Firun Gefällig

Firungefällig

Mehrere Tage schon hatte Gudo die Grenze von Eisenstein hinter sich gelassen. Noch immer fragte er sich, was die Kleine dazu bewogen hatte, ihm zu helfen- und warum er ihre Hilfe angenommen hatte. Vorgeführt von einer Zwölfjährigen! Und doch war ihre Hilfe von unschätzbarem Wert gewesen. Ausrüstung, eine warme Mahlzeit- ob er es ohne sie schaffen würde?

Er bemühte sich, so wenig von seinem Proviant, den die Baroness noch so großzügig aufgestockt hatte-, zu verwenden und probierte sich an seinen neu erlernten Fertigkeiten des Jagens. Doch wurde ihm einmal mehr klar, dass seine Begabungen eben woanders lagen. Ein einziges Mal schaffte er es, ein Kaninchen zu schießen- und es war das beste Essen seines Lebens.

Immerhin erlebte Gudo, dass die Qualität seiner Lager besser wurde. Immer weniger Zeit brauchte er, um sein Zelt aufzustellen und Feuer zu machen. Er wusste irgendwann sogar intuitiv, was eine gute Stelle für eine Übernachtung war und was nicht. Einige Male war er anderen Reisenden begegnet. Hatte das ein oder andere Mal traviagefällig sein Feuer geteilt oder war an eines eingeladen worden. Der Hunger und die Kälte waren allerdings seine ständigen Begleiter.

Und so nahm sein kleines Bäuchlein, das er während der Jahre der Aktenarbeit in Elenvina angesetzt hatte, jeden Tag ein wenig an Umfang ab. Die letzten Tage, bevor er den Fuß des Gebirges erreichte, war sein Proviant schließlich komplett aufgebraucht. Und so schlich er abends, wenn sein Lager aufgebaut war, meist fast noch ein ganzes Stundenglas herum, suchte Baumfrüchte von Buchen oder Nußbäumen, die man manchmal noch in bescheidener Menge unter der Schneedecke fand. Er aß Fichten- und Kiefernadeln, sobald er an diesen Bäumen vorbeikam. Und wenn er tote, umgestürzte Bäume fand, suchte er mit seinem Messer unter der Rinde nach Larven, Maden und Asseln, die er angewidert hinunterwürgte. Wenn das Hungergefühl zu groß wurde, weil er nichts zu essen gefunden hatte oder keine unnötige Pause machen wollte, kaute er auf einem Stück Rinde herum. Firunian hatte ihm widerwillig diesen Trick beigebracht, sich selbst zu täuschen und dem Hunger ein Schnippchen zu schlagen.

Auch sein Pferd war nicht mehr bei guter Gesundheit, als er schließlich in der letzten größeren Ortschaft ankam. Einer der Bauern dort bot ihm an, sein Pferd für die nächsten Tage in seinem Stall zu versorgen und aufzupäppeln, wenn er im Gegenzug eine Nachricht für ihn mit in die Berge nahm, die sich letztlich als Bündel Briefe für die Dorfbewohner herausstellte.

Gudo war zwar nicht sonderlich erfreut, den Schlitten, der mittlerweile fast seiner ganzen Last entledigt war, alleine und zu Fuß den Berg hinauf zu zerren. Doch das Pferd würde wohl spätestens den Abstieg nicht mehr überleben und der Bauer versicherte, dass es zu Fuß nur noch zwei oder drei Tagesreisen bis ins letzte kleine Bergdorf vor dem Ifirnschrein wären. [ 22.03.17]

-- Main.CatrinGrunewald - 04 Feb 2020