Gratenfelser Gießmünzenpolitik

Gratenfelser Gießmünzpolitik

- Entwurf -

„Man sagt, Ihr seid der beste Waffenschmied in der Gegend. Ist das wahr?“
Fredo Goblindodt wandte den Blick von seinem Amboss ab. Riesige Augen hinter handflächengroßen Bernsteinernen Gläsern glotzten Leuemara an. Sie wäre fast erschrocken, dann aber riss sie sich zusammen, um nicht laut loslachen zu müssen. Meister Fredo rieb sich die feuchten Hände an seiner Schürze ab.

„Das ist wohl wahr, junge Frau. Aber meine Dienste dürften für Euch kaum in Frage kommen.“ Leuemara seufzte. Sie hatte mit einer schnellen Abfuhr gerechnet. Man hatte ihr gesagt, dass der verschrobene Schmied in seinem festungsartigen Haus hier in Gratenfels viel, viel Silber für seine Dienste verlange. Sie warf ihm den Beutel hin. Silbertaler kullerten mit einem stumpfen Ton aus ihm heraus, verteilten sich über den steinernen Fußboden. Der Schmied nahm scheinbar keine Notiz davon.

„Kein Interesse!“

„Es ist mehr Silber, als die Sache wert ist“, bestand Leuemara.
„Sinnlos, meine wertvolle Zeit und Geduld für jemanden zu verschwenden, der so sorglos mit seiner Ausrüstung umgeht.“
„Der Beutel sollte aufgehen, damit Ihr das Silber sehen könnt“.
„Davon rede ich nicht.“
Der Schmied griff sich an die Stirn und schob die bernsteinerne Brille ein Stück nach oben. Zum Vorschein kam ein schmales blasses, aber durchaus schönes Gesicht und der leichte albernische Akzent machte ihn Leuemara auf Anhieb sympathisch. Er trat ein paar Schritte auf sie zu. Ihn umgab ein Geruch von Kohle, Feuer und Metall.
„Was ihr da tragt, ist schändlich. Euer Waffengurt sitzt zu tief. Die Schnallen sind porös. Und – und was um aller Götternamen habt ihr mit eurem Schwert getan? Die Stulpenstiefel, die ihr tragt, sind für Männer gemacht. Und sagt mir bloß nicht, dass das Mieder, das ihr anhabt, irgendeinen praktischen Sinn hätte, außer Eure Weiblichkeit zu unterstreichen“
Leuemara holte tief Luft. Sie mochte es nicht, wenn ein Mann ihr in den Ausschnitt starrte, und sich dabei nur für die Kleidung interessierte, nicht für das was darunter lag.
„Es hat auch seine Vorteile“, entgegnete Leuemara dem Schmied.
„Ja, wenn Ihr in einer Hafenkneipe arme Seeleute verführen wollt.“
„Also, was verlangt Ihr?“. In Leuemaras´Stimme hörte man bereits einen leichten Groll.
Meister Fredo bückte sich langsam nach dem Beutel mit dem Silber und hob ihn vom Boden auf. Dabei fielen weitere Silberlinge heraus und klimperten mit dumpfem Ton über den Steinboden.
Augenblick“, stutzte Meister Fredo. „Sollte das Silber nicht hell klingen und nicht so richtig dumpf wie Eure Münzen es zu pflegen tun?“….
-Auszug aus „Erzählungen einer Söldnerin“, 986 BF, gefunden in den Archiven des Tempels der Allwissenden Herrin zu Elenvina

  • derische Erkärung der Gießmünzpolitik folgt...

Nach einer gewissen Zeitspanne wird „gutes Silber“ im Umlauf durch „schlechtes Silber“ unter bestimmten Bedingungen verdrängt. Von zwei Münzen, die als Zahlungsmittel vertraut und dem Nennwert nach gleich sind, wird ein Eigner zunächst diejenige als Zahlungsmittel verwenden, die einen geringeren Gehalt an Edelmetall hat. Dies ist das „schlechte Silber“.Die vom Metallgehalt her wertvolleren Silberlinge wird der Lehnsherr behalten und wenn möglich einschmelzen, um daraus eine größere Anzahl schlechter Münzen prägen zu lassen. Auf diese Weise verschwindet das gute Silber mehr und mehr aus dem Umlauf.
-Aus einer Aktennotiz der Kanzlei für Steuern, Tribut und Zollwesen (kurz S.T.Z.) des einfachen Kanzleischreibers Erzian von Ibenburg zu Elenvina