr wart doch früher schon hier, hattet Ihr erwähnt.“ [Chris(Jost)16.01.2017]

„Ich habe nichts dergleichen bei. Doch auch wenn Ich nicht unbedingt eine Meisterin der Alchemie bin, sollten meine Künste für ein einfaches Schlafgift ausreichen. Es ist weniger mein Können das mir Sorgen bereitet, vielmehr frage ich mich ob wir die notwendigen Reagenzien auf die Schnelle und unauffällig auftreiben können. Wenn der Teil des Plans jedoch gelingen sollte, sollten wir die Gefangenen erst draußen töten. …“ Die Härte in ihrer Stimme konnte einem einen kalten Schauer den Rücken herunter laufen lassen. Caya war bisher eigentlich als Mitfühlend aufgetreten, in ihrer Pflichterfüllung am Reich machte sie jedoch offensichtlich keine halben Sachen. Schon gar nicht wenn sie Dämonenanbeter zum Wohle der göttergewollten Ordnung umbringen musste. „… Auf diese Weise müssen wir keine blutigen Leichen durch den Tunnel schleppen, niemand muss hier die Sauerei bereinigen und keiner wird das Blut am Fundort vermissen. Außerdem haben wir bereits persönliche Erfahrungen mit dem äußerst feinen Geruchssinn der Werwölfe gemacht, sie könnten das hier vergossene Blut erschnuppern und Wohlgeboren von Reussenstein in arge Erklärungsnot bringen.“ [Arvid (Caya) 17.01.2017]

Der Rabensteiner zuckte die Schultern. „Ob wir schlafende oder tote Schwarztobrier durch den Tunnel schleppen, bleibt sich gleich. Wollt Ihr sie dann im Wald vergraben? Das dauert. Wenn ihr sie liegenlasst, finden Arngrimms Leute sie.“ Er betrachtete die umstehenden Leute, interessiert, wer zuerst auf die offensichtliche Lösung des Problems kommen würde.

„Das Waldstück, in dem der Tunnel vermutlich mündet, war vor zwanzig Jahren ein Laubwald mit viel Unterholz, hügelig und vereinzelten Findlingen und Steinformationen gewesen. Wir sollten den Tunnel abgehen und es uns ansehen.“ [Tina (Lucrann) 17.1.17]

Jost musste finster grinsen. „Nicht, wenn wir sie im Tunnel liegen lassen.“ Er wendete sich dem Eingang des Tunnels zu. „Magistra, könnt ihr für Licht sorgen? Und, was mir noch gerade einfällt, wo verstecken wir uns, wenn der feindliche Trupp ankommt. Hier unten im Keller? Oder doch lieber im Tunnel, sofern man diesen von innen öffnen kann. Könnte sicherer sein, für den Fall das Balphemors Männer gleich nach der Ware schauen wollen. Wir könnten uns auch oben, in Lorianns Gemächern aufhalten. Ich denke nicht, dass die ‚Gäste‘ sich dort hinauf begeben.“ [Chris(Jost)18.01.2017]

Währenddessen in der Kemenate der Herrin

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Nachdem der Geweihte der Rondra Loriann in das obere Stockwerk gefolgt war und beide die Schlafstätte der Herrschaft betreten hatten, deutete Hagrian auf das Bett, das prachtvoll und bequem aussah. „Setzt euch erst einmal.“ Wenn er richtig verstanden hatte, sollte Loriann hier einen großen Teil ihrer Zeit verbringen.

Seine Stimme klang nicht mehr hart und unnachgiebig wie noch Momente zuvor. „Was kann ich tun, was kann ich euch sagen, damit eure Seele beruhigt wird?“ (Hagrian (Catrin) 1.11)

Loriann hatte ihr Schwertgehänge mit nach oben genommen und stand im ersten Moment zögernd vor dem Schlafmöbel. Etliche Herrschaften mochten darin schon gelegen haben. Zuletzt vermutlich die Herzogin. Ob deren Gemahl ebenfalls schon hier gelegen hatte? Die Laken sahen frisch und einladend aus. Das Holz – ein schweigsamer Beobachter. Loriann ging es nicht gut bei dem Gedanken daran, dass sie ab sofort hier schlafen würde. Schlafen und… sich einem Mann hingeben, der ihr Angst machte. Aber so lautete die Vereinbarung. Eine Vereinbarung, der sie zugestimmt hatte. Wegen Maire!

Schweiß brach in Lorianns Händen und an ihrem Körper aus, während sie sich langsam auf der Längsseite niederließ und verkrampft zu dem Geweihten aufblickte. Sie wischte sich vergebens die feuchten Handflächen an dem Bettzeug ab und nestelte aufgewühlt an den Lederriemen ihres Schwertgurts herum, welchen sie mit der Waffe zusammen auf ihrem Schoß hielt.

„Was kann ich euch sagen, was ihr nicht schon wisst?“ Sie seufzte, bevor sie nach einer nüchternen Aufzählung griff: „In ein paar Tagen wird mich der Herzog besuchen und ich werde in seinen Dienst treten. Ich werde gemäß der Vereinbarung meine Würde und meine Selbstachtung ablegen wie meine Kleider und er wird mit mir tun, was immer ihm…. beliebt.“ Ihre letzten Worte klangen verachtend, während ihr Blick nach wie vor auf die Waffe in ihren Händen geheftet war. „Ich hoffe nur, auch wenn sie in diesen Landen fern sind, die Götter vergessen mich und mein ...Opfer… nicht.“ [Loriann (Tanja)]

„Die Götter vergessen den nicht, der SIE nicht vergisst.“ sagte er mit fester Stimme.

Nun flog ihr Blick aus dem kleinen Schartenfenster hinaus in den tobrischen Himmel und sie warf die Waffe auf das Bett, als sie sich energisch erhob und ihre verbitterte Weinerlichkeit abstreifte. Eigentlich wollte sie sich nicht weiter so gehen lassen. Am Ende mussten die anderen sicher sein, dass sie das hier alles hinbekam, also würde sie sich ab jetzt zusammenreißen, verdammt noch mal! Ihre Stärke allerdings baute auf sehr schwachen Grundmauern – das wusste sie selbst recht gut, doch auch der Diener der Rondra konnte das deutlich sehen. Zumindest versuchte die eben erst belehnte Baronin, sich nicht gänzlich aufzugeben und eine gewisse Fassung zu bewahren, denn sie trat an das Fenster und riss es mit derselben Energie, mit der sie aufgestanden war von diesem Bett, auf. Wind drückte sogleich in die Kemenate und zauste an Lorianns Haar.

„Ehrwürden, ihr seid ein Mann der Ehre und des Glaubens. Ihr versteht, dass ich zu meinem Ehrenwort stehen muss, egal, was kommt, nicht wahr? Und ihr versteht bestimmt, dass ich hoffe, dass mein Glaube in die, die mich überhaupt erst in diesen Schlamassel gebracht haben, nicht enttäuscht wird, oder?“ Rhetorische Fragen, die keine Antwort benötigten. Dann drehte sie sich am offenen Fensterchen stehend um und sah den Geweihten an. „Wisst ihr, ich glaube an die Liebe, euer Ehrwürden. Für nichts anderes tue ich das hier alles. Und nichts anderes wird mich die Demütigungen und die Acht als Reichsverräterin und die Gefahr, zu versagen, aufzufliegen aushalten lassen.“ Noch einmal so ein Spruch, sich Kraft einzureden.

Sie machte viele Worte. Zu viele. Zu viele für jemanden, der sich seiner Wahl sicher war.

„Es tut gut zu sehen, dass ich nicht die einzige hier bin, die für die Liebe kämpft. Der alte Rabensteiner, pfff…“ Sie schüttelte sich und strahlte Verbitterung, Verärgerung aus. Wahrscheinlich hatte sie diesen Ärger die ganze Zeit über in sich hineingefressen. „…hat doch von Liebe keine Ahnung!“ schimpfte sie. „Wisst ihr, dass ER es war, der mich an den Dunklen Herzog verschachert hat? Ich seh es ihm nach, denn schließlich gab ich mein Einverständnis für diesen Handel, aber ja, es war sein Vorschlag und ER packte mich zielsicher an meinem einzigen wunden Punkt, weil er wusste, ganz genau wusste, dass ich nichts abschlagen kann, was meine Tochter betrifft. Er hat meine Liebe ausgenutzt, das weiß ich. Und er weiß das auch! …Tja, und die anderen? Otgar und Caya – zu beschäftigt. Tar’anam – zu steif. Der Baron Jost – zu ungestüm. Sie mögen vielleicht Liebe kennen, aber für sie ist diese Liebe, wie sie mich am Leben hält, nur ein Wort, eine Vorstellung, ein ferner Begriff. …Das heißt, nein, nicht für alle.“ Loriann ließ eine kurze Pause, während der sich ein Lächeln in ihr Gesicht schob. „Ich glaube, ihr wisst, wen ich meine, nicht wahr?“

Hagrians Augenbraue schnellte nach oben. Kurz. Aber lang genug um Loriann aufzufallen. „Hm.“ brummte er.

Die ursprüngliche Frage des Geweihten hatte sich verloren. Aber es schien der neubestallten Baronin gut zu tun, sich einfach mal austauschen zu können. Es kam wie ein Wasserfall aus ihr heraus. Wie viele Emotionen mochte sie noch in sich bergen? Wahrscheinlich würde es Tage brauchen, sie alle aufzuarbeiten.

„Die Liebe, ist nicht das Metier meiner Herrin, sondern das ihrer Schwestern.“ Er hielt einen Moment inne. Denn er konnte sie verstehen. Konnte verstehen, wie sie empfand. Empfand er so für Ira? Würde er für sie dasselbe tun? Würde er seine Reputation, seine Heimat, sein Leben geben, für eine Hoffnung auf ihr Glück. Die Antwort war: Er wusste es nicht. Diese Überlegung schockierte ihn. Denn sollte die Antwort nicht ein klares Nein sein?

„Aber ihr habt Recht. Es gibt Menschen, für die würde ich einiges in Kauf nehmen. Doch ob ich ALL das in Kauf nähme, was ihr hier tut. Das weiß ich nicht.“ Er nahm ihre Hand. Sanfter als sie erwartet hatte und führte sie zu dem Bett, drückte sie darauf und ließ sich neben ihr nieder.

„Lassen wir dieses Gerede. Es bringt euch nämlich nicht weiter. Ihr müsst, und das mag hart klingen, eine Entscheidung treffen. Entweder ihr entscheidet euch für euer Pflichtgefühl und für das, was IHR für das richtige für eure Tochter haltet. ODER ihr entscheidet euch für euer eigenes Glück und eure eigene Sicherheit. Aber ihr müsst jetzt wählen. Und zwar endgültig. Keine großen Worten. Kein Gerede. Eine Entscheidung.“ In seinen Augen, die so blau wie der Himmel zuhause auf sie blickten, glaubte sie den Tanz von Wolken zu sehen. Und diese Augen ruhten auf ihr.

Loriann sah betreten in das Gesicht des Geweihten, fischte sich dann eines ihrer blonden Haare aus dem Gesicht und räusperte sich kurz, bevor sie antwortete. „Aber das habe ich schon. Ich bin hier. Meines Eides wegen.“ Sie lachte sarkastisch auf. „Mein Glück ist Maires Glück, Ehrwürden! Und wenn diese Strapazen einen Sinn haben, nur allein, dass ich um eine Zukunft für sie weiß, egal, was mit mir hier geschieht, dann stelle ich meine eigenen Wünsche zurück. An euch habe ich nur einen:“ Sie fasste hinter sich und zog ihren Waffengürtel heran. Das Ritterschwert ihrer Ahnen wog schwer in Lorianns Händen. Eigentlich durfte sie es nicht führen, denn sie war genaugenommen keine Ritterin. Nun war sie Baronin. Maire war auch kein kleines Mädchen mehr, sondern eine jungen Zauberin. Herrje, wie die Zeiten sich änderten.

„Das Schwert hat mein Vater vor mir getragen, davor sein Vater und davor dessen Vater und so weiter. Man hat mir mal erzählt, dass es unser Ahne, der hohe Herr Reuss, zu seiner Belehnung geschenkt bekam und dass sich seither jeder Herr über den Reussenstein – das ist die Burg wo ich herkomme – mit dieser Waffe gegürtet hat. Ob es wirklich noch dieses uralte Schwert ist, kann ich nicht sagen. Es ist alt, zweifelsohne,“ wie zur Erklärung zog Loriann die Klinge aus der ledernen Scheide. „und wie ihr seht oft schon in Stand gesetzt.“ Deutlich sah man die Ränder des Metalls, welches hier und da nachträglich aber von fachmännischer Hand eingearbeitet worden war. Aber die Klinge war poliert und das Schwert sah im Großen und Ganzen gepflegt aus. „…und mein Vater schwor, es sei schon immer im Besitz eines Reussensteins gewesen. Naja. Ich will ihm da mal glauben.“ Sie ließ fast liebevoll ihre Finger über das lange Metall streichen.

Dann sah sie auf. „Könnt ihr der Klinge für mich einen Waffensegen geben. Oder etwas, was mich daran erinnert, dass meine Familie mit diesem Schwert eurer Göttin mehr gedient hat, als ich es hier wahrscheinlich tun können werde.“

Sie lachte noch einmal müde auf und fasste sich in einer recht mädchenhaften Geste der Scham an die Wange „Vermutlich werde ich aber dann wohl eher meinen Dolch zu Rate ziehen, denn der lässt sich leichter unters Kopfkissen schieben.“

Hagrian nickte. „Ich werde einiges vorbereiten müssen.... Könntet ihr mir Efferdane mit meinem Reisebeutel heraufholen? Danach sollten wir uns gemeinsam auf das Ritual einstimmen.“ Dann blickte er ihr nochmals in die Augen. „Dafür möchte ich mit euch zunächst einmal auf den hohe Turm steigen, der zu EURER Burg gehört.“ Er machte eine kurze Pause, in der sie einfach nur ergeben nickte.

„Ich werde hier auf euch und eure Hauswirtschafterin warten und schon einmal mit den Vorbereitungen beginnen.“

Er erhob sich von der Schlafstatt und blickte sich in Gedanken versunken in dem Raum um, als suche er etwas. Dann ging er an das übersichtliche Mobiliar und öffnete Schubladen und Schranktüren.

Loriann seufzte. Dass sie hier eine Burg besaß, an diesen Gedanken musste sie sich erst selbst noch gewöhnen. Sie fühlte sich wie ein Fremdkörper hier, wie etwas, was nicht hierhergehörte. Und dennoch würden diese Mauern für die nächste Zeit ihr Zuhause sein. Einen Augenblick sah sie dem Geweihten bei seiner Suche nach. All diese alten Möbel aus dunklem Holz, denen man förmlich ansah, dass sie Zeiten und Besitzer stoisch überdauerten. Ebenso wie die düsteren Wandteppiche, denen es egal war, wer in ihrer Mitte wandelte. Auch das große Herrschaftsbett trotzte seinen Schläfern. Die runden Fratzen auf den Eckpfeilern mochten mit ihren geschnitzten Augen schon so einiges gesehen haben und doch schwiegen sie ihre Betrachter grinsend an. Die Baronin von Viereichen fröstelte, als ihr Blick auf eine der Fratzen fiel. Das kalte Holz schien merkwürdig lebendig. Ebenso tat es der Wolfskopf, der neben dem Kamin hing. Das Bett konnte sie nicht so schnell austauschen, dafür aber die alte Jagdtrophäe abhängen lassen. Ja, das würde sie veranlassen… Und vielleicht das eine oder andere Möbelstück erneuern lassen, denn sie hatte das Gefühl, dass diese jemand anderem gehörten. Noch ein Seufzen, dann stand sie auf und machte sich auf den Weg in den Rittersaal, wo sie Efferdane vermutete.

Wenig später kehrten beide Frauen in die Kemenate zurück. „Habt ihr gefunden, nach was ihr gesucht habt?“ wollte Loriann von dem Geweihten wissen. Dass sie drunten in der Halle niemanden von den anderen Nordmärkern angetroffen hatte, verschwieg sie.

Die blauen Augen des Isenhager Geweihten ruhten nur kurz auf Loriann, dann wandte er sich abrupt an die ältliche Hausangestellte. „Wer reinigt in der Regel diese Kemenate? – Wer wäscht die Bettwäsche und die Kleidungsstücke, die hier aufbewahrt oder verwendet werden?“ Er hatte seine große Hand auf die Schulter der Frau gelegt und schaute ihr in die klaren, blauen Augen. Ohne ein Blinzeln. Mit starrem Blick. Dem standzuhalten nur einem wahrhaft Zwölfgöttergefälligen gelingen mochte.

Efferdane, überrascht von dieser lapidaren Frage, stutzte einen Moment, ehe sie begriff, dass der Geweihte nicht grundlos fragte. "Ich pflege diesen Haushalt selbstverständlich ordentlich zu führen, Euer Ehrwürden. Die Verderbnis habe ich vor der Haustür, ich brauche sie nicht noch in diesen Mauern." antwortete sie und lächelte mild. Sie strahlte die Gelassenheit des Alters aus, vermischt mit gewohntem Selbstverständnis, verschiedenen Herrschaften in nicht unbedingt einfachen Zeiten zu dienen. "Wichtiges, wie etwa das Herrichten der Garderobe und Einkleiden der Herrschaften zu festlichen Anlässen erledigte ich selbst. Für alles andere habe ich Thessa. Sie geht mir gut zur Hand und tut schon eine gefühlte Ewigkeit Dienst als Hausmagd unter mir. Sie ist wie eine Tochter für mich – wenn ihr das meint."

Fast war es Loriann als sei es das erste Mal, dass sie den Geweihten lächeln sah, da dieser die Mundwinkel leicht nach oben hob und der alten standhaften Frau zunickte.

„Ich habe gesehen, dass dieser Raum sehr sauber und ordentlich gepflegt wurde. Doch würdet ihr mir den Gefallen tun, ihn jetzt noch einmal zu reinigen? Es wäre mir … persönlich … ein großes Anliegen.“

Dann wandte er sich an die Baronin: „Hochgeboren von Reussenstein! Wollt ihr in diesem Zuge … Veränderungen an eurem Mobiliar … vornehmen lassen?“ Sein Blick streifte sie und das Lächeln, was ihn eben noch so sanft und jung hatte wirken lassen, war verflogen. Ernst und Besorgnis lag in seinem Blick. Loriann hatte fast den Eindruck als wäre es eine Prüfung, die der Geweihte ihr mit dieser Frage abverlangte.

Kurz ließ die Angesprochene ihr Augenmerk durch den Raum schweifen, ehe sie sich ihrerseits an die Haushälterin wandte. „Ja. In der Tat werde ich das nach und nach wohl tun. Aber für’s erste: Efferdane, seid doch bitte so nett und hängt dieses tote Tier dort ab.“ Sie deutete zum Kamin und dem Wolfskopf. „Ich… möchte nicht auch noch in meinen Schlafgemacht erinnert werden, dass…“

„Aber natürlich.“ beendete Efferdane den Satz, noch ehe Loriann ausgesprochen hatte. „Wollt ihr stattdessen ein anders Tier? Ein Hirschgeweih? Einen Adler oder Falken? Oder in eurem Falle wäre doch vielleicht ein Bärenkopf sehr passend?“

Loriann schüttelte etwas entsetzt über diesen Vorschlag den Kopf. „Nein. Ich möchte kein Tier über meinem Bett hängen haben. Es reicht, wenn ich eines in meinem Bett…“ Die Baronin errötete vor Schreck und fasste sich geistesabwesend an den lästerlichen Mund. Hatte sie das eben gerade wirklich gesagt? Vor dem Geweihten, dem sie eben noch bestätigt hatte, dass sie freiwillig hier war, und vor der Haushälterin, die sie gerade erst ein paar Stunden kannte? Ja, lautete die Antwort.

Efferdane aber schmunzelte nur und legte großmütterlich eine ihrer faltigen Hände auf den Arm ihrer neuen Herrin. Ihr Blick war mitleidsvoll, doch verstehend. Sie strahlte auch jetzt eine über die Maße beruhigende Zuversicht aus, die fast schon ansteckend war. Sie mochte wohl diplomatische Fähigkeiten besitzen, denn sie lenkte geschickt vom Thema und somit von Lorianns Ausrutscher ab, in dem sie nickend die Hand von Loriann: „Ich lasse den Staubfänger sofort abnehmen, Hochgeboren! Um ehrlich zu sein hat mir das verlauste Vieh dort noch nie gefallen.“ Sie lächelte und ließ offen, ob sie wirklich den ausgestopften Wolfskopf an der Wand neben dem Kamin meinte.

„In diesem Zuge werde ich auch umgehend Thessa rufen, damit wir eurer Bitte, Ehrwürden, nachkommen können. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Doch ich verspreche, dass wir uns beeilen werden.“

„Danke, Efferdane.“

„Benötigen Hochgeboren und Ehrwürden sonst noch etwas?“

Loriann gab die Frage mit einem Blick an den Ritter der Rondra weiter.

Der schüttelte nur leicht den Kopf: „Gehen wir?“

Auch Efferdane nickte er noch einmal zu, dann verließ er mit Loriann die Kemenate und es dauerte eine Weile bis sie, geschwächt durch die zahlreichen Wunden und Verletzungen, endlich auf dem Turm angelangt waren.

Die Baronin und er standen nebeneinander auf der Plattform und sahen hinunter. Sein Blick schweifte über das gebeutelte Land und auf die Menschen, die ameisengleich die Wege und Flure bevölkerten. Still stand er dort, ließ die Umgebung und das Land auf sich wirken.

Weit entfernt am Horizont kündete ein feiner rötlicher Streif den beginnenden Abend an. Es würde noch etliche Stunden hell sein, immerhin war Sommer, aber die Zeit ließ sich in beruhigender Weise von dem Schreckensschlund jenseits des Yslisees nicht beeindrucken. Dort, wo einst eine prächtige Stadt gestanden hatte, waberte unheiliger Nebel über dem Tor zur Niederhölle. Quietschend und knarrend veränderte sich sogar jetzt das Land, schoben sich die Reste der Festung der Dunkelheit ineinander, spie der Höllenrachen geflügelte Wesenheiten und lebensvernichtende Dämpfe in den Äther. Diese Stadt dort unweit der Baronie Viereichen lebte ein unheiliges Leben. Ihr finsterer Herzschlag brachte den Boden zum Erschüttern – oben auf dem Zwinger spürte man das.

Loriann krallte sich mit den Händen in das Gestein der Umfassungsmauer und wartet ab, was der Rondrageweihte vorhatte.

Nach einer kleinen Weile des Schweigens, währendem sein Blick über das Land geschweift war, wandte er sich endlich an Loriann. Mit einer Frage: „Sagt, was seht ihr dort?“ Und mit seiner Hand deutete er in einem Bogen um das umliegende Land. Auf ihre Baronie.

„Land. Ehemals fruchtbar, urbar, aber jetzt können die Leute hier ihm nur noch einen winzigen Rest abtrotzen. Der Boden ist verdorben. Ich schätze es ist so, wie man hört: die Ähren wachsen schwarz, das Wild zerfleischt sich selbst, Früchte faulen noch ehe sie im Mund sind.“ Sie hielt die Nase in den Wind. „Ständig weht der Wind den Geruch von Tod herüber.“ Sie schloss, noch immer das Gesicht gegen den Boten aus Yol’Ghurmak gerichtet, die Augen, fühlte den Atem jenes Landes, das unter dem Namen Transysilien bekannt war. „Es ist viel Hass hier. Auch er liegt in der Luft. Aber das muss ich euch ja nicht sagen.“

Sie öffnete die Augen wieder und sah ihn an. Der Ausdruck von Demut lag in ihrem Blick. „Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, diese Baronie so zu führen, dass sie – und ich – allen gerecht wird. Mir ist auch nicht ganz klar, auf was eure Frage zielt, Ehrwürden. Meint ihr, ob ich sehe, dass diese Leute zweifach hungern? Ja, das sehe ich. Meinen …Untertanen… fehlt es an richtiger Nahrung und Seelenheil. Und ja, ich würde gerne an diesem Zustand etwas verändern. Doch wir beide wissen, dass ich dazu erst abwarten muss. Ich kann die Zwölf hier nicht so schnell zurückholen, auch wenn ich es gerne am liebsten noch heute verkünden würde, denn, wenn ich es tue wäre das mein Ende und auch das Ende aller Bemühungen, meiner, eurer, die des Kaisergemahls. Ich kann nur hoffen, dass der Dunkle Herzog Viereichen wohlgesonnen ist und das nicht nur, weil er mich hier--.“ Sie sprach den Satz nicht zu Ende, sondern fischte sich ein paar ihrer korngoldenen Haare aus dem Gesicht, die der Wind hineingeweht hatte. Damit dies nicht mehr geschehen konnte, stellte sie sich mit dem Rücken in den Wind, während sie zum Ende ihrer Antwort ansetzte: „Verzeiht, ich habe mich eben missverständlich ausgedrückt:“ Lorianns Blick glitt in die Ferne und von diesem Turm. Sie wollte den Geweihten nicht ansehen, wenn sie an ihre Pflicht dachte. Es war schon unangenehm gewesen mit dem Rondrianer auf diesem Bett zu sitzen. Es war auch nicht angenehmer das Kind beim Namen zu nennen. Aber es half ja nichts. „Er WIRD Viereichen wohlgesonnen sein! Dafür sorge ich. Ich werde eine gute Mätresse sein… hoffe ich.“ Sie versuchte auch die letzten beiden Worte mit demselben Enthusiasmus auszusprechen, wie ihre vorhergehende Zusage, aber leider gelang es ihr erwartungsgemäß nicht so recht.Dafür überraschte sie mit einem delikaten Themenwechsel, der wohl aus der Notwendigkeit geboren war, dass dieses Gespräch vertraulich und der Geweihte endliche jemand war, dem sie sich anvertrauen konnte. Sie übersah dabei völlig, dass er sie etwas ganz Anderes gefragt hatte. „Es ist ja nicht so, dass ich nicht mehr wüsste, wie es geht.“ Loriann vermied noch immer Blickkontakt. Weil das aber etwas war, was sie sehr aufwühlte, klopfte ihre Hand beim Sprechen fast rhythmisch auf das Gestein der Umfassungsmauer. „Ich gebe zu, ich bin etwas aus der Übung, aber ja, ich bin bereit, mich herzugeben, wenn es der …Sache… dient. Und wenn es sein muss auch noch mehr. – Ehrwürden, vielleicht wirke ich in euren Augen einfältig,“ Jetzt sah sie Hagrian von Schellenberg doch wieder an. „aber ich bin mir bewusst, dass der Herzog sich von mir einen Nachkommen ersehnt. Er hat mir gegenüber das nur allzu deutlich gemacht, auch wenn er dazu keine Worte brauchte.“

Ihre Wangen waren blutrot und ihre Hände zitterten leicht, als sie sich bewusstwurde, wie redselig sie gerade war. „Verzeiht, Ehrwürden, ich habe mich eben vergessen. Was war eure Frage noch gleich?“

Der Geweihte an ihrer Seite war nicht unbedingt zufrieden mit ihrer Antwort: „Ich wollte von euch wissen, ob euch bewusst ist, dass es hier – wenngleich euer Leben betroffen ist – auch um all diese Menschen geht. Und ob euch schon einmal in den Sinn gekommen ist, welch große Chance euren Untertanen durch euch eröffnet wurde. Ob euch schon einmal in den Sinn gekommen ist, dass die Götter euch diese Aufgabe anvertraut haben. Weil sie wissen, dass ihr sie bewältigen könnt.“ Während er sprach war sein Blick über das Land gestrichen. Doch jetzt als er einen Augenblick schwieg sah er ihr in die Augen. Und obgleich keine Wärme darin lag, konnte Loriann in dem Blau der seinen Zuversicht erkennen.

„Ich werde für euch tun, was in meiner Macht steht. Doch ich möchte dafür zwei Versprechen von euch:

Erstens: Täglich nach dem Aufstehen kommt hier auf diesen Turm, schaut über das Land und denkt an dieses Gespräch. Wenn ihr zweifelt und zurückwollt, kommt hierauf und denkt an dieses Gespräch: Die Götter haben euch hierhergeführt. Weil sie wissen, dass ihr die Aufgabe, die euch zugedacht war, erfüllen werdet.“ Er machte erneut eine Pause. Sah sie nun fragend an.

„Zweitens: Ich möchte, dass ihr jeden Tag jedem der Zwölfe einmal gedenkt. Wie auch immer. Das liegt bei euch. Setzt euch ohne Mantel dem schneidenden Wind aus, gebt dem Stallknecht ein Rätsel auf. Singt während ihr euch wascht. Es ist mir gleich. Aber ihr solltet es tun.“

Erneut blickte er fragend in ihre Augen. Versuchte zu erkennen, ob sie den Sinn hinter dem sah, was er ihr abverlangen wollte.

Loriann überlegte einen Moment, dann nickte sie lachend. Seine Vorschläge hatten wohl die Lethargie gebrochen, denn sie lachte tatsächlich – und es fühlte sich an, als käme ihre Heiterkeit aus der Tiefen ihres Herzens. „Damit werde ich dann wirklich den Ruf bekommen, anders zu sein.“ Dieser Gedanke war wohl einer, der ihr nun keine Angst mehr bereitete. Zudem schien sie sehr dankbar über den Vorschlag. „Aber ja doch, ja, ich will versuchen, den Zwölfen so zu gedenken, wie ihr es vorgeschlagen habt. Ob es mir gelingt, jeden Tag ALLEN gerecht zu werden, kann ich euch nicht versprechen. Aber, ich will es versuchen!“

Hagrian runzelte die Stirn. Was war lustig an dem, was er gesagt hatte? „Es sollte euch nicht stören anders zu wirken. Dies ist in diesen Landen eine große Auszeichnung.“ Sein Blick schweifte noch einmal über das Land: „Seht euch eure Haushofmeisterin an. An ihr könnt ihr sehen: Die kleinen Dinge, die das Leben füllen, sind oft viel bedeutsamer als die großen Gesten. Zeigt den Menschen, wie man den Zwölfen im Alltag huldigt und daran persönlich wächst. Zeigt Mut und Stärke, wenn ihr dem Herzog gegenübertretet, und sie werden euch dafür anerkennen.“ Er legte seine Hand auf ihre Schulter.

„Wie gesagt, Ehrwürden, ich will es versuchen.“ Sie nickte und er hatte den Eindruck, dass sie es wirklich ernst meinte.

Der Geweihte nickte ihr zu. Er hatte die Hoffnung ihr mit diesem Gespräch geholfen zu haben. Ihr Kraft gegeben zu haben für das was kommen würde. Zwar wusste er nicht, ob sie die Stärke besitzen würde, aufrecht und standhaft zu bleiben, doch zu mehr war er nicht imstande zu geben.

War das der Grund, warum Rondra ihn hergeführt hatte? Sollte er Loriann einen Weg weisen, die Last zu tragen, die sie zu tragen hatte? „Wenn es euch hilft, beginnen wir heute. Und gedenken gemeinsam jedem der 12e, dann wird es euch womöglich leichter fallen.“ Doch zunächst blieb er stehen. Oben auf dem Turm, der windgepeitscht seit Jahrhunderten den Wettern der Baronie strotzte. Erst als seine blanken Hände, mit denen er sich am Mauerwerk abgestützt hatte, so kalt waren, dass er sie kaum mehr spürte, löste er sich, nahm Lorianns Hand in seine. Eis traf auf Eis. Sein Blick ruhte erneut auf ihr, während er ihr leise zuraunte: „Oh Herr Firun, gib mir den eisklaren Blick für Recht und Unrecht, den kühlen Verstand für die rechten Entscheidungen und das kaltes Herz, um das Böse zu bekämpfen.“

Danach führte Hagrian Loriann zu etlichen Stellen ihres neuen Domizils. Sie passierten die Türschwelle und den Brunnen, gingen in die Ställe und die Gesinderäume, die Küche und die Schmiede. Er führte sie zu einer Magd, die gerade entbunden hatte, erzählte zweien, der jüngeren Kindern eine Geschichte und handelte mit einem etwas Älteren verbissen um einen schon schrumpeligen Apfel, den er in einer Ecke der Speisekammer gefunden hatte.

*

Und nach mehr als einem Stundenglas und der Huldigung von weiteren neun Göttern standen beide wieder vor der Kemenate. Efferdane war gerade mit den letzten Handgriffen fertig geworden und überließ den beiden den Raum.

Bevor sie ihn allerdings betraten, wandte sich Hagrian noch einmal fragend an die Baronin: „Fürchtet ihr euch vor eurer Zukunft?“

Diese Frage war leicht zu beantworten, jedoch war die Antwort auszusprechen schwerer als die Antwort selbst. Lorianns Blick fixierte für den Moment das herrschaftliche Bett. Vor ihrem Auge sah sie sich und den Ehrensteiner darin und dann in einem weiteren verstörenden Bildnis ihrer Vorstellungskraft sich selbst, wie sie in den Wehen lag, um dem Herzog das zu geben, wonach es ihm gelüstete. Und ja, diese Zukunft machte ihr Angst. Auch, weil sie im Gesicht Frenjas gesehen hatte, was der Herzog seiner Gemahlin angetan hatte.

„Ich würde lügen, wenn ich nein sagen würde.“ Sie sah den Geweihten einen kurzen Moment dabei an, dann betrat sie beherzt die Kemenate. Ihre Kemenate.

Diese Antwort schien den Rondrianer zu befriedigen, denn er sprach in ihrem Namen einen Vierzeiler zur Ehre des Praios für Demut, Ordnung und Gerechtigkeit. Danach trat er erneut in ihr Schlafzimmer ein.

Sie beteten gemeinsam zu seiner Herrin. Und im Namen Rondras weihte er ihr Schwert. Die Zeremonie war einfach. Fast geradezu simpel und doch – hatte sie etwas Erhabenes. Denn mit ihr trotzte Loriann zum ersten Mal dem Schicksal der unterwürfigen Mätresse, welches ihr zugedacht worden war. „Im Fall der Fälle wird euch dieses Schwert schützen, wenn ihr Rondra darum bittet. Und in der Zeit davor soll es euch mit seiner göttlichen Nähe Beistand und Hoffnung sein. … Und nun – lasst uns nach den anderen sehen. Merkwürdig, dass wir ihnen nicht einmal begegnet sind, als wir durch eure Burg liefen.“

Ankunft der Ysilier

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Loriann und Hagrian, die auf dem Weg hinab in die große Halle waren, konnten das Signal von der Torwache hören. Sogleich erschien Efferdane aus einer Seitentüre in der Halle, bleich und erschrocken blickte sie zu ihrer neuen Herrin. „Das sind sie, Herrin. Früher als erwartet. Was sind Eure Befehle?“

„Der Trupp aus Ysilla?“ Eigentlich war keine Frage notwendig. Loriann warf dem Rondrageweihten einen hektischen Blick zu, bevor sie für einen Augenblick die Augen schloss und durchatmete. Dann strafte sie die Schultern, machte den Rücken gerade und besann sich ihrer Position: „Tut, was ihr immer tut. Lasst sie ein, damit sie tun können, wozu sie hier sind! Ich gehe ihnen entgegen.“ Stärke zeigen. Aber freundlich sein. Ihre Hand glitt an den Knauf des rondrageweihten Schwerts an ihrer Hüfte. Eigentlich durfte sie dieses Ritterschwert nicht führen, denn genaugenommen war sie keine Ritterin, aber als ein solches betrachtete sie es nicht länger. Hier war das alte Erbstück nun ‚ihre‘ Waffe, Zeichen ihres Standes, ihr Anker in der Gottlosigkeit.

Efferdane hatte dem Bediensteten, der hinter ihr auf glühenden Kohlen stand, einen Wink gegeben und selbiger war sogleich mit langen dürren Beinen aus der Halle gespurtet. Die Ältere keuchte. „Hochgeboren, verzeiht, da ist noch etwas.“ riss sie Loriann aus dem Schritt.

Die drehte sich wieder ihr zu. „Bitte sprecht offen, Efferdane.“

„Nun, ihr solltet wissen, dass diese Männer und Frauen nie nur kommen, um die Kisten abzuholen.“ Da die Haushofmeisterin eine kurze Pause machte, in der sie Lorianns Reaktion maß, musste sie sich einen ungeduldigen Blick der Baronin und des Geweihten gefallen lassen, bevor sie fortfuhr und es ihr offenkundig peinlich war, dies der neuen Hausherrin jetzt so zwischen Tür und Angel und auf die Schnelle mitteilen zu müssen. „Ich hätte gerne in Ruhe mit euch darüber gesprochen, das dürft ihr mir glauben, doch fürchte ich, dafür reicht die Zeit nicht mehr. Seht, wenn die Stadt Truppen entsendet, oder in eurem Falle Getreue, um die Kisten des Herzogs in die Stadt zu bringen, dann kehren diese hier ein. Das heißt, es wird erwartet, dass wir für Speis und Trank aufkommen und dass wir ebenso für Wegzehrung sorgen.“

„Wegzehrung – verstehe.“ Loriann begriff, was Efferdane ihr sagen wollte. Und es gefiel ihr keineswegs, vor allem, weil es Efferdane auch keineswegs zu gefallen schien, doch würde sie in diesen Mauern keinen zweiten Aufstand riskieren. Vorerst. „Gut, dann… schafft her, was ihr für nötig befindet, damit die Damen und Herren zufriedene …Gäste… sind. Ihr habt mit ihnen bereits Erfahrung. Und freie Hand! Ich werde unsere …Gäste… draußen unter dem Portal willkommen heißen und dann mit ihnen speisen. – Werden diese Leute denn auch über Nacht bleiben?“

Efferdane seufzte. „Wir müssen es annehmen.“

Loriann stöhnte. Ihr blieb wohl nichts erspart. Sich ihrem Schicksal fügend nickte sie der Bediensteten zu. „Verpflegt sie wie gewöhnlich, gebt ihnen Quartiere wie üblich und…“

„Aber Hochgeboren!“ wurde sie allerdings gleich von Efferdane unterbrochen, woraufhin Loriann sehr ungehalten dreinblickte. Nicht, weil die Haushofmeisterin sie mitten im Sprechen unterbrochen hatte, sondern weil die Reussensteinerin insgeheim daran zweifelte, dass das hier gut ausging. „Etwa noch weitere schlechte Nachrichten?“

Efferdane machte ein gequältes Gesicht. „Der Anführer bestand ein jedes Mal darauf, im Zimmer der Herrschaft zu schlafen. Wir haben das die ersten Male natürlich zu unterbinden versucht, doch ihr versteht sicher, dass ich es nicht riskiert habe, jemanden von meinen Leuten zu verlieren. Ich war doch seither für alle hier verantwortlich!“

Der harte Gesichtausdruck der Baronin weichte ein wenig auf und es brach ein mitfühlendes Lächeln durch. Loriann legte Efferdane eine Hand auf die Schulter. „Ihr habt sicher gut daran getan, die Euren, die jetzt die Meinen sind, zu beschützen. Es ist ja… nur ein Bett.“ erklärte sie, bevor ihr Gesichtsausdruck verbissene Entschlossenheit annahm. „Doch nun gibt es wieder eine Herrschaft auf Viereichen, der es gehört! Und es wird hoffentlich keiner von denen auf die Idee kommen, mein Bett zu fordern, wenn ich anwesend bin.“ Ein energisches Aufrichten. „Dann lasst sie uns willkommen heißen.“ An den Geweihten gewandt: „Es wäre mir eine Ehre, wenn ihr mich begleitet.“

Der Angesprochene nickte nur ernst. Er wappnete sich innerlich. Sich zurückzuhalten. Denn war er nicht vielleicht hier, um Loriann zu stärken? Sie, die hier diese Festung des alten Glaubens halten sollte, brauchte ihn als Stütze. Als Erinnerung an den Schutz, den die Götter ihr gewährten, wenn sie ihnen folgen würde. Auch hier. In der Dunkelheit.

Von draußen drang das Wiehern von Pferden in die ehrwürdige Halle, während sich die Bedienstete weiterhin wand: „Ehrwürden! – Ihr solltet die Herrin lieber allein gehen lassen. Es ist besser. Vertraut mir.“ Efferdanes Blick war flehend, denn sie wusste, dass es ihr eigentlich nicht zustand, dem Geweihten Vorschriften zu machen. Stattdessen formulierte sie es anders. „Wir beide sollten uns lieber um Euer Wohl kümmern, damit ihr eurem nächsten Kampf gestärkt entgegen treten könnt. Wann habt ihr zuletzt etwas gegessen? Kommt mit mir, wir kümmern uns darum!“

Insgeheim dankbar über den Einwand nickte die Baronin. „Efferdane hat Recht. Geht mit ihr!... Ich komme klar.“

Hagrian hielt inne. Sollte er das? Er wollte Loriann eine Stütze sein, aber diese Frau – Efferdane – hatte Recht. Er würde die neue Herrin womöglich in zusätzliche Gefahr bringen, weil er sich nicht zurückhalten konnte, wenn die Frevler den Zwölfen lästern würden, also willigte er ein.

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Derweil ritten schwer gerüstete Kämpfer auf den Hof. Sie trugen Ketten- und Plattenrüstungen unter schmierig-schwarzen Wappenröcken, führten lange und schwere Waffen mit sich wie Äxte, Langschwerter und Hellebarden und sahen so aus, als ob sie damit umgehen könnten. Ihre Helme sahen tatsächlich aus wie Geier, mit einem langen schnabelförmigen Dorn auf dem Visier und aufgemalten, roten Augen. Begleitet wurden die 6 Reiter von einem Mann in schwarzer Robe, mit seltsamen Symbolen darauf und einem Stab samt Kugel in der Hand. Dieser ließ sich auch von Bediensteten, die sogleich zu den Pferden sprangen, herabhelfen. Als dieser die Kapuze seiner Robe zurückwarf, tauchte ein rothaariger, älterer Mann darunter auf, der seine Umgebung mit eher eingeschläferten Müdigkeit betrachtete.

Er wartete auch nicht lange, ob sein Gefolge bereit war, sondern lief die wenigen Stufen hinauf in die Halle um sogleich nach Efferdane zu rufen: „Effi, wo bist Du, meine kleine Lieblingsmagd? Ich habe Durst und Hunger nach dem langen Ritt, und freue mich schon darauf, mir von dir die Füße massieren zu lassen. Nun komm schon, wo ist meine Effi?“

Er blieb dann plötzlich stehen, als er Loriann im Durchgang zur großen Halle gewahr wurde. „Na, wen haben wir denn da?“

Sein musternder Blick wurde von dem Lorianns erwidert. „Diese Frage gebe ich gern zurück. Ich bin Baronin Loriann Varaldyn von Reussenstein zu Viereichen, die neue Herrin dieser Ländereien. Und wie darf ich euch ansprechen?“ Sie bemühte sich, freundlich, aber doch mit der klaren, unmissverständlichen Stimme einer Baronin zu sprechen. Ihre Haltung war aufrecht, ihr Blick furchtlos – ihre Linke stützte sie auf das Schwert auf, das wenig zuvor noch Rondras Segen erhalten hatte.

„Baronin? Soso, verstehe.“ Ein süffisantes Grinsen glitt in sein Gesicht, während er weiter auf sie zulief. „Dann… Hochgeboren… werdet ihr sicher mit den … Gepflogenheiten… vertraut sein, nehme ich an. Verzeiht, dass ich mich kurzfasse. Ich und meine Männer sind müde von der Reise und Gastung auf Viereichen war immer schon etwas, was einem den Tag, hm, versüßt… – EFFI! Komm raus, komm raus, wo auch immer du dich versteckst!“ trällerte er in lockendem Singsang.

Der Mann war fast im Begriff, an Loriann vorbei in die Halle zu treten, als er unverhofft von ihr aufgehalten wurden, in dem sie sich ihm kurzerhand in den Weg stellte. „Verzeiht mir, dass ich nachfrage, aber ich glaube, mir ist euer Name entfallen.“

Die Augen des Paktierers blitzten einen Moment zornig, aber dann zogen sich seine Mundwinkel amüsiert nach oben. „Nennt mich Agribaan. – Ihr seid wohl noch nicht lange Herrin von Viereichen, oder täusche ich mich?“

„Ihr täuscht euch nicht – Seid willkommen.“ Loriann gab freundlich den Weg frei, wobei sie mit dem Arm eine einladende Geste machte, und sich dem Mann anschloss, der mit etwas Verwunderung auf sie blickte, als sie nacheinander in die Halle getreten waren und er erstaunt stehenblieb, um sich zu ihr umzudrehen, sie anzusehen, musternd, neugierig, abschätzend. „Willkommen… das klingt fast so, als... wie soll ich es sagen… als kämet ihr nicht von hier.“ Zweifelsohne lag in seinen Worten genug Argwohn, um selbst im Hellen darüber zu stolpern. Aber auch Neugier und eine Herausforderung. „Ich brenne darauf zu erfahren, wie ihr zu diesem schönen Stücken Transysilien gelangt seid. Ein Erbe? Oder eine herausragende Tat?“

Loriann griff den Schwertknauf fester. Mit überzeugter Stimme entgegnete sie dem neugierigen Besucher, den sie als gefährlich tiefe Grube voll Unheil einschätzte, aber mit dem sie sich auseinandersetzen musste, zweifelsohne auch entgegen ihrem inneren Bestreben, jemandem wie ihm klarzumachen, mit wem er es hier zu tun hatte: „Eine besondere Beziehung zum Herzog?“ Ihre Frage war eher eine Feststellung, musste aber eine sein, um sich seiner Wortwahl anzupassen.

Für den kurzen Moment hatten ihre Worte tatsächlich den Effekt, dass der Paktierer sich mit der Hand durch das rote Haar fegte und beeindruckt pfiff. Ob er sein Erstaunen allerdings nur spielte, war nicht ganz ersichtlich.

Mittlerweile war sehr zur Freude des Paktierers die Haushälterin Efferdane hinzugekommen.

Loriann ließ die Bedienstete dankbar in das Gespräch schneiden, indem sie sich an sie wandte: „Efferdane, wir haben Gäste. Tische auf! Das Beste, was du bieten kannst! Sie sind hungrig und müssen zu Kräften kommen.“ Dass der Weg von hier nach Yol-Ghurmak nicht einmal eine viertels Tagesreise lang war spielte keine Rolle.

Loriann dachte sich, dass es in ihrer Position besser sein konnte, wenn sie sich gönnerhaft zeigte. Vielleicht, so hoffte sie, würden diese Männer und Frauen die Burg nicht gar so ausbluten lassen. Aber ein bisschen musste sie zulassen, musste sie diese Menschen bei Laune und Appetit halten und ihren Nordmärker Freunden die Möglichkeit verschaffen, Maßnahmen zu ergreifen. Das hier war ein Spiel auf Zeit. Und ein gefährliches noch dazu. Doch – wieder verströmte das Schwert an ihrer Seite die nötige Zuversicht und Kraft, die sie benötigte – sie hatten den Hofgeweihten hinter sich gebracht, das hier würde auch vorbeigehen. Wie so alles andere.

Als sie wenig später erneut in der Großen Halle saß und von ihrem Platz am Tischende aus in die Gesichter der Gäste blickte, die sich benahmen, wie Efferdane es gesagt hatte, fühlte sie Wut in sich. Diese ganze Verschwendung, diese Völlerei, dieses Selbstverständnis. Das Benehmen dieser Soldaten war ihr genauso zuwider, wie die Konversation mit ihrem Anführer.

„Ihr seht aber nicht sehr erfreut drein, Hochgeboren.“ Drang die honigsüße Stimme des Paktierers in sie ein.

„Nun, wenn ich sehe, wie groß der Hunger eurer Leute ist, frage ich mich doch… ob es dort in der Stadt eures Herrn nichts zu essen gibt.“ Entgegnete sie ihm.

Laut dröhnte daraufhin sein Lachen durch die Halle. Es entfachte sein rotes Haar zu Feuerzungen, die auf seinem Kopf aufloderten, ohne ihn jedoch zu versengen. Den Kopf schiefgelegt, immer noch mit züngelnden Feuerspitzen auf dem Kopf wackelte er mit dem ausgestreckten Zeigefinger in Höhe ihres Gesichts auf und ab. „Ihr gefallt mir. Ihr seid amüsant. Erfrischend. Wie ein reines Pflänzlein, das sein Köpfchen aus der Erde streckt. Aber hütet euch vor den Mäulern, die nach solch einem Pflänzlein gieren, um es zu vernichten.“

„Seid ihr so ein Maul?“ Loriann hatte diese Frage bewusst und mit vollem Ernst gestellt, den dieser grotesken Situation erlaubte.

Der Diener des Feurigen Vaters stutze kurz, realisierte, was sie damit ausdrückte und lachte erneut auf, dass die Flammen hoch in die Luft stießen. Wieder fuhr er sich mit der Rechten durch das Haar, das jetzt nur mehr Feuer war. Die Flammen sprangen über auf seine Hand, auch das schien ihm nichts auszumachen. Dann hielt er Loriann die brennende Hand hin. „Mädchen…“ keuchte er atemlos vor Lachen. „du bist zu erheiternd, als dass ich mir die Freude nehmen würde, dich wieder und wieder verlachen zu können. Wir sind doch beide nur Boten in dieser Geschichte: du der deines Herzogs, ich der meines Meisters. Warum sollten wir also einander nicht die Hände reichen? Ich will euch nichts, Hochgeboren. Ich will nur das, was in eurem Keller für mich lagert. Wir tun doch beide nur unsere Pflicht, nicht wahr?“ dabei sah er Loriann herausfordernd an, während er ihr weiterhin die Hand hinhielt, welche nach wie vor brannte. Unter den Männern und Frauen des Ysiliers brach wegen der Ankunft eines Topfes sowie einer irdene Karaffe, die von Efferdane und einer Küchenmagd auf den Tisch gehievt wurde, Freude aus.

Noch mit der Frage beschäftigt, ob sie diese Hand ergreifen sollte, und was wohlmöglich passieren konnte, nahm Loriann das Auftauchen der rüstigen Tobrierin und deren Gehilfin gar nicht wahr.

„Soooo, hier kommt die Echte Tobrische Grüne Grütze mit Honignüssen und noch mal eine Karaffe Wein!“ frohlockte die Stimme Efferdanes, bevor sie die Szene zwischen dem Paktierer und der Baronin gewahr wurde und einschritt, in dem sie lobend die Stimme erhob und aufgesetzte Heiterkeit versprühte: „Esst, esst, liebe Gäste, esst, esst, solange die Grütze noch warm ist! … Hochgeboren! Meister Agribaan! – Seid schnell, sonst bekommt ihr keinen Löffel mehr davon ab bei dieser Meute hungriger Wölfe, mit denen ihr da mal wieder unterwegs seid.“

Als er seinen Namen hörte, brach der Paktierer den stechenden Blick und zog seine Hand zurück, auch die Flammen erloschen. In der Tat fielen die Soldaten des Ysiliers wie ausgehungert über die Köstlichkeit, die aus Hafergrütze und allerlei grüner Kräuter bestand und traditionell mit in Honig kandierten Nüssen serviert wurde. Früher, zu alten Zeiten, war diese Speise verbreitet gewesen. Jetzt, da das Land sowohl an Hafer, als auch an Nüssen und Kräutern rar war, musste die Schüssel, die nun auf dem Tisch stand, bei einigen der Soldaten frühe Kindheitserinnerungen wachrufen. Umso größer war der hastige Konsum selbiger Speise, dem sich auch der Paktierer nicht verschloss.

Im Nachfolgenden fielen die Soldaten aus Yol-Ghurmak über alles her, was Efferdane auftischte. Sie aßen nicht, sie fraßen regelrecht und benahmen sich schlecht, aber es schien weder ihnen noch ihrem Anführer etwas auszumachen, dass sie sich dabei aufführten wie lau polternde, ungehobelte Klotze ohne Manieren und noch weniger Skrupel, Gastfreundschaft auszunutzen, wo es nur möglich war. Der Paktierer unternahm indes fürs Erste keinen zweiten Anlauf, Loriann herauszufordern, aber seine zotigen Bemerkungen blieben spitz, wenn auch sonst die Worte, die er an sie verlor, recht wenig waren, da er sich auch einige Zeit mit Efferdane beschäftigte, die er nötigte, ihm tatsächlich die klotzigen Füße zu massieren.

Im Fluchttunnel

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Während sich die Helden im Keller aufmachten, den Fluchttunnel zu inspizieren, konnten sie dumpf und leise von oben ein Hornsignal hören.

Eine Lichtquelle ließ sich für die Magierin spielend beschaffen, ein kurzer Stoß ihres Stabes auf den Boden und schon entflammte an seinem oberen Ende eine Flamme. Ohne weiter Zeit verstreichen zu lassen, schritt sie auf den Eingang des Fluchttunnels zu und verschwand darin.

Jost stieß Ira, die nach wie vor eher Herz, Aufmerksamkeit und Ohren auf den Stufen zur Halle kleben hatte, vor sich in die Dunkelheit. Er sah ihr zwar ihre Fragen an und auch die Einwände, aber er mochte nicht darauf eingehen. „Die kommen schon zurecht,“ brummte er und meinte selbstverständlich Loriann und Hagrian damit, hoffte aber auch, dass Efferdane zu verhindern wusste, dass von den Männern des Magiers so schnell jemand in den Keller hinunterkam.

Nachdem er seinen Vorschlag vorgebracht hatte, war Tar'anam der ganzen weiteren Diskussion schweigend gefolgt, auch die Reaktionen der Magierin und des Salmfangers hatte er scheinbar gleichmütig zur Kenntnis genommen. Einen kurzen Moment zögerte er, als Ira und Lost in dem dunklen Loch verschwanden, doch dann machte er einen schnellen Schritt und betrat den Tunnel noch vor Otgar. [Jürgen (Tar'anam) 26.01.2017]

Den Kopf einziehend trat Otgar als letztes in den Tunnel. Noch während er den verborgenen Zugang verschloss hörte er schwach das Hornsignal und fragte sich, welche unerwartete

Wendung sich wohl nun schon wieder ereignet hatte.

Der Tunnel wand sich auf mehreren hundert Schritt Länge und folgte Klüften und Biegungen im Gestein. Teilweise bestanden die Wände aus feuchtem Mauerwerk, teilweise aus gewachsenem Fels. Die Nähe des Yslisees zeigte sich immer wieder in nassen Bereichen der Mauern, wenn der Gang eine Wasserader kreuzte, und hin und wieder lösten sich Wassertropfen von oben.

Lucrann folgte dem Gang schweigend, musterte Decke und Wände und kam zu dem Schluss, dass hier schon lange keines Menschen Schritt mehr erklungen war. Je weiter der Gang führte, umso sicherer war er sich, dass er mit seiner Einschätzung des Ausgangs richtiggelegen hatte. [Tina (Lucrann) 19.1.17]

Die letzten Geräusche aus der Burg verklangen nach wenigen Schritt, und das fahle Licht aus dem Zauberstab Cayas ließ die Schatten aus den Ecken wachsen und tanzen. Nach etwa einer Meile stieg der Gang leicht an und endete vor einer massiven Holztür, die von innen mit einem schweren Riegel gesichert war. Kratzend löste sich dieser, als der Rabensteiner daran zog, und ein Lichtstreifen erschien hinter den schweren Planken. Der Duft des Waldes drang herein und ließ die Gruppe gewahr werden, wie abgestanden und muffig die Luft in dem Gang gewesen war. Vorsichtig zog der Baron die Bohlentür auf. Davor verbarg ein zerzauster Vorhang aus alten Brombeerranken die Grotte, in die der Gang mündete.

Der Rabensteiner lauschte einige Zeit in das Murmeln des Waldes und trat dann vor den Vorhang aus Dornenranken, in das mit Unterholz durchzogene Waldstück, dass einmal ein lichtes, gutes Jagdrevier gewesen war. Vor langer Zeit. [Tina (Lucrann) 26.1.17]

Jost war überaus froh, aus dem stickigen und engen Tunnel wieder im Freien zu sein. Er holte einige Male tief Luft und sah sich langsam und aufmerksam um. Zwar könnte man hier wohl einige Leichen gut verstecken, aber nicht, wenn man die Natur Arngimms bedachte.

„Also, kehren wir um, warten bis sie schlafen – unterstützt durch einen Schlaftrank – und bringen sie dann ohne Kleider und ohne Leben im Tunnel unter, auf dass sie dort verrotten mögen?“ Er suchte den Wald ab, ob denn die Burg zu sehen wäre, musste aber eingestehen, dass sie zu weit gelaufen waren. Jetzt, als er das dichte Unterholz mit den Schatten darin um sich herum wusste, war ihm doch die Burg und der Tunnel lieber. Einfach weniger Richtungen aus denen Unheil heranstürmen konnte. „Gehen wir, bitte?“ [Chris(Jost)05.02.17]

Der Hlûtharswachter hatte Recht, sie sollten zurückkehren und ihre Vorbereitungen treffen. Auch wenn ihre bisherige Planung durchaus das Potential hatte, ein Erfolg zu werden, gab es dennoch zu viele Faktoren, die der Magierin sorgen bereiteten. Was war wenn die Zahl ihrer Feinde ihre Möglichkeiten überstieg? Könnten sie mit dem Trupp auch fertigwerden, wenn neben Kämpfern auch Magier oder Paktierer diesem angehörten? Natürlich konnte sie das, aber würden sie dann noch immer die gewollte schnelle, saubere Lösung umsetzen können, oder müssten sie sich in einem Kräfte zehrenden Kampf beweisen? An die Reise nach Mendena wollte sie dabei noch überhaupt nicht so wirklich danken. [Arvid (Caya) 06.02.2017]

Für einen Mann seiner Größe war dieser Tunnel definitiv nicht geplant worden. Männer wie er waren es jedoch meist auch nicht, die die Flucht ergriffen. Männer wie er verschleierten zumeist eben jene Flucht und kämpften verbissen darum, am Leben zu bleiben. So war es eben, wenn man nur ein kleines Licht war. Nicht von einfacher Geburt, dennoch nur ein einfacher Krieger, ein Adliger aus einem kleinen unbedeutenden Haus und ohne eigenes Lehen. Wer kannte schon einen von Salmfang? Einen der nicht Quelina hieß? „Bevor wir zurückgehen, gebt mir bitte einen Augenblick. Ich muss die Gelegenheit nutzen und mich hier kurz umsehen. Wie sonst soll ich uns und unsere Pferde hierherführen? Zudem möchte ich schauen ob wir einen anderen Lagerplatz brauchen oder im näheren Umkreis unsere Zelte aufschlagen könnten.“ Sich geschickt durch den Vorhang aus Dornenranken manövrierend, besah sich Otgar die Umgebung und zog in vollen Zügen die wohlduftende Waldluft ein. [Arvid (Otgar) 06.02.2017]

Langsamer folgte ihm der Rabensteiner, musterte die Umgebung und genoss ebenfalls die klare Luft.

„Kein Lager. Wir lassen unsere Pferde hier warten und sammeln sie auf, nachdem wir unter der Maske der Ysilier abgereist sind. Je weniger Spuren wir hinterlassen, desto besser. Und dann bringen wir so viel Meilen wie möglich zwischen uns und Viereichen.“ [Tina (Lucrann) 06.2.17]

"Da mögen Hochgeboren recht haben, allerdings wissen wir nicht, wann genau der Trupp Viereichen erreicht. So oder so sollten wir möglichst früh von der Bildfläche verschwinden und selbst, wenn es nur unsere Pferde sind, die wir hier zurücklassen, während wir durch den Tunnel zurückkehren, will ich sie weder allein lassen, noch, dass sie einen zu weichen Grund komplett zertrampeln.“ Das sollte selbst dem beschränktesten Reisenden einleuchten und bisher hätte Otgar nicht das Eindruck das Hesinde bei dem Rabensteiner gegeizt hätte. [Arvid (Otgar) 06.02.2017]

„Was wollt Ihr dann mit Zelten?“ Otgars diesbezügliche Pläne erschlossen sich dem alten Baron nicht. Der warf dem Salmfanger einen scharfen Blick zu, zuckte dann die Schultern und setzte schließlich hinzu. „Schaut euch lieber um! Wir sollten bald zurückkehren.“

Für die Schönheiten der Landschaft besaß Ira keinen Sinn, weil sie ihrerseits nachdachte. Zum einen an die Herrin Loriann und den Rondrageweihten, die so lange schon ohne – Aufsicht traf es nicht und doch passte kein Wort besser – waren. Zum anderen musste sie an die Zukunft denken. Neben ihrem Schwertvater stehend fing sie seine Aufmerksamkeit mit ihrem Räuspern ein und da sie die anderen in ihrem Tun nicht stören wollte, senkte sie die Stimme, bevor sie ihm zuraunte: „Jost. Vielleicht habe ich da auch etwas nicht ganz verstanden, aber sagte Efferdane nicht, dass Männer des Herzogs regelmäßig durch diesen Tunnel kommen, um Kisten zu bringen? Dann sollten die Leichen vielleicht nicht unbedingt hier vor sich hin faulen.“ (Ira/Tanja 6.2.)

„Dann muss die gute Efferdane eben dafür sorgen, dass die Toten schnell verschwinden. Hast du die Schweineställe gesehen? Denk nach.“

Ira nickte, als sie begriff, auf was er hinauswollte.

(…)

Als die kleine Gruppe Nordmärker durch den Tunnel zurück in die Burg kamen, wartet im Tunnel vor der schwenkbaren Regalwand ein schlaksiger junger Mann auf sie, der eine Laterne bei sich trug, um in der Dunkelheit sehen zu können. Seine Mutter habe ihm befohlen, hier zu warten, um die Herrschaften zu informieren, dass der ‚andere‘ Besuch unerwartet früh gekommen sei, sich nun in der Halle befand und dort erst einmal verköstigt wurde: 6 Reiter und ein Diener des Feurigen Vaters. Nach den Kisten habe noch niemand gefragt, die würden noch unangerührt im Keller herumstehen. Der Bursche, der im Lampenschein tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Efferdane aufwies, vor allem, was Nase und Augenpartie anging, drückte den Nordmärkern ein Bündel in die Hand. „Mit Grüßen von meiner Mutter, sie meinte, dass ihr das vielleicht brauchen könnt.“ Darin befand sich einfache Kleidung, getragen und ungewaschen: Gewandung für eine Dame und für einen Herrn. „In der Küche mischen wir bereits Nessel in ihr Essen und zu trinken gibt es Schnaps und den stärksten Wein, den wir hier haben. Damit sie etwas müde werden,“ erklärte der junge Mann, ehe er ein noch ganz anderes Thema ansprach: „Seine Ehrwürden sitzt zurzeit in der Kammer meiner Mutter und wartet auf eure Rückkehr. Ihre Hochgeboren, die Baronin, ist bei den Gästen aus Yol-Ghurmak.“

„Ich schlage vor, wir warten und besprechen uns hier im Tunnel. Im Keller könnten wir zu laut sein. Oder es könnten jemand von oben hinunterkommen, um doch mal einen Blick auf die Kisten zu werfen. Ich möchte ehrlich gesagt ungern riskieren, dass es ein verfrühtes Blutbad gibt, auf das wir nicht vorbereitet sind. Auch das mit dem Müdemachen scheint mir klug. Eine weise Kriegsführerin, eure Frau Mutter! – Wir sollten diesem Plan Zeit zur Entfaltung geben.“ schlug Jost unvermittelt vor, bevor er einen auffordernden Seitenblick auf Ira warf, der von Gedanken und einem Zwiespalt durchdrungen war. „Sorgst du dich immer noch so sehr um deinen Hagrian?“ In seiner Frage lag der deutliche Beweis für sein Missfallen.

„Er ist nicht mein Hagrian!“ gab die Jungritterin zischend zurück. Musste Jost das jetzt schon wieder so giftig aussprechen? Ausgerechnet jetzt?

Dann wandte Jost sich erneut an die anderen. „Wir schicken Ira hier zu Seiner Ehrwürden!“ machte er klar, als gäbe es daran nichts zu diskutieren. Am wenigsten mit Ira selbst. Die sah tatsächlich zornig drein, als er sie nannte. Jost allerdings ging nicht darauf ein, sondern drückte ihr kurzerhand zur Erklärung und Untermauerung seines Befehls das Dienstmagdgewand in die Hand. „Zieh dich um, du wirst gehen und auf ihn… aufpassen.“

Die Art, wie er über sie und Hagrian sprach, gefiel Ira nicht, aber sie schluckte angesichts der Probleme, die sie hier gerade zusammen zu bewältigen hatten, die Widerworte hinunter und tat brav, wie geheißen. Sie warf sich das Gewand über, musste jedoch ihr Kettenhemd dafür ausziehen. Und auch ihren Waffengurt. Ihr Haar versteckte sie unter einem Stück Leinen, das sie sich zum Kopftuch band. Im Schein der Laterne konnte man sie wenig später tatsächlich für eine Dienstmagd halten.

Wulf, so der Name von Efferdanes Sohn, öffnete dann den Tunnelzugang und als er sich vergewissert hatte, dass niemand sonst im Keller war, trat er mit Ira hinaus.

Jost hielt sie noch einmal zurück: „Du weißt, was von dem hier alles abhängt. Wir müssen hier stets in jedem Augenblick bereit sein. Keine Alleingänge. Weder zu zweit, noch der Geweihte allein! Hast du verstanden? Hast. Du. Verstanden? Benutze im Notfall das das.“ Er zeigte mit dem Finger auf den Ort, an dem sie ihr Messer trug, bevor er sie losließ und hoffte, dass sie es ja nicht vermasseln würde. Die Täuschungskünste seiner Knappin waren nämlich nicht die allerbesten. Auf der anderen Seite konnten sie alle an dieser Sache auch gewinnen, denn Ira würde den Maßnahmen nicht im Weg stehen und der Geweihte erst recht nicht, weil… Nein! Jost streifte den irritierenden Gedanken fort und wandte sich stattdessen mit einer letzten Frage an seinen Schützling: „Du kennst mein Credo?“

Ehr nur im Turneer. Ira nickte und schluckte schwer. Gab er ihr wirklich auf, dass sie die Waffe gegen Hagrian richten sollte?

Wenige Augenblicke später betrat sie mit Wulf und einem schweren Korb Rüben, den sie beide zu zwei mit sich schleiften, die große Halle.

Jost, Lucrann, Otgar, Caya und Tar’anam blieben allein im Tunnel zurück.

Damit waren all ihre Überlegungen wohl dahin, aber immer würden sie jetzt zur Tat schreiten und sich nicht länger an den fantastischsten Unmöglichkeiten aufreiben. „Damit wäre wohl ein frühzeitiges Verschwinden nicht mehr möglich.“ Stellte sie deshalb vorerst das Offensichtlichste fest. „Heißt, wir können uns jetzt nur noch überlegen, wann und wo wir zuschlagen wollen. Müde und abgelenkt sind zumindest zwei exzellente Grundvoraussetzungen, um der Lage schnell und leise Herr zu werden. Ich persönlich würde dabei gern so wenig wie möglich Blut vergießen und das aus gleich mehreren Gründen. Ein Kampf würde unsere Kräfte, die wir für die Reise dringend brauchen werden, nur erschöpfen und außerdem befürchte ich, dass Werwölfe über den Blutgeruch die Fährte noch leichter <a name="_GoBack" title="_GoBack"></a>aufnehmen könnten.“ [Arvid (Caya) 06.04.2017]

„Niemand sucht einen offenen Kampf, Magistra.“ Der Rabensteiner betrachtete die Dame mit ruhigem Blick. „Wir können sie nicht lebendig in unserem Rücken lassen – es sei denn, ihr riskiert Ihre Wohlgeboren zu opfern. Vermögt Ihr nachhaltig etwas gegen den Blutgeruch zu unternehmen?“ Er strich sich überlegend über den Bart. Dieser war ungleich schneller nachgewachsen. „Ansonsten werft sie in die Scheune und sperrt die Schweine dazu.“ Die einfachste aller Möglichkeiten – und die einzige, die jede noch so scharfe Werwolfsnase nie durchdringen würde.

Jost nickte zustimmend. Er war sich aber nicht sicher, ob Lucrann wie er das Auffressen im Sinn hatte oder nur, um den Blutgeruch zu übertünchen. Eigentlich war es egal. Wenn die Leichen erst einmal bei den Schweinen waren, würden die Leichen schon den Weg allen Derischen nehmen. Außerdem konnte man da ja auch mit einem Hackbeil etwas nachhelfen. „Macht die Viecher schön fett.“ (Jost)

„Zwei Gruppen oder drei?“ Der Einäugige betrachtete Otgar und Caya mit einem überlegenden Blick. [Lucrann (Tina) 6.4.17]

„Wir sind vier, die sind zu siebt. Wobei ich mir um die Soldaten weniger Gedanken mache als um diesen Diener des Feurigen Ihr-wisst-schon,“ brummte der Hlutharswachter und musste nicht erwähnen, dass von diesem Kerl die größte Gefahr ausging.

„Den übernehme ich.“ Bestimmte der alte Isenhager ruhig. Das würde die Gefahren reduzieren, wenn eines der Gruppenmitglieder patzte. [Lucrann (Tina) 7.4.17]

Auch Josts Blick fing Caya ein. „Es muss überraschend und schnell gehen. Könnt ihr einen von uns unsichtbar machen?“

Manchmal hatten es Magier nicht einfach und just in diesem Augenblick kam es Caya von der Aue so vor, als wäre es mal wieder soweit. Allgemein war bekannt, dass Magie die fantastischen Dinge vollbringen konnte, allerdings reichte die Fantasie der Menschen häufig weiter, als die Magie es tatsächlich vermochte. „Auch, wenn es einen Cantus gibt der die Unsichtbarkeit einer Person herzustellen vermag, muss ich Euch enttäuschen Hochgeboren. Denn dieser schafft es, einzig die Person, nicht aber ihre Kleider oder Waffen zu verbergen. Allerdings könnte ich dafür sorgen dass kein Laut zu hören sein wird.“

Otgar hatte sich in Sachen Magie bewusst nicht eingemischt, immerhin hatte er von den Möglichkeiten keine Vorstellungen. Bei dem Angebot der Magierin kam er dennoch nicht umhin nachzuhaken. „Wenn Ihr sagt kein Laut wird zu hören sein, meint Ihr damit, dass man uns draußen nicht hört oder hören wir ebenfalls nichts?“

Den großen Krieger direkt anschauend sorgte Caya sogleich für Klarheit. „In dem von mir bestimmten Raum, wird es keinen Laut geben der an ein sterbliches Ohr dringen wird. Weder innerhalb noch außerhalb, zugleich werden wir aber auch nicht hören wenn jemand sich uns von außerhalb nähert.“

Nickend nahm Otgar diese Antwort hin. „Wenn das so ist, sollten wir uns vorab gut absprechen und besonders aufmerksam sein. Da eine Verständigung nur noch mittels Gesten erfolgen könnte.“

„Wir dürfen ebenfalls nicht vergessen: nur, weil man sie nicht hört, ist keiner der Gegner aus der Welt. Es kann durchaus sein, dass ein Magier unter den Reitern weilt und wir den von ihm, wenn auch unter schwereren Bedingungen, gewirkten Zauber nicht hören und somit auch nicht frühzeitig reagieren können. Was diese Kreatur der Niederhöllen anbelangt kann ich nicht einschätzen ob es sein lästerliches Maul aufmachen muss, um uns mit unheiligen Kräften gefährlich zu werden.“ [Arvid (Caya, Otgar) 10.04.2017]

Jost dachte nach und dann erhellte sich sein Gesicht. Natürlich nicht wirklich, denn im fahlen Licht der Laterne war lediglich sein erfreutes Zucken sichtbar.

„Ich denke, es ist ganz einfach: Wir warten hier, bis sie sich satt gefressen und müde gehurt haben und schlafen. Notfalls harren wir den ganzen Tag hier aus. Hier ist es am sichersten für uns und so wie ich Efferdane nun kennengelernt habe, wird sie uns hier nicht verhungern lassen. Dann schlagen wir in der Nacht zu, unter Zuhilfenahme eures Stille-Zaubers, Caya. Die Leichen verfüttern wir an die Schweine. Dann verschwinden wir hier mit den Kisten über den Fluchttunnel und steigen auf die Pferde, die am Ende des Fluchttunnels auf uns warten. Irgendwer von Efferdanes Leuten muss die Gäule dann eben dorthin bringen.“ Jost wartete einen kurzen Moment, in dem er prüfte, ob ihm alle folgen konnten. Dann fuhr er mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht fort, um die erwartete Skepsis in den Gesichtern aufzulösen. „Die Herrin Loriann erzählt dann am nächsten Morgen allen Leuten hier, dass die Ysilier in der Nacht auf uns getroffen sind und uns umgebracht haben, weil sich herausstellte, dass wir mittelreichische Spione sind. Und da sie davon ausgingen, dass noch mehr von unserer Art in den Wäldern lauern, hat ihnen die Baronin von dem Tunnel erzählt, damit die Waren für den Meister Balphemor unbeschadet nach Yol-Ghurmak gelangen, denn das sei ihr sehr wichtig. – Loriann muss dann eben nur noch erklären, dass sie von uns, also den Mittelreicher Spionen, als Geisel hergebracht wurde, mit der man den Herzog unter Druck setzen wollte. Vielleicht erzählt sie, dass sie selbst sich diesem Rondrageweihten angenommen und ihn erdolcht hat, oder so. Das kommt sicher gut an und sollte ihr Ansehen verbessern, nachdem dieser Kerl ja den Hofgeweihten auf dem Gewissen hat. – Somit wäre unser Verschwinden erklärt und die Schuld von der Baronin genommen.“

Er blickte in die kleine Runde. „Alles verstanden?“

Zwar merkte Jost beim Erzählen selbst, dass einige Lücken in seinem Plan waren, aber wenn sich alle an diesen Plan hielten, auch die Herrin Loriann, dann würde das schon funktionieren. Sie hatten hier begrenzte Mittel und wenig Wege diese einzusetzen. So gesehen fand er seinen Plan fast gelungen.

„Euer Plan beruht auf vielerlei Annahmen.“ Perfekt war anders, sagte die Gestik des einäugigen Barons. Er zuckte die Schultern. „Sei’s drum – die ganze Nacht zu grübeln bringt nichts. Machen wir’s so. Ruhen wir uns aus und schlagen zur dritten Morgenstunde zu.“ Der Zeitpunkt,an dem Schläfer üblicherweise am tiefsten ruhten.

„Wir stellen Wachen auf – wer übernimmt die erste?“ [Lucrann (Tina) 13.4.17]

Aus Ermangelung an guten und praktikablen Alternativen nickte Otgar nur stumm, war dieser doch eher als optimistisch zu bezeichnende Plan unter all ihren Möglichkeiten auf Misserfolg noch halbwegs vielversprechend. „Glauben Hochgeboren wirklich das die Junkerin von Reussenstein eine derartige Lüge einem erzürnten Arngrimm aufzutischen vermag?“ Das Vorgehen mit den Wachen bereitete ihr die geringsten Sorgen, das war tatsächlich der Teil des Plans mit dem sie gut leben konnte. Allerdings zweifelte sie sehr dass jemand diese fadenscheinige Geschichte selbst der phexgesegnensten Silberzunge abnahm. „Mit den Wachen sollten wir vermutlich so wie vorgeschlagen verfahren. Wer aber sollte einer solchen Geschichte Glauben schenken? Das die Begleiter, die den Schutz Lorianns gewähren sollten, die sich ihnen bietende Chance ergriffen und heimlich die Lieferung für diesen Abschaum in Yol-Ghurmak stehlen glaubt ihr vermutlich jeder. Wo aber sind die überwältigen Spione hin? Woher sollten weitere Spione kommen? Bedenkt das diese Kreaturen Angrimms unsere Nachtlager häufig des Nachts umkreist haben! Wieso sollten die Leute aus Yol-Guhrmak ihren Wagen von Fremden an den Geheimausgang bringen lassen und dann auch noch die Pferde der Spione mitnehmen? Wir sollten eventuell in Betracht ziehen die Mühe auf uns zu nehmen und Viereichen zweifach verlassen. Einmal in Verkleidung als Transporttrupp und anschließend als Begleitgruppe Lorianns. Damit wäre Loriann in den Überfall vermeintlich überhaupt nicht involviert und darüber wo die Leichen dieser Ketzer geblieben sind sollen sie sich doch den Kopf zerbrechen. Ja, es würde uns mehr Zeit und Mühen kosten, aber die Geschichte ist allemal glaubwürdiger durch Loriann zu erzählen, zumal die Torwachen bestätigen können das wir zum Zeitpunkt des Abtransportes noch in Viereichen weilten.“ [Arvid (Caya, Otgar) 10.04.2017

Im Versteck des Geweihten

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Schon auf dem Weg die Treppe hinauf wurde ihr mulmig, als sie die Stimmen hörte. Lautes Gelächter, das Geräusch von auf den Tisch gehauene Humpen und das gierige Ausschaben von Schüsseln. Gemäß Wulfs Ratschlag ließ sie die Schultern nach vorn fallen und senkte den Blick – eine Haltung, die sie als Adlige nicht gewohnt war und die ihr deshalb Probleme bereitete, weil diese Haltung an ihr etwas gekünstelt wirkte. Auch hätte Ira zu gerne einen Blick auf die Ysilier riskiert, wenn auch nur, um zu sehen, wie die Junkerin in deren Mitte gelitten war.

Kaum waren sie mit dem schweren Korb hinter dem Wandvorhang hervorgetreten, rief einer der Ysilier: „He, halt, was habt ihr zwei Hübschen da?“

Beide blieben stehen. „Rüben, mein Herr. Für die Suppe, mein Herr.“ Antwortete Wulf sehr unterwürfig, während Iras Herz wie wild klopfte und sie darum betete, dass nicht einer von den Kerlen herkam, um sie sich genauer anzuschauen.

„Und die da?“ Der Ysilier gestikulierte mit einem Messer, an dem Reste des gebratenen Fisches hingen, den er eben erst damit aufgeschlitzt hatte. „Schick sie mal her zu uns! Ich will sie mir ansehen, das Täubchen.“

„Herr, selbstverständlich schicke ich sie euch, wenn wir die Rüben in die Küche gebracht haben.“ Weil der Ysilier nicht gleich reagierte, sondern nur dümmlich dreinsah, setzte der junge Mann noch ein erklärendes „Für die Suppe! Ihr wollt doch sicher eine.“ hinzu. Daraufhin grunzte der lüsterne Kerl verächtlich und wandte sich wieder dem Geschehen am Tisch zu. Weil sein Anführer, der Paktierer, einen gemeinen Witz auf Kosten der Baronin gemacht hatte, schallte Gelächter durch den Saal und keiner interessierte sich mehr für zwei Dienstboten mit einem Korb Rüben.

Ira atmete auf. So schnell sie konnten, durchquerten sie die Halle. Man musste das Glück ja nicht ein zweites Mal herausfordern.

*

Nur widerwillig war Hagrian Efferdane in die Kammern des Gesindes gefolgt. Nun saß er in der Schlafkammer Efferdanes zwischen den persönlichen Habseligkeiten der Haushofmeisterin auf einem Schemel, vor ihm ein Teller mit Brot, etwas Obst, ein Krug Wein und ein Schälchen Grütze, während anderswo in der Burg die Junkerin beweisen musste, wer sie nun war. Missmutig kaute er den Kanten Brot, weil ihn störte, sich verbergen zu müssen, doch sah er ein, dass er Loriann hier, im Verborgenen, gerade doch mehr von Nutzen war. Efferdane hatte zwar wortgewandt und charismatisch versucht, ihm dieses ‚Verlies‘ schmackhaft zu machen, hatte ihm sogar angeboten, dass er sich auch in ihr Bett legen dürfe, doch änderte nicht mal seine eigene Müdigkeit etwas daran, dass Hagrian sich hier fehl am Platz fühlte. Nein, nicht nur hier in dieser Kammer. In diesen götterlosen Landen allgemein! Zugeben musste er jedoch, dass es notwendig war und dass ihn Efferdanes ungebrochene Gläubigkeit, mit der sie den Widrigkeiten hier würdevoll trotzte, tief beeindruckte. Sie war wirklich eine bemerkenswerte Person und ihr Vertrauen in ihn ebenso stark, wie die Hand, mit der sie hier den Hof führte.

Trotzdem… In seinem Kopf schrien beständig zwei Stimmen, die sich einfach nicht einigen konnten: „Ehre“ schrie die eine und immer wenn sie die Oberhand zu gewinnen schien, war der blonde Eisensteiner kurz davor aufzuspringen und mit gezogenem Rondrakamm möglichst viele dieser Dämonenanbeter in die Niederhöllen zu schicken – unabhängig der schrecklichen Konsequenzen. „Schutz den Trutzenden.“ Sagte die zweite Stimme und ließ ihn immer wieder innehalten. Letztlich legte er seine Arme auf die Knie, lehnte seinen Kopf dagegen und verfiel in dumpfes Brüten.

Erst hektische Betriebsamkeit jenseits der Kammertür durchbrach seine Lethargie. Unweit der Küche gelegen hörte man von dort Töpfe klappern und Rufen – die Verköstigung der fragwürdigen ‚Gäste‘.

Die Stimme, die „Ehre!“ und „Schäm dich, du Heuchler!“ oder „Und sowas will ein Priester der Rondra sein!“ rief, wurde wieder lauter. Sein Griff um den Waffenknauf fester.

Gerade war er aufgestanden und wollte hinaus, da klopfte es. Aber nicht Efferdane, sondern Ira betrat den Raum.

Selbige trat sogleich ohne Aufforderung an ihm vorbei die Kammer, schloss die Tür hinter sich und riss sich anschließend das speckige Kopftuch und das einfache dreckige Gewand vom Leib, das ihren gestählten Leib wie auch ihr rotes Haar irritierend verhüllte. Sie war bis auf den Parierdoch an ihrem Gürtel waffenlos.

Irritiert blickte der Rondrianer die junge Frau an.

„Bevor du Fragen stellst: Ich musste als Dienstmagd herkommen, ist sicherer. Die Ysilier sitzen zwar in der Halle und fressen sich den Wams voll, fühlen sich aber sonst wie zuhause und tun so, als gehöre ihnen die Burg.“ Gab sie dem Geweihten sogleich Meldung, noch ehe er ein Wort an sie hatte richten können. „Die Herrin Loriann schlägt sich jedoch recht wacker. Glaube ich.“

Der Geweihte löste seine Hand vom Heft seiner Waffe, um sie kurz darauf wieder fester zu greifen. „Ira.“ sagte er nur. Kurz. Aber in seiner Stimme lag ein solches Gemisch aus Resignation, Selbstzweifeln und Zuneigung, dass die Jungritterin zunächst irritiert war. „Ira“ sagte er noch einmal. Als wäre ihr Name nicht nur ein einfacher Name, sondern eine Zauberformel, die ihn aus dieser fürchterlichen Situation hinausführen würde. Dann ließ er sich erneut auf Efferdanes Pritsche nieder, genug Platz lassend, damit Ira sich neben ihn setzen konnte.

Die aber zögerte und es stand ihr ein Zwiespalt ins Gesicht geschrieben. Dabei hatte Ira nur Josts Worte im Kopf: ‚Du weißt, was von dem hier alles abhängt! Wir müssen hier stets in jedem Augenblick bereit sein. Keine Alleingänge. Weder zu zweit, noch der Geweihte allein! Hast du verstanden? Hast. Du. Verstanden?‘ hatte ihr der Mann, der ihr Freund, Bruder, Schwertvater, Dienstherr und Verbündeter war, eindringlich geraten und Ira musste sich unter allen Umständen daran halten, wollte sie Jost nicht enttäuschen. Außerdem hatte er ihr nahegelegt, im Notfall ihr Messer zu verwenden. Ira war bewusst, dass dies durchaus eine Prüfung war, die er ihr aufgegeben hatte, aber auch, dass sie ihr aller gezinkter Würfel in diesem Spiel mit Hagrian war.

„Ich… wollte einfach nur mal schauen, wie es dir geht. Und berichten, was in der Halle vor sich geht.“ Ihr Blick fiel etwas hilflos auf die Reste seiner Mahlzeit. Eine Ablenkung, die ihr lieb und teuer war. „Ähm, isst du das hier noch?“

Hagrians Augen verengten sich kurzfristig zu Schlitzen. "Glaub mir ... ich weiß seeehr genau, warum du hier bist." sagte er verärgert. Hin und her gerissen, ob er dankbar war, sie hier zu haben, oder sich darüber ärgerte, dass ihm ein Aufpasser geschickt worden war. Dann wedelte er gönnerhaft mit der Hand. "Aber bitte, bedien dich."

Das ließ Ira sich nicht zweimal sagen, denn sie war in der Tat hungrig. Allerdings setzte sie sich mit dem Teller auf dem Schoß nicht zu ihm aufs Bett, sondern zog sich den Schemel zur Tür und setzte sich dort mit Blickrichtung zu Hagrian und mit dem Rücken gegen das Türholz.

In seinen Augen mochte diese ‚Wache‘ vielleicht lächerlich wirken, und ja, vielleicht war sie es auch, aber so hoffte Ira wenigstens eine Chance zu haben, verhindern zu können, dass der Geweihte sich irgendwann auf und davon machte. Denn dazu musste er erst einmal an ihr vorbei. Und wenn dieser Fall eintrat, gab es immer noch einige Dinge, mit denen Ira versuchen musste, das zu verhindern. Worte, Waffen, Küsse. Hagrian durfte diesen Raum nicht verlassen, bevor ‚es‘ nicht vorbei war und jemand mit dem verabredeten Zeichen an der Tür klopfte. Und bis dahin würde auch Ira diesen Raum nicht verlassen – so lautete ihre Aufgabe. Mehr musste sie in dieser Sache nicht tun. Nur diese eine einzige Aufgabe bewältigen.

„Hagrian, bitte hilf mir, meine Aufgabe zu erfüllen, ja?“ Ihre Bitte knüpfte an seine Bemerkung an.

Der Geweihte hatte seinen Körper mittlerweile ausgeklappt und bewegte sich im Raum auf Ira zu. Blieb dann aber vor ihr stehen und blickte auf den Rotschopf hinab. Fast war er bereit zu lachen. Aber nur fast. Ein unüberwindbarer Wachposten, seine Kleine, wie sie da kauend vor ihm saß. Streng sah er sie an. Ihr war ja wohl hoffentlich klar, dass sie für ihn kein Hindernis darstellte, oder?

Doch mit jedem ihrer vertrauensvollen Bissen wurde sein Blick weicher, dann drehte er sich um und setzte sich wieder auf die Kante des Bettes. Fuhr mit der Hand durch sein Haar.

Die Augen der Plötzbogen verfolgten dabei jede seiner Bewegungen. Eine Weile herrschte Stille und waren Blicke das einzige, mit dem sie kommunizierten.

Dann hielt Ira seine fahrigen Bewegungen nicht mehr aus. Sie schob den mittlerweile leeren Teller auf dem Boden von sich und stützte sich auf die Knie auf, während sie seinen Blick mit einem Augenaufschlag einfing und selbigen mit einem Lächeln erwiderte. „Erzähl mir, was hast du mit der Junkerin Loriann gemacht, als wir im Keller waren?“ Aus Iras Stimme sprach echte Neugier, auch wenn beide wussten, dass das Gespräch nur der Überbrückung von Langeweile dienen sollte. Als ihr ihre unpassende Wortwahl auffiel, lief Ira rot an. "Äh, ich meine natürlich, du und die Junkerin, was, ähm, habt ihr da oben allein..." Nein, das wurde nicht besser. Eher im Gegenteil. "Also, was ich sagen wollte...."

"Ich habe die Junkerin daran erinnert - wie jetzt dich - dass sie nun keine Junkerin mehr ist. Sondern Baronin. Und dass sie sich so benehmen muss. Und - so zu behandeln ist." Sagte er mürrisch. Er hasste es hier. Seine Selbstzweifel zerrissen ihn. War es richtig hier zu sitzen? Er sollte hinausgehen. Andererseits - sollte er auch hierbleiben. Sie baute darauf, dass er es tat. Ohnmächtig schlug er mit der Faust auf die Bettkante, was ein dumpfes Geräusch hervorrief.

„Baronin, ja, schon verstanden, tut mir leid, das vergesse ich hin und wieder.“ Ira versuchte, seinen spitzen Tadel nicht persönlich zu nehmen. „Wusstest du, dass sie mir während des Heerzugs gar nicht mal aufgefallen ist? Sie ist eine so stille, naja, eher unscheinbare Person. Was meinst du, was passiert hier mit ihr?“

"Im besten Falle - bleibt sie stark. Lässt sich nicht von diesen Dämonenanbetern verführen. Wird hier eine Trutzburg für den Glauben an die Götter halten. Den Seelen der Menschen und dem Land eine Chance zur Genesung geben." antwortete Hagrian: "Vielleicht verliert sie auch ihr Leben durch Willensstärke. Oder aber --- sie fällt. Gibt sich den Verführungen der schwarzen Lande hin. Vergisst ihre Loyalität und ihre Verpflichtung gegenüber Kaiserin, Herzog und den Göttern." seine Stimme klang müde. Er war noch schwach. Der Tag hatte ihn angestrengt. Seine Wunden pochten.

Ira gab ein nachdenkliches „Hm“ von sich und wirkte für den Moment mit ihren Gedanken woanders. Als ihre Augen ihn wieder fixierten, verschwand der Anflug von ein wenig – man konnte fast sagen – Selbsterkenntnis in ihrem Blick sogleich.

„Aber du hast doch ihr Schwert geweiht, dachte ich, oder?“ Eher eine rhetorische Frage, um die Stille zu durchbrechen. Und um davon abzulenken, dass sie bei ihren Worten gerade an etwas gedacht hatte, was sie von ihrem Schwertvater wusste. „Die Jun-, ähm Baronin ist doch eine rondrafürchtige Frau. Sonst hätte sie dich nicht gebeten, ihrer Waffen den Segen zu geben. Ich glaube nicht, dass sie sie gleich wieder entweihen wird.“ Scheiße, Ira, was plapperst du da nur? Irgendwie merkte sie, dass das Thema, das sie zur Ablenkung angeschnitten hatte, doch dünneres Eis war, als es ihr guttun würde. Nicht auszudenken, wohin das führen konnte, wenn sie weiter mit Hagrian über die göttliche Leuin und den ehrfürchtigen Umgang mit rondrageweihten Waffen sprach.

„Ja, ihre Waffe ist geweiht. Sie wird ihre Erinnerung sein. Und ihre Hoffnung.“ sagte er matt. Er musste hinaus. Nach draußen. Aber … es würde viel kosten. Es wäre klüger – sich ein wenig zu schonen. Seinem Verstand die Ruhe zu gönnen, die sein Körper so dringend brauchte. „Wieso glaubst du ... sie würde ihre Waffe entweihen?“ Was redete sie nur?

„Naja ich meine, wenn sie gezwungen ist, gegen die Gebote... Nein, natürlich, du hast Recht. Sie wird sicherlich nicht riskieren, dass sie das, was ihr Halt gibt, verliert.“ Ira schwitzte insgeheim, fand aber die Art, wie sie das Gespräch doch noch gerettet hatte, ganz annehmbar. Zur Ablenkung – ihrer und seiner – stand sie auf und prüfte aus Verlegenheit, ob die Tür noch immer gut verriegelt war, bevor sie sich wieder setzte. Er konnte spüren, dass da nach wie vor ein Zwiespalt in ihr herrschte und dass ihr vorsichtiges Lächeln, mit dem sie den kleinen dunklen Raum zum Leuchten brachte, mehr war als ein Ausdruck ihres Mitgefühls.

„Wenn du dich ein wenig langmachen und die Augen schließen willst, tu das ruhig. Ich passe ja auf.“ Wie zum Beweis, dass es ihr mit dieser Aussage ernst war, zog sie ihren Dolch, die ihr einzig verbliebene Waffe, und legte sie griffbereit neben sich. Iras Augen blickten ihn dabei mit einer Mischung aus Zuneigung und hoffnungsvollem Flehen an.

Fast hätte er gelacht. 'Putzig' schoss es ihm durch den Kopf. Doch sein geschundener Körper verlangte verzweifelt nach Ruhe. Er schloss die Augen. Öffnete sie aber gleicht wieder und sah zu Ira hinüber. Es war nicht so, dass er sich sicherer fühlte, weil sie hier war, oder beschützt. Denn wer hier wen mit seinem Leben schützen würde, wenn es nötig wäre, war für Hagrian keine Frage. Wieder fielen seine Augenlider schwer hinab. Es war eher, dass er sich … angenehm eingehüllt füllte. Ein absonderliches Gefühl für jemanden wie ihn. Ihre Anwesenheit, ihr Geruch, ihre Nähe. „Gut,“ brummte er, „ich werde ein wenig dösen. – Wenn jemand klopft oder nach mir verlangt wird, weck mich auf.“ sagte er etwas verbittert.

Ira nickte.

Nur einen Augenblick später hörte sie bereits seine gleichmäßigen Atemzüge – er war einfach eingeschlafen.

Die Jungritterin konnte sich nicht erwehren laut zu seufzen, als sie merkte, dass der Geweihte schlief. Sie konnte nicht leugnen, dass ein großer Teil der Anspannung von ihr abfiel, weil sie nun nicht mehr fürchten musste, dass ihr Liebster aufstehen und sich umbringen würde, in dem er sich diesen Ysiliern selbst und wohlmöglich noch alleine annahm. So war das jetzt halbwegs entspannt. Ira sandte ein Stoßgebet zu Boron und Peraine, auf dass beide – falls sie sie hier überhaupt hörten – doch bitte Hagrians Körper annahmen, und wünschte dem Geweihten einen geruhsamen und vor allen Dingen erholsamen Schlaf.

Eine ganze Weile saß sie noch an ihrem Platz an der Tür, hin und wieder liebkoste ihr sorgenvoller Blick den schlafenden Körper. Die springende Löwin hatte sie noch gut in Erinnerung. Ira schmunzelte und ein warmes Gefühl wie die Sehnsucht nach seiner Nähe flutete ihr Inneres. Sie vernahm ein tiefes Sehnen in sich, das sie drängte, sich jetzt und hier zu ihm auf das fremde Bett zu legen, und die Vorstellung, sich in Hagrians Arm zu schmiegen, während sie seinem zufriedenen, friedvollen Atem lauschte, der Welt so für einen kleinen Moment zu entfliehen, gemeinsam mit ihm, auch wenn er dabei schlief, hatte etwas Verlockendes. Dann jedoch fiel ihr wieder ein, in welcher Hölle sie hier gelandet waren und sie blieb schweren Herzens an der Tür sitzen. Sie wusste nämlich, dass sie in seinen Armen die Augen garantiert nicht aufhalten können würde, so sehr überkam sie mit der Zeit die eigene Müdigkeit. Also stand sie auf, schüttelte die Glieder, ging im Raum umher, lauschte nach draußen, dann wieder, ob der Mann auf dem Bett noch atmete, focht mit dem Parierdolch in die Luft, sie überlegte sich sogar, ob sie mit seiner Zweitwaffe üben sollte, nur für den Fall der Fälle. Sie zählte die Nägel in den Wänden, entwirrte die Knoten in ihren Haaren, stach sich mit der Spitze ihres Dolchs in die Hand, bis der Schmerz den Schleier der Müdigkeit vertrieb,… und tat ansonsten alles erdenklich mögliche, um selbst nicht einzuschlafen. Sie hatte ihre Aufgabe – und, scheißverdammt, die würde sie erfüllen.

Der Plan, den die Schicksalsgefährten gefasst hatten, funktionierte tatsächlich. In der tiefe der Nacht wurden der Geleitschutz aus Yol-Gurmak, der durch Caya zusätzlich betäubt wurde, ausgeschaltet. Dies geschah laut und mit viel Tumult, so dass es die Besatzung der Burg auch zwingend hören konnte.

Am nächsten Morgen verkleideten sich die Helden mit den Gewändern der Ermordeten und entsorgen die Leichen der "Feindlichen Spione", die durch die neue Baronin enttarnt wurden, klein zerhackt im Schweinestall.

Danach reisten die neuen "Yol-Gurmaker" ganz offiziell, mit den Pferden der Mittelreicher als Beute und den Kisten mit Artefakten ab und ließen Loriann in ihrem neuen Schicksal zurück.

Hagrian hatten sie, da er sich weigerte bei der Scharade und den Morden mitzumachen, noch in der Nacht durch den Fluchttunnel nach draußen "komplementiert", wo er an einer vereinbarten Wegmarke auf sie wartete. Es hatte Ira viel Überredungskunst gekostet, war aber letztendlich dann doch geglückt.

Kurz vor dem Ysilsee, als die Helden sich außer Sichtweite von Viereichenern wussten, bogen sie ab und schlugen sich fortan durch die Wildnis in Richtung des befreiten Tobrien.

Doch waren ihnen immer wieder Spähtrupps Arngrimms nah auf den Fersen. Viel Zeit für andere Dinge gab es nicht, im Vordergrund stand die Flucht und das Überleben der Gruppe, um die ganze Mission nicht zu gefährden.

Rondras Tribut und Shinxirs Triumph

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Hagrians Tod

Im Morgengrauen erwachte Hagrian. Er hatte die erste Wache gehabt und danach einige Stunden schlafen können. Unruhig. Wie seit Wochen. Jetzt schnarchten seine Begleiter neben ihm und leise erhob er sich, um den anderen die kostbaren Momente des Kräfteholens nicht zu stehlen. Ein jeder von ihnen brauchte Kraft. Sonst würden sie es wohlmöglich alle nicht schaffen. Keine Frage: dieser Ritt, diese Mission, zehrte an allen – ja, auch an jemandem wie dem Rabensteiner Baron, der immer noch so tat, als würde er über den Dingen schweben. Doch Hagrian war sich sicher, dass auch dieser nahe an seine Grenzen war.</a>

Ira hatte die letzte Wacht und lehnte in der Nähe an einem knorrigen Nussbaum und beobachtete ihn.

Er schritt auf sie zu und sah sich um. Wo war Otgar, der mit der jungen Plötzbogen Wache halten sollte?

„Bei den Pferden.“ raunte die ihm als Antwort zu und überzog den Geweihten mit einem sehnsuchtsvollen Blick. „Ich wache derweil über euren Schlaf. Warum bist du schon wach?“

Der Geweihte schmunzelte. Ach, sie war so herrlich erfrischend. Ein Goldstück. Nein, eher ein Schmetterling mit zarten zerbrechlichen Flügeln.

„Ich habe mich herumgewälzt.“

„Ja, das war nicht zu übersehen. Du warst oft wach, wie mir schien.“ Sie sah ihn besorgt an.

Er ließ sich neben der jungen Frau nieder und nahm wie selbstverständlich ihre Hand. Obwohl sie seit ihrem Aufbruch von Viereichen keine private Stunde und auch keine Zärtlichkeiten mehr genießen konnten, fühlte er sich ihr nahe. Als würde das Band, das sich langsam um sie wickelte stärker werden – einzig durch den erzwungenen Abstand.

„Ira.“ Seine Stimme klang sanft und hatte einen liebevollen Beiklang, bei dem sich eine feine Gänsehaut über Iras Haut breitete. Sein Daumen strich sacht über ihre Fingerknöchel als er weitersprach: „Ira.“ Er seufzte. Wie sollte er ihr erklären, was er in den letzten Stunden, während seiner für sich herausgefunden hatte. Sie würde es nicht verstehen.

Sie fing seinen schweren Blick mit einem vertrauensvollen Lächeln auf, das allerdings von der Sorge in ihrer Stimme gebrochen wurde. „Was ist los?“ Die junge Hlutharswachterin griff seine Hand mit der ihren und drückte sie sanft.

Er seufzte erneut. „Mir liegt etwas auf dem Herzen. Etwas, das ich dir gerne sagen würde. Etwas das du wissen musst. Etwas das du für mich tun kannst.“

„Das sind ein bisschen viele ‚Etwasse‘.“ Ihr Scherz, wenn es denn einer gewesen sein sollte, kam nicht an, denn sie hob just danach einen Finger zum Zeichen der Stille und warf einen Blick durch die Umgebung. Dabei ließ sie auch seine Hand los, um vorsichtshalber ihr Rapier zu greifen, welches griffbereit neben ihr lag. Mit ernstem Blick tastete sie dann das Dunkel gewissenhaft nach Unliebsamkeiten ab. Ja, sie nahm ihre Wache ernst, trotz, dass er nun bei ihr war – wenn das mal kein sichtbares Zeichen für ihre Reife war. Er merkte: die Knappin, die er an der Tesralschlaufe geküsst hatte, gab es nicht mehr. Sie war aufgegangen in einer ernsten jungen Frau... Ritterin. Sie mochte zwar noch dasselbe blutjunge Alter haben wie vor der Schlacht und auch die Narben auf ihrer rechten Wange waren dieselben, wie die, die er nach der Überquerung der Tobimora versorgt hatte, ihr Haar war immer noch kupferrot, ihr wohlgeformter Körper einladend berührenswert, ihr Mund schrie wie damals nach der Liebkosung seiner Lippen. Und doch war sie eine andere. Mendena hatte ihr einen Teil ihrer jugendlichen Unbeschwertheit genommen. Mit dem Teil, den sie sich jedoch bewahrt hatte, lächelte sie ihn nach ihrem Kontrollblick an. „Was wolltest du sagen?“

Er musste ihr etwas sagen, das stimmte. Doch er wollte es nicht. Noch nicht. Die bittere Botschaft würde ihm und auch ihr schon noch schwer genug fallen zu ertragen, also konnte er das Unvermeidbare ja noch ein kleines bisschen hinauszögern, und sich stattdessen einer viel süßeren Beschäftigung widmen. Ohne Vorwarnung ließ er seine freie Hand in ihren Nacken gleiten und zog sie stürmisch an seine Lippen. Teilte ihren Mund mit seinem und spielte mit ihrer Zungenspitze, die so verlockend süß schmeckte wie immer.

Völlig unerwartet drückte Ira sich von ihm ab und entfloh so seinen fordernden Zärtlichkeiten, auch wenn es in ihr kribbelte wie tausend Käfer.

„Was… ist in dich gefahren?“ Sie war ebenso verdutzt über seinen Überfall wie er über ihren Einwand. In ihrer Stimme, die sie trotz ihres Überraschtseins gesenkt hielt, schwang jedoch kein Vorwurf mit, sondern Gefallen, aber auch Bedauern. „Ich kann doch nicht…. Ich meine, wir… können doch nicht… Und wenn gerade dann Gefahr über uns kommt und wir sie nicht bemerkt haben, weil wir…. Uns geküsst haben?“ Er schmunzelte über ihr Stottern. „Das wird nicht passieren, vertrau mir. Lass uns lieber für einen kleinen Moment das Leben genießen, solange wir es haben. – Und so lange die anderen noch schlafen.“ Murmelte er und wollte sie erneut an seine Brust ziehen und sie mit der Wärme seiner Lippen liebkosen. Seine Hände glitten über ihren Rücken und schickten prickelnde Schauer, welche die junge Frau an andere Stunden erinnerte. Und in ihr den Wunsch nährte, diese Stunden mit ihm wieder zu erleben: An einem sicheren Ort, wenn Frieden im Land und in ihren Seelen herrschte.

Wild klopfte ihr Herz, als sie sich Hagrians Umarmung gefallen ließ und für den Moment abfiel, was sie steif machte. Sie vertraute seinem Wort. Wollte so gerne vertrauen. Ihm, der er Zauberhände und -lippen besaß, oh ja, so musste es sein! Denn kaum berührten diese sie, schoss wild Blut durch Iras Glieder und fing an, an gewissen Stellen zu pulsieren. Wärme durchflutete ihren Leib und ihre Seele, und beinahe konnte sie darüber vergessen, wo sie hier waren und dass ihre Aufgabe die Wacht war. Er hatte sich einen denkbar ungünstigen Augenblick ausgesucht, um ihr zu sagen, dass er sie ebenso vermisste, wie sie ihn, und das, obwohl sie seit einigen Tagen tags und nachts zusammen auf einem Fleck hockten. Hagrians Berührungen rissen Ira jedoch deswegen so mit, weil sie sich diese bislang nur hatte ersehnen können, denn die „Umstände“ hatten nicht wirklich etwas anderes zugelassen. Die Umstände und sein dämlicher Dickkopf!, verbesserte sie sich, während sie seine Zärtlichkeiten dankbar, freudig, ja geradezu gierig erwiderte. Ach, wenn sie doch nur schon alle zurück wären. Sie hätte Hagrian zu Boden geworfen und ihm gezeigt, wie man das Leben wirklich genoss.

Hagrians Mund suchte ihr Ohr. Küsste ihr Haar, fuhr mit der Zungenspitze die Muschel entlang und knabberte spielerisch daran. Dann fuhr er mit seinen heißen Lippen ihren Hals hinab während seine rechte Hand sanft die Haare an ihrem Hinterkopf streichelten und seine Linke sich langsam den Weg zwischen ihre Schenkel zu heißem, warmen Fleisch bahnte. Ihr Leib war so schmiegsam, wie es in diesem Aufzug möglich war. Die Andeutung ihrer Windungen, dazu ihr kehliges Gurren, ihr Atmen, ihre Nähe …

'Bitte lass es nicht die andern sehen, lass es bloß nicht die anderen sehen!' betete sie im Stillen, weil sie diesen kostbaren Moment für sich und Hagrian allein forderte. Kein Tobrier sollte sie jetzt stören, noch irgendein Nordmärker mit etwaigen dummen Sprüchen, seltsamen Blicken oder tadelnden Belehrungen. Selbst Otgar, den sie ja ebenfalls wach wusste, hatte sich gefälligst jetzt, für diesen Moment, und wenn es nach Ira ging, fern zu halten. Sie griff ihrerseits nach dem Geweihten, hielt sich irgendwo fest, wenn es denn nur an ihm war. Unter all den vielen Lagen Stoff und Metall verbarg sich sein schlagendes Herz. Kalt fühlte sich hingegen seine Platte an, kühl und tot - Metall lebte ja nicht. Aber der Mann darunter tat es und wärmte mit seinem heißen Atem Iras Hals, dass ihr selbst schwitzig-warm wurde unter ihrer Rüstung. Ihrem Mund entflog ein leises "Warum hast du so lange damit gewartet?". Eine eher rhetorische Frage.

Hagrian hielt kurz inne. Seine Hände umfassten Iras Wangen und er blickte ihr in die Augen. „Dieses Land hier, Ira.“ er seufzte: „Dieses Land verlangt mir alles ab. Alles. Alles an Selbstbeherrschung. Alles an Kraft. Alles an Glauben und Stärke...“ Er zögerte kurz. „Aber diesen Moment hier möchte ich mir nehmen. Ich. Einfach ich. Als... als Mensch. Jetzt und hier. Mein Herz befielt es mir.“ Und er zog sie wieder an seine Lippen. Und diesmal war sein Kuss sanfter. Weicher. Inniger. Als ob er eine kostbare Erinnerung erzeugen wollte. Seine Finger schlangen sich um ihr Haar. Dann sah er ihr wieder in die Augen, seine Finger immer noch in ihrer Mähne vergraben. „Egal was morgen auch sein wird, Ira. Heute. Liebe. Ich. Dich.“ Und er zog sie wieder an seinen Mund. Unendlich zärtlich spürte sie nun seine Küsse wie Federstriche auf der zarten Haut ihrer Lippen.

„Hagrian,…“ mehr als seinen Namen brachte Ira nicht mehr heraus. Waren es seine Worte – klar, ehrlich und darüber hinaus vollkommen unwiderruflich - die ihr eine Gänsehaut am ganzen Körper bescherte, oder der kalte Morgenwind, der aus den Bäumen fiel? Oder war es das Feuer, das in ihr brannte, weil sie den Älteren so begehrte, seinen Leib, seine Seele, weniger den Geweihten als den Mann hinter all den Narben und Geboten? Sie wollte Hagrian von Schellenberg erwidern, dass sie genauso empfand. Und doch bekam sie keinen Ton über die Lippen, die er so zärtlich liebkoste. Zu zerbrechlich kam ihr der schöne Augenblick vor, den sie dieser schlechten Welt für den Moment abrangen. Ihr Glück hieß Heimlichkeit – wer hätte das gedacht - und ihre Nähe hatte fast schon etwas Heiliges! Schliefen die Dämonen etwa noch? Wie sonst war zu erklären, dass die Schönste unter den Herrinnen Alverans gerade so stark und präsent war?

Oder hatte Satinav, der Herr der Zeit, selbige für sie beide einfach eingefroren??

Egal was morgen kommt, heute liebe ich dich.

Hagrians geständige Worte hallten in Ira wieder, während sie sich küssten und sie sich von seinen Zärtlichkeiten verführen ließ.

Egal was morgen kommt.

Das hieß: Egal, was morgen sein würde, egal wie sehr sie in Bedrängnis geraten sollten, und egal, was da auf sie alle zukommen würde… seine Gefühle galten ihr, der 17-jährigen ehemaligen Knappin und sein Sehnen war mehr als der Wunsch, sich in ihrem willigen Schoß zu versenken. Gleichzeitig aber hatten seine Worte auch einen Hauch von Endgültigkeit an sich, der ihr erst nach einer kleinen Weile auffiel, aber der dazu führte, dass sie sich unweigerlich verkrampfte. Sie fand dabei zu ihrer Stimme zurück und in die harte Wirklichkeit ihrer Existenz. Verwirrt und ängstlich sah sie ihn daraufhin mit großen Augen an. „Was hast du vor?“ kam es ihr zaghaft über die Lippen.

Sie hatte seine Botschaft verstanden.

„Ira... Dass ich Mendena überlebt habe, ist … überraschend gewesen. Es hätte anders sein sollen...“

Ihr Blick bekam den Ausdruck von unbändigem Entsetzen, während sie den Kopf schüttelte.

„Und doch ... hat mich meine Herrin hierher geführt … Dass ich lebend aus den schwarzen Landen wiederkomme … wäre noch überraschender.“ Sein Daumen streichelte über ihre Hand. Dann griff er sich selbst in den Nacken und nestelte am Verschluss eines ledernen Bandes.

Was redete er da nur? Ihre Aufmerksamkeit wurde jedoch von etwas anderem gebündelt. Sie stutzte verwundert, als Hagrian ihr eine Kette in die Hand legte. Es war ein ledernes Band, an dem kleine, viereckige Holzplättchen hingen. Zwölf an der Zahl. In jeden war ein Löwenkopf geschnitzt. Nicht besonders kunstvoll. Fast wie … von einem Kind. Auf der Rückseite stand in krakeligen, klitzekleinen Kusliker Zeichen irgendetwas, das Ira im dämmrigen Licht des frühen Morgens nicht entziffern konnte.

Hagrian zog sie an seine Lippen und nach einem sehnsuchtsvollen Kuss sagte er zu der Geliebten in seinem Arm: „Diese Kette soll dich schützen, solange wir hier sind. Wenn du aber zurück in den Nordmarken bist, gib sie meinem Bruder Lupius.“ Endgültigkeit und Wehmut lag in seinem Blick.

Ira starrte auf das kindliche Kunstwerk in ihrer Hand. Er wollte also, dass sie Bote für ihn spielte, weil er glaubte, … bald zu sterben. War das sein Ernst? Genau diese Frage lag in ihrem Blick, als sie zu ihm aufsah, vor Skepsis und Widerwillen waren ihre Augen kleine Schlitze. „Ich soll also…“ Ihre Gedanken drehten sich plötzlich unheilvoll im Kreis. Ja, dies WAR ein Abschied. Und er zwang ihn ihr auf. Ihr gefiel weder das eine noch das andere, doch das Erschreckende war, dass sie ihn irgendwie auch noch verstand!

Noch ein Anlauf, den Satz zu vollenden: „Du willst, dass ich deinem Bruder Kunde von deinem….“ Ira musste den scharfkantigen Felsblock erst schlucken, ehe sie dieses Wort überhaupt in den trockenen Mund nehmen konnte: „… von deinem Tod bringe??“ Mit bettelnden Augen, die hofften, er würde den Scherz auflösen, sah sie ihn an und verschloss dann seinen Mund mit ihrer Hand. „Hör auf, so etwas zu sagen! Du machst mir Angst. Das… das kann unmöglich dein Ernst sein, Hagrian - Reiß über den Tod keine Witze!!“

Sie hatte sich aus seinem Arm erhoben und geradegesetzt. Ihr Instinkt drängte sie dazu, die Kette zurück zu geben, ihr Herz aber befahl ihr, sie an sich zu nehmen und zu verwahren, bis sie sie ausliefern konnte.

Hagrians Stirn zog sich kraus: „Ira, ich würde niemals Witze darüber machen.“ Er griff wieder ihre Hand. „Ira, versteh doch, es ist ein Wunder, dass ich Mendena überlebt habe. Und Viereichen. Wir sollten dankbar sein, dass Rondra uns noch diese zusätzliche Zeit gewährt hat. Ein weiteres, noch größeres Wunder einzufordern, wäre….“ Er brach den Satz ab und fuhr seufzend fort: „Und uns die geschenkte Zeit verderben, weil … wir beide … uns gerade wünschen, in Frieden … zusammen zu sein, wäre doch eine große Dummheit, nicht wahr?“ Seine Augen ruhten traurig auf ihr. Er beugte sich zu ihr vor, einen neuerlichen Kuss fordernd. Gierig und endgültig.

Die Jungritterin ließ die Lippen leblos, denn sie war viel zu sehr damit beschäftigt, die Fehler in Hagrians Worten zu suchen, um sie ihm vor Augen führen zu können. Dumm war ihrer Meinung nach, dass er seiner eigenen Vergänglichkeit hinterher hechtete und wohl nicht verstand, dass die Götter vielleicht sogar wollten, dass er lebte. Es würde allerdings unsinnig sein, ihm das zu sagen. Wie sie ihn einschätzte, würde er nichts dergleichen hören wollen.

Sie löste sich sanft aber bestimmt von ihm ab, um sein Gesicht in die Hände nehmen zu können. Indem sie mit beiden Handflächen seine Wangen festhielt, wollte sie tief in seinen Augen nach etwas suchen, was sie vermisste. Seinen Mut. Und seine Unerschütterlichkeit. Und seinen Wunsch, verrückt zu sein – Ja, den hatte sie nicht vergessen, wie auch. Das hier, die Sache mit ihm und ihr – verrückter ging es ihrer Meinung nicht mehr. Wo war dieser Wunsch jetzt?

In ihrem Gesicht spiegelte sich seine Traurigkeit, als sie ihn ansah, mit ihren zarten Fingern seine stoppelige Wange streichelte, und ihre Augen glasig wurden. „Ich versteh ja was du sagen willst. Dass du jetzt, heute, da rausgehst und ….“ Auch Ira konnte die Dinge nicht aussprechen, es tat ihr einfach zu sehr weh. Außerdem war ihr Hals trocken, ihre Zunge ein kratziger Lappen. „Und dass du mich bittest, dich gehen zu lassen. … Aber was, wenn ich das nicht kann? Ich mich nicht von dir verabschieden will? Weil ich…“ Eigentlich wollte Ira den Satz beenden mit ‚Weil ich genau an dieses Wunder glaube, welches du als unmöglich ansiehst‘, aber dann fehlte ihr doch jegliches Wort und sie presste ihre Lippen stattdessen verloren und ohnmächtig ob seines Vorhabens auf die seinen, während sie immer noch sein Gesicht in den Händen hielt und leise zu schluchzen begann.

Seine Hände, die ihren Kopf fassten, ihren Hals berührten und durch das Haar bahnten, brannten ihr jegliches Zeitgefühl aus. Sie hatte durch ihre Angst ihn zu verlieren plötzlich alles vergessen: Tobrien, die Gefahr, die anderen und auch das, was sie ihm unter allen Umständen vorenthalten musste. Sie wollte ihm stattdessen sagen, wie viel er ihr mittlerweile bedeutete und dass ihre Gefühle für ihn mehr waren und tiefer gingen, als es der bloße Hauch einer kurzen rahjanischen Begegnung im Normalfall tat. Sie vergaß jedoch in seinen Armen Zeit, Ort und Gefahr.

Und der Mann bei ihr tat auch alles, damit das so blieb. Seine Lippen liebkosten die ihren. Hungrig und verzweifelt. Sein Mund schmeckte bitter und doch so süß, verlockend. Seine Hände berührten ihr Schlüsselbein und strichen sacht über die empfindliche Haut, die von dort zu ihrem Brustbein führte, fast zärtlich spielten seine Finger an der goldenen Kette, die Ira um den Hals trug. Er spielte ein wenig mit dem güldenen Anhänger, fühlte dessen Kanten und Form, während er sie mit Küssen liebkoste und dann ….

… Dann stockte er plötzlich. Entzog ihr seine Lippen. Seine Nähe. Und starrte auf den Anhänger, den die junge Frau um den Hals trug.

Sie hatte gar nicht mitbekommen, warum er sich auf einmal veränderte. Sein abruptes Ende quittierte sie nur mit einem sehnsüchtigen Seufzen. Nach wie vor ohnmächtig-traurig blickte sie ihn an. Sie wusste ja ganz genau, dass er ihr nicht die Chance lassen würde, ihn letztlich doch zu überzeugen, bei ihr zu bleiben. Und am Leben.

Sein zuvor anschmiegsamer Körper war plötzlich steif geworden. Seine Lippen hatten sich zu einem geraden, wütenden Strich verzogen und die blauen Augen fixierten Ira mit plötzlich hartem Blick. Seine Stimme klang belegt und brüchig, als müsse er sich zügeln: "Was... ist .... das.... Iradora?" Seine Hand umklammerte immer noch Josts Initiationsgeschenk. Das kleine Insekt lang glänzend in seiner verkrampften Hand. "Sag .. mir ... von ... wem du das hast!" Hagrians Stimme klang fast wütend. Auf eine Weise, die Ira noch nie kennengelernt hatte. Eine Wut, die ihr das Blut gefrieren ließ. Die sie an kalten, unnachgiebigen, göttlichen Zorn erinnerte. Und es dauerte einige Wimpernschläge ehe sie begriff, WAS Hagrian zwischen seinen Fingern hielt.

Als sie es dann tat, war es zu spät für Ausflüchte. An einer alten speckigen Lederschnur trug sie kein silbernes Ross, keine goldene Schlange, weder einen kleinen Löwen, noch ein anderes stilisiertes Göttertier, sondern ein geflügeltes kleines Raubtier. Für eine Biene zu wehrhaft, für eine Wespe zu elegant. Ein majestätisches, fein gearbeitet, mit Fühlern, kleine Fresszangen am Kiefer und einem stachelbewehrten güldenen Hinterteil mit einer sehr offensichtlichen Andeutung von Streifen am Körper. Keinem der Herren Alverans war es zugehörig. Zumindest keinem derzeitigen Herrn Alverans!

Ja. Nun war passiert, wovor Jost sie eindringlich gewarnt hatte und was er ihr eingebläut hatte, dass es nie, nie, nie passieren durfte….

Scheiße!!!

Der Schreck hatte die Sehnsucht aus den Augen der Jungritterin gewischt wie aus seinem die Verzweiflung. „Das, ähm ist … ein Erbstück!“ antwortete Ira ihm rüde, während sie nach seiner Hand griff, die die kleine Hornisse festhielt, wie um deutlich zu machen, dass ihn der Anhänger nichts anging. So ganz falsch war das ja nicht, denn sie hatte ihn schließlich wirklich geerbt. Von Josts erster großen Liebe. Doch geerbt war geerbt, denn diese Liebe war schon lange tot.

„Lass die Kette, meine ich,“ Er zog in seiner schwer einschätzbaren Wut so sehr an dem Lederbändchen, dass es Ira in den Nacken schnitt. „oder willst du mich erwürgen?“ Auch ihrer Stimme war Zorn anzuhören. Doch auch etwas anderes: Panik.

Ein wenig lockerte sich sein Griff. Doch seine Stimme klang weiterhin schneidend und sie meinte auch in seiner Stimme etwas ihrer Panik widergespiegelt zu hören. „Ein Erbstück? ... das ich noch nie zuvor gesehen habe. An der Tesralschleife und vor der Schlacht in Mendena jedenfalls hast du es noch nicht um den Hals getragen. Wann hast du es geerbt? In Mendena? Verkauf mich nicht für dumm, Ira! Dies ist eine scheiß Hornisse!!“ die Wut durchdrang seine Worte. Jetzt ließ er sie endgültig los und starrte sie ungläubig und voller Unbehagen an.

„Vielleicht… vielleicht habe ich es einfach bisher nur nicht angehabt?!“ entgegnete sie ihm stutenbissig. Fast ein wenig zu zögerlich – obwohl sie sich Mühe gab, ihre Verteidigung glaubhaft zu machen und ihrerseits mit einer beleidigten Geste die Berührung aufhob. Dennoch konnte sie sich einem entsetzten Aufblitzen ihrer Augen nicht erwehren, als Hagrian sie auf die Symbolik ihres Anhängers ansprach. Da er die Menschen kannte, las er aus ihr, dass sie nun einen deutlich längeren Moment brauchte, um sich eine neue Ausrede einfallen zu lassen. Sie schnappte nach Luft. „Also DU kannst jahrelang ein altes kaputtes Holzding um den Hals tragen, aber ich darf mich nicht mit Kriegsbeute schmücken, ja?“ Es war das Beste, was ihr einfiel, nachdem er wegen dem Erbstück so misstrauisch geworden war. „Ich hab DEINE Kette an dir bisher auch noch nie gesehen. Stell ich dir deswegen irgendwelche Fragen? Nein! Werde ich trotzdem tun, um was du mich gebeten hast? Ja, verdammt!“

Ira zog die Beine an, damit sich ihre Körper nirgends mehr berührten. Am liebsten wollte sie weglaufen. Aber sie wusste, das würde einem schlechten Gewissen gleichkommen, also blieb sie unter dem Nussbaum sitzen und ihr Blick schweifte nur kurz – hilfesuchend? - in die Umgebung, bevor er sich wieder starr an seine Augen heftete.

Nun war endgültig Misstrauen aus seiner Stimme zu hören: „Was nun, Ira, eine Kriegsbeute oder ein Erbstück? Lügst du mich an?“ Die Enttäuschung und der Zorn in seiner Stimme trafen Ira bis ins Innerste.

Doch als er ihr in die Augen sah, erkannte die junge Frau darin nicht nur Zorn, sondern vielmehr …. Besorgnis. Er nahm ihre Hand trotz ihres Widerstands und seine eigene zitterte leicht, als sich seine Finger um ihre schlossen: „Ira, ich war mehr als zwei Götterläufe für eine Queste meiner Kirche im Kalifat. Auf dem Weg verbrachten wir mehrere Wochen in Belhanka. …. Dort gab es Gerüchte. Gerüchte, um einen Tempel. Den Tempel eines Ketzergottes, dessen Symbol eine Hornisse sei.“ Wusste sie denn nicht, in welcher Gefahr sie war, wenn sie mit so einer Kette herumlief? „Ist dir denn nicht klar, was das bedeutet? Was ich jetzt tun --…?“ Seine Stimme versagte und seine Hand hielt Iras so fest, dass es sie fast schmerzte, forschend stach sie sein Blick bis ins Mark.

In einer wilden Geste riss sie sich wütend von ihm los. In ihren Augen loderte ihr eigener Zorn. Ira hatte Angst. Angst, dass er alles verstand. Deshalb sprach blanke Verzweiflung aus ihr, während sie seinen Blick aus zusammengekniffenen kleinen Augen erwiderte: „Was hab ICH mit diesem drecks Tempel zu tun und was willst du eigentlich andeuten? Sprich es aus! – oder lass es! Aber ich weiß nicht, was du willst. Und ich weiß auch nicht, warum ich mich wegen so einer …Kette… rechtfertigen müsste. Würde es dir denn besser gefallen, wenn da ein Oger dran wäre, häm?“ Sie fasste das kleine Insekt und schob es demonstrativ zurück unter ihre Kleidung. Dann wich sie vor ihm zurück, nur um festzustellen, dass der Stamm in ihrem Rücken ihr den Weg versperrte und dass sie zwischen dem alten Holz und dem Geweihten eingepfercht war. Und ja, dass sie ihm so schnell nicht entkommen würde. Ihre Brust bebte. Ihre Stimme war mühsam beherrscht und zitternd, als sie fortfuhr: „Du… du glaubst wohl, dass du alles beurteilen kannst, ja? Dass du alles weißt, dass du alles kennst und dass dir das das Recht verleiht, über mich zu urteilen, …nur weil ich eine …weil ich diese scheißdumme Kette trage? Ich fass‘ es nicht! - Hörst du dir eigentlich gerade selbst zu, Schellenberg? … Du klagst mich an? WESWEGEN?“ Das letzte Wort spie sie in sein Gesicht. Sie vergriff sich im Ton. Aber das war ihr in diesem Moment egal. Sie sah gerade nur noch die Möglichkeit, ihn zu beleidigen, um zu provozieren, dass er in seinem Wahn von ihr abließ. „Du dummer selbstgerechter Scheißkerl! Hat dir deine Sehnsucht, hier in Tobrien zu verrecken, den Verstand geraubt? Warum kannst du dich nicht einfach freuen, dass es Götter gibt, die dich vielleicht lieber lebendig sehen wollen? Neeeein, denn das existiert in deinem blöden geweihten Dickschädel nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Lieber rufst du ein scheißverdammtes Göttergericht auf mich herab wegen… wegen… wegen irgendwelchen Geistern, die du siehst.“

Zwei Möglichkeiten: entweder er würde aufhören sie wegen der goldenen Hornisse anzuklagen, weil er einsah, wie dämlich er sich verhielt, oder er würde erst recht das Donnerwetter eines Geweihten über sie niederfahren lassen, weil sie so mit ihm sprach. Ira wollte sogar eine Ohrfeige einstecken, wenn er dann nur aufhörte, nachzubohren.

Doch der Schlag blieb auf. Einen Augenblick, der Ira wie eine gefühlte Ewigkeit vorkam, verharrte Hagrian an derselben Stelle. Forschte in ihren Augen nach der Unschuld, die er sich erhoffte. Doch jedes ihrer Worte überzeugte ihn vom Gegenteil. Denn er wusste, immer wenn man etwas unter Hunde warf, so schrie der am lautesten, der getroffen wurde. Murren und Schreien offenbarte also stets nur den Schuldigen, das wussten nicht nur die Praioten. Und daher musste er wohl einsehen, dass seine schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen wurden.

Als er schließlich seine Stimme erhob, war es der Jungritterin, als wäre es reiner Donnerhall, der ihr entgegenschlug. Fast bangend suchte er in ihrem Blick: irgendwo musste doch Einsicht, Scham oder Bedauern sein! „Ira, bei allen Zwölfen Alverans! Sei endlich still!“ Verstand dieses verfluchte Weib vor ihm denn nicht, dass er sie beschützen wollte? Ihr Leben retten? „Verstehst du denn nicht, um was es hier geht? Das ist kein Spiel! Meine verfluchte Pflicht an dieser Stelle wäre es …“ Er konnte es nicht aussprechen, versuchte es stattdessen anders. „Hör mir gut zu! Du bist zu jung, um für eine dumme Jugendsünde zu sterben. Ich kenne den Schuldigen in diesem Spiel! Ich kenne ihn sehr genau. Und du weißt, dass ich ihn kenne! Und da kannst du so viel herumschreien und zetern wie du willst, das wird nichts mehr ändern!“

Sein Gesicht war plötzlich nur wenige Fingerbreiten von ihrem entfernt, und nur seine heiser geflüsterten Worte drangen an ihr Ohr: „Ich weiß, wer Rondra nicht besonders schätzt. Wer lieber in Formationen, mit Pfeilen, Bolzen und aus dem Hinterhalt kämpft. Ich weiß es, Ira. Ich weiß, wer dir etwas solch Verdorbenes vererbt haben könnte, in Mendena, auf dem Dach eines unheiligen Tempels, bei deinem Ritterschlag. Ich weiß, wer im Horasreich gelebt hat und dort dem Ketzergott, dem Herr der Hornissen anheimgefallen ist. Ich weiß es, Ira. Ich weiß es!“

Iras entsetzter Blick war ihm Bestätigung genug. Und plötzlich lagen seine Lippen auf ihren. Hunger. Zuneigung. Verzweiflung.

Das Mädchen, das er bei diesem Kuss gegen den Baumstamm presste, empfand ähnlich.

„Ich tue das FÜR DEINE SEELE. Vergiss das nie. Niemals!“ Dann trat er einen Schritt zurück und wandte sich dem erwachenden Lager zu, ohne in irgendeiner Weise darauf zu reagieren, dass Ira den Mund öffnete, um noch etwas zu sagen.

*

Jost, der sich gerade aus den Decken schälte, weil er von Stimmen wachgeworden war, hatte ein mehr als ungutes Gefühl, als er in die kalten, ja, hasserfüllten Augen des mitreisenden Rondrianers blickte. Kein angenehmer Anblick am Morgen. Und ein furchtbarer Verdacht beschlich ihn, kroch ihm mit eisigen kalten Klauen den Rücken herab und fraß sich in sein Herz. Mit Sorge blickte er sich um, konnte Ira aber nirgends erblicken. Rasch gürtete er Rapier und Linkhand und machte sie bereit für alles. ‚Bei den Zwölf, hat sie sich jetzt verplappert? Ich wusste es, von Anfang an, diese Liebschaft wird alles ruinieren. ‘ Wut stieg in ihm auf, Wut auf Ira, weil sie seine andauernden Warnungen in den Wind geschlagen hatte. Und ausgerechnet heute würden er und Hagrian die Nachhut bilden. Fernab von den anderen sich Hagrian, der ihn mit seinen Blicken eben am liebsten aufgespießt hätte, zu stellen, alleine, war nicht der oberste Punkt auf seiner Prioritätenliste. Überhaupt nicht.

Er streckte sich, nickte den anderen am Lagerfeuer zu und sah mit Erleichterung, dass Ira vom Rand des Lagers zu ihren Sachen lief. Er kannte sie, konnte sie lesen und ihre Stimmung erfassen wie bei keinem Zweiten. Und das, was er in dieser Morgenstunde sah, ließ die Wut noch höher in ihm aufkochen. Sie hatte es vermasselt, eine andere Erklärung fiel ihm nicht ein.

Ein wenig war er doch erleichtert, denn, je länger er darüber nachdachte, nun würde die Beziehung der Beiden wohl endlich zu Ende sein. Das andauernde Bangen, wenn die beiden sich davonstahlen, war vorbei. Er atmete tief durch, und aus Wut wurde traurige Gewissheit. Er würde diesen Tag nicht überleben. Er durfte sich nichts vormachen: gegen den Rondrageweihten hätte er wohl keine Chance. Zumindest keine große. Vielleicht, ja, vielleicht, mit viel …Glück? Ein schiefes Grinsen legte sich auf sein stoppeliges Gesicht. Dieser Rondrageweihte würde wohl kaum von ihm erwarten, ehrenvoll zu kämpfen. Die Schultern, die Jost vor Anspannung angezogen hatte, sackten nach unten, als er sich ein wenig Brot nahm und für den Ritt bereitmachte. Viele Worte verloren die Gefährten bei ihrer anstrengenden Flucht durch Transysillien eh nicht, also sattelte er sein Pferd und nickte Hagrian stumm zu, deutet auf das Ende der kleinen Reisegruppe, in die Abgeschiedenheit der Nachhut.

Hagrian hatte sich – sehr! – zurücknehmen müssen, den jungen Baron nicht sofort und vor allen anderen der Ketzerei zu bezichtigen. Denn das würde hier in diesen Landen, wo alles auf ihre Zusammengehörigkeit ankam, ihr aller Leben gefährden und dem Gegner, dem sie gerade die mächtigen Artefakte abgerungen hatten, in die Karten spielen. Und außerdem schloss ihr aller Leben auch das von Ira ein, um die er sich die größten Sorgen machte. Er musste das alles hier in Ordnung bringen. Für sie. Musste den schändlichen Einfluss dieses Ketzers auf ihre unschuldige Seele unterbinden. Ausmerzen. Und inniglich hoffen, dass es nicht zu spät dafür war.

Zunächst würde er abklären, ob sein Verdacht begründet war. Nun, davon ging er aus. Es passte alles viel zu gut. Danach erst würde er handeln.

*

Als er und Jost sich als Nachhut ein wenig von den anderen abgesetzt hatten, drosselte Hagrian sein Tempo ein wenig und begann mit eisiger Stimme ein Gespräch. Sie hatten bislang nicht viele Worte aneinander verloren. Umso prägnanter war der Unterschied jetzt.

„Wusstet ihr, dass ich einmal etliche Wochen in Belhanka verbracht habe? Ihr wart doch sicher auch einmal dort, wo ihr doch so lange Zeit eures Lebens im Horasreich verbacht habt?“ In Jost erstarb der letzte Rest Hoffnung: Der andere wusste Bescheid! Und dies war das Verhör, seine letzte Galgenfrist.

Doch durch eine solch einfach zu durchschauende Taktik würde er sich nicht in die Defensive drängen lassen. Also strahlte er den Geweihten an und begann, schwärmend zu erzählen: „Ja, die Belissima. Aufregende Monde durfte ich dort mit meinem Schwertvater verbringen. Wusstet Ihr, dass dieser der Anführer der Goldenen Legion im Horasreich ist? Und Ihr wart nicht zufällig im lieblichen Rahjamond dort und konntet die Feierlichkeiten der Schönen Göttin erleben?“ Er blinzelte Hagrian zu. „Wobei, im Moment erlebt Ihr ja eure eigene, kleine rahjanische Feierlichkeit, nicht wahr?“

Der ironisch klingende Unterton schien dem Geweihten gänzlich zu entgehen. „Gerade im Moment nicht. Denn gerade im Moment reite ich in der Nachhut einer äußerst fragwürdigen Expedition. Mit euch.“ Er ignorierte das, was zwischen den Zeilen klang, denn es war irrelevant. „Die Goldene Legion also…. Und das Horasreich…. Es soll ja etwas lasch umgehen… das Horasreich…. mit dem Glauben an Götzen. Hieß es zumindest damals in Belhanka.“ Mittlerweile hatte Hagrian das Tempo seines Reittiers so weit gedrosselt, dass es nur noch im gemächlichen Schritt daher trabte.

Jost schwieg, wollte er dem Rondrageweihten nicht noch Futter für seine Wut geben. Eine verwundete Löwin musste man nicht noch weiter anstacheln und in die Ecke drängen, es gab wesentlich mehr intelligentere Dinge, die man tun könnte, als dieses.

Hagrian wartete einen Moment, in der schwachen Hoffnung sein Gegenüber würde seinen Verdacht zerstreuen. Dann fuhr er inderselben eiskalten Stimmlage fort: „Ihr habt sicher vieles an Angewohnheiten und … Umgangsformen aus dem Horasreich mit in die Nordmarken gebracht. Schließlich hat ein Schwertvater großen Einfluss auf seinen Knappen... Oder seine Knappin.“ Mit diesen Worten brachte Hagrian seine Stute zum Stehen. Der Ort war günstig gewählt. Sie hatten ihre Umgebung im Blick und konnten noch rechtzeitig reagieren, sollten Verfolger auftauchen.

Nun war die Zeit des Sprechens vorüber. Nun war es Zeit … zu handeln: „Baron von Hlutharswacht, habt oder habt ihr nicht versucht eurer Knappin Ira von Plötzbogen den Glauben an einen Ketzergott aus dem Horasreich näher zu bringen?“ Die blauen Augen, die auf Jost ruhten, schienen bis in sein Innerstes zu blicken, forschend und feindselig.

Jost zügelte sein Pferd nach zwei, drei weiteren Schritten; dann stieg er ab, schweigend. Er führte das Pferd in einer Seelenruhe, die er in diesem Moment der Klarheit empfand, an ein Gebüsch, um es festzubinden. Er fühlte sich wie kurz vor der Schlacht, das Adrenalin pumpte durch seine Adern und ließ seine Muskeln brennen wie Feuer. Alles nahm er überdeutlich war, den lauten, gepressten Atem seines Gegners zum Beispiel. Denn dies war Hagrian von Schellenberg jetzt: sein Gegner, sein Feind.

Er drehte sich um, blickte dem Rondrageweihten in die Augen und lächelte erneut, breit und voller Zuversicht, auch wenn er wusste, gegen den Rondrakamm dieses Kriegers vor ihm hatte er keine Chance. Zumindest nicht in einem klassischen Zweikampf. Er würde ihn reizen, sticheln, um ihn zum Angriff zu provozieren, damit er seinen Verstand verlor und einen Fehler machte…

„Nein, Hagrian, das habe ich nicht.“ Sprach er ihn entschlossen und wenig förmlich an. „Es ist kein Ketzergott, sondern Shinxir, der die Kämpfer geleitet und geführt hat, lange bevor deine Rondra seinen Platz einnahm. Und es ist keine Ketzerei, sondern eine Rückkehr dessen, der zuerst da war. – Und nein, ich habe es nicht versucht. Ich habe es getan!“

Die Knöchel von Hagrians Faust verfärbten sich weiß, als er sie von Zorn getrieben ballte. Doch atmete der Geweihte zunächst tief durch und tat es Jost gleich - machte sein Pferd ebenfalls im Unterholz fest. „Rondra ist eine der Zwölfe, sie des Thronraubs zu bezichtigen war der letzte Frevel, den ihr im Namen eures Ketzergottes begehen werdet, Jost --- Ihr wisst, was nun kommt. Nun kommen muss?“ Die Stimme des Geweihten klang kalt und schneidend als er seinen Rondrakamm zog und über die Klinge Jost anfunkelte.

Jost zog zur Antwort sein Rapier und seinen Parierdolch, verblieb aber in einer passiven, defensiven Haltung. Wartend. Lauernd. Taktierend.

Nur wenige Wimpernschläge später ging der erste Schlag Hagrians auf den Hlutharswachter nieder.

Ein Kreuzblock mit Rapier und Dolch schaffte es gerade so, den wuchtigen Hieb des Rondrakammes aufzufangen und trieb den jungen Baron dennoch in die Knie. ‚Dann endet es jetzt, Shinxir, steh mir bei.‘ Jost nutzte seine kniende Position und stieß sich dorthin ab, wo ihn der Rondrageweihte sicher nicht erwarten würde, nach schräg vor und an Hagrian vorbei. Eine Rolle auf die linke Seite des Geweihten, um im Aufstehen und von halb hinter ihm mit dem Rapier nach seinem Hals zu stechen. Er war nicht so kräftig wie Hagrian, dafür aber schnell und wendig dazu.

Der Geweihte zog gerade noch rechtzeitig seinen Kopf zur Seite, so dass das Rapier nur leicht über sein Kinn kratzte. Ein dünner, hauchzarter Blutfaden erschien an der Stelle, doch bevor Jost aus der Tatsache irgendwie Hoffnung schöpfen konnte, ging Hagrian in einen schnellen Ausfall über. Der Jungbaron wurde immer weiter zurückgedrängt – ohne Gelegenheit, selbst zu einer Attacke auszuholen. Ja, er hatte sogar den Eindruck, je härter und energischer seine Verteidigungsaktionen waren, desto mehr Schwung brachte der Rondrianer für seinen nächsten Schlag auf.

Jost schwitzte, die Haare waren innerhalb von Sekunden nass und klebten ihm über die Stirn fast vor den Augen. Er hatte mit starker Gegenwehr gerechnet, doch bei weitem nicht mit der brachialen und animalischen Gewalt Hagrians. Dies war für Jost ein Zechen: Dessen Gefühle mussten ihn beherrschen, nicht sein klarer Verstand! Wenn er… doch weiter konnte Jost nicht denken, zu schnell und zu brutal folgte Hieb auf Hieb.

Er verlor, und doch fürchtete er nicht um sein Leben. Er hatte gut gelebt! Ein leichtes Schmunzeln schob sich für eine Sekunde auf sein vor Anstrengung zusammengekniffenen Gesichts. Doch der letzte Gedanke war der Ablenkung zu viel, und mit dem Geräusch eines zerbrechenden und splitternden Astes krachte der Rondrakamm Hagrians mit der vollen Wucht der Breitseite gegen Josts linkes Knie.

Es wurde nach innen geschmettert, bog sich, Jost schrie vor Pein! Er sackte zu Boden, schaffte es gerade noch mit einer geistigen Kraftanstrengung das Rapier vor sich zu strecken. Voll Panik erblickte er blanke Knochenstücke und Sehnen aus seiner gerissenen Hose herausschauen, denn dort wo noch gerade eben ein funktionierendes Knie war, befand sich nun nur noch ein Klumpen rotes, zermatschtes, pulsierendes Fleisch.

Er sah durch einen roten Schleier des unbändigen Schmerzes Hagrians hassverzerrtes und vor Anstrengung gerötetes Gesicht, sah den erhobenen Zweihänder; bereit, ihm ohne ein weiteres Wort seinen Kopf zu spalten.

Schon wollte der Baron von Hlûtharswacht mit seinem Leben abschließen, da überkam ihn Ruhe und Klarheit. Hinter Hagrian konnte er etwas Kleines durch die Luft fliegen sehen, aufgeregt, auf und ab schwebend, so als ob es unbedingt seine Aufmerksamkeit erregen wollte. Es war schwarz und golden und größer als eine Biene, ja, größer als eine Wespe sogar. Die Zeit schlich für den Moment wie festgehalten dahin, Schweißperlen glitzerten in der Luft und dann konnte Jost Verian wieder denken. Hagrian, die Lösung lag IN IHM! Sicher – er kämpfte für seine Göttin – aber was spornte ihn besonders an, selbstvergessen wie ein Berserker und hasserfüllt zu kämpfen? Das besondere persönliche Interesse, genauer gesagt seine Liebe zu Ira. Nur sie konnte ihn noch retten, und zwar von dort aus, wo die Hornisse zick zack flog. Jost Verian setzte alles auf eine Karte. Es war die letzte List, die er unternehmen konnte in diesem ungleichen Kampf, und die würde er nicht ungenutzt verstreichen lassen:

„IRA, WEG DA!“ brüllte er und blickte weiterhin dorthin, wo sein Gott sich ihm offenbarte. Er legte alle Angst und auch Liebe, die er zu seiner ehemaligen Knappin empfand in seinen Ruf und betete, Hagrian würde darauf hereinfallen.

Das nächste, was Jost hörte, war der Einschlag des gegnerischen Zweihänders neben seinem Körper. In diesem Schlag hätte genug Kraft gelegen ihm den Kopf von den Schultern zu trennen, das konnte er hören. Doch stattdessen hatte der Geweihte den Schlag abgebrochen und sich umgewandt, sah in Richtung eines sirrenden Insekts und erkannte die hinterhältige Falle in dem Moment, in dem es in Richtung des Unterholzes davon schwirrte.

Jost nutzte die Gunst des Augenblicks, seine einzige Chance diesen Zweikampf zum Ende zu bringen, selbigen zu überleben und stach zu.

Hagrian hatte dem Gegner den Rücken zugewandt, um nachzusehen. Nur ein Gedanke hatte ihn abgehalten, den Ketzer vor sich zu töten: Ira sollte nicht sehen, wie er ihren Jost in die Niederhöllen schickte. Ohne sie hätte er ihn vermutlich vor der gesamten Gruppe zur Rede gestellt und nicht alleine im Hinterland dieser götterverlorenen Lande. Doch er hätte sie damit gleichermaßen ans Messer geliefert. Und das hatte er nicht gewollt.

Doch nun hatte Josts Rapier seinen Weg in das Innerstes des früheren Kampfgenossen gefunden. Seine allerletzte Kraftreserve, angespornt von einem geflügelten Tier, hatten den Ritter auf den Beinen gehalten und seine Waffen – vorbei am Rücken des Gegners – den tödlichen Stich setzen lassen.

Dieser war unter der Achsel des Schellenbergs in seine Lunge eingedrungen, und weiter in sein Herz. Erst war die Zeit einen kurzen Moment stehen geblieben. Dann hatte er einen Atemzug getan, der nichts als Schmerz brachte und die Luft entwich aus seinem Inneren. Hagrian wusste das er da war. Der Tod. Aber es fühlte sich … falsch … an. Er schmeckte Blut. Fühlte es aus seinem Mund rinnen, sein Kinn hinunter sprudeln, bei jedem Atemzug, den sein Körper ausführte, obgleich er selbst längst wusste, dass es keinen Sinn mehr machte. Das Leben wich aus ihm. Er spürte Josts Präsenz in seinem Rücken, den Stich des Rapiers an seiner Seite. Er war auf seine Finte hereingefallen, auf seine Finte mit Ira….

Ira! … Sie würde weiterhin … dem Einfluss dieses Ketzers ausgeliefert bleiben. Weiterhin … seinen Einsäuselungen anheimfallen… Würde sich der Ehrenhaftigkeit verwehren, sie nicht. zu dem wichtigsten Mittel erheben, das … man hatte, um die Schwachen zu schützen… Diese Ketzer schützten sich selbst… Niemanden sonst. Und das machte sie … schwach. Es würde auch Ira schwach machen! Oh Ira, … es waren nicht Strategie oder Taktik… die das Problem waren…….. es war…… der Fokus! … Ira… wie konnte er… wie konnte es … sein … dass er für sie … so viel empfand…. So viele Gefühle…

Sein Herz zog sich selbst jetzt, während er starb, zusammen, wenn er an sie dachte. Daran, sie niemals, niemals wiederzusehen... nicht einmal im göttlichen Paradies … denn sie gehörte zum Gefolge des Ketzergottes. Er spürte ihre kupfernen Haare, auf seiner nackten Brust, ihren Atem an seinen Lippen …… doch die Erinnerungen verblassten, trieben immer weiter fort…

Seine Schwester Imma hatte recht gehabt, und halblaut formten seine blutverschmierten Lippen die letzten Gedanken an seine Familie, so dass auch Jost sie hören konnte: „Kleine ….. Schwester, …. Hät….te ich …doch…. frü..her au..f di…ch g..e..hö..rt….. I..ra… I…r…..a….. I…ch…. I……………….r……………a……..….. I……..“ Dann spürte er nur noch Wärme. Der Schmerz verschwand und das letzte, was Hagrian fühlte, war die Anwesenheit des Marschalls. Viel intensiver als an der Tesralschlaufe. .….. Alles an Hass…. an Sorge….. an Schuld……. Alles fiel von ihm ab. Da war nur noch seine reine, unsterbliche Seele – und Mythrael.

Und dann erlosch der letzte Funken Leben in ihm.

So war es gekommen: Jost hatte zugestochen, Hagrian war vor seine Füße gefallen und nach wenigen Atemzügen, in dem er anstatt Luft nur noch sein eigenes Blut ausspuckte, waren die einstmals strahlend blauen Augen trübe geworden. Sein Gegner war tot. Hagrian von Schellenberg lebte nicht mehr.

Kaum hatte dieser Gedanke sich zu Josts Geist hindurch gewunden, hörte er das Brüllen eines Löwen, gefolgt von lautem, tiefem Donnergrollen. Eine verwundete Löwin. Doch auch eine verwundete Löwin wollte niemand zum Feind haben.

*

Mit steifen und kalten Gliedern wachte Jost später wieder auf. Die Wiese lag verlassen im Licht des vollen Mittags da. Krähen hatten sich bereits an Hagrians Leichnam gütlich getan und auch zu ihm hüpften bereits einige freche Aasfresser. Müde versuchte er auf die Beine zu kommen, was aber in einem jämmerlichen Versuch endete. Sein linkes Knie gab nach, und vor zuckenden, stechenden Schmerzen wurde Jost sogleich schwarz vor Augen. Er blieb liegen, rollte auf den Rücken und betrachtete einfach nur die watteweißen Wolken am Himmel, die so gar nicht erkennen ließen, wo sie hier eigentlich waren. Und er wunderte sich. Wunderte sich darüber, noch am Leben zu sein. Eigentlich hätte er erwartet, Hagrians gerechtem Zorn zu unterliegen. Doch nun lebte er. ‚Nun lass uns dieses Geschenk mal nicht vergeuden. Hast du gehört? Steh auf, fauler Sack. Oder willst du hier verrecken? Nein, oder? Also, hoch jetzt mit dir, und dann gib deinem Herrn was ihm gebührt. LOS JETZT! STEH! AUF!‘

Jost Verian motivierte sich selbst, trieb sich an und verfluchte sich gleichzeitig dafür. Aber er tat letztlich, was er von sich selbst verlangte, wobei sein Knie knirschte und die Knochen aneinander rieben und es ihn wieder in die Ohnmacht zu treiben drohte. Aber er humpelte und hüpfte zu Hagrian, wo er sich erschöpft und zitternd niederließ. Kurz wollte er in theatralische Trauergesten oder Lobesgesänge an Shinxir ausbrechen, besann sich dann aber und beschloss, all das zu verschieben. Auf später, wenn er in einer etwas besseren Lage wäre. Aber eines musste er tun, zumindest diese Geste war er Hagrian schuldig, denn er war ein Landsmann gewesen und ein göttergefälliger noch dazu. Jost konnte ihn hier nicht so einfach liegen lassen. Er zog den Geweihten der Rondra also mit sich, schleppte sich über das Gras und zu einem dichten Gebüsch. Dort schob und drückte er den Leichnam hinein, mühte sich, diesen zu bedecken und zu verbergen. Seinen Rondrakamm aber vergrub er unter der Leiche und formte am Schluss aus Zweigen ein Boronsrad – Mochte Hagrian nun an seiner blöden Tafel bei seiner blöden Göttin sitzen und fressen und saufen, wenigstens hatte er es jetzt gut. Ein wenig bemitleidete sich Jost dann doch, schaute auf sein Knie, spürte die unbändigen Schmerzen, die er erlitt und weiter erleiden würde, und zweifelte daran, die anderen wieder einzuholen. Doch so schleppte er sich zu den beiden Pferden, wo er erneut Luft holen und zu Atem kommen musste. Er kämpfte gegen den Drang, zur Erde zu sinken. Mit zusammengebissen Zähnen zog er sich auf sein Pferd, nahm die Zügel von Hagrians Reittier, und machte sich auf, seine Gefährten zu finden. Mittels verabredeter Zeichen an Bäumen konnte er ihre Route aufnehmen, so dass er, von Wundfieber und Blutverlust geschüttelt, am Abend in das Lager hineinritt. Wie durch ein Wunder hatte der Blutgeruch nichts und niemanden auf ihn aufmerksam gemacht.

Blass und zitternd fiel er inmitten der Herbeiströmenden herab, wo er sich endlich der verheißungsvollen Ohnmacht hingab.

*

Jost kam allein? Wo war Hagrian? Während sich andere bereits um ihren ehemaligen Schwertvater kümmerten, allen voran die Magistra Caya, oder aus Vorsicht zu den Waffen griffen, schaute Ira immer noch in die Richtung, aus der Jost gekommen war und stierte in die Luft, während ihr Herz raste und ihr vor Angst schlecht wurde. Warum hatte Jost das Pferd des Eisensteiners mitgebracht, aber nicht ihn selbst? Ihr Verstand kannte die Antwort. Aber ihr Herz wollte nichts davon hören. Es wollte lieber daran glauben, dass der Geweihte zu Fuß nachkam. Irgendwer rief nach ihr. Und dann zog jemand an ihrem Arm, drehte sie, tauchte vor ihren Augen auf, doch sie wollte den Blick nicht abwenden und wandte sich aus dem Griff desjenigen, der sie zu Dingen zwingen wollte, die sie zweitrangig fand. Völlig zweitrangig. Also fing sie an geistesabwesend zu diskutieren, ihre Fragen auszusprechen: Wo war Hagrian? Kam er nach? Was war geschehen? Hatte er Jost geschickt, um Hilfe zu holen und lag er in Wahrheit irgendwo verletzt herum, auf Hilfe wartend? Die Anwesenheit seines Pferdes – wohl doch nur deshalb, um darauf einen Helfenden zu transportieren! Josts Verletzung – doch nur Zeichen, dass sie in einen Kampf verwickelt gewesen waren. Nein, sie konnten doch jetzt nicht hier warten, sie mussten doch nachsehen, zurückeilen, dem Geweihten helfen, ihn bergen, versorgen, retten, so wie er es auch für jeden von ihnen getan hätte. Ira war sich der Gefährlichkeit der Mission gerade herzlich wenig bewusst und war drauf und dran, sich allein aufzumachen in die Richtung, aus der Jost geritten gekommen war. Nur starke Arme hielten sie davon ab. Arme und gutes Zureden. Vielleicht auch eine kleine List.

Als dann klar war, dass niemand mehr auf Hilfe wartete, weil niemand in der Ferne mehr am Leben war, brach Ira zusammen und weinte bittere Tränen. Nein, nein, das durfte nicht sein! Hagrian durften nicht tot sein, seine dunkle Vorahnung, weswegen er zu ihr mit dieser Kette gekommen war, und die überhaupt an allem schuld war, was passierte, konnte doch keine Wahrheit sein! Sein Tod konnte nicht wirklich sein. Oder doch? Sollte sie dies glauben? Sie tat sich schwer, denn es tat so unendlich weh! Und wenn sie ehrlich war, zerriss es ihr Herz. Nein, Ira wollte weder das eine noch das andere. Sie wollte nicht, dass Hagrian fort war, tot war, von dieser Welt gegangen, aus dem Leben gewichen, weg, für immer, und dass sie im Streit auseinandergegangen waren. Sie wollte nicht, dass er sich von ihr in dem Glauben getrennt hatte, sie wäre ein schlechter Mensch, eine Lügnerin, die er dennoch beschützen musste, weil ihn Gefühle banden. Sie wollte nicht, dass er aus dem Leben geschieden war war mit dem Wissen, sie hätte ihn hintergangen. Sie wollte das klarstellen, auch wenn er seine Drohung wahrmachen und ihr ein Ende bereiten würde! Sie würde sich mit Freuden in sein Schwert stürzen, wenn er sie dann nur wieder im Arm halten und ihr vergeben würde. Sie würde ihm selbst ihren letzten Atem dafür geben, wenn er sie dabei küsste. …

Aber dafür war es zu spät.

Jost berichtete, dass der Rondrageweihte sich allein den Verfolgern stellte, damit der Baron die Chance besaß, fliehen und die anderen informieren zu können.

Die beiden Ketten, die eine an ihrem Hals, die andere in ihrer Tasche, brannten sich durch Iras Haut. Doch die Schmerzen waren nichts gegen die, die sie an anderer Stelle empfand.

Weiter und weiter und weiter

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Vor allem für das jüngste Mitglied der Gruppe war die Weiterreise ein nagender Alptraum aus Tränen und Wut. War es auf dem Hinweg noch die Junkerin Loriann gewesen, die sich oft in Verzweiflung verlor, liefen nun der jungen Plötzbogen die Wasser aus den Augen, bemächtigte sich tiefe Trauer der Jungritterin, die jedoch weiterhin zu funktionieren versuchten, auch wenn ihr das merklich schwerfiel.

Was ebenfalls auffiel: Ira und Jost sprachen kein Wort mehr miteinander, seit dieser verletzt und ohne den Geweihten ins Lager zurückgekehrt war. Nur das Nötigste, das im Tagesablauf unabdingbar war, kam den beiden Hlutharswachter Rittern über die Lippen. Ihre Beziehung, so eng und vertrauensvoll sie auch gewesen war, und die Innigkeit, die Schwertvater und Knappin band, hatte Risse erfahren, war im Begriff auseinander zu bröckeln. Nur wirklich beschäftigen konnte sich keiner mit dieser Tatsache. Zu wichtig war der Erfolg ihrer heimlichen Reise, hing zu viel davon ab, dass sie einander beistanden, egal was auch war.

Auf der Reise konnten sie öfters Unterschlupf bei armen Bauern finden, doch wussten sie nie, wer sie nicht doch verraten würde. Daher war der Ritt zurück eine Höllenflucht mit wenig Schlaf, noch weniger zu Essen und kaum Zeit, alten alhanischen Mysterien auf die Spur zu kommen. Und doch stellte Caya fest, dass bei manchen der transisillyschen Bauernkaten seltsame Zeichen und Symbole an den Eingangstüren und Dachbalken angebracht waren. Sie erinnerten die Magierin an die Zeichen in der Höhle und verfügten manchmal tatsächlich über abschreckende oder verhüllende Auswirkungen.

Über weite Strecken enttäuschte Caya die Rückreise. Eigentlich hatte sie gehofft weitere verwertbare Spuren um die alhanischen Mythen auftun zu können, doch außer einiger weniger Symbole und Zeichen fand sie keine weiteren Spuren. Trotzdem sie gehetzt durch die Wälder reisten war der Tagesablauf für sie eher langweilig und unspektakulär, so sinnierte sie darüber nach wie sie ihr Versprechen gegenüber dem Druiden würden halten können. Wobei das eigene Interesse am Thema noch deutlich stärker war, als die Bindung an das von ihr gegebene Wort. Ihre Abende verbrachte Caya damit die akquirierten Artefakte möglichst genau zu Analysieren und entsprechende Notizen niederzuschrieben. Eine mühsame Arbeit, der sie dennoch bereitwillig nachging. Tags über wusste sie jedoch wenig mit sich anzufangen und versuchte deshalb mit ihren begrenzten Möglichkeiten der traurigen Ira Trost zu spenden. [Arvid (Caya, Otgar) 19.05.2017]

Seitdem Otgar seinen Kriegerbrief in Empfang genommen hatte, hatte er seiner Mutter in Vairningen bei der Sicherung des Handels durch das von ihr verwaltete Rittergut beigestanden. Er hatte nicht nur gelernt sich in der Wildnis zurechtzufinden, nein er hatte auch gelernt anzupacken, wenn Not am Mann war. Wenn es sein musste reparierte er Räder, Achsen, Dächer und Mauerwerk, es war ihm gleich Hauptsache es tat anschließend wieder was es tun sollte. Die wilde Flucht durch Schwarztorbien jedoch kostete ihn all sein Können. Er musste nicht nur den Weg und geeignete Lagerplätze finden, nein, gleichzeitig musste er auch immer im Hinterkopf behalten, dass die von ihm vorgegebene Route zugleich möglichst im Verborgenen blieb. Auf dieses Ziel fokussiert, bekam er nur wenig mit. Zu sehr spannten ihn seine Aufgaben ein, als dass er über Essen und Schlafen noch weitere Tätigkeiten aufmerksam betreiben konnte.

Tar'anam hatte sehr wohl bemerkt, dass zwischen Hagrian und Ira eine ... besondere Beziehung bestand, wie auch sonst kaum etwas den wachsamen Augen des schweigsamen Kriegers entging. Zum Beispiel die Tatsache, dass Josts Bericht über den Überfall, welcher Hagrian das Leben gekostet hatte, recht vage ausgefallen war, vorgeblich seinen Verletzungen geschuldet, doch wer weiß ... Auch Ira schien mehr zu wissen oder zumindest zu vermuten, wie an ihrem Umgang mit Jost seit jenem schicksalhaften Tag unschwer abzulesen war. In der Nacht darauf, als er wie immer still, fast geisterhaft seine Wache hielt, wog er die Risiken gegeneinander ab: sollte er der Sache auf den Grund gehen und damit womöglich den Zusammenhalt in der Gruppe endgültig aufs Spiel setzen, oder sollte er weiter schweigen und beobachten, um ihre Chancen, diesem feindseligen Land zu entkommen, zu bewahren? Was hätte Biora getan? Hmmm, besser nicht weiter darüber nachdenken, denn die Wissbegier der Geweihten ließ eine solche Frage eher müßig erscheinen, andererseits hätte sie mit Hesindes Hilfe sicher einen eleganten Weg gefunden, zu erfahren, was auch immer es zu erfahren gab. Er hingegen musste sich auf seine eigenen Talente verlassen, und obschon er in der langen Zeit mit der Hesindegeweihten das ein oder andere ihrer Kunst gelernt hatte, traute er sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht zu, subtile Ermittlungen anstellen zu können. Nein, falls es dann noch relevant war, musste er diese Fragen an das Ende ihrer Reise stellen, der Erfolg der Mission und das Leben der übrigen Gefährten waren im Moment wichtiger. Und so funktionierte Tar'anam in den langen Tagen und Nächten ihrer Flucht wie ein horasisches Uhrwerk, ritt, vollführte seine morgendlichen Kampfübungen, hielt die Gegend im Auge, holte Holz und Wasser, schlief, absolvierte unermüdlich seine Wache und ließ sich nichts entgehen, was seine Begleiter, besonders zwei spezielle, taten oder nicht taten, sagten oder nicht sagten, soweit es unauffällig möglich war. Doch die Strapazen der Flucht hielte alle in Atem, in einer Weise, die alles andere in den Hintergrund drängte und keine Abweichungen von der engen Routine des Tagesablaufs zuließ - keine Zeit, sich zu verraten, falls auch immer es etwas zu verraten gab. [Jürgen (Tar'anam) 03.06.2017]

Der Rondrianer war tot. Ausgerechnet nun, am Ende der Reise, als die Grenze der zwölfgöttlichen Lande schon wieder zum Greifen nah war. Und Hagrian hatte unter dem Einfluss gelitten wie ein Tier – so stark sich der junge Priester auch gab, und so sehr er auch versuchte, es zu überspielen. Nicht, dass dieses Gefühl dem Rabensteiner fern gewesen wäre. Die Götter waren weit weg, und das Land selbst kämpfte gegen die Eindringlinge – verbissen, hartnäckig und dauerhaft. Lucrann senkte den Kopf. Er hatte versagt. Darin, den hitzköpfigen Geweihten wieder lebendig aus den schwarzen Landen zurückzubringen, auch gegen dessen Widerstand, nachdem der Priester ihnen auf diesem Sonderauftrag zur Seite gestanden hatte. Doch ihn nahtlos zu überwachen, das hatte er nicht vermocht. Und das sorgte für ein gerütteltes Maß an Ärger bei dem alten Baron. Ganz so ausreichend waren die Kampffähigkeiten des so selbstsicheren Hlûtharswachters denn doch nicht, wenn er zuließ, dass ihm ein Priester vor der Nase gemeuchelt wurde. Nun ja – wie auch. Woher hätte der Grünschnabel auch lernen sollen? Wie üblich besah sich der Einäugige seinen Ärger über die Situation, betrachtete ihn von allen Seiten und verstaute ihn an einem passenden Platz, um ihn zu gegebener Zeit hervorzuholen und abzuarbeiten. Idealerweise dann, wenn ihm ein passendes Opfer vor die Klinge geriet – und die Möglichkeit darauf war auf dieser Rückreise erfreulich hoch. [Tina (Lucrann) 5.6.17]

Die Helden konnten, einst im befreiten Land angekommen, die Kisten bei Eslamsbrück abgeben und mit Nachricht an Herzog Bernfried in Mendena schicken.

So mussten sie nicht die Strecke nach Mendena und zurück auf sich nehmen und konnten noch vor Gallys wieder beim Heerzug ihres Herzogs Hagrobald ankommen.

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--> weiter geht's bei Kapitel 5 - Rückkehr der Streiter: 'Die Vermissten kehren wieder'

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Kategorie: Briefspielgeschichte