Feldzug Rabenmark, Kapitel 1: Neue Schwerter für die Nordmarken

Neue Schwerter für die Nordmarken

Müde nach einer Nacht ohne Schlaf und einem anschließenden langen Tag, wollte Alrik vom Schwarzen Quell doch nicht die kleine Feier in der Gemeinschaft seiner Freunde verlassen. Es war schön sie zu sehen, Zeit mit ihnen zu verbringen und sich mit ihnen zu unterhalten. Es war schön, weil es etwas zu feiern gab. Ein Abschnitt seines Lebens hatte am heutigen Tage sein Ende gefunden und einen neuen Lebensabschnitt eingeläutet. Noch immer kam es ihm vor wie ein Traum, wobei er im Traum vermutlich nicht derart Müde wäre, doch endlich war es soweit gewesen. Er war endlich ein Ritter.
Seine Hoheit, der Herzog der Nordmarken, persönlich hatte ihn zum Ritter geschlagen und sich dabei nicht lumpen lassen. In ein schlichtes Büßergewand gekleidet, hatte er die ganze Nacht auf dem kalten Boden des Praios-Tempels gekniet und zum Götterfürsten gebetet. Dabei fühlte sich seine Familie doch seit jeher der himmlischen Leuin verpflichtet. Doch es war wie es nun einmal war und da ihn der Götterfürst nicht niedergestreckt hat, hatte er sich vermutlich auch keinen schwerwiegenden Fehltritt erlaubt.
Mit schmerzenden und steifen Gliedern war er dann am Morgen zurück ins Lager der gekommen. Von den Strahlen der Praiosscheibe gewärmt und dank der Bewegung wieder etwas geschmeidiger in den Gelenken hatte er einfache Kleider angelegt. Feste Stiefel, Hose und Hemd. So war er vor den Herzog getreten um die letzten Prüfung zu absolvieren. Eine Sauhatz durch das Lager, dabei hatte er gehofft sich dieser Schande entziehen zu können. In den Mauern Elenvinas war es das eine. Dort schaute das einfache Volk zu und amüsierte sich köstlich über die verdreckten und erschöpften Jungritter die der Sau nachstellten oder sie zurück zur Eilenwid zerrten. Aber hier inmitten des Adels des Reiches? Das war etwas anderes, es waren Ritter, Knappen und Pagen vor denen sie sich dieser Prüfung unterzogen, Männer und Frauen denen er am Ende des Praioslaufes als Ritter gleichgestellt sein würde. Doch was blieb ihm übrig, nichts. Nichts half, außer so schnell wie möglich des Borstenviehs habhaft zu werden.
Den Plan zu fassen war leicht, ihn umzusetzen hingegen nicht. Kaum losgelassen machte sich die Sau im Schweinsgalopp von dannen, so schnell dass man es kaum glauben konnte. Zum allgemeinen Elend zeigte sich schnell das ein Zeltlager, mit all den Schnüren die hier gespannt waren, sich nicht sonderlich für ein derartiges Unterfangen eignete. Zum Glück war es trocken und Alrik musste nicht durch Schlamm und Matsch warten, wie er es auf dem Feldzug oft hatte tun müssen. Der Sau nachsetzend, sprang er gleich mehrfach über Seile, anfänglich mit Bedacht doch nachdem er eine Art Rhythmus gefunden hatte konzentrierte er sich stärker auf die Hatz. Als er sich das erste Mal auf das Tier warf bekam er lediglich für einen kurzen Augenblick den Ringelschwanz zu fassen, eindeutig zu wenig um es zu halten. Nach dem zweiten Sprung hatte er die beiden Hinterläufe fest im Griff, allerdings auch Zeltschnüre die ihn nun daran hinderten Ort und Stelle zu verlassen. Als er jedoch den Griff einer Hand lockerte um an der Schnüre vorbeizugreifen, flutschte ihm das Biest aus der anderen Hand und war schon wieder daran zu verschwinden. Den Staub aus seiner Kleidung klopfend, war Alrik hinterhergerannt. War seiner Beute auf der Fährte geblieben. Vollends konzentriert hatte er dabei einen Pflock übersehen und war gestützt. Der Stutz hatte ihm die Luft aus den Lungen getrieben, während sein schmerzender Zeh unangenehm pochte. Die Sau und ihre Hatz verfluchend, hatte er sich wieder hochgestemmt und die Verfolgung wieder aufgenommen. Tatsächlich war ihm das Glück hold. Nicht nur ihn hatte das Zeltlager ins Straucheln gebracht, auch seine Beute war ihm in die Falle gegangen. Die Sau war in eine Schlaufe getreten, hatte sich darin verfangen und konnte deshalb nicht mehr wegrennen. Nach einigen weiteren Mühen hatte er seine Beute dann schließlich auch zurück zum Zelt des Herzogs geschleppt. Froh diesem Spiel endlich ein Ende bereitet zu haben.
Die Sauhatz hatte die Aufmerksamkeit so manches Lagerbewohnern erregte, sodass die Zuschauermenge unerwartet groß ausfiel. Eigentlich hätte sich Alrik gewünscht das seine Eltern zugegen wären, doch dieser Wunsch erfüllte sich nicht. Feierlich und mit gewohnt kräftiger Stimme eröffnete stattdessen der Herzog das gewohnte Zeremoniell zur Schwertleihe. Ehrenhaftigkeit, Gefolgschaft, Loyalität und ungebrochener Mut im Dienste der alveranischen Leuin wurden beschworen und gelobt. Als er den letzten Schlag durch Seine Hoheit empfing, war er auf vieles vorbereitet gewesen – schließlich hatte er in den letzten Praiosläufen häufiger die Klinge mit dem Herzog gekreuzt. Die Wucht der dampfhammergleichen Backpfeife hatte er jedoch nicht erwartet. Stolz, darauf ab sofort ein Ritter der Nordmarken zu sein, erfüllte ihn, während heißes Pochen seine geschundene Wange erfüllte.
Anschließend hatte er sich in sein Zelt begeben. Hatte sich und seine Bekleidung von Staub und Dreck befreit und sich anschließend herausgeputzt. Schon einige Wochen vor seiner Abreise hatte er ein Paket von seiner Mutter erhalten, darin enthalten einige Wappenröcke in den Farben derer vom Schwarzen Quell. Mit viel bedacht holte er einen ganz besonderen Rock aus seiner Kiste. Er war extra eingeschlagen um ihn zusätzlich zu schützen. Pechschwarz hob ein silberdurchwirkter Faden das Wappenschild ab. Der gleiche Faden, der vier Sternen, dem Dreiberg und der Quelle Form und Farbe gaben. Eine schöne Arbeit, die sicherlich viel Mühe bereitet hatte und ihm das Herz erwärmte als er sie endlich anlegte. Erstmals trug er der Farben seines Hauses. Ab diesem Augenblick war er erstmals verantwortlich für seine Taten, würde sein Tun und Lassen Ehre oder Schande für das Ehrenschild seiner Familie bedeuten. Ehrfürchtig nahm er sein neues Schwert von seinem Lager, betrachtete es lange und gürtete es schließlich. Die Zeit der Schonung war vorüber, fortan würde er aus seinen eigenen Erlebnissen, Erfolgen genauso wie Fehler lernen und daran reifen müssen. Die erste Probe stand auch bereits an. Im Schwertkampf wollte er sich mit dem Adel des Reiches messen.
Und nun war er hier, auf der Feier, die seinen und Bruns Ritterschlag feierte. Überglücklich, voll Vorfreude auf das Turnier, voll Tatendrang mit seinen Brüdern gen Rabenmark zu ziehen und hundemüde.

Brun hatte seine Wacht in einem anderen Praiostempel als Alrik verbracht - die beiden Knappen sollten an diesen feierlichen Stunden mit den Gedanken bei sich und den Zwölfen sein, und sich nicht gegenseitig ablenken. Brun hatte natürlich den kleineren Tempel, fast nur eine Kapelle, zugeteilt bekommen.
Er war sich sicher: in der Geschichte des Rittertums hatte kein Knappe je auf so hartem Steinboden ausharren müssen. Außerordentlich hart! Anscheinend hatte kein Knappe vor ihm so spitze Knie besessen wie er, oder sie waren so umsichtig gewesen sich die Beine zu polstern, denn wie anders hätten sie diese Qualen überstehen sollen? Selbst er, der große Stücke auf sich selbst hielt, war versucht gewesen aufzugeben, sich dieser letzten Prüfung zu versagen, vor den Tempel zu humpeln und der Ehrenwache an der Tür zu sagen, dass sie sich diese Prüfung gerne mal sonstwo... Ja, die Nacht im Tempel hatte ihn geschafft, aber er hatte sie überstanden, und er war sich sicher, dass er die meiste Zeit der Wacht, nun, wach gewesen war.
Dafür hatte er keine Erinnerung mehr an die Sauhatz, und die spöttischen Blicke, die er den ganzen restlichen Tag hatte ertragen müssen, sagten ihm, es sei besser so. Vielleicht war ihm die Herrin Marbo hold, dass sie den Schleier des Vergessens darüber legte. Wahrscheinlicher aber war die schallende Ohrfeige des Herzogs gewesen, die er zum Schluss erhalten, und ihm die demütigende Erfahrung aus dem Hirn geklopft hatte.
Egal - es war überstanden, der Schmutz vom Körper gewaschen, und auch Brun trug die Farben seines Hauses. Kranickteich, der Name hatte nicht mehr den Glanz, den er mal hatte oder, nach Bruns Dafürhalten, schon bald wieder haben sollte. Schlimmes war widerfahren an jenem schicksalhaften Tag vor sieben Jahren. Doch diese Scharte würde er auswetzen, als Ritter würde er nun in den Krieg ziehen. Als stolzes Mitglied des Orgilsbundes, an der Seite seiner Bundbrüder und -schwestern.
Doch das lag noch weit vor ihm. Jetzt galt es zu feiern! In dieser Nacht galt es erstmal ein Bierfass zu bezwingen, und vielleicht ein junges Fräulein zu erobern.