Fedoras Brief

Liebste Anniella,

Vielen Dank für Deine Zeilen, ich freue mich, zu lesen, dass Dir Deine Knappenschaft bei Hartuwal von Hornisberg bisher gefällt und Du bei ihm an Deine bisherige Ausbildung anknüpfen kannst.
Ich möchte Dir einige Zeilen über die jüngsten Ereignisse auf dem Hoftag der Kaiserin Rohaja von Gareth auf der Pfalz Angroschsgau berichten, dem ich beiwohnen durfte.
Zuerst vielleicht das Neueste von unserem geliebten Herzog. Sein Sohn Prinz Godehard Jast vom Großen Fluss wird seine Pagenzeit antreten bei niemand geringerem als Swantje von Rabenmund. Der Pageneid wurde sehr feierlich zwischen dem Herzog und Swantjes Vertreter Gilborn Hal von Bregelsaum Burggraf von Hallingen abgelegt und zwar vor dem Randrageweihten Deggen von Baernfarn. Es gab ja im Vorfeld verschiedene Gerüchte oder ein wildes Rätselraten, bei wem der Prinz seine Pagenschaft und wohl auch später seine Knappenzeit abhalten wird. Der Herzog hat sich schließlich für Rabenmund entschieden, war doch die Markgräfin der Rommilyser Mark einst Knappin seines Großvaters und dem Hause vom Großen Fluß stets gewogen. Nun ist es entschieden und der Blutschwur vor Rondra gesegnet. Es war natürlich auch ein Rondradienst aus Anlass des Schwurtages, und man gedachte hernach einigen der Gefallenen, ich habe an Deinen Onkel und Cousin gedacht, aber im Stillen. Viele sind in Mendena geblieben, und haben gegen Monster und Verderben gekämpft, es ist schrecklich, dass so viele gefallen sind, aber sie waren tapfer und siegreich. Sie alle jedes Mal erneut aufzuzählen, erscheint mir aber nicht sinnvoll, wir sollten in die Zukunft sehen und ihrer Gedenken, mit der Zuversicht, eines Tages ihrem Beispiel gerecht zu werden.

Aber dann kam die Kaiserin auf die Pfalz und alle Anwesenden waren ganz aus dem Häuschen, Du kannst Dir das Gewimmel in den engen Gassen und in den Räumen der Pfalz kaum vorstellen. Jeder wollte einen Blick auf sie erhaschen, und sie bat Geweihte, Abgesandte entfernter Reiche, Abgesandte der magischen Gilden, das gemeine Volk, Niederadel, Adelige, Grafen und Hofangehörige zur General-Audienz. Es gab ja auch einiges zu beraten, zum Beispiel wollte doch der Albenhuser Bund seine Schuld für einen Vertrag begleichen, der die nordmärker Stapelrechte für Händler des Bundes aussetzen soll. Der Vertrag war noch nicht mal gesiegelt, und eine Zahlung von 24.000 Dukaten für 2 Götterläufe war der Bund noch schuldig.
Stattdessen brachte Rhodan Herrenfels, der Vertreter des Albenhuser Bundes – stell Dir das vor: ein versteinertes Drachenei auf eine Zwergen-Burg mit!
Das „kostbare Kleinod“ wie er sich ausdrückte, sollte statt der Zahlung der Dukaten herhalten! Das zu Stein gewordene Ei eines Kaiserdrachen. Die anwesenden zwergischen Gastgeber, insbesondere Seine Hochwohlgeboren Ratosch Sohn des Rathorn, der Pfalzgraf von Angroschsgau und Tschubax Sohn des Tuagel, der Bergkönig von Xorlosch waren natürlich sofort entrüstet. Das Ei gehöre vernichtet, sie wollten es sofort in einen Kamin werfen oder unter einen Amboss legen. Und auch die Abgesandten des Horas erhoben natürlich sofort Einspruch, diese aber gegen die Vernichtung!
Mehr noch, der Horasbotschafter meinte:
“ Unseren Informationen zufolge ist dies ein Verwandter des Drachen Shafir und gehört somit zur Familie des Horas. Das Widererstandene Horasreich verlangt seine Herausgabe!” Nun war ja nicht ganz klar, wo das Ei eigentlich herkam, und der Abgesandte des Albenhuser Bundes konnte seine Herkunft auch nicht belegen, so war in diesem Tumult alsbald völlig unklar, wem das Ei nun gehören sollte. Die Zwerge verlangten die Zerstörung, der Horas die Herausgabe, der Albenhuser Bund den Erlass seiner Schulden und die Kaiserin saß ganz ruhig da und hat dann ihren Hofscheiber Gammelstein beauftragt einen Ausschuss zu begründen aus den Anwesenden Hoftags-Gästen, die zu erkunden hätten, woher das Ei nun käme und einen Rat erteilen sollten, was zu geschehen hätte.

Wie das mit dem Ei weiterging schreibe ich gleich noch, aber viel wichtiger war ja der eigentliche Anlass, weshalb es diesen Hoftag gab! Der Vertrag über den kaiserlichen Besitz der Pfalz Angroschsgau musste mit den Zwergen erneuert werden. Eigentlich eine unstrittige Sache, dachte man. Aber weit gefehlt: die Zwerge wollten doch den in Stein gemeißelten Text, der in ihrer Zwergensprache verfasst war, umdeuten! Dort würde angeblich stehen, dass aller 144 Götterläufe ein Kaiser zu erscheinen habe, um den Anspruch zu erheben und die Verträge zu erneuern, nicht aber unsere KaiserIN. Der Zwerg, stell Dir vor, war einer ohne Bart. Wann hat man schon mal einen Zwerg ohne Bart gesehen, auch wenn seine Krone umso imposanter war! Und gerade er maßt sich an, die gesalbte Kaiserin des Raulschen Reiches in Frage zu stellen. Die Anwesenden wurden natürlich beten einen Ausschuss zu bilden, und darüber zu beraten, wie man dieses Dilemma lösen könne und den Zwergen und dem Vertragstext doch gerecht werden könne.

Einige waren der Meinung, dass es sich ja um einen Titel „Kaiser“ handelt, also das Amt, und es egal ist, ob Männlein oder Weiblein auf dem Kaiserthron sitzt, andere waren der Meinung, man müsse mal in den Archiven erkunden, wie es in den anderen Zusammenkünften dieser Vertragserneuerungen so gelaufen ist, oder ob die Übersetzung einfach nur schlecht ist. Oder ob es Möglichkeiten gibt, die Bedingungen neu zu verhandeln und dann eben Kaiser UND KaiserIN in den Text aufzunehmen. Aber diese Option wurde abgelehnt, vermutlich wollte niemand Verluste riskieren bei einer Neuverhandlung! außerdem hatte die alte Verhandlung 12 Götterläufe gedauert, es würde also vermutlich wieder sooo lange dauern, und die Angroschsgau in der Zwischenzeit verfallen, weil niemand wissen würde, wem sie zugesprochen wird. Nun ja, in den Archiven fand sich tatsächlich was, wer hätte das nach all dieser Zeit noch erwartet!

   1. Es handelt sich bei dem Text auch in der zwergischen Sprachvariante tatsächlich um das Amt und den Titel, nicht um das Geschlecht.
2. Es waren sogar schonmal nur Vertreter da, um den Vertrag zu erneuern, nicht mal der Kaiser selbst, und auch das wurde von den Zwergen damals akzeptiert. Und wohl genauso auch andersrum.
3. Die Zwerge haben wohl auch erkannt, dass die Kaiserin, obwohl sie eine Frau ist, in der Lage ist, diesen Vertrag zu erneuern, immerhin hatte sie nach ihrer Krönung auch ihren Namen in eine Stele im Kosch gemeißelt, um den Bund mit den Zwergen zu bekräftigen.

Wie auch immer, am Ende haben die Zwerge akzeptiert, dass Rohaja als Kaiserin auf der Pfalz erschienen ist und die Erneuerung des Vertrages anerkannt!

Am Hoftag gab es auch noch eine Klärung der Besitzverhältnisse für Orgilsheim, Wolfhold von Streitzig ä.H. Baron von Ogis Heim ist ja kinderlos gestorben und als Erbe wurde sein jüngerer Halbbruder Raul Heldemar von Streitzig ä.H. angenommen, da Wolfhold diesen adoptiert haben soll. Da aber kein traviaheiliges Adoptionsritual abgehalten wurde, galt das nun als nichtig.
Wolfholds leibliche Schwester Rondralda Donnerfeder von Streitzig ä.H. beanspruchte die Baronie ebenfalls für sich und konnte sich sogar mit dem Sporn des heiligen Orgils ausweisen! Der galt als verschollen, wurde aber vom Orgilsbund wiederbeschafft, dem sich ja Dein Bruder, Adamar, anschließen wollte. Auf dieser Queste war er aber wohl nicht dabei. Jedenfalls stand in dem Testament vom Wolfhold widerum, dass Raul erben solle, aber Rondralda hat auch das Testament angefochten. Der Landgraf ist jedenfalls nicht in der Lage eine Entscheidung zu fällen, wer nun der Erbe ist. Der Herzog hat es ebenfalls an den Landgrafen überwiesen, und wollte nicht über dessen Kopf entscheiden. Es kam sogar zu offenen Fehden auf den Straßen zwischen den Anhängern der beiden Parteien. Auf jeden Fall wurde der Fall nun vor die Kaiserin gebracht und diese hat die Rittertugenden prüfen lassen. Beide Anwärter konnten in allen Tugenden bestehen, aber bei der Minne hat am Ende Raul gewonnen, weil er ein Gedicht geschrieben hat, indem er quasi erneut den Lehenseid ablegt und der Kaiserin Treue schwört, während Rondralda fast einen schmachtenden Liebesbrief geschrieben hat. Der Kaiserin gefiel der Vortrag von Raul besser und dieser legte dann den Lehenseid vor Kaiserin und Herzog und Praios feierlich ab.

Das war der zweite Lehenseid auf diesem Hoftag, der Herr Godobald, ehemals von Torkelstein, wird fürderhin als Godobald von Finsterbinge unter diesem Namen und Wappen in den Registern geführt werden. Der hat den Lehenseid über das Lehen Raboschsalm abgelegt, dessen Vogt er lange Zeit war.

Jedenfalls wurde auch der Orgilsheimer Bund von Ihrer Majestät lobend gewürdigt,

“ Wir loben den Orgisbund für seine Tatkraft. Möge er anderen Kappenbünden in unserem Reich zum Vorbild gereichen!” waren die Worte der Kaiserin. Ist vielleicht doch gar nicht so verkehrt, dieser Bund. Aber Dein Bruder wird selbst entscheiden, ob er diesem Bund seine Blutstreue noch gelobt oder nicht.

Dann ist am nächsten Tag etwas furchtbares geschehen, der Sohn des Herzogs, Prinz Godehard Jast vom Großen Fluss und alle Kinder der Adeligen Gesandtschaften waren verschwunden. Beim Üben des Schwertkampfes aus dem Garten der Pfalz entführt! Entsetzlich! Wir wurden beauftragt nach ihnen zu suchen, das habe ich als meine fürderste Pflicht angesehen! Ich stellte einen Trupp zusammen, glücklicher Weise beteiligte sich Ihre Hochwürden und meine gute Freundin Ivetta von Leihenhof an der Suche. Wir konnten in den Taschen des Leodegar von Fadersberg, der als Fechtmeister die Kinder unterrichten sollte, eine Art Rechnung über Zutaten zu einem Schlafgift finden. Tatsächlich war auch dieser mit den Kindern verschwunden, ebenso wie die Geweihte der Tsa, Glöckchen. Diese hatte vorher vermelden lassen, die Kinder sollten gar nicht kämpfen lernen. Wie dem auch sei, wir fanden weitere Hinweise in den Gemächern von Leodegar und konnten eine zwergische Gänsemagd befragen, die schwarze Gänse hütet! Schwarze Gänsefedern können einen solchen Schlaftrank vielfach verstärken, es gab noch einen Alchimisten und Kräuterkundigen in unserem Suchtrupp, der sich damit auch auskannte. Dann befragten wir den Zwergen, der die restlichen Zutaten angeblich an Glöckchen und Leodegar verkauft hatte, aber am Ende gab es genug Beweise, diesen Zwergen und seinen Sohn zu verhaften, denn sie hatten die Kinder entführt und wollten alle Anwesenden Menschen (Langbeiner)vergiften!
Sie hatten genug Zutaten für Schlaftrunk der giftig genug gewirkt hätte. Und sie hatten von Fadersberg und Glöckchen schwer belastet. Die Kinder konnten sich aus der Zwergenbinge, in die sie verschleppt worden waren, selbst befreien! Sie mussten gegen Spinnen kämpfen und gegen den Zwergen, der sie entführt hatte. Sie konnten alle der Zwergenbinge lebend und gesund entkommen! Die Kaiserin hat sie dann vortreten lassen und sie über die Maßen gelobt! Was für eine Ehre! Jedenfalls konnten wir den Giftanschlag vereiteln und Glöckchen und von Fadersberg entlasten!

So, nochmal zurück zu dem Ei: Als quasi die gesammelte Versammlung am Ende der Questen und zur Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Ausschüssen, zusammenkam um zu berichten, kam doch tatsächlich ein mächtiger Drache in halber Menschengestalt zur Tür herein. Es gab ein furchtbares Donnern und Grollen und der Drache hat gebrüllt, dass das Ei ihm gehöre. Und als einige der Anwesenden Einspruch erheben wollten, hat er sie umgehauen. Er hat das Ei eingefordert, aber die Kaiserin hat die versammelten Gesandten abstimmen lassen. Der Appell von Ivetta war aber eindringlich: Ein Kind gehört zu seiner Mutter, ob nun das Ei lebt oder versteinert ist. Wenn die Mutter ihr Gelege einfordert, wer sind wir, es ihr vorzuenthalten. Die Entscheidung war ziemlich eindeutig, das Ei wurden den Horasgesandten übergeben, die es dem Drachen nun durch das Reich hindurch bewachen und bringen sollen, da der Drache nur eine Manifestation im Zwergenreich war! Zum Glück sind die zu Boden geworfenen Anwesenden auch wieder zu sich gekommen.

Die Kinder waren ganz schön erschrocken, ich zugegebener Maßen auch kurz.
Dabei muss ich noch erwähnen, dass der bisherige Novize von Ivetta, Brin von Angroschsgau, nun selbst ein Meister der Ernte ist, es gab einen wunderbaren Götterdienst der Peraine, denn überall im Garten wuchs prächtig eine Heilpflanze: Knoblauch. Es hat zwar etwas streng gerochen, aber einer anwesenden Dame konnte damit ihr verstauchter Knöchel geheilt werden. Es war wirklich eine heilige Begebenheit und der Geweihte Brin hat das Ornat erhalten.

Ach und nochwas habe ich vergessen, es gibt wohl einen schleimigen gelben Pilz, der dem Landgraf von Gratenfels helfen soll, anscheinend ist er mit einer schweren Krankheit des Vergessens geschlagen. Der Bergkönig Tschubax hat die Kaiserin darauf gebracht:
“ Was? Alrik hat Dodoblosch? Ist verblödet? Bei Angroschs Bart! Da müsst Ihr was machen, Kaiserin Rohaja! Wenn das bei Zwergen vorkommt, was sehr, sehr selten ist, essen wir den grünschleimigen Erinnerling, der hilft bei so etwas!” Da wurden einige der Anwesenden beauftragt den Pilz zu suchen und zu untersuchen, ob er giftig für Menschen ist, oder dem Alrik Custodias-Greifax wirklich helfen kann. Ich hoffe, das nimmt ein gutes Ende.

Es war ein aufregender Hoftag, aber nun weißt Du einmal das wichigste, was sich zugetragen hat in den Tagen des Rondra anno 1046 BF.

Ich wünsche Dir jedenfalls Gesundheit, lerne fleißig, übe viel und sei Hartuwal ein geneigter Gast und eine gelehrige Schülerin, aber da kann ich mir ja sicher sein. Grüße Ivetta von mir, solltest Du ihr begegnen, und lass Dich lieb von mir grüßen.
Deinem Bruder geht es soweit gut, ließ ich mir bestätigen, leider konnte ich ihn am Hoftag nicht selbst treffen, er war nicht zugegen. Sicher habt ihr ja selbst untereinander Korrespondenz!

Ich hoffe, Dich bald wieder einmal selbst zu sehen, bis dahin alles Liebe.

Deine Mutter,
Baronin Fedora von Firnholz zum Firnholz.
Gegeben von eigener Hand 29. Rondra 1046 BF auf Gevelsberg.