Flucht nach vorn...

Flucht nach vorn...

Mein Name ist Nibelwulf Kühnbrecht Timerlain und heute ist der erste Praioslauf eines neuen Lebens, für mich und meinen Bruder Geron Sigiswild. Doch eventuell sollte ich etwas früher mit meiner Geschichte Anfangen.
Wie bereits gesagt, ich bin ein Bastard. Als drittes von acht Kindern, erster von sechs und einer von drei anerkannten Bastarden Chilperich ‚der Skorpion‘ Timerlains auf der Vairnburg geboren worden. Der Skorpion, was ein Beiname! Vater hatte ihn sich erworben als er im Dienst Kaiser Pervals gestanden hatte und ihm als Weggefährte in den Wirren der Kaiserlosen Zeit dabei geholfen hatte den Greifenthron zu besteigen. Natürlich könnte man sich fragen wieso ein Nordmärker einen Garethier dabei unterstützt die Kaiserwürde zu erlangen, aber das ist einfach. Wir sind Gratenfelser und Rhondara von Albenhus war uns wohl kaum wohlgelitten. Um ehrlich zu sein, meine Familie hatte durch eine Entscheidung Kaiser Valpos vor knapp zehn Dekaden die Kontrolle über ihr Lehen verloren und somit war Vater vielmehr ein Elenviner. In der Herzogenstadt geboren, aufgewachsen und zum Krieger ausgebildet hatte er, genauso wie seine gesamte Familie treu zur Herzogin gestanden als Rhondaras Truppen vor den Toren der Stadt gestanden hatten. Am Ende überlebte nur Vater und sehnte sich nach Rache für seinen Verlust. Rache die er als Pervals Adjutant, Söldnerführer und versteckte Klinge ausgiebig genommen hatte.
Aus Dank hatte ihn Perval, als frisch gekrönter Kaiser, zum Statthalter der Vairnburg erklärt, samt des Rechts alles Land zu beanspruchen dessen er habhaft werden konnte. Ob es nun wirklich Dank war, will ich – vermutlich nicht unberechtigt – bezweifeln. Vater wusste zu Vieles, war zugleich aber auch ein zu guter Mann um ihn in Borons Hallen zu geleiten. Stattdessen ging er mit drei Rittern des Hauses vom Schwarzen Quells in die Stammlande seiner Ahnen und beanspruchte sie für das Haus Timerlain zurück. Dabei war er sehr gerissen und gleichermaßen kaltschnäuzig bei der Wahl der Mittel. Er ehelichte die Tochter eines reichen Hauses, nutzte ihre Mittel und zeugte Erben – meine Halbschwester Hiltpurga und ihren Bruder Gryfdan. Tragischer Weise verstarb Gislane bei der Geburt Gryfdans, ja vermutlich hätte ich ohne diese Tragödie nie das Dererund erblickt, leider schürte sie aber auch Hiltpurgas Hass auf alle ihre Geschwister. Neben dem nötigen Geld, verschaffte er sich aber auch die Unterstützung lokaler Adliger. Die von Ilsingers, von Aspolans und die minninger Zwerge, die dem Haus Timerlain noch immer die Treue gehalten hatten. Trotz seiner Erfolge, er festigte die heutigen Grenzen Vairningens, und legitimen Ansprüche wurde er aufgrund seiner Vergangenheit im Dunstkreis Kaiser Pervals nicht durch die Vorgängerin Landgrafs Wilburs als rechtmäßiger Baron anerkannt.
Doch ich schweife ab. Im Rondra 945 BF wurde ich als Sohn des vom Kaiser eingesetzten Statthalters und einer Magd geboren, im Tsa 946 BF folgte mein Bruder Geron und anschließend weitere Halbgeschwister. Als Knappen Rapots vom Schwarzen Quell wurden Geron und ich im Kriegshandwerk ausgebildet, mit seinem Vater und seinem jüngeren Bruder war dieser einst in Vaters Gefolge nach Vairningen gekommen. Vater liebte die ritterlichen Ideale und die Idee des Rittertums, doch wenn er zu Tat schritt waren ihm Erfolge stets wichtiger gewesen. Einmal sagte er zu mir: „Nibelwulf. Es ist nicht alles Gold was glänzt, manchmal ist es auch bloß der blanke Stahl den dir jemand in die Eingeweide rammen will!“ Zynisch? Vielleicht! Allerdings sollten mir diese Denkweise Götterläufe später das Leben retten. Neben der ritterlichen Ausbildung durch Rapot, erfuhren wir auch eine gründliche Unterweisung durch Vater. Bereits vor meinem zwölften Tsatag hatte ich gelernt ungehört in ein Gebäude einzudringen und seinen Bewohnern umzubringen. Gelernt bedeutet dabei nicht nur das ich wusste wie es theoretisch ginge, nein ich habe mit Geron gemeinsam mehrfach Feinde unseres Vaters auf genau diesem Wege beseitigt. Sie finden das hart? Also wirklich, ich sagte doch bereits Vater war nicht zimperlich wenn es darum ging seine Ziele durchzusetzten und wenn hätte er mehr vertrauen sollen als seinem eigenem Blut? Deshalb direkt eine weitere Weisheit meines Vaters: „Blut ist dicker als Wasser, so ein Unsinn wenn du zu verdursten drohst trinkst du beides!“ Ups, diese Weisheit hatte ich überhaupt nicht gemeint. „Die Familie ist heilig!!!“ Das hätte er wohl nicht nur uns, sondern auch Hiltpurga beibringen sollen.
Es war der Götterläuf 960 nach Bosparans Fall als Vater lernte was für ein Biest seine geliebte Erbin sein konnte. Man wollte ihn partout nicht als Baron von Vairningen anerkennen und dennoch hatte er es geschafft seine liebste Tochter in Protokollen des landtgräflichen Hofes als Baroness führen zu lassen. In diesem Jahr jedoch schlug Hiltpurga zu. Nur so viel, Hiltpurga ist ebenso Verschlagen und Rücksichtslos wie Vater – eventuell mochte er sie deshalb so sehr – zugleich ist sie aber auch hochgradig Machtgierig, Manipulativ, Intrigant und es fehlt ihr am Familiensinn. Doch zurück zu den Ereignissen des Jahres 960 BF. Hinter dem Rücken unseres Vaters leistete sie in Gratenfels den Treueeid und wurde offiziell als Baronin von Vairningen bestätigt, womit sie kurzerhand den Skorpion entmachtet hatte. Rapot Äußerste sich lautstark und vor allem negativ über das Verhalten meiner Halbschwester, was dazu führte das er bei einem unglücklichen Jagdunfall verstarb. Vater hingegen warf dieser Verrat aus der Bahn, die Familie war Heilig und doch hatte dieser Verrat dafür gesorgt das die Baronie endlich wieder offiziell dem Haus Timerlain gehörte, andererseits änderte sie auch das Familienwappen zurück die ursprünglichen Widderhörner. Was mich persönlich überraschte war die Tatsache dass unsere Halbschwester dafür sorgte dass wir nach dem Tod unseres Schwertvaters von dessen Nichte weiterhin ausgebildet wurden und später die Schwertleihe empfingen.
Doch ich greife vor. Vater war aus dem Rennen und Hiltpurga hatte die Macht an sich gerissen. Schon zuvor hatte sie immer versucht unsere Anerkennung geheim zu halten und so war es, wie bereits erwähnt, eine Überraschung dass sie uns weiter ausbilden ließ. Nun gut, diese Gunst hatte einen Preis. Wer derart Machtgierig ist wie unsere Halbschwester sieht hinter jeder Ecke Feinde und Neider, sodass es unsere, Gerons wie auch meine, Aufgabe war, einige dieser Unruhepole zu beseitigen. Wir brachten sie um und hinterließen Spuren die auf andere Dissidenten hinwiesen oder ließen es nach natürlichen Toden aussehen. Bei einigen Platzierten wir Beweise, bei anderen war dies überhaupt nicht mehr nötig – so endete sie als Hexen, Götterlästerer und Verräter auf den Scheiterhaufen oder wurden wegen eines geplanten Mordkomplotts an Graf Wilbur Greifax direkt an eben jenen ausgeliefert. Schnell kehrte Ruhe ein, doch Hiltpurga machte auch weiterhin ihre ‚Feinde‘ aus. Die Leute buckelten und Widerworte gab es kaum noch, doch dann eskalierte die Situation gründlich. Ein Attentat auf sie schlug fehl und anstatt der Baronin starben ihre beiden ältesten Söhne Raul Praiodan und Werold II. Rondrian eines sehr unschönen Todes. Ab diesem Praioslauf an rückten auch Familienmitglieder in ihr Visier.
Als erstes erwischte es Nana, ein einfältiges, hübsches Ding das gern Blumen pflückte. Soweit das Auge reichte erstrecken sich um die Vairnburg, abwechselnd mit den vielen reichen Äckern, Blumenwiesen die die Färber für ihre Vielzahl an Farben ernten und verarbeiten. Eines Morgens verließ sie die Burg um wieder einen ihrer Sträuße zu sammeln, kehrte zum Mittag jedoch nicht wie gewohnt zurück. Inzwischen vollwertige Ritter und unsere Familie achtend brachen wir auf um sie zu suchen, es war der nächsten Morgen als wir sie fanden. Ihr Korb lag in einem niedergetrampelten Teil der Wiese von dem Spuren zu einer Reihe von Obstbäumen führten. Unter einem Birnenbaum lag ihr Leichnam. Ihre Kleider waren zerrissen und jemand hatte sich an ihr vergangen, während, nachdem oder bevor man sie erwürgt hatte. Nana war nie eine Gefahr, für Niemanden. Jeder wusste dass sie Vaters Tochter war und aus Angst vor ihm hätte sich auch keiner eine derartige Tat gewagt. Es war ihr Anblick der mir vor Augen führte das der kalte Stahl bereits in meinem Rücken blitzt, bereit zuzustoßen.
Die nächste war Lana. Wir fanden sie auf der Ebene unterhalb der firunwärtigen Burgmauer und erkannten sie einzig und allein an ihrer Kleidung wieder. Der über hundert Schritt tiefe Fall hatte wenig übrig gelassen was man wiedererkennen könnte. War Nana vor den Namenlosen Tagen getötet wurden, war Lana ihr im neuen Götterlauf gefolgt. Ab diesem Augenblick wusste ich, dass meine Praiosläufe auf der Vairnburg gezählt waren. Die Mauer von der sie gestürzt sein musste war schmaler und zudem bei den Beeten und Pferchen, doch hatte Lana Tiere gehasst und wäre nie dorthin gegangen. Vermutlich hatte der Wahn endgültig Besitz von meiner Halbschwester ergriffen und so musste ich Handeln. In aller Heimlichkeit und Phex sei es gedankt dass es niemand bemerkt hat, hatte ich begonnen alles Notwendigen für ein Leben außerhalb Hiltpurgas Reichweite aus der Burg zu schaffen und in den Weinbergen zu verstecken.
Im Efferd erkrankte Vana schwer und keiner konnte sie einen Reim machen oder wusste wie sie zu behandeln war. Selbst eine Kräuterhexe die ich heimlich an ihr Lager führte vermochte nur wenig zu tun, während die anderen zu viel Angst vor der Baronin hatten. Tatsächlich und für alle überraschen überlebte sie die Krankheit, war aber nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Vana war Gescheit, aber leider zu Gutgläubig und nun auch zu Geschwächt um die Baronie zu verlassen. Nachdem die drei illegitimen Bastarde fast erledigt waren, war es mehr als wahrscheinlich dass wir die Anerkannten in Bälde folgen sollten. Ich begann meinen Bruder und unserer Halbschwester Utsinde auf die Ungereimtheiten aufmerksam zu machen und zeigte ihnen die verdächtigsten Ereignisse auf. Ihr jedoch gefiel das schöne und sorgenfreie Leben hier auf der Burg zu gut und so wollte sie nicht einsehen wieso sie die Härte eines Lebens außerhalb dieser behaglichen Mauern auferlegen sollte. Zum Glück gab sich Geron dieser Illusion nicht hin und gemeinsam intensivierten wir meine Bemühungen alles nötige aus der Burg zu schmuggeln.
Unsere Vorbereitungen waren abgeschlossen als wir gemeinsam mit Gryfdan und einigen Männern einer Bande von Raubrittern nachstellen sollten. Gryfdan war ein guter Kerl gewesen, hart und gerissen, aber er liebte die Familie. Doch geschehen ist, was geschehen ist. Wir fanden nach längerer Suche die Spuren der vermeintlichen Raubritter und verfolgten sie. Als der Abend dämmerte waren wir jedoch gezwungen ein Lager aufzuschlagen und als beste Jäger der Gruppe ging ich gemeinsam mit Geron unser Abendessen jagen. Als wir zurückkehrten umringten die Männer den am Boden liegenden Gryfdan und versorgten seine widerwärtige Bauchwunde. Da die Männer deutlich in der Überzahl waren und wir sowieso nichts mehr für den armen Gryfdan tun konnten, spielten wir glaubhaft vor die folgende Geschichte, trotz aller Schwächen und Fadenscheinigkeit, zu glauben. Angeblich war er am Lagerrand pissen gewesen als die Gesuchten ihn sprichwörtlich mit runtergelassenen Hose antrafen und den kalten Stahl in den Wamst rammten. Im anschließenden Scharmützel gelang es ihnen die Angreifer in die Flucht zu schlagen. Um nur ein paar der Schwachstellen zu nennen: Die Blutspuren an Gryfdans Leichnam wiesen darauf hin das er die Hose noch an hatte. Der Boden war vom angeblichen Gefecht nicht zertrampelt, während dafür die Lache um Gryfdan dafür sprach dass er an Ort und Stelle angegriffen wurden. Die Männer waren weder verschwitzt noch verwundet vom Kampf. Am auffälligsten jedoch war der Mann der uns dies alles beschrieb. Das blutige Taschentuch könnte man noch damit erklären dass er versucht hatte zu helfen, nicht aber die blutbesudelte Klinge an seiner Hüfte. Vortäuschend die Nacht mit ihnen Abzuwarten um im Morgengrauen zurückzukehren nutzten wir die Dunkelheit und setzten uns still und heimlich ab.
Zu unserem Glück waren wir die besseren Jäger und so entkamen wir nach einem Katz- und Mausspiel. Dabei hatten wir den Versuch unternommen unsere Verfolger möglichst weit weg von der Vairnburg zu locken und zugleich in die Irre zu führen. Erfolgreich wie sich herausstellte. Unseren Pferden die Sporen gebend, wobei wir uns direkt ein paar Packpferde ausgeliehen hatten, eilten wir zu unserem Versteck und luden alles auf und zogen weiter zu einer sicheren Lichtung in einem nahen Waldstück. Mehr als zwei Nächte und Praiosläufe ohne Schlaf hatten uns und unseren Pferden deutlich zugesetzt, sodass wir vollkommen erschöpft unser Lager aufgeschlagen hatten. Wir gönnten unseren Pferden die Ruhe der sie bedurften, genauso wie wir sie uns selbst gönnten. Am dritten Morgen brach Geron auf um Erkundigungen einzuholen. Als er am Abend zurückkehrte waren seine Nachrichten nicht gut. Die Kunde von Gryfdans Tod hatte die Runde gemacht und angeblich stellten wir noch immer seinen Mördern nach, wobei ungewiss war ob wir in unserer übereilten Wut lebend zurückkehren würden. Eine Version wo wir Schuld an seinem Tod trugen gab es glücklicherweise nicht, aber das mochte daran liegen daas wir glücklicherweise unter der Bevölkerung einen positiven Ruf genossen. Die vielen Häscher die Ausschau hielten sagten allerdings deutlich dass wir nicht zurückkehren sollten. Der blanke Stahl hatte auf unserer Haut gelegen und vermutlich war es uns, Phex sei Dank, gelungen dem tödlichen Stoß zu entgehen. Morgen verlassen wir auf dem kürzesten Weg die Nordmarken. Mein Name ist Nibelwulf und ich bin gespannt wohin mich der Ruf des Aves verschlägt… --- Kategorie: Briefspielgeschichte

-- Main.VonRichtwald - 29 Mar 2017