Gedanken Am Morgen

Gedanken am Morgen

Es dauerte noch über ein volles Stundenglas bis sich Rhys regte und schließlich aufstand, um an eine leere Stelle am Feuer zu treten. Er nahm sich zwei Decken und bettete sich nahe der Glut auf den Boden der Wiese, weil es das einfachste war in diesem Moment und das Feuer für ihn immer auch etwas Trostspendendes hatte. Ja, dies war auch jetzt noch der Fall, da er es längst zu seinem vordergründigen Forschungsziel erkoren hatte, weil er seiner Faszination voll und ganz erlegen war.

So suchte der Magus Halt in bekannten Konstanten und doch fand er keine Ruhe in dieser Nacht. Er vermochte nicht die vielen Erinnerungen auszublenden, die nach vielen Jahren, in denen er sie sorgsam verschlossen hatte, nun seiner Aufmerksamkeit bedurften. Zu viele Seelen, die er durch einen Exorzismus unweigerlich über das Nirgendmeer geschickt hatte, um Siebtsphärische zu bannen. Sie alle schienen ihn nun heimzusuchen. (Rhys)

Er musste das Feuer regelmäßig füttern, denn trotz des warmen Wetters am Tage, kühlte die Luft im Wald nachts stark ab und ohne die züngelnden Flammen hätte der Magier schnell gefroren. Als die ersten zarten Sonnenstrahlen am Morgen über die Baumwipfel brachen, hörte er leises Tapsen hinter sich und hatte das unangenehme Gefühl, Opfer neugieriger Beobachter zu sein.

Müde und mit bleierner Schwere in den Knochen, mehr aber noch im Geiste- die eingekehrt war nachdem er endlich Ruhe gefunden hatte, drehte sich Rhys, um zu sehen was ihn störte. (Rhys)

Zwei kleine Mädchen, beide mit rabenschwarzen Zöpfen beflochten, erhoben sich in nicht eben gebührendem Abstand über seinen blinzelnden Augen. „Er lebt.“ Sagte die eine, während ihre speckige Kinderhand seine Nasenspitze berührte: „Uiiii, kalt ist deine Nase. Man soll nicht einfach draußen schlafen. Es ist doch viel zu frostig nachts.“ Fast belehrend deutete die Kleine auf das Feuer, das mittlerweile heruntergebrannt war. Die schwache Wärme der Glut reichte nicht mehr aus, die kühlende Kälte der Nacht aus Rhys Körper zu bannen. Das zweite Mädchen, das dem ersten wie aus dem Gesicht geschnitten war, kniete sich neben seinen Kopf und betrachtete interessiert die Narben auf Rhys Wange und tippte sachte dagegen: „Hat das wehgetan?“

Zwinkernd vertrieb Rhys die Müdigkeit aus seinen Augen und richtete seinen Oberkörper mühsam auf bis er saß. Immer noch irritiert ob der frühen Störung sah er den beiden Kindern verwundert entgegen und brauchte einen Moment, bis die Frage zu ihm durchgedrungen war. Als dies jedoch geschehen war, wandelte sich sein Gesicht zu einem milden Lächeln, was zugegebenermaßen nicht ganz einfach zu erkennen war durch seine entstellte Gesichtshälfte.

“Niederhöllisch”, gab er schlicht zur Antwort, was der Realität durchaus nahe kam. “Wie kommt es, dass ihr beiden schon wach seid?” Stellte er eine amüsierte Gegenfrage? (Rhys)

Die Kinderhand strich nun behutsam über seine Wange: „Aber es ist doch schon Tag.“ Fast entrüstet klang sie, als sei seine Frage überaus dumm gewesen: „Tut es immer noch weh?“ fragte sie mitleidsvoll.

„Nein“, gab Rhys mit nun verständnisvollerer Stimme zurück. Er wollte die Kinder nicht verschrecken oder gar verängstigen. Anstelle dessen feixte er und zwinkerte den beiden zu. „Aber manchmal juckt es schlimmer als ein Mückenstich am Arsch.“ Er lachte und genoss den Moment ohne jegliche Anspannung. Dann legte der Magus den Kopf plötzlich schief, ihm war etwas eingefallen. „Seid ihr immer so früh auf und wie lange seid ihr schon hier?“ (Rhys)

„Es ist ja gar nicht früh.“ Widersprach ihm diesmal das andere Mädchen und deutete auf die Sonnenstrahlen, die über den Wipfeln blitzten. „Und wir sind noch nicht so lange hier. Erst seit gerade. Davor haben wir geschlafen.“ Ihre Schwester nickte bekräftigend: „Ja, denn da war ja noch nacht. Jetzt ist aber Tag, deshalb hat unser Vater erlaubt, dass wir aufstehen.“

"So so." Rhys grinste. Die beiden schienen aufgeweckt. "Wart ihr gestern Morgen auch schon so Früh auf den Beinen?" (Rhys)

Sie nickten und schauten ihn fragend an. Und ein klein wenig stolz. Als wären sie froh, dass endlich jemand ihr frühes Aufstehen zu würdigen wusste.

"Löblich!" Kam es da vom Magus nicht ohne Grinsen. "Sagt, habt ihr Leute das Lager verlassen sehen?" (Rhys)

„Klar, immerzu verlassen Leute das Lager.“ kam die prompte Antwort. „Immerhin haben wir hier keine Latrine.“ erweiterte ihre Schwester. „Oh und Albin geht oft morgens weg mit seiner ... Sturfelei.“ „das heißt Stuffelei“ korrigierte ihre Schwester. „Und die da“ sie deutete in Richtung der Baumhäuser „sind auch mal da und mal weg.“ „Papa und Onkel Gilli waren gestern auch kurz weg, um die Vorräte zu füllen.“ und so folgte eine ganze Auflistung mit Namen und Umständen, an deren Ende Rhys erkennen musste, dass die Mädchen aufmerksame Beobachter waren, aber so ziemlich jeder hier ab und an Wald oder Tempel verließ.

Einen letzten Versuch machend fragte er, "ist jemand gegangen und erst am Abend oder gar nicht wiedergekommen?

Die Mädchen guckten sich an. „Yolde und ihre Freunde sind nach dem Mittagessen gegangen.“ „die waren ganz aufgeregt. Wollten sich ins Schloss schleichen. Irgendwas kaputt machen.“ „Papa hat sich mit Yolde gestritten gestern. Er hat gesagt, Leute wie sie sind schuld, dass man fahrendes Volk wie uns so oft dim ... diminiert.“ „ja, aber Yolde ist trotzdem mit den anderen los. Und die kamen abends wieder. Kurz bevor ihr kamt.“ „Papa hat so geguckt.“ und eines der Mädchen zog eine Grimasse, die entfernt an Missbilligung erinnerte. Ihre Zwillingsschwester kicherte.

Rhys nickte interessiert und hakte nach. "Wer sind denn ihre Freunde mit denen sie gegangen ist und sind auch alle von ihnen wiedergekommen?" (Rhys)

„Ja, Elgor, Sulvana, Ful und Grif. Die sind immer zu fünft. Und kamen alle zusammen wieder.“ erklärte eines der Kinder. Allmählich scheinbar dem Frage- Antwort spiel überdrüssig.

"Danke ihr beiden." Rhys stand auf und wuschelte ihnen durch die Haare. "Ich werde Mal nach meinen Gefährten suchen", verabschiedete er sich von den Kindern und schaute, ob bereits andere aufgestanden waren. (Rhys)

Doch außer den beiden Mädchen, die sich in Richtung der kichernden Baumhäuser davonmachten, war noch niemand aufgestanden. In der Stille des Lagers weinte ein Kind - eine weibliche Stimme begann leise ein Liedchen zu summen, bis das Weinen wieder verstummte.

Rhys ergriff die sich ihm bietende Chance beim Schopfe und ging zum Tempel herüber, um ihn einer eingehenden, ungestörten Untersuchung zu unterziehen. Dass er die Götter nicht anbetete hieß nicht, dass er sich nicht für sie interessierte. Indes war sein Interesse von anderer Natur, als dies bei wahrhaft Gläubigen der Fall war. (Rhys)

Die alte Ruine war von innen nicht weniger verfallen als von außen. Dereinst schien sie mit viel Geschick und Können erbaut worden zu sein, doch jeder Mörtel bröckelte irgendwann. Und hier sprießte aus jeder auch nur so winzigen Fuge etwas Grünes. Das Sonnensegel schien tagsüber genug Schatten zu spenden, dass man die Kühle der Mauern nutzen konnte, um einen wärmegeschützten Ort zu haben. Auf einer Seite hatte man mit weniger Geschick als nötig ein kleines Podest gezimmert. Darauf ruhten einige Säcke –vermutlich mit Getreide-, eine Holzkiste mit Beeren stand neben einem Korb voll duftenden Kirschen, daneben lagerte eine ganze Masse an Gemüse und vier große Holzfässer mit Trinkwasser. Den Rest der Fläche nahm das Feuerholz ein, das hier im Inneren nicht etwa ordentlich gestapelt, sondern wild durcheinander auf einem Haufen lag. Und noch etwas war anders hier. Es war still. War die Lichtung ansonsten ein Ort der immerwährenden Laute von Liebe und Lust, Lachen und Weinen, Zuneigung und Zwist, so gab es hier im Innern des alten Gebäudes in diesem Moment nur Rhys und -- absolute Stille.

Das Fehlen von jedweden Geräuschen irritierte Rhys. Er hatte zumindest erwartet das allgegenwärtige Vogelgezwitscher des Waldes zu vernehmen. Dennoch ließ er diese Eigenart zunächst außer Acht. Vielleicht würde ihm dazu ja jemand anderes später etwas sagen können.

Der Magus suchte nach Wandmalereien und Ornamenten, die es ihm ermöglichten den Bau in eine Epoche einzuordnen. Er war kein ausgesprochener Kunstexperte oder Historiker auf diesem Gebiet, jedoch verfügte er über fundierte Grundlagen.

Doch es gab keine einfach erkennbare, ursprüngliche Verzierung von Wänden und Decken mehr. Alle Flächen schienen häufig mit unterschiedlichen Arten von Farbe und mit ebenso voneinander differierenden Stilen übermalt worden zu sein, so dass eine derartige Kategorisierung in eine künstlerische Epoche nicht möglich war.

So schloss er seine kleine Besichtigung ohne greifbares Ergebnis ab und kehrte zum Lager zurück, das inzwischen wieder belebter wurde. (Rhys)

Denn die Strahlen der Praiosscheibe fielen mittlerweile wärmend auf die Zelte, das Licht verkündete unerbittlich den neuen Tag und die Ersten erhoben sich schlaftrunken von ihren Lagerstätten. Das liebestrunkene Pärchen vom Vortages-Spültrupp erschien mit verknoteten Haaren und fleckigen Hälsen, verschwand sofort in den Wald und kam kurze Zeit später etwas ansehnlicher und mit entspannten Gesichtern zurück. Kinder tauchten hier und da aus den Zelten auf und begannen auf der Wiese herumzutollen.

Insgesamt erwachte das Lager nicht wie es die funktionierende Burg Drachenwacht tat, in der Rhys lebte: kontrolliert, sittsam und effizient. Genaue Aufgaben schien es nämlich nicht zu geben. Die Kinder taten ohnehin, was sie wollten, ohne dass sie jemand zur Ordnung rief. Irgendjemand hievte irgendwann dann einen Kessel mit zähflüssigen Getreidebrei über das Feuer und der milde Duft lockte auch die letzten Schlafenden hervor.

Nachdem sich der Geweihte am Abend in sein Lager gelegt hatte, hatte er noch einige Zeit lang gegrübelt. Seine Bestimmung waren schon immer die Menschen, sie und ihre persönlichen Abgründe. Es war das Wohlwollen, der Segen seiner Göttin der ihn davor schützte selbst daran zu zerbrechen – eine Last war es jedoch dennoch. Meist waren die Gründe, genauso wie die Last die auf dem Gläubigen lastete leicht für ihn zu erkennen, bei der Baroness jedoch hatte er länger gebraucht. Hatte es daran gelegen, dass er zu einer Feier gereist war und deshalb nicht damit gerechnet hatte?

Nun da ein neuer Praioslauf angebrochen war, sah er die Dinge gerne jedoch klarer und war sich bewusst, dass er ein vertrauliches Gespräch mit Prianna führen musste. Es war allgemein bekannt, dassihr Vater ein schwieriger Charakter war und dass er damit haderte keinen männlichen Erben zu haben, aber ließ er dies tatsächlich an seiner Familie aus? An seinen eigenen Töchtern? Wenn er seine Beobachtungen unter den neuen Erkenntnissen erneut bewertete, musste seine Antwort wohl ja lauten.

Während die Vorbereitungen für das Frühstück langsam anliefen, hielt er Ausschau nach der älteren Baroness, in der Hoffnung, dass sie ihn auf einen kleinen Spaziergang begleiten würde. [Tassilo]

Prianna saß etwas abseits der Kochstelle auf dem Boden. Schaute zu, wie die wuselnden
Männer und Frauen, Holzscheite holten, entzündeten, die Kessel füllten und dabei unaufhörlich redeten und vergnügt kicherten, als wäre dieser Getreidebrei die Mahlzeit eines Kochs besonderer Güte und ihre Schlafstatt nicht der Boden, sondern ein Bett aus Daunenfedern gewesen. Etwas deplatziert wirkte die junge Hochadelige zwischen diesem bunten Treiben der Tsaanhänger und stimmte rasch und erfreut zu, Tassilo zu begleiten. Geschmeidig erhob sie sich. Ihr Körper hatte dieselbe drahtige Sehnigkeit, die der Geweihte bereits beobachtet hatte – an ihrem Vater. Sie erlangte man durch eine entsprechende Veranlagung in der Familie, durch regelmäßige Bewegung und durch Disziplin. Viel Disziplin. Eine der anderen Eigenschaften, für die der Eisensteiner Baron während des Heerzugs verschrien war: Strenge, unnachgiebige Zucht und eiserne, beständige Ordnung. Praiosgefällige Disziplin. (Prianna)

Sich nach ihrem Wohlbefinden, ob sich die Aufregung etwas legen konnte und ob sie eine erholsame Nachtruhe gehabt hatte, erkundigend führte Tassilo die Baroness erst ein Stück weg vom restlichen Geschehen, eh er sanft sein eigentliches Thema forcierte. Da er noch immer Barfuß war, vermied er es dem Wald zu nahe zu kommen und hielt sich deshalb entlang dessen Randes im weichen Gras.

Den Punkt, den er nun erreicht hatte, betrachtete er immer als sehr heikel. Auch wenn er das Gefühl hatte dass sich Prianna öffnen wollte, so waren ihr Wunsch und ihre letztlich notwendige Überwinden doch leider zwei vollkommen verschiedene Dinge. Der sehr private Ansatz den er deshalb wählte, war für ihn sehr ungewöhnlich aber das Wissen das er hier bedurfte war schlicht zu wichtig. Und so erzählte er von seiner eigenen Kindheit. Bereits als kleiner Junge hatte er unter einer Gemütserkrankung gelitten, hatte furchtbare Ängste – unter anderem vor den Boron-Geweihten die ihm helfen sollten. Doch hatte lange diese Angst verschwiegen, versucht sie zu überwinden und stark zu sein. Er hatte versucht es seiner Mutter gleich zu tun, immerhin hatte auch sie unter einer Gemütserkrankung gelitten, hatte sie überwunden und sich zu seiner starken und selbstbewussten Kriegerin entwickelt. Damals hatte er Angst davor gehabt sie zu enttäuschen, ihren Wünschen nicht zu entsprechen, als der zu sein den ihm die Götter bestimmten. Eines Nachts jedoch hatte er es nicht mehr ausgehalten, all die finsteren Schatten und Gestalten, und war zu ihr in die Kammer geschlichen um Trost zu suchen. Er hatte sich ihr geöffnet und in ihrer Liebe zu ihm hatte sie darum gebeten dass man einen Diener der Schönen Göttin auf die Vairnburg entsende. Damals war er kaum sechs Sommer alt gewesen, aber bis heute bereute er diese eine Nacht nicht – jenen Moment in dem er sich jemanden geöffnet hatte, jener Augenblick in dem ihm sein wahres Selbst überhaupt erst ermöglicht wurde und er einen Weg fand seine Ängste zu überwinden. Denn es mussten nicht die Eltern sein, denen man vertraute, sondern eine Person von der man annimmt das sie einen versteht. [Tassilo]

Die Baroness hatte ihm ohne Unterbrechung zugehört. Eine Weile herrschte Ruhe zwischen ihnen, nur das Knacken kleiner Ästchen unter ihren Füßen durchbrach diese Stille. „Es ist nicht leicht, wenn man sich als Kind unvollkommen fühlt. Ich kenne das: Mein Vater wünschte sich immer einen Sohn. Immerzu hat er erklärt, wie enttäuscht er sei, dass ich ein Mädchen wäre. Ich hatte niemals den Eindruck, dass ich ihm etwas bedeute. Man fühlt sich nicht erwünscht, nicht geliebt und nicht geachtet. Es ist ein grässliches Gefühl. Und als Kind…. War ich so froh diese Gänge entdeckt zu haben, ein Geheimnis zu haben, die Möglichkeit .. ein wenig frei zu sein. Ich weiß, ich hätte jemandem erzählen müssen, was ich entdeckt habe, aber ich … konnte … wollte… es einfach nicht.“ Sie seufzte. „Ich habe Jahre damit verbracht, die Gänge zu erkunden, Karten zu malen, Markierungen anzubringen. Niemals habe ich jemanden gesehen. All diese Wege waren unberührt. Seit Jahrhunderten, so fühlte es sich an. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass irgendjemand sonst… sie finden würde und…“ Sie stockte. „Das war dumm. Entsetzlich dumm.“ Sie schob sich eine Strähne hinter das Ohr. „Mit der Zeit sind die Wege dort unter dem Schloss zu einem so selbstverständlichen Wissen für mich geworden. Dass ich ihre Gefährlichkeit aus dem Blick verloren habe. Für mich waren sie immer der Inbegriff der Freiheit aus dem Schloss hinaus zu kommen. Die Gefahr, dass andere durch sie in unser Zuhause hineinkommen können, habe ich …“ dann schwieg sie. (Prianna)

Sanft ergriff Tassilo die Hand von Prianna und brachte sie zum Stehen. Eindringlich blickte der fast zwei Schritt messende Geweihte die erheblich kleinere Baroness an, wobei in dieser der Eindruck erwuchs, dass dem Blick seiner strahlend blauen Augen nichts verborgen blieb. „Die Menschen sind nicht immer einfach. Meist wissen sie nicht, was sie wollen und hadern stattdessen mit dem, was sie haben. Sie beklagen sich, anstatt ihren Liebsten nahe zu sein oder ihnen ihre Zuneigung zu offenbaren. Besonders Eltern haben es da nicht immer leicht. Sie haben Träume und Wünsche für ihre Kinder, wollen ihnen einen Weg bereiten und übersehen dabei gelegentlich das ihre Wünsche, nicht dem Weg ihres Kindes entsprechen. Die Wege Eures Vaters, so scheint mir, beschreiben eine enge Schlucht die sich gabelt und nur zwei Möglichkeiten kennt – den Pfad eines männlichen Erben und den Pfad einer politisch günstig vermählten Tochter. Eure kleine Schwester hingegen würde viel lieber auf den Pfaden des Rittertums wandeln, doch entspricht dies nicht seinen Vorstellungen. Ihr währt ihm gern eine verlässliche Erbin, doch auch diesen Pfad kann er mit seinen Ansichten nicht vereinbaren. Doch trotz dieser Unzulänglichkeiten und unzulänglich ist ein jeder Mensch, liebt er Euch tief in seinem Herzen. Diese Liebe mag sehr tief verborgen ruhen, aber Gestern trat sie dennoch zu Tage. Bewahrt dieses Wissen tief in Eurem Herzen, bewahrt seine Liebe zu Euch.“

Beruhigend streichelte er ihr mit sanftem Druck über die gehaltene Hand. Gab ihr Zuflucht und Ruhe um sich wieder zu sammeln. (Tassilo)

Die Vorstellung, dass ihr Vater sie liebte schien sie so dermaßen absurd zu finden, dass er ihren Unglauben so deutlich in ihren Augen sehen konnte, als wäre er dort eingemeisselt. Doch der Moment war kurz, denn sobald sie bemerkte, wieviel sie offenbarte, verschloß sie sich wieder vor ihm. Wie es eben Menschen taten, die gewohnt waren, sich zu schützen, in dem sie nichts von sich nach außen dringen ließen. (Prianna)

Anschließend kam er auf die unterirdische Anlage unterhalb des Schlosses zu sprechen. Es wunderte ihn, dass niemand außer Prianna über Götterläufe hinweg davon Kenntnis hatte. Er selbst wusste genau um die Geheimgänge der Vairnburg, ein Geheimnis, das über Generationen behütet ist und in der Hauptfamilie weitergegeben wurde. Womöglich lag es jedoch auch an der sehr umkämpften und wechselhaften Geschichte seines Hauses. „Ihr dürft Euch keine Vorwürfe machen, als Ihr die Tunnel einst entdecktet wart ihr noch ein Kind. Es mag wie ein schwacher Trost klingen doch damals konntet Ihr die Tragweite dieser Entdeckung nicht begreifen und mit den Götterläufen wurde es für Euch ein selbstverständliches Wissen über das zu reden nicht mehr notwendig war. Tatsächlich verwundert es mich sogar im höchsten Maße, dass niemand sonst im Schloss davon Kenntnis zu haben scheint.“ [Tassilo]

Das hatte sie auch stets gewundert. Also zuckte sie nur mit den Achseln. Es gab viele Erklärungen. „Womöglich weiß mein … Vater auch davon. Aber er hält Frauen für geschwätzig und illoyal. Vielleicht hat er mir daher nie etwas erzählt.“ (Prianna)

Ob der gleichen möglich war, wusste Tassilo nicht, doch lag es eigentlich in der Hand der Baroness ihren Vater vom Gegenteil zu überzeugen. In dieser Wunde wollte er in diesem Augenblick jedoch nicht herumrühren, ganz offensichtlich handelte es sich hierbei um einen äußerst wunden Punkt. „Habt Vertrauen in Euch und eure Fähigkeiten. Von Geburt an hat Euer Herr Vater eure Ausbildung bestimmt – hat er jetzt kein Vertrauen, heißt das nicht, dass er Euch nicht vertraut, nein er vertraut sich selbst nicht!“ Anschließend wechselte er das Thema und kam auf den gestrigen Vorfall zu sprechen. „Nachdem Ihr etwas Zeit hattet eure Gedanken zu ordnen, sind Euch womöglich Dinge eingefallen die Ihr Gestern eventuell verdrängt hattet? Etwas zum feigen Angriff auf eure Familie oder bei der Flucht? Eventuell etwas in Bezug auf die Tunnel? Nahm der Flüchtige einen direkten Weg oder gab es Umwege?“ [Tassilo]

Sie räusperte sich: „Mein Gefühl sagt mir weiterhin, dass mein Vater nicht das Ziel war. Aber womöglich ist das ein dummer Irrtum, weil…“ Sie machte eine Pause. Es war ihr unangenehm, dass der Geweihte vermutlich dachte, ihr Wunsch nach väterlicher Zuneigung verkläre ihren Blick. Obwohl sie sich sicher war, dass ihre Intuition sie nicht trog. Fast sicher zumindest: „Der Weg, den sie nahmen, war der direkteste, wie ich meine. Er trug auch nicht die Staubschicht, die ich erwartet hätte. Ich glaube daher, dass er häufiger benutzt worden sein muss. In den letzten beiden Götterläufen gab es einige … Anschläge auf die Kunstsammlung im Schloss. Meist nur mit Farbe. Tagelang schrubbten die Spülmägde an den geschändeten Skulpturen herum. Aber wir konnten fast immer alles wiederherstellen. Es begann … Ende 1038, glaube ich. Zunächst nur selten und sporadisch. Im Winter kam es dann eigentlich nie zu diesen Vorfällen, im Frühjahr und Sommer fing es wieder an. In diesem Jahr war es genauso.“ (Prianna)

Verema erwachte aus ungewohnt angenehmen Schlaf, als die Geräusche um sie herum mehr und mehr zunahmen. Erst wusste sie nicht, wo sie war, dann kam das Wissen zurück. Sofort tastete sie nach ihrem Bauch und ihr Herz schlug vor Aufregung schneller. Sie wusch sich, so gut es ging und suchte dann ihre Stiefel, sie würde sie wieder brauchen , hielt aber gleichzeitig nach dem Zwerg Borax Ausschau. Sie wollte ihn um etwas bitten und ihn etwas fragen. (Verema)

Doch von dem Zwergen war noch nichts zu sehen. Als sie durch das Lager strich, fiel ihr jedoch ein kleines Zelt auf vor dem die Stiefel Borindaraxs standen, unzweifelhaft. Niemand sonst trug aufgesetzte Metallplatten über den Spitzen seiner Schuhe.

Aus dem Inneren des Zeltes war unterdessen lautes, tief klingendes Schnarchen zu vernehmen. (Borindarax)

Mittlerweile hatte sie ihre Stiefel gefunden, einen davon nett, aber nass als Blumenvase zweckentfremdet. Als sie das Zelt des Zwerges sah, murmelte sie etwas zu sich, unverständlich, außerdem war sie sowieso alleine, sie lächelte dann und ließ ihm seinen Frieden. Dann ging sie zu dem Kessel mit dem Brei, nun hielt sie nach Baldos Ausschau. (Verema)

Anders als der Zwerg, war der junge Rittersmann bereits wieder auf den Beinen. Dennoch war er nicht auf Anhieb zu finden, hatte er sich doch etwas abseits einen ruhigen Ort gesucht und in seine Übungen vertieft. Ordentlich weggelegt ruhten seine Kleider auf und an einem nahen Baum, während er selbst barfuß und mit freien Oberkörper seinen Leib stählte. Aus Respekt vor dem Wesen dieses Ortes, verzichtete er dabei jedoch auf kämpferische Aspekte. [Baldos]

Nein, bei seinen Übungen wollte sie ihn doch nicht stören, sie wollte sich abgewöhnen , unhöflich Leute zu stören. Ausserdem war ihr gerade gekommen, wie konnte ihr das nur entfallen sein, dass sie ja gestern Abend den Magus suchen wollte. Der wusste sicher oder glaubte zu wissen, was Sache war und sie konnte von dem Jungen erzählen. Sie setzte sich, aß den Brei und konnte Rhys noch nirgends sehen. Schwierig, der Mann.

(Verema)

Der Magus schlenderte derweil gemächlichen Schrittes vom Tempel zurück ins Lager. Seine Miene war vollkommen ausdruckslos. Er sah müde aus und schien seinen eigenen Gedanken verfangen. Für seine Umwelt hatte er deswegen keine Augen. Rhys ging ohne ein Wort an bereits emsig zwischen den Zelten umherwirbelnden Erwachsenen und Kindern vorbei. (Rhys)

Ah, da war er ja! Verema eilte zu dem Ahnungslosen. "Guten Morgen, Rhys." begrüßte sie ihn und erzähle dann etwas ausschweifig vielleicht, was sich am vorigen Abend noch ereignet hatte und dass sie sich gefragt hatten, ob ein Magier da vielleicht Rat wusste. Mit fragenden Augen harrte sie erwartungsvoll seiner Antwort. (Verema)

Die Augen des Magus waren im Laufe der Erzählung der Rittmeisterin immer kleiner geworden. Es war offensichtlich, dass es ihm schwer fiel die Augen offen zu behalten. Seine Haltung war hingegen kerzengrade, was für seine Selbstbeherrschung sprach.

Rhys räusperte sich, als Verema geendet hatte. “Yolde, Elgor, Sulvana, Ful und Grif sind nach Aussage zweier Kinder gestern nach dem Mittagessen aufgebrochen.“ Gab er keine Antwort, die die Rittmeisterin hätte erwarten können, sondern brachte neue Namen ins Spiel. „Sie alle werden wir befragen müssen. Aber“, der Magus senkte die Stimme, „ich würde gern zunächst mit den anderen sprechen, bevor wir dies Thema angehen. Lasst uns sehen, ob wir sie finden.“ (Rhys)

"Wunderbar. Ich bleibe bei Euch, müde schaut ihr aus." Sie unterdrückte ein Schmunzeln, hatte er sie doch gerade sehr an jemanden erinnert. Sie war sicher, dass er von ihr genervt war.

(Verema)

Es dauerte eine Weile, bis Rhys und Verema alle Gefährten ausmachen konnten und ihnen signalisierten, sich etwas abseits der Zelte zusammen zu setzen. Einige waren bereits einige Zeit auf den Beinen, andere gerade erst aus den Zelten gekrochen.

Nachdem Lares am Abend zuvor erst spät zu Bett gegangen war, nachdem er zuvor noch etwas am Feuer saß und in die Flammen gestarrt hatte, schlief er überraschend tief und für seine Verhältnisse ausnehmend lang. Dementsprechend war er bisher nicht aufgewacht, doch als sich rege Aktivität vor dem Zelt rührte, konnte er auch nicht umhin, aufzuwachen. Noch mit nicht ganz zugeknüpftem Hemd stolperte er aus seinem Zelt und gähnte ausgiebig. „Guten Morgen“, murmelte er etwas verlegen. (Lares)

Prianna und Tassilo hatten sich nach ihrem kleinen Spaziergang zu den anderen gesellt und warteten auf die restlichen ihrer Gefährten. Die jüngere Baroness tollte schon wieder vergnügt mit den anderen Kindern über die Wiese. Frei und völlig ungeachtet ihrer sozialen Herkunft.

Nachdem der Ritter seine Übungen absolviert hatte, ging er sich reinigen und kleidete sich anschließend standesgemäß an, sofern dies ihm in ihrer Situation überhaupt möglich war. Mit seinem Äußeren soweit zufrieden, beschloss er wieder seiner eigentlichen Aufgabe nachzukommen – den Schutz des Geweihten. In der Runde ihrer kleinen Gruppe, ließ er sich nieder und ließ seinen Blick inspizierend über das Tal schweifen. [Baldos]

Während sie warteten, streckte Yolde ihre roten Locken aus einem kleinen Zelt ganz in der Nähe. Zärtliche Worte unter die Plane flüsternd erhob sich die Tsageweihte geschmeidig, reckte ihren rahjagefälligen Körper in den Strahlen der Morgensonne und lächelte der Gruppe zu, als sie zu ihnen trat. „Praios zum Morgengruße, liebe Gäste.“ Ihre Stimme klang freundlich und versöhnlich. Insgesamt wirkte sie wesentlich entspannter als am Abend und das war kein Wunder, denn ihr Körper zeigte eindeutig, woran dies liegen mochte: ihre Lippen waren tiefrot geschwollen, ihren Hals zierten etliche kleinere Kratzer und rote Flecken zeugten von den Freuden, die Lippen auf dem Körper eines anderen hinterlassen können. Beseelt strahlend machte sie sich auf in den Wald, einigen anderen folgend, die dort scheinbar ihre Morgentoilette vollendeten.

Borax und Borix gesellten sich kurze Zeit darauf ebenfalls zu der Gruppe und setzten sich nach einer knappen Begrüßung. (Borindarax)

Als alle beisammen saßen stand der Magus auf, glättete in aller Ruhe seine seltsamerweise wieder strahlend weiße Robe und drehte sich einmal im Kreis, bis er sich der Aufmerksamkeit aller bewusst war. Erst dann begann Rhys zu sprechen.

„Ich würde vorschlagen, wir tauschen uns über das aus, was wir am gestrigen Tag in Erfahrung bringen konnte und beratschlagen im Anschluss, was wir weiter zu tun gedenken.

Mir sind heute Morgen kurz nach Sonnenaufgang zwei Kinder begegnet, Mädchen mit schwarzen Haaren. Yolde, Elgor, Sulvana, Ful und Grif sind nach Aussage der beiden gestern Mittag aufgebrochen und auch gemeinsam wieder zurückgekommen ins Lager. Sie sagten, ich zitiere‚ ‘die sind immer zu fünft’, und dass es Streit gegeben hat. Man hat Yolde vorgeworfen, dass wegen der Dinge die sie tun das fahrende Volk in Verruf gerät.“ Der Magus ließ die Worte kurz wirken.

„Wenn ich mich nicht täusche, sind sie alle an der oder den Aktionen im Bunten Schloss beteiligt gewesen.“ (Rhys)

Mit nachdenklicher Stimme meldete sich der Rahja-Diener zu Wort: „Das ist eine interessante Auskunft, die Ihr da für uns habt. Soweit mir bekannt ist, wissen wir inzwischen, wer das Bild beschädigt hat. Es wäre also nicht abwegig anzunehmen das einer der anderen Vier den Schuss abgegeben hat. Zugegeben Yolde beteuert das sie derlei Taten nicht vollbringen könnte und ich bin gewillt ihr Glauben zu schenken – allerdings wissen wir jetzt das es drei weitere Mitwisser, Radikale gegeben hat.“ [Tassilo]

Die Mundwinkel des Magus zuckten kurz nach oben, auch wenn er ansonsten recht nüchtern und abgeklärt wirkte- oder so wirken wollte nach dem was am Vortag passiert war. Dann nickte er leicht in Richtung Tassilios Richtung. „Ganz recht.“ (Rhys)

„Ganz recht.“ Yolde trat aus dem Wald hinaus, auf sie zu. „ihr habt recht.“ Dann ließ sie sich mitten zwischen die Gefährten auf den Boden plumpsen. Ihrer guten Laune schien die Anklage keinen Abbruch zu tun. „Wir sind zu fünft. Und waren zu fünft im Schloss. Es wäre schließlich dumm, wenn niemand Schmiere stehen würde, nicht wahr?“ Auffordernd sah sie die anderen an. Beseelt schien sie. Strahlender. Weicher. Jetzt lächelte sie sogar. „Wir wollen etwas verändern. Aufrütteln. Und Menschen, die sich nur über tote, seelenlose Dinge definieren, diese Dinge nehmen, um sie dem Leben wieder näher zu bringen. Ihr nennt es radikal? In Ordnung. Dann sind wir wohl radikal. Aber das andere. Nein. Das waren wir ganz sicher nicht. Das Leben ist mir heilig. Und meinen Freunden auch. Leben zu nehmen - Es Zu Rauben- Nichts könnte unserer Göttin weniger gefällig sein. Damit haben wir nichts zu tun.“ Heute war sie nicht laut geworden. Heute schien ihre aufdringliche Dominanz gemildert, wenngleich die Leidenschaft in ihrer Stimme nicht weniger geworden war.

Der Magus bedachte die Geweihte mit einem langen undeutbaren Blick, dann seufzte er und schloss kurz die Augen. “Damit wäre unsere ungestörte Beratung wohl bereits an dieser Stelle beendet”, sagte er mit deutlichem Unwillen über Yoldes Anwesenheit.

Nochmals seufzte er und schüttelte dazu den Kopf. Die gute Laune der Frau ging ihm gewaltig gegen den Strich. Sie schien immer noch nicht zu begreifen. „Warum habt ihr uns nicht vorher gesagt, dass es mehrere waren, die ins Bunte Schloss eingedrungen sind. Für mich seid ihr schlicht unehrlich gewesen.“ (Rhys)

„Unehrlich? Ich kann mich weder erinnern, direkt von jemandem eurer Runde gefragt worden zu sein. Noch kann ich mich erinnern verneint zu haben, im Schloss gewesen zu sein. Noch kann ich mich erinnern, gesagt zu haben alleine dort gewesen zu sein.

Aber ihr seid mir ohnehin kaum der richtige, Unehrlichkeit bewerten zu können. Ein Mörder, der einen Mörder sucht. Gibt es größere Unehrlichkeit?“ Sagte sie leichthin. Doch dann sah sie den Magus an, ließ ihren Blick über die Gruppe schweifen: „Nun, dann fragt. All eure Fragen. Ich werde ehrlich antworten. Ihr solltet die Gunst der Stunde nutzen. Denn ich habe gute Laune.“ Sie seufzte wohlig, der Nachgeschmack der Nacht lag ihr scheinbar noch auf der Zunge.

Rhys schüttelte nur belustigt den Kopf aufgrund der gehörten, verletzend gemeinten Worte. Er würde sich nicht noch einmal auf diese Diskussion einlassen, schon gar nicht beleidigen lassen. Nein. Das hatte er einmal getan, dieses Spiel hatte er durchschaut. Anstelle dessen setzte auch er sich auf den Boden und konzentrierte sich. (Rhys)

Währenddessen schlüpfte in seinem Rücken und etwas entfernt Maeve aus dem Zelt der Tsageweihten. Sie streifte sich die Tunika über den bloßen Körper, blickte in Richtung Wald und entschloss sich dann aber doch, direkt zur versammelten Gruppe dazuzukommen. Als sie sich näherte, nahm Rhys seinen Faden wieder auf: (Maeve)

„Fangt doch einfach damit an meine Frage zu beantworten, das habt ihr nämlich bisher nicht getan.“ Stellte Rhys trocken und sachlich fest. „Würdet ihr einen Eid leisten, dass keiner eurer Begleiter den niederträchtigen Anschlag auf die Baronstochter verübt und dabei fast seine Hochgeboren getötet hat? Die Praioten werden euch eben diese Frage stellen, wenn wir ihnen keinen überzeugenden Täter präsentieren. Und ihr wisst wie nachdrücklich sie seien können.“ (Rhys)

„Ich kann mich nicht entsinnen, wann ihr mir diese Frage gestellt hättet. Aber die Antwort ist ja. Wenngleich ich bezweifele, dass ein Priester des Praios von einer Priesterin seines Herren Schwester einen Eid fordern sollte. Diesen würde er wohl eher euch abverlangen, Zauberer,“ feixte die Angesprochene.

Dieser arrogante Dreckssack von einem Zauberer. Sie war die Geweihte einer Göttin Alverans. Wieso wurde sie hier behandelt, als sei sie eine Verbrecherin?

Aber auch seine Wahrheitsverdrehungen und Unverschämtheiten konnten ihre gute Laune zunächst nur wenig trüben. Doch dann stockte sie, bevor sie weiter sprach: „Und wieso überhaupt ein Angriff auf die Baroness? Warum auf sie? Ihr Vater ist doch mit diesem Pfeil durchbohrt worden,“ dieser Umstand schien sie zu irritieren, auch ihre Belustigung war verschwunden. „Wollt ihr uns noch irgendwelcher anderen Taten bezichtigen? Versuchter Mord am Baron. Und an seinen Töchtern. Haben wir vielleicht noch .. ich weiss nicht… die Kasse geplündert oder Kinder geraubt?

Es war so: Einer von uns hat das Bild zerstört und die anderen haben Schmiere gestanden, wie wir es vereinbart hatten.“ Aufgebracht schaute sie zu einem ihrer Komplizen, der lustlos in seinem Haferbrei stocherte und schamvoll den Kopf wegdrehte als ihm Yoldes Blick begegnete. „Die meisten von uns haben ihre Aufgabe auch zufriedenstellend ausgeführt.“

“Der Bolzen galt einer der Töchter des Barons. Er warf sich lediglich dazwischen, um ihr Leben zu bewahren- dies erklärte ich euch gestern bereits“, belehrte der Magus amüsiert.

„Nun gut. Wenn es also keiner von euch war, dann verratet mir wenigstens, wie der Täter auf eurem Einfallsweg in das Bunte Schloss und ausgerechnet zur gleichen Zeit da ihr eure Aktion mit beträchtlicher Personenzahl durchführtet ungesehen an euch vorbei gekommen ist? Für mich klingt dies, nun ja etwas unglaubwürdig.” (Rhys)

Lares nickte bei den letzten Worten des Magus, betrachtete dabei aber eindringlich Yolde, die mit ihrem Blick ihren Komplizen fixierte. Diesem wandte er sich zu, ging einige Schritte in seine Richtung, bis er vor ihm stand. "Wie heißt du? Du warst zum Schmiere stehen abgestellt, richtig? Was ist vorgefallen?" (LAres)

Dem Jungen fiel fast der Löffel in den Brei als der Knappe ihn von der Seite ansprach. Knallrot wurde sein Gesicht. Er mochte fünfzehn oder sechszehn Götterläufe zählen. Zarter Flaum tanzte über seiner Lippe und er blickte Lares nicht direkt an. "I..i..ich..." Da fiel sein Gegenüber in das Gespräch ein. "Griff findet immer den ungünstigsten Moment von der Liebholden ereilt zu werden." Missbilligung sprach aus der Miene des Älteren, der so offensichtlich dessen Bruder war, dass es der Knappe nicht übersehen konnte. Dieser fixierte den Mersinger, der wenige Jahre älter war als er selbst, mit unverhohlener Abscheu.

"Er hat sich in einem ungünstigen Moment von Rahja beißen lassen und nicht auf die Halle achtgegeben. Sonst hätte er Elgor rechtzeitig gewarnt, zu verschwinden als die Kleine kam."

Sein Bruder war mittlerweile knallrot und starrte schamvoll in seine Schüssel.

"Allerdings ist es auch irgendwie passend. Durch rahjanische Triebe zu Fall gebracht. Passt irgendwie zu dem alten Widerling da oben." Sympathie klang anders. Aber Antipathie bedeutete noch nicht jemanden umzubringen.

Lares nickte. Ja, die Liebe konnte blind machen. Auch im sehr tatsächlichen Sinne. Die Beleidigung überging er. „Ihr hattet also spontane – Bedürfnisse. Mit wem warst du da beschäftigt – und wo?“ (Lares)

Der Junge lief knallrot an. Brummte etwas unverständlich, dass er den Namen des Mädchens nicht wisse, nur dass sie in der Küche aushelfen musste während des Festes. Offensichtlich schämte er sich

seinen Posten verlassen und vor der Küche geschäkert zu haben. Die Häme seines Bruders tat ihr übriges. „Ich wollte Elgor nicht … in diese Situation bringen. Und womöglich wäre ohne … meinen Fehler… nichts passiert.“ Als er Lares ansah, sah dieser die Ringe unter den Augen des Halbwüchsigen und die geröteten Augäpfel. Kein Schlaf und Weinen. Symptome des schlechten Gewissens, seine Freunde im Stich gelassen zu haben.

„Und da habt ihr nicht gemerkt, dass noch jemand anderes den Weg in die Gemächer des Barons nimmt? Jaja, die Liebe…“, meinte Lares schmunzelnd. Ihm selbst stand es nicht an, hier große Töne zu spucken, hatte er noch wenige Stunden zuvor jedwede Scham abgelegt, um den Helden zu spielen. „Und ihr seid sicher, dass von euch niemand eine Armbrust dabei hatte, als ihr den Aufgang in das Schloss gewählt habt?“ (Lares)

Erst begann das Mädchen, das an der Schulter des Bruders gelehnt da saß, zu kichern und Griff sackte noch tiefer in sich zusammen, und dann lachten alle drei verunsichert auf: „Klar, sicher. Wir haben ein ganzes Arsenal an Waffen in unserem geheimen Lager. Seht ihr nicht da drüben, dort machen wir unsere täglichen Armbrustübungen.“ Ful, Grifs Bruder, deutete mit erheiterter Miene auf die leere Wiese. Und seine beiden jüngeren Begleiter kicherten leise. Dann wurde er ernst: „Selbst wenn wir Waffen hätten, hoher Herr, könnten wir nicht damit umgehen. Ich glaube vielmehr, dass Tsa die Wege des Schützen zu uns geleitet hat, um dem Baron eine Lektion zu erteilen. Sie hat ihn errettet an der Schwelle des Todes, um ihm die Macht der Götter zu zeigen und um ihn zu mahnen.“ Er nickte. So muss es gewesen sein.