Expedition ins Kalte

Expedition ins Kalte

Beteiligte Personen:

Wissensdurst

Ein Leben lang war Corvinius die Akademie der Herrschaft in Elenvina ein Zuhause gewesen. Damals als junger Eleve hatte er die Gemeinschaft innerhalb dieser Mauern kennen gelernt, sich ihr verschrieben und war ihr bis zum heutigen Praioslauf treu geblieben. Doch längst war dies Vergangenheit. Inzwischen zählte er 35 Lenze, hatte Erfahrung gesammelt und eine Anstellung als Magister ordinarius Controllarius.

Corvinius Praiolan von Blauendorn hatte sich in all den Götterläufen verändert, eine Schande wäre dem nicht so, doch ebenso hatte sich seine Heimat verändert. Sehr zu seinem Missfallen hatte die Akademie immer mehr an Bedeutung verloren. Hatte unter Galotta für eine kurze Zeit wieder vom Glanz alter Tage geträumt und umso schwerer unter dem Verrat des einstigen Musterschülers gelitten. An allen Ecken mangelte es an Dukaten und einige seiner Kollegen waren grade zu erfinderisch geworden was die Beschaffung von Drittmitteln anbelangte. Die wohl größte Veränderung erfuhr sein Institut aber erst kürzlich. In Kooperation mit der Kirche des Praios war es ihnen auferlegt worden die magisch begabten Kinder der Nordmarken zu unterweisen, während die Häscher des Götterfürsten sie aus allen Ecken und Winkeln des Herzogtums auflasen. Oft musste er sich, ob der neuen Schüler, Ärgern, denn ein Gro von ihnen verfügte kaum über ausreichend astrale Kräfte um die fordernde Laufbahn auf dem Weg zum Gildenmagier beschreiten. Allerdings hatten all die neuen Gesichter auch etwas, das er nicht erwartet hätte, Geschichten und Gerüchte aus Regionen der Nordmarken, die er nie bereist hätte.

Eine besonders verlockend klingende Begebenheit soll sich dabei im fernen Gratenfels zutragen. Doch während diese Seite der Akademie-Mauern mit neuen Schülern überfüllt war, herrschte auf der anderen Seite der grimme Herr Firun und würde es im weniger milden Gratenfels erst recht tun. Vielleicht sollte er die Spektabilität um eine kurzfristige Expeditionsreise bitten?

Der Magister saß in seinem Studierzimmer an einem Sekretär, welcher, mit Pergamenten und aufgeschlagenen gebundenen Werken magiewissenschaflicher Literatur beladen, eine Auswahl diverser Abschriften naturmagischer und magietheoretischer Abhandlungen zeigte. Zuvorderst thronte im geordneten Chaos der Traktate eine umfassende Abschrift der Forschungsliteratur gildenmagischer Auseinandersetzung mit naturmagischen Repräsentationen „Druidentum und Hexenkult“, welches Blauendorn mit erheblichem Aufwand als zentrale Erweiterung seiner Privatbibliothek erworben hatte. Der kümmerliche Etat für wissenschaftliche Abhandlungen und Empirie brachte den Magier stets zur Verzweiflung, wenn er das Potenzial seiner Forschungstätigkeit dem verordneten Korsett der Akademieführung zu unterwerfen hatte.

Einer Schlussfolgerung nachkommend rückte er seinen Studiersessel in eine bequeme Position und ließ sich zu einer entspannten Haltung hinreißen, um die Nackenmuskulatur zu entspannen. Er schloss die Augen, während er gedanklich den Nutzen einer Forschungsreise einer Kalkulation resultierender Aufwendungen gegenüberstellte.

„Elissa!“, wies er seine wissenschaftliche Mitarbeiterin an, welche ihre Recherchetätigkeit für den Magister unterbrach und die Verordnung des Magisters erwartete. „Liebes, wir werden einen Antrag zur Genehmigung einer Forschungsreise stellen. Kümmere dich bitte um einen Termin bei Ihrer Spektabilität.“

Die junge Adepta ließ die gebundene Ausgabe des Werkes „Die Kunst der geistigen Beeinflussung“ zurück an den ihm vorgesehenen Platz, wand sich ihrem Mentor zu und lächelte erwartungsvoll. „Sofort.“, bestätigte sie ihre Bereitschaft und schickte sich an, das Studierzimmer zu verlassen.

Corvinius eindringlich fordernd, während sie bereits die Türe hinter sich schloss: „Und bring diesen Eleven aus Gratenfels zu mir!“ Anschließend begann er, sich die Argumentation einer Notwendigkeit der wissenschaftlichen Exkursion bereitzulegen.

Ein Termin muss her

Elissa sal Hana überquerte, den Schlaf- und Arbeitsraum ihres Lehrmeisters sowie das historische Gebäude Argelionsheim mit dem Turm Galottas verlassend, den Platz in Richtung Hauptgebäude, um die Aula Magna zu durchqueren, auf dass sie sich um eine Audiencia ihres Meisters bei Ihrer Spektabilität Ruane von Elenvina kümmere. Anschließend würde sie in Erfahrung bringen, welchen Eleven im Speziellen der Blauendorn zu sich wünschte. Zum Verdruss der jungen Gehilfin erwiesen sich beiden Aufgaben als nicht annähernd so leicht wie sie es eventuell erhofft hatte. Zielstrebig führten ihre Schritte sie zuerst zu den Räumlichkeiten der Spektabilität wo sie, trotz mehrfacher Anläufe, ein unverschämt langes Stundenglas warten musste bis der beleibte Assistent Ruanes überhaupt Zeit für sie hatte. ´Der Versager wird sich wieder aufspielen.´, dachte die Adepta und malte sich bereits die Auseinandersetzung mit Nottel, wie sie den Speichellecker Ihrer Spektabilität abwertend namentlich aufzuziehen pflegte aus, während sie abwartend äußerlichen Anstand bewahrte. ´Ruane wird niemals meine Aufrichte Beachtung verdienen.´

Corvinius hatte die einstige Scholarin der Akademie der geistigen Kraft zu Beginn ihres ersten Semesters der gildenmagischen Ausbildung infolge eines Forschungssemesters zwecks Konsultierung der ausufernden Präsenzbibliothek in Fasar aufgelesen und sie der dortigen Ausbildung abspenstig machen können. Sie hatte sich den Konventionen der dortigen Lehrmeister widerstrebend gezeigt, was erst das Interesse des seinerzeitigen Adeptus minor beflügelt hatte.

´Die Folgen des Bestrebens Ihrer Spektabilität, ihre Schüler klein zu halten, um sich selbst hervorzutun, könnten nicht verheerender sein, betrachtet man die Tatsache, dass Nottel, hätte man ihn den Praioten zum Ausbrennen überlassen, sich nicht als minder unfähiger Magier zeigte.´

Der knapp vierzig Lenze zählende, langjährige Gehilfe bestreute endlich das lange vor sich ihm liegende Schreiben mit etwas Sand und legte es vorsichtig zur Seite. Seinen Schreibtisch weiter sortierend schaute er auffordernd in Elissas Richtung, deren aufgestaute Frustration hatte jedoch nicht dafür sorgen können dass sie dem Mann unentwegt anschaute und so räusperte sich dieser vernehmlich um seinen unerwünschten Besuch abzuarbeiten. „Meine Zeit ist kostbar und wie Ihr seht habe ich viel zu erledigen, welches Begehr treibt Euch also hierher Adepta?“

´Der Herr des Lichts hat dir wohl den Verstand herausgebrannt?´, erhob sie sich in der Gewissheit seines Blickes, welcher von den Vorzügen ihrer tulamidischen Abstammung zu kosten wünschte. „Adeptus magnus, der Hochgelehrte Herr und Magister Corvinius Praiolan von Blauendorn reicht das Gesuch einer Audiencia bei Ihrer Spektabilität ein. Ich möge vor Euch in seinem Namen folgendes Verlangen hervorheben: umgehend!“

Keine Miene verziehend zog er einen Schlüssel aus seinem Ärmel und öffnete die oberste Schublade seines Tisches um den Terminplan daraus hervorzuholen. „Einen Termin bei ihrer Spektabilität wünscht Magister Blauendorn also. Oh, oh das sieht nicht gut aus …“ Nachdem sein Finger die Zeilen entlang gefahren war, verkündete er dabei mit gespielter Trauer. „… Ihre Spektabilität hat viele Termine. Wenn es dem Magister nichts ausmacht, könnte ich ihm in sechs Wochen in aller Frühe einen Termin geben.“ Dabei war es bei weitem nicht so, dass es keine freien und vor allem früheren Termine gab, vielmehr mochte er die Art des Magisters nicht.

´Nottel, - na na na!´, erhob sie mahnend den gedanklichen Zeigefinger und nahm die Gelegenheit seiner durchschaubaren Absicht auf. „Mit dem besten Dank des Magisters bitte ich Euch, diese auf den Windstag in sechs Wochen terminierten Audienz bei Ihrer Spektabilität in Eurem Buch zu vermerken.“ Auffordernd, seine Überraschung offenkundig überschauend neigte sie ihren Kopf zu einer schrägen Geste.

„Elissa.“ Mit einem wenig schicklichen Blick musternd lächelte er dann süffisant. „Gegen eine kleine Gefälligkeit und ein gemeinsames, intimes Mahl jedoch, könnte ich schauen ob es nicht eventuell möglich ist eine frühere Möglichkeit aufzutun.“

Sie tat geschmeichelt, um seine Hoffnung zu nähren und ihn dann keines weiteren Blickes zu würdigen: „Nein, vermerkt bitte den Termin.“ Sie wartete, bis der Eintrag erfolgt war.

Von seinem eigenen magischen Geschick sicherlich mehr überzeugt als sein Besuch verfügte er tatsächlich über eine gewisse Gabe – er war ein vollendeter Bürokrat. Als solcher nahm er seine Feder auf und überprüfte sorgfältig ihre Spitze. Unzufrieden mit den was er sah, griff er erst einmal zu seinem Federmesser um diesem Missstand Abhilfe zu schaffen. Erst dann schrieb er fein säuberlich den genannten Termin in den Kalender seiner Dienstherrin. Dass auf seinen Vorschlag nicht eingegangen worden war enttäuschte ihn dabei wenig, immerhin gab es viele andere.

Dann erneut ansetzend: „Adeptus magnus, Ihr müsstet mir nun leider ein weiteres Schriftstück aufsetzen, in dem Ihr mir den eingetragenen Termin als den Nächstmöglichen bestätigt, denn Ihr kennt den Blauendorn …“, ein strenger Blick bekräftigte nachdrücklich ihre Aufforderung, ein Schriftstück aufzusetzen. „… erzählte ich ihm von Eurem Angebot …“, sie ließ die Anspielung unvollendet. Ein Augenrollen begleitete vielsagend die negativen Konsequenzen für den Gehilfen der Akademieleiterin.

Gut Gelaunt zog Nohanwoll einen leeren Bogen Papier aus seiner Ablage, rieb sich kurz das Kinn und setzte soeben zum Schreiben an als er auch schon unterbrochen wurde. „Nun Ihr wähltet Euren Zug, der meinerseitige ließe nun den Blauendorn ex personaliter an meiner Stelle hier erscheinen, welcher zweifelsfrei auf ein umgehenden Termin drängen wird und Euch …“, sie nickte dem Adeptus mit arrogantem Lächeln zu, „… vor Ihrer Spektabilität Ruane von Elenvina …“, ein Augenzwinkern untermalte ihr Widerstreben sich seiner Hierarchie zu unterwerfen, … Eurer … mangelnden Kompetenz anklagen wird, die vorhandenen Lücken im Terminplan Ihrer Spektabilität korrekt zu deuten, sei es nicht der Fall, dass Ihr des Magisters Ersuchen einer umgehenden Audienz in arglistiger Täuschung zu verhindern suchtet!“

Ein zuckersüßes Lächeln umspielte die Lippen des Adeptus magnus. Diese kleinen Machtspiele an der Akademie bereiteten ihm Freude, zumal er gelernt hatte die Wünsche ihrer Spektabilität sehr gut einzuschätzen und was das Begehren des Blauendorn anging war dies besonders einfach. Allerdings war es seine Pflicht als Herr über die Termine Ruanes ihr auch die notwendigen Freiräume zu belassen um ihrer Mediation oder tatsächlich wichtigen Terminen mit Sponsoren nachgehen zu können.

Entschlossen: „Entweder Ihr bestätigt mir schriftlich, Euer Unvermögen, einen umgehenden Termin magni momenti est in re (in wichtigem Fall) bei Ihrer Spektabilität einzutragen, oder Ihr korrigiert nun Euren Fehleintrag ins Rechte und fertigt eine bestätigende Abschrift an, welche einen morgigen Termin bekundet. Im zweiteren Falle verlöre ich kein Wort über Euer Verhalten!“

Kurz die Federspitze in die Tinte tauchend flog diese kurz darauf schwungvoll über das Papier.

07.Hesinde 1040 BF zur ersten Firunstunde, erster vertretbarer Termin!

Hochachtungsvoll Adeptus magnus Nohanwoll von Fuchsberg

„Vielleicht wollt Ihr doch lieber dem Blauendorn erklären, wie der Eintrag in Eurem Buch zustande gekommen …?“

Elissa das soeben fertiggestellte Schreiben aushändigend lächelte Nohanwoll nochmals zuckersüß und ging beiläufig auf ihre letzte Bemerkung ein: „Gerne kann der Magister einen Termin vereinbaren und dann erkläre ich ihm selbstverständlich welche Pflichten mir ihre Spektabilität auferlegt hat.“ Als wäre sie Luft zog er sich anschließend weitere Arbeit von seinem parat liegenden Stapel herunter, während er seine Besucherin mit einem lockeren Wedeln aus dem Handgelenk des Raumes verwies.

Der Quell der Information

Nachdem sie den ersten Teil ihrer Aufgabe endlich erledigt hatte, hieß es jetzt noch den besagte ‚gratenfelser Eleven‘ auszumachen. Viel zu viele von diesen neuen Schülern bewohnten jetzt diese altehrwürdigen Mauern, Stümper die eigentlich nichts an einer Akademie zu suchen hatte. Auf ihrer Suche nach dem Ursprung des Gerüchtes musste Elissa zu ihrer Verärgerung feststellen das einige dieser Wichte nicht einmal einen vernünftigen Zungenschlag beherrschten. Es war derart zum Verzweifeln das sie einige von ihnen ihre Worte mehrfach wiederholen ließ und im Anschluss nur noch mehr davon überzeugt war das es sich dabei nicht um Garethie handeln konnte. Letztlich jedoch wurde sie dennoch erlöst, nicht weil sie verstanden hatte was der Junge gebrabbelt hatte, sondern weil er ihr durch Zeigen die gesuchte Quelle endlich aufgetan hatte. Ein Bursche von vielleicht vierzehn Götterläufen der auf die, sicherheitshalber gestellte, Frage, ob er denn tatsächlich um den Ursprung dieses Gerüchtes wusste, kräftig nickte.

Der Magister hatte in der Zwischenzeit die Argumentation abgewogen. Die aus der mangelnden Gewissheit resultierende Unsicherheit positiven Nutzens der Forschungserkenntnisse mochte Ihre Spektabilität üblicherweise zum Widerspruch anleiten. Folglich lag es an ihm, Ruane die Opportunitätskosten nachlässiger Forschungstätigkeit vorzurechnen. ´Sollte sie der Notwendigkeit einer Forschungsreise nicht nachgiebig gestimmt sein …´, der Magister öffnete mit einem Schlüssel eine Schublade des Sekretärs, ´… Ihre Spektabilität tut alles für den blanken Dukaten:´, Verachtung ging mit seinem Gedankengang einher, ´… Ruane, die dem klingenden Dukaten hinterher stürzte, welcher Ehrwürden der Praioskirche mit den Fingern wegschnippend als Entgelt für gunstgewerbliche Dienste ...´ - Ein treffliches Bild, das den Magister beschäftigte, um die aus dem Versagen der Akademieleitung resultierende Abhängigkeit seiner Akademie vom Wohlwollen der Praioskirche zu beklagen.

Er entnahm dem Schubkasten einen Lederbeutel. ´Ein voller Mondzyklus sollte genügen.´ Einhergehend zählte drei mal zehn Münzen in eine Geldkatze, die das Abbild der Kaiserin Rohaja von Gareth zeigten, um nebst Verzicht auf Entlohnung der Akademieleitung dem kargen Ungemach hinsichtlich der finanziellen Bedürftigkeit geringfügigen Ausgleich für seine Abwesenheit anzubieten. ´Soll Magister Sturmfels sich mit den neuen Eleven abgeben!´

Es klopfte an der Tür. „Magister, ich bringe Euch den Eleven.“ Er erkannte ihre Stimme und öffnete. „Magister, …“, Elissa überreicht das Schriftstück, welches den erwirkten Termin bestätigte und schob den Burschen vor sich her, „… der Adeptus magnus …“, sie näherte sich und flüsterte ihm ins Ohr: „… Nottel verlangte von mir eine kleine Gefälligkeit und ein gemeinsames, intimes Mahl, um einen früheren Termin …“ Der Blauendorn strich Elissa väterlich über die Wange. „Danke Euch Adepta, ich werde das persönlich regeln!“, ließ er seine Drohung verheißen, die dem anwesenden Eleven aufgrund der unmissverständlichen Intonation das Hasenherz zu Boden sacken ließ – gerade weil er in Unwissenheit des Gesagten befindlich gehalten. Elissa wusste, dass ihr Lehrmeister im Ränkespiel der Akademie über Wissen verfügte, das sogar Ihre Spektabilität in schlechtem Lichte stehen ließe, sodass sie schlussfolgerte, dass ebendieser, welcher seit früher Kindheit in den Kammern der Akademie aufgewachsen, über Druckmittel verfügte, dem Adeptus Nohanwoll kein Wohlgefallen resultieren ließe. Mit einem vorfreudigen Lächeln verabschiedete sie sich, während Corvinius sich in seinen Studiersessel zurückließ und den Eleven zur Rede stellte.

Seine kalten hellblauen Augen ruhten lange auf dem Jungen, bis er das Wort an ihn richtete: „Ihr, junger Eleve, steht vor dem Hochgelehrten Herrn und Magister Corvinius Praiolan von Blauendorn.“ Er wusste um die Vorzüge des Namens. „Der Himmlische Richter und Herr des Lichts ist allgegenwärtig hier in Elenvina.“ Eine rhetorische Pause setzend: „Ihr solltet dieser Tatsache gewiss sein, bevor Ihr Eure Worte auf folgendes Begehr zurechtlegt, da der Herr Praios die Lüge verachtet.“

Sich ins seiner Haut unwohl fühlend, belastete der junge Knabe beständig abwechselnd das linke und das rechte Bein. Üblicherweise war er nicht auf den Mund gefallen und neigte womöglich ein wenig zur Prahlerei, aber wer bitte tat das nicht? Dabei machte es die Redeweise des Magisters ihm alles andere als einfach. Fieberhaft versuchte er zu begreifen was der vor ihm stehende eigentlich von ihm wollte. Während derweil sein Blick fahrig durch den Raum schweifte konnte Angrian Zourf den Stab Magister Blauendorns nicht ausmachen: ‚Vermutlich weil er ihm bis zum Anschlag im Arsch steckt.‘ schoss es ihm dabei durch den Kopf, konnte dabei in letzter Sekunde sein Prusten doch noch zu einem unterdrückten Husten retten.

„Erzählt mir nach Treu und Glauben im Angesicht des allgegenwärtigen Herrn Praios alles, was Ihr über das Gerücht eines magischen Phänomens im Einflussgebiet Schwertleihes zu berichten habt! Sollte sich Euer Bericht der unsachlichen Ausschmückung erweisen, gilt es Eurerseits zu hoffen, dass ein Ausbrennen Eurer Kraft ein Ende Eurer akademischen Laufbahn besiegele, um des Blauendorns gerechten Zorn zu entgehen.“

„Sprecht aufrecht und des Blauendorns Verbundenheit sei Dir gewiss, Junge!“

Es dauerte einen Augenblick bis Angrian endlich begriff was hier lief. Er erinnerte sich daran Geschichten von dem griesgrämigen Druiden bei Schreingrad erzählt und unter Umständen etwas übertrieben zu haben. Durch den Gedanken wo der werte Magister wahrscheinlich seinen Stab versteckte, etwas an Mut zurückgewonnen, streckte er seinen Rücken durch und sah den Blauendorn. ‚Ich bin der BLAUENDORN, Heilsbringer, Erlöser und Strafe in Personalunion!‘ Erneut hustete der Junge, gedanklich sich selbst scheltend: ‚Ernst blieben, nicht das du das noch versehentlich laut sagst. … Personalunion, meine Güte man könnte fast meinen ich hätte hier doch etwas gelernt.‘ Immerhin hatten diese Gedanken ihn soweit gelockert, sodass die Worte einem Deichbruch gleich aus ihm herausfluteten.

„Ihr müsst wissen werter Herr Magister, ich selbst stamme nicht aus besagtem Ort und habe die Geschichte deshalb selbst nur von Dritten gehört. Versteht meine Eltern betreiben eine Gastwirtschaft in der Grafenstadt Amleth und Reisende tuen abends an unseren Tischen die verschiedensten Dinge kund. Einer von ihnen erzählte die Geschichte die Euch offenkundig zu Ohren kam, doch bin auch ich nur jemand der weitergibt was er einst gehört.“ Mit seinem anhaltenden Redeschwall gewann Angrian noch weiter an Selbstvertrauen und war schier nicht mehr zu bremsen, womöglich auch da er in seiner Nervosität nichts vergessen und damit das Ungemach seines Gegenübers erregen wollte. „Dieser Kunde, er hatte eine deftige Portion von Mutters guten Braten bestellt und bereits ein, zwei Sturmfelser intus, jedenfalls erzählte er komme soeben aus diesem verschlafenen Nest Schreingard. Ich befürchte Euch wird der Name nichts sagen, doch gibt es dort in der Nähe einen Schrein von Firuns milder Tochter zu dem die Leute während der bitterkalten Wintermonde pilgern um die Herrin Ifirn um ein gutes Wort bei ihrem gestrengen Herrn Vater zu ersuchen. Auf jedenfalls, kam dieser Mann soeben aus dem Dorf und aß von Mutters saftigen Braten, als er die die Euch interessierende Geschichte zum Besten gab. Dabei hat er ganzschön oft über die Dorfbewohner gelacht und sich reichlich mit Bratensoße bekleckert, könnt ihr das glauben die gute Bratensoße die Mutter mit so viel Liebe zubereitete? Eine totale Verschwendung sage ich Euch! Nun, also auf dem saftigen Rehfleisch kauend erzählte er schmatzend vor sich her. Die Bewohner von Schreingard oder eventuell die eines etwas davon abseits gelegenen Hofes seien in den Wald gegangen um Holz zu schlagen. Da bin ich mir zugegeben nicht sicher, immerhin hat er ja so geschmatzt, sich mit Mutters Bratensoße bekleckert und aufstoßend das nächste Sturmfelser einverleibt. Auf jeden Fall soll das Wetter gut gewesen sein und deshalb sind sie extra etwas weiter als sonst in den Wald. Irgendetwas von wegen den Wald schonen und Aufforsten oder so etwas. Sie sind halt etwas weiter in den Wald und haben dann da grade eben den ersten Baum gefällt und wollten sich an den Zweiten machen als dieser haarige Zottelbart toll vor Wut ankam und sie wüst beschimpfte. >Raus aus meinem Wald!< >Was erlaubt ihr Einfaltspinsel euch?< >Das werdet ihr bitterlich bereuen!< Solche und weit weniger gewählt formulierte Beschimpfungen halt. Vor Lachen hatte der Mann, der das erzählte, fast Mutters guten Braten in die saubere Gaststube gestuckt, stattdessen war es ein Sprühnebel aus Bier und der guten Bratensoße. Eine Sauerei sage ich Euch Magister, eine Sauerei ohne gleichen! Eine sehr unhöfliche Gestalt muss ich Euch sagen, aber Vater sagt immer der Kunde ist König – also nur im übertragengen und nicht tatsächlichen Sinne, auch wenn Vater bestimmt nichts dagegen hätte seine Hoheit den Herzog oder die Kaiserin zu bewirten. Der alte, verfilzte Mann drohte den Holzfällen also und als sich diese lachend daran machten den zweiten Baum zu fällen fing diese Einsiedler an irgendwas zu tun und dann, dann konnten sich die Männer plötzlich nicht mehr bewegen. Als wären sie Puppen im Puppentheater…“ ‚Und der Puppenspieler hatte seine Hände in ihren Ärs….‘ Ein erneutes Husten unterbrach für einen Augenblick seinen Redefluss. „… also als ob sie an Fäden gehangen hätten, Marotten oder wie die heißen halt, und von jemand anderen ferngesteuert worden. Unser Gast hatte das dann noch ein wenig vorgemacht, ungefähr so Herr Magister…“ Sofort hielt der entfesselte Eleve die Arme steif nach vorn gestreckt und drehte mit ebenfalls steifen Beinen eine kleine Runde im Arbeitszimmer von Corvinius. „… so ungefähr. Dabei hielt er den Knochen, den er grade beim Erzählen abnagte noch in der Hand, hat Mutters gutes Essen überhaupt nicht wertgeschätzt dieser Banause. Auf jeden Fall sind die Holzfäller dann fortgejagt worden. >Wagt Euch nie wieder hierher, das ist mein Wald und lasst euch das eine Lehre sein und so!< Dann sind sie nach Hause gestakst und haben die Türen und Fensterläden ihrer eigenen Häuser kurz und klein gehackt. Vor Lachen hatte sich der Mann dabei den fetten Bauch gehalten und nach Luft gejapst. Sehr unhöflich. Aber das war es dann auch schon. Dann hat er sich ein neues Bier bestellt und Vater hat ihm etwas vom vairninger Bier eingeschenkt – Ihr müsst wissen das ist sauer, nicht jeder mag es und ich denke Vater wollte ihn für seine Schadenfreue strafen – aber der hat seinen Humpen ausgesoffen und tatsächlich das ganze Fass gekauft. Kaum zu glauben.“ Seinem Redefluss geschuldet hatte nun ein hochrotes Gesicht und schaute Magister Blauendorn an.

Der Magus hatte sich in seinem Studiersessel zurückgelehnt und den Ausführungen des Burschen einer kritischen Betrachtung unterzogen. Er nickte zufrieden. ´Das Wirken eines Haindruiden – interessant.´ Umständlich erhob er sich aus dem Sessel, lächelte freundlich und selbstzufrieden, während sein kalter Blick dem Jungen in die Spiegel seiner Seele schaute. Unvorbereitet traf den jungen Eleven die schallende Rückhand des Blauendorns rechter Hand im Gesicht.

„Sachlichkeit – die Haltung, sich an den Tatsachen zu orientieren und Wertungen, Gefühle und Emotionen nicht mit einzubeziehen.“, streng wies der Magister Angrian zurecht. „Diese Alrikswursterei eines Possenspiels – Mirhamionetten! Vafri inscitia, solche Marotten weiß ich Euch auszutreiben!“

Die Zähne zusammenbeißend ertrug Angrian die schmerzende Wange. Einer der Ringe an der Hand des Magisters hatte seine Haut aufreißen lassen und hinzu kam dass er mit Sicherheit einen gehörigen Bluterguss bekommen würde. „Verzeiht, Magister! Ich werde mich bessern, Magister!“ Presste er mit Tränen des Schmerzes in den Augen heraus, doch er ertrug den Schmerz ohne weitere Schmerzlaute. ‚Vater hat mich auch geschlagen.‘ Dachte er sich dabei im Stillen, auch wenn diese Schläge nie ins Gesicht gingen.

„Strenge und Disziplin sind die Eckpfeiler dieser Bildungseinrichtung! – Missachtetet Ihr eine dieser erhabenen Säulen magiewissenschaftlicher Forschungs- und Lehrtätigkeit unserer Gemeinschaft, so bräche das Auditorium Maximus über Euch zusammen.“ Wohlwollend legte der Magister seine rechte Hand auf die Schulter des Jungen. „Sui ipsus abstinentius, Selbstkontrolle – das Kontrollmaß, gradus dominationi … Beherrschung beginnt mit Selbstbeherrschung!“ Er ließ von dem Eleven ab und reichte ihm sicheren Griffes ein Exemplar <Die Kunst der geistigen Beeinflussung> aus seiner Privatbibliothek und hob hervor: „Ihr werdet diese Lektion einige Praiosläufe sichtbar nach außen tragen, die Maßregelung Eurer Komödie war unausweichlich gewesen.“ Er hielt das gebundene Buch noch in Händen. „Ich danke Euch, für die regionale Bestätigung einer naturmagischen Repräsentation. – Zum Lohn empfehle ich Euch das Studium der Abhandlung <Spiritus et virtutis> im sechsten Kapitel.“ Blauendorn übergab die Lektüre. „Gerne kommentiere ich ein wissenschaftliches Exzerp Eurer Schlussfolgerungen, das Ihr bis Ablauf der zweiten Praiosstunde des kommenden Rohalstags bei Adepta Elissa sal Hana zu meinen Händen einreichen dürft.“

Überrumpelt von dem erneuten Wesenswechsel des Magisters nahm Agrian dankend das dargebotene Buch entgegen und versprach artig die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen. Im Stillen hoffend Magister von Blauendorn zu entkommen bevor seine Stimmung erneut um- und er womöglich zuschlug.

Corvinius fühlte gedankenversunken in sein Innerstes, während er den Eleven beiläufig entließ: „Geht nun. Die Adepta wird Aufsatz und Lektüre nach gegebener Frist von Euch einfordern.“ Dann blickte er den Jungen auffordernd an, ob dieser womöglich noch Informationen beizutragen hatte, oder die Vollendung seines Nutzens erkannt hatte.

Alles muss man selber machen

Der Magus wartete ab, bis der junge Eleve sich getrollt hatte. Seinem Bauchgefühl folgend verstaute er die abgezählte Geldkatze in der Innentasche seiner Gewandung, um seine Lehrmeisterin aufzusuchen. ´Druidische Repräsentation – naturmagische Beherrschungslehre.´ Corvinius schloss das Ziel seiner Studien: ´Wenn es mir gelingt … einem Druiden Wissen abzuringen … zu studieren, wie … vielleicht sogar das Vertrauen des Zirkels … Kultorte … welch Potenzial!´

So wand er seine Schritte in die Aula maximus.

Wieder einmal musste Corvinius feststellen das die Gänge die Akademie voller waren als damals zu seiner Zeit als Eleve. Ein Zustand der die Ruhe in den von ihm so geliebten Hallen zu Nichte machte. Leise tuschelnd, fanden sich immer wieder kleine Gruppen der Schülerschaft die Verstummten wenn sie des Magisters ansichtig wurden, einige von ihnen suchten darüber hinaus auch gleich das Weite. Mehrfach verstand er Fetzen ihrer Gespräche: „… ich frag gleich den Magister, da kommt er ja grad.“ Und ein einig gezischtes: „Nicht den, der gibt uns nur Strafaufgaben auf!“ Er tat so als hätte er sie nicht gehört, doch merkte er sich ihre Gesichter genau denn jetzt hatte er etwas Wichtigeres zu erledigen.

Das Vorzimmer der Akademieleiterin betretend sah ihn Nohanvolls von Fuchsberg das Schreiben das er momentan las senkend, an und legte es vor sich ab. „Was kann ich für Euch tun Magister?“

Des Blauendorns stählerne Blick seiner hellblauen Augen vermochte Widerworte im Keim zu ersticken, waren Ausdruck von Willenskraft und Beherrschungspotenzial. Dem von auffallender Iris umrahmte Schwarz seiner Pupillen resultierte die Kraft, den Widerstand seines Gegenübers zu überwinden und verursachte bei Gesprächspartnern nicht selten das Gefühl, als grüben ebendiese im Innersten der Seele nach Verborgenem. „Nichts!“, die abfällige Betonung unterstrich im Vorbeischreiten, dass der Blauendorn nicht gewillt war, Fuchsberg seine Aufwartung zu machen.

Ungeachtet eventueller Einwände, das Überraschungsmoment ausnutzend, schritt er an die Türe Ihrer Spektabilität, klopfte kurzerhand einmalig mit seinem Stab an, während er bereits im selben Moment mit der Linken nach dem Türriegel gelangt hatte, und öffnete die Tür: „Collega von Elenvina, verzeiht Eurem Schüler das Bedürfnis, seine Lehrmeisterin aufzusuchen …“

Der Blick des Magisters fiel direkt auf den leeren Schreibtisch der Akademieleiterin, keine Spur war von ihr auf den ersten Blick auszumachen auch schon der sehr bestimmte Zug Nohanvolls an der Tür diese wieder verschloss. Sie nicht sehend, doch hörend konnte der Blauendorner die Stimme ihrer Spektabilität vernehmen: „Ehrwürden Ihr könnt nicht immer mehr Kinder zu uns schicken und gleichzeitig die Mittel kürzen. Wir BRAUCHEN mehr Geld um bei so vielen, so unterschiedlich begabten Scholaren auch weiterhin ein adäquates Niveau zu gewährleisten. Außerdem FORDERE ich das die Mindestbegabung nochmals überdacht wird und so mehr von Euren GEFAHRENQUELLEN direkt von der Kirche des Götterfürsten ausgebildet werden!“ Dann war die Tür auch schon ins Schloss gezogen und das Gespräch verklang. „Wenn ich nichts für Euch tun kann, dann würde ich Euch bitten mein Arbeitszimmer umgehend zu verlassen!“ Dabei wies er diesem deutlich dem Weg zur Tür. Wenn er vor jedem buckeln würde er ihm auch nur im endferntesten einen gestrengen Blick zuwarf würde er nicht hier arbeiten, er Nohanvoll von Fuchsberg hatte schon ganz andere Wichtigtuer abblitzen lassen.

Die richtungsweisende Geste überging der Magister mit einem Schnauben. „Fuchsberg, mir ist zu Ohren gekommen, dass der Adeptus magnus zeitnahe Termine bei Ihrer Spektabilität gegen …“, er betonte das folgende Wort vorwurfsvoll, „… Gefälligkeiten verkauft!“ Er ließ offen, was diese Andeutung zu bedeuten hatte. „Ein halbes Leben ist vergangen – der Mensch vor Euch, einst der Schüler der gestrengen Magistra Ruane von Elenvina – der Fuchsberg, ein halbes Leben strengt er sich an, Ihr zu gefallen …“, Corvinius hatte stets ihre Aufmerksamkeit erfahren, wenngleich nicht immer positive Anlässe ebendiese bedingt hatten. Nach einer kurzen rhetorischen Pause, ohne Nohanvoll die Gelegenheit zu geben, das Wort an sich zu reißen: „… gescheitertes Mühen!“ Er blickte von Fuchsberg herausfordernd an, und zitierte, das Pergament drohend in Händen, als wolle er dem Adeptus magnus mit dem gerollten Schreiben ins Gesicht fahren: 07. Hesinde 1040BF zur ersten Firunstunde.“ Dann riss der Magister aufgebracht die Augenbrauen hoch, um herrische Betonung durch gestrenge Mimik zu unterstützen: „Fuchsberg, der Blauendorn gedenkt, der Akademie mit Abwesenheit zu gefallen und obendrein für eine dringende Forschungsexkursion seine Abwesenheit in Dukaten zu vergelten – bedenkt Adeptus magnus, schlau wie der Fuchs könnte der Opportunist ob der Abwesenheit eines Magisters der endlich Spektabilität gefallen, indem der schlaue Fuchs aus dem Schatten des Blauendorn hervorträte, der Schatten des Magisters hinterließe eine Leerstelle, welche der Fuchs einnehmen könnte.“ Abschließend sein Angebot: „Ihr veranlasst ein umgehendes Zusammentreffen und meine Abwesenheit geriete Euch zum Besten: Meine Gefälligkeit – alsdann meine Abwesenheit Euch nicht bereits erfreute – Ihr könntet auf mein Wort bei Ihrer Spektabilität zählen, extraordinarius als Magister in tempus aufzusteigen!“

Tatsächlich hatte der Vorschlag des Magisters etwas für sich. Nicht dass er den Plagen die die Akademie besiedelten etwas beibringen wollte, nein Nohanwoll mochte es Strippen zu ziehen und als derjenige der die wichtigen, die richtigen Informationen zur Spektabilität durchließ gefiel er sich sehr gut. Positiv am besagten Vorschlag wäre einzig und allein diesen affektierten Pudel, der von sich selbst in unablässig in der dritten Person redet loszuwerden. Womöglich wäre Phex ihm hold und eine Lawine machte ihm den Gar aus! Allerdings bezweifelte er stark das Boron ihn in seinen Hallen haben mochte.

„Der schlaue Fuchs weiß zu gefallen. Der kluge Fuchs tut ebendies was er kann und was von ihm gewünscht wird. In dieser Funktion weiß der umtriebige Fuchs auch, dass ein Abstecher ins Blaue, aufs Gradewohl, ihrer Spektabilität ein Dorn im Auge ist. Wenn der Magister jedoch dem listigen Fuchs Glauben schenken möge, so nehme er den ihm gebotenen Termin und beanstande ihn nicht. Die Ohren eines Fuchses hören mehr als die Dornen eines Rosengezüchts und die verstreichende Zeit wird dem Magister zum Vorteil gereichen.“ Mit keinem Wort ging er auf die Anschuldigung ein, es wäre nicht das erste Mal das jemand dergleichen bei ihrer Spektabilität vergebens vorbrachte. Dennoch hatte er es sich nicht nehmen lassen können, die Art des Magisters zu imitieren.

„Nun, während sich der einfältige Fuchs sich selbst darin gefällt, einer zugegen seienden Instanz nachzuäffen, ohne den Schneid dem Blauendorn gleich zu tun, und sich scheu des Verkriechens in seinen Bau zuwendet, um die Mahlzeiten von Gestern wiederzukäuen …“, der Magister ließ einen vielsagenden, verachtenden Blick über abgelegte Papierstapel der Verwaltungstätigkeit im Auftrage Ihrer Spektabilität gleiten und seufzte mitleidig, „… während ihm ein Freund …“, er betonte, „… die Welt der Lehre und Forschung offen legt …“, dann bitter, „… so mag ein Berg die ausgestreckte Hand ausschlagen, einen wohlgemeinte Gefallen ablehnen und dem Stillstand frönen!“ Herablassend hatte er die Worte wirken lassen und ergänzte schließend: „- Gut, dass Ihr von Fuchsberg weder Fuchs noch Berg seid, von dem die Rede war. Meine Reise wird mich ins Gebirge führen, da gilt es in der Tat ausgiebige Vorbereitungen und Recherchen auszuarbeiten.“ Er lohnte Nohanvoll mit einem selbstbewussten Lächeln: „Dem Fuchsberg sei Dank für seinen Rat, den – und mir will scheinen Phex ist auf meiner Seite – den ein Magister Euch ohne Gefälligkeiten abzutreten abzuringen imstande war!“ Corvinius deutete ein Nicken an. „So sei es – sollte die verstreichende Zeit den Ohren des Listenreichen Informationen zukommen lassen, die die Notwendigkeit einer Abwesenheit eines bestimmten Magisters in der Aula Maximus unterstützten, erwöge der Blauendorn Euch in einem weiteren phexgefälligen Wortgeflecht, einen Rat abzuringen, dessen Entgelt allein von Eurer Wortgewalt und Selbstbeherrschung Einfluss hält.“

Daraufhin schickte sich Corvinius in gewohnt arroganter Haltung an, die großen Hallen zu verlassen, um in seinem Arbeitszimmer Vorbereitungen seiner Reise zu veranlassen.

Nachdem er den Magister verabschiedet hatte und sicherheitshalber überprüft hatte dass dieser sich tatsächlich getrollt hatte, ließ sich Nohanwoll von Fuchsberg hinter seinem Schreibtisch nieder und nahm das nächste Schreiben von seinem Stapel. Darüber nachdenkend, musste er sich eingestehen in seiner Funktion bereits so einige eigenartig anmutende Gespräche geführt zu haben, das soeben beendete Gespräch jedoch war – ob seiner Kuriosität –mit Sicherheit unter den Spitzenreitern.

Ein Gespräch in hesindianischem Auftrag

Zäh wie kalter Sirup in der Akademieküche hatten sich die letzten Praiosläufe gezogen. Zeit genug für Corvinius um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Eine geeignete Route musste geplant und Informationen über den Zielort eingeholt werden, aber auch mussten Taschen gepackt und womöglich eine Transportmöglichkeit aufgetan werden. Mehr Zeit als notwendig gewesen wäre und so war Magister Corvinius von Blauendorn sicherlich nicht sonderlich erfreut als er endlich kurz vor der ersten Firunstunde des siebten Hesinde wieder im Vorzimmer ihrer Spektabilität stand. Offensichtlich gut erholt und trotz der frühen Stunde bereits geistig voll zugegen begrüßte der Adeptus magnus von Fuchsberg seinen frühen Besucher. „Praios zum Gruße Magister, ihre Spektabilität beendet soeben noch ihre morgendliche Meditationsübung und wird Euch in Kürze empfangen.“

Der Blauendorn dachte „Scheiß auf Praios“ und entgegnete wortkarg „Ebenso, Fuchsberg“ mit einem Nicken den Gruß erwidernd, indes langsam auf die Porte des Empfangszimmers Ihrer Spektabilität voranschreitend. Corvinius ließ eine bauchige Phiole tiefdunklen Weines mit gesiegeltem Korkstopfen aus seinem Ärmel und stellte ebendiese auf den Schreibtisch Nohanvolls.

Dann lehnte er sich abwartend an eine Säule und sein strenger Blick suchte den des Adeptus magnus: „Haben die wachen Ohren des Fuchses etwas gehört, das einen in Lehre und Forschung angespannten Magisters Dringlichkeit unterstützte, auf dem Wege einer Forschungsreise Ihre Spektabilität von einer Sorge zu entbinden, infolgedessen der Widerstand des Anliegens eines Magisters gemäßigt in künftiger Abwesenheit eines Blauendorns des Fuchsens Wohlgefallen fände?“

Eindeutig gab es Dinge die den Magister definitiv nichts angingen, allerdings konnte es auch nicht schaden ihm kleine Hinweise zu geben. Mit gedämpfter Stimme, vermutlich um ihre Spektabilität nicht in ihrer Konzentration zu stören, blickte der Adeptus den Magister direkt an. „Tatsächlich kann ich Euch ein paar Hinweise geben, die Eurem Anliegen förderlich zu Gesicht stünden. Es ist kein Geheimnis das unser Lehrinstitut unter einer gewissen Mittelknappheit leidet. Es würde Euch folglich zum Vorteil gereichen, wenn ihr anbieten würde die Akademieschatulle möglichst wenig zu belasten. Des Weiteren ist dem Magister sicherlich nicht entgangen das wir sehr viele neue Eleven in unsere Reihen aufgenommen haben, betrüblicherweise jedoch sehr verschiedene Bildungsstände aufweisen. So könntet Ihr, als kleine Aufmerksamkeit, einen Schreiber laden der all dem ungeformten, jungen Potential die Grundlagen im Lesen und Schreiben vermittelt. Doch unabhängig von den vorherigen Vorschlägen solltet Ihr jedoch unbedingt Eure Unterstützung zur Förderung des allgemeinen Niveaus kundtun. Ihr werdet während Eurer Reise nicht als Lehrpersonal zur Verfügung stehen, Eurer gutes Recht, doch lege ich Euch etwas ans Herz: Bietet an das Eure Assistentin in der Zwischenzeit Förderunterricht gibt.“ Tatsächlich waren die Vorschläge ernst gemeint, genauso wie ihre Vorzüge nicht von der Hand zu weisen waren. Allerdings konnte man sich kaum des Beigeschmacks erwehren das Nohanwoll von Fuchsberg daraus eine gewisse Genugtuung ziehen würde. Wenn sein Plan aufging, würde Elissa schon sehen welche Konsequenzen es hatte ihn anzuschwärzen. Bevor jedoch der Magister etwas entgegnen konnte läutete leise eine kleine Glocke nahe der Tür. „Wie ich sehe ist Eure Zeit gekommen. Ihr könnt eintreten Magister, ihre Spektabilität erwartet Euch.“ Einladend wies sein ausgestreckter Arm auf die Tür, ohne das er Anstalten machte sich zu erheben.

Der einladenden Geste nachkommend öffnete der Magister das Portal zum Empfangszimmer Ihrer Spektabilität und verließ das Vorzimmer mit einer unauffälligen Geste und zog einhergehend mit einem ihn ankündigenden Rums den Öffner zurück ins Schloss. Während die rundbauchige Phiole kostbaren Weines im Ungleichgewicht vom Tisch des Adeptus magnus rollte und auf dem Boden zerschellte, erinnerte der Magister mit einem schelmischen Lächeln des Nohanvolls vom Tisch fallenden Griffelkasten, welcher einhergehend eines blauendorn´schen magischen Streiches lautvoll die eingeforderte Stille der Tutoriumstunde Ihrer Spektabilität gestört hatte und dem Fuchsberg im Noviziat ein Nachsitzen im Karzer eingebrockt hatte! „Die Informationen waren den Wein nicht wert gewesen und dieser war ebenfalls viel zu schade für den Gaumen dieses Stümpers!“

Corvinius schritt aus und trat in das Blickfeld der Akademieleiterin, gleichzeitig eine Geste des Grußes nickend, und eröffnete sein Anliegen: „Hesinde mit Euch Collega.“

Ruane von Elenvina saß bereits hinter ihrem aufgeräumten Schreibtisch und blickte gelassen ihrem frühen Gast direkt an, dabei ruhten ihre Hände ineinander gefaltet auf der Tischplatte. „Die Zwölfe zum Gruße Magister von Blauendorn.“ Erwiderte ihre Spektabilität und bedeutete Corvinius mit einem leichten Nicken sich auf einem der beiden Stühle niederzulassen. Harte, etwas zu niedrige Holzstühle mit einer kurzen Lehne, Sitzgelegenheiten die bereits ihre Vorgänger genutzt hatten und einzig dem Zweck dienten das wer auch immer darauf saß auf der Sitzfläche vor Unbequemlichkeit hin und her zu rutschen.

Nachdem Corvinius sich gesetzt hatte ergriff Ruane mit ruhiger, doch strenger Stimme erneut das Wort. „Man hat mir zugetragen dass Ihr auf eine Expedition aufzubrechen gedenkt.“ Ihre Worte waren eine reine Feststellung. Sie brauchte nicht zu fragen was Hintergrund oder Sinn dieser Reise sein sollten, der Bittsteller würde sich von ganz allein erklären.

Kontrollierte Körperhaltung und entspannte Gesichtsmimik wurden von einer abschätzigen Geste seiner Rechten ergänzt: „Collega, ich wünschte Ihr beständet nicht darauf, kostbare Zeit magiewissenschaftlicher Forschung und Lehre in einem Gespräch zu prassen, indem die Lehrmeisterin den ehemaligen Schüler den Aspekt ihrer Position vor Augen führt.“ Der Tonfall des Magisters zeigte sich entspannt und warmherzig. „Ruane, wann habe ich meiner Meisterin Nähe verwirkt?“ Corvinius schob das Pergament der Terminbestätigung in das Sichtfeld der Spektabilität. „Euer No…“, er hustete unverständlich, „…ttel von Fuchsberg handelt als Adeptus Magnus in Eurem Namen …“, Innigkeit offerierend gab sich der Blauendorn enttäuscht und betonte, „… erster vertretbarer Termin?“ Ein Seufzen begleitete das Schauspiel. „Jene Frau, die einem jungen Novizen seinerzeit Mutter und Vorbild war, welche eines Mannes Blick empor gereicht, wünschte einen Freund im wissenschaftlichen Geiste fern? Mein Herz schlägt für Euch, es schlägt im Gleichklang für unsere Akademie!“ Corvinus hatte sich vom Platze erhoben und hatte einige Schritte getan, bevor er sich der Akademieleiterin zuwendete. Er atmete Anspannung fort: „Einer Akademie, welche im Renommee steht im magiewissenschaftlichen Diskurs eines halben Jahrhunderts zusehends an Bedeutung einzubüßen, böte sich Gelegenheit, dem anstehenden Gildenkonvent einen bedeutenden Befund fortschreitender Forschung zu präsentieren, sodann eine vorwärtsgewandte Akademieleitung einem Forschungssemester zwecks Verifizierung theoretischer Erkenntnisse auf dem Gebiet der Magica Controllaria anhand empirischer Ergebnisse einer Feldstudie Zuspruch erteilt!“ Ein strenger Blick des Blauendorn hielt ihrer Position stand, indem er folgend betonte: „Forschung und Lehre gilt es diesbezüglich in Einklang zu bringen, das ist Eurem ehemaligen Schüler angesichts unserer situativen Belastung offenkundig. – Ein Magister hat dem Adeptus Magnus von Fuchsberg versprochen, sich diesbezüglich der Fürsprache einzusetzen, um eine Möglichkeit der Bewährung als dozierender Magister in Repräsentationen in Abwesenheit der blauendorn´schen ordinaria controllaria – Euch, der Spektabilität abzuringen.“ Corvinius trug sein Anliegen in Ernsthaftigkeit mit aufrichtiger, fester Betonung vor. Dann blieb er in einem Ausdruck seiner Willenskraft ruhig vor Ruane von Elenvina stehen. „Seid gewiss, jener Kommilitone vergangener Zeiten ersucht Euch, einer Möglichkeit der Erweiterung seines Verwaltungshorizonts stattzugeben.“ Er nickte bestätigend. „Nohanwoll wünschte, meiner Meisterin Anerkennung mit Bestätigung zu würdigen! – Auch wenn ein Fuchsberg eine freizeitliche Dozententätigkeit seinerseits niemals anspräche, würde sich der Adeptus Maior für die Grundlagenlehre als adäquat auszeichnen.“

Corvinius beugte sich etwas vor, um eine Geldkatze mit klingenden Dukaten vor Ihrer Spektabilität zu öffnen: „Der Lehre zugute eine Zueignung meiner Tantieme und Entgelte des kommenden Semesters, um Euren Blauendorn für ein Semester freizustellen.“

Ganz Herrin ihrer selbst blieb Ruane von Elenvina wo sie war und stellte eine undurchdringliche Miene zur Schau. Aufmerksam lasen ihre Augen in ihrem Gegenüber, lasen zwischen den Zeilen und ergründeten was unausgesprochen geblieben ist. Als der Redeschwall des Blauendorners endlich abgelassen war ergriff sie das Wort, sachlich und nüchtern. „Magister, es überrascht mir ehrlich gesagt mit welch einer Vehemenz Ihr den Adeptus Major förmlich in eine Lehrtätigkeit pressen wollt, doch interessiert mich dies nicht! Adeptus von Fuchsberg steht im Dienste dieser Akademie und wenn ihm eine Lehrtätigkeit zugewiesen würde, hätte er dieser Aufgabe nachzukommen. Magister, ebenso wenig interessiert mich das Geklimper von Dukaten! Denn wir beide Wissen dass es diese Akademie war die sie Euch für Eure Dienste zahlte! Tatsächlich bin ich enttäuscht, dass Ihr – als guter Schüler der Ihr wart – nicht versteht was ich von Euch Wünsche.“ Bewusst ließ Ruane eine Pause und ließ ihre Worte wirken, denn sie wusste nur zu gut wie gern Corvinius auf die Beziehung von Schüler und Lehrmeisterin verwies. „Eure ‚Angebote‘ sind nichts wert! Nicht mehr als plumpes Geschacher auf dem Viehmarkt, ohne Finesse, ohne Herz! Ich wünsche dass Ihr mir etwas anbietet, etwas das mir zeigt wie viel Euch an dieser Expedition liegt. Zeigt mir das Ihr, für dieses Ziel, bereit seid Opfer zu bringen, zeigt mir dass Ihr bereit seid Entbehrungen auf Euch zu nehmen.“

Während er sie geziemlich ihren Gedankengang vortragen ließ, hing er dem Nachklang des Gesagten nach: ´Wenig interessiert am Geklimper von Dukaten? – Die gute Ruane prostituiert sich vor den Illuminiferi der Praioskirche oder sucht sich des Nächtens an den Kirchenschätzen zu bedienen, dass Ihre Spektabilität den einfachen Dukaten aus seiner Hand abtuende Wertschätzung entgegen brachte.´ Sein Griff umfing das Säckchen mit der Auslese seiner Ersparnisse: „Es freut mich zu hören, dass Eure Spektabilität in der Lage ist, eine Aussteuer des täglichen Dukaten für einhundert Tage ausschlägt, weil sie den Zögling – angesichts ersprießlicher Kontrakte mit den Illuminifei – nicht zu seinen Ungunsten über Gebühr auszunutzen übers Herz bringt.“ Er seufzte.

„Collega Ruane, …“, er schätzte sie als unnachgiebige Verhandlungspartnerin und war in der Gewissheit in die Zusammenkunft getreten, dass seine einführenden Worte lediglich ein wohlgefälliges Vorspiel sein würde. „… der Monat des listigen Herrn Phex, lädt Ihre Spektabilität zu einer der Etikette wohlfeil gebietenden gesellschaftlichen Pflichtveranstaltung in …“, er ließ keinen Hehl an seiner abfälligen Wertschätzung jener Turnei in Honingen, „… nach Albernia.“ Aus leidlicher Erfahrung albernischer Engstirnigkeit angesichts der Intoleranz gegen den Magierstand, verzog er seine Miene. „Sicher wird Euch ein Magiertisch im Gesinderaum freigestellt, um der gesellschaftlichen Notwendigkeit der Ehrerbietung des nordmärkischen Bundes mit der albernischen Adelsvertretung nachzukommen. – Schließlich wünscht unser Herzog höchst selbst, dem Nordmarkentross in Ehren der anstehenden Vermählung eine Vertretung unserer ehrwürdigen Akademie beizufügen.“ Er ließ den leidlichen Ausblick auf die Adelsturnei in Honingen wirken. „Diese Last würde Euch Euer Blauendorn mit Freuden abnehmen, da die Forschungsreise des Euch verbundenen Jüngers die blauendorn´schen Schritte in den Norden unseres geliebten Herzogtums führen wird.“ Ergänzend fügte er hinzu: „Des Weiteren schätze ich potenzielle Erkenntnisse naturmagischer Einflussmagie auf dem Gebiet der Controllaria am Beispiel feenmagischer Freizauberei für den wissenschaftlichen Diskurs also wertvollen Beitrag, welcher sich dem Blauendorn´schen Traktatus pactum Controllaria anlässlich des anstehenden Magierkonvents empfehlen wird, um dem Ansehen unserer geliebten Akademie Zuträglichkeit im wissenschaftlichen Diskurs beizutragen.“

„Neben dem steht Eurem Wirken für das Wohl unserer Akademie zugleich ein weiteres gesellschaftliches Ereignis entgegen, welches das Zugegensein einer akademischen Vertretung von Format bedingt. – Dem politischen Ansinnen fürstlicher Nachbarschaft unserer Herzogengemahlin zur Ehr, die Jungfernfahrt eines Flussseglers.“ Corvinius zog es vor, ihre Reaktion abzuwarten, bevor er sein Angebot zweifellos zu erweitern hätte. Doch es hieß, seine Trümpfe wohl auszuspielen.

„Wenn es mir allein um das Geld ginge Magister, müsste ich es mir nicht von Euch aushändigen lassen. Ich könnte schlichtweg die Zahlung an Euch einbehalten und hätte das Problem schneller und ohne Diskussion bereits gelöst.“ Bei seinen weiteren Vorschlägen musste sie jedoch innerlich schmunzeln. „Magister, ich frage mich langsam ob Ihr meinen Worten tatsächlich zu folgen im Stande seid! Ich sprach von Entbehrung und Aufopferung! Ein Gelage, sei es auch in Gesellschaft von albernischer und praiosfrommer nordmärkischer Adliger, hat wenig mit Entbehrung gemein! Ich werde Euch hierbei beim Wort nehmen, aber welches Opfer, dass auch die Dauer Eurer Expedition aufwiegt, wollt Ihr mir feilbieten?“ Auch wenn sie es sich nicht direkt anmerken ließ, wurde Ruane von Elenvina dieser Unterhaltung langsam aber sicher überdrüssig. So formte sich in ihrem Geist bereits ein Gedanke: ‚Wenn du nicht langsam etwas Verwertbares anbietest, wirst du einen neuen Termin brauchen und diesmal werde ich es sein der dafür Sorge trägt das bis dahin Zeit vergeht.‘

Corvinius war vor ihrem Studientisch stehen geblieben, stützte seine Hände auf den Rand und sah Ruane an, er lächelte: „Ruane, da Ihr Euch Eurem Blauendorn seit mehr als dreißig Jahren angenommen habt und unser Herz im Gleichklang für das Wohl unserer Akademie schlägt, komme ich zum Wesentlichen.“ Er entspannte sich: „Voller Ehrfurcht möchte ich den Widerwandel eines dahinsiechenden Rinnens in ein üppiges Quellen finanzieller Zuwendungen – eventus maximus – durch die Illuminiferi der Praioskirche feiern, die unsere Spektabilität offenkundig für unsere Akademie erschlossen hat, wenn des Blauendorns Dukatenauslese seiner Ersparnisse sowie der Antrag auf Freistellung für ein Forschungssemester auf Selbstfinanzierung ohne Entgelt großzügig ausgeschlagen wird. – Sehr großzügig, Collega.“ Er verbarg das Säcklein mit 100 Dukaten in seinem breiten Ärmelsaum und fuhr indes fort: „Meinen Beifall mögt Ihr mir für die Feststellung entlocken, dass unsere Spektabilität eine Freude an den Belangen weltlicher Politik der Adelshierarchie zu entdecken in der Lage ist, welche sich dem einfachen Geist des demütigen Schülers einer virtuosen Lehrmeisterin nicht erschließen kann! – Verdienstvoll wird sich unsere Spektabilität in der Ferne am Bankett jener laben, welche missgünstig und von Vorurteilen beseelt auf den Magierstand herabschauen, anstatt drängende finanzielle Sorgen des essentiellen Dissens klerikaler Scheelsucht, welche die Entfaltung unserer geliebten Akademie unterdrückt, einer derischen Bittstellerei auf dem politischen Adelspakett zu überführen, gezwungen zu sein. – Wohlan, nun könnte man des Nächtens sorgenfrei schlafen, ohne dass finanzielle Sorgen einen in die Arme der Praioskirche zwingen!“, wurde Corvinius ernst, indem er Ruane die Metaphorik seiner Worte offen ließ, ohne eine deutliche Drohung in den Vordergrund zu rücken. „Es ist mir ein Festtag, die meinige Aufmerksamkeit nicht einem weltlichen Arrangement zutragen zu müssen.“ Er ließ das Schauspiel fallen.

„Ruane, so gern ich mit Dir dieses Lied zwischen Schüler und Meister singen möchte, ich habe einen offiziellen Antrag einzureichen, welcher Dein Siegel bedarf.“ Er setzte sich unbequem. „Ich empfehle, das Kolloquium der Controllaria der Adepta Elissa in tempore zu übertragen, für die Grundlagenqualifikation ist die Adepta sehr gut qualifiziert. Dieses Opfer kommt an Eurer statt einem Verzicht auf den Fuchsberg gleich!“

Er richtete seine aufrechte Bitte an sie: „Ich möchte meine Position verantwortungsvoll und kompetent besetzt wissen, schließlich würden Durchfallquoten auf dem Namen Blauendorn lasten. – Eurem Beipflichten, der jungen Adepta Elissa den Zusatznutzen selbstverantwortlicher didaktischer Reduktion und pädagogischer Reflexion zu ermöglichen, könnte einer momentanen aufwandsneutralen Konsolidierung der Lehrtätigkeit - in Abwesenheit ihres Mentors - langfristig ein Mehrgewinn für die Akademie resultieren.“

Er schaute zu Boden, sagte dann leise: „Was liebt Ihr an Eurem Schüler? – Er beugt sich nicht und ist ein hoffnungsloser Fall.“ Fragend schaute er zu ihr auf, während im Spiegel seiner Seele die Verbundenheit des Schülers zu seiner Lehrmeisterin aufkeimte. „Ich wünschte, wir müssten der Praioskirche nicht so sehr nach ihrem Willen kratzen. Sollte sich ein Mittel auftun, akademische Interessen vor klerikaler Willkür in den Vordergrund zu rücken, wünschte ich meine Lehrmeisterin an meiner Seite.“

Nachdenklich musterte Ruane ihren einstigen Schüler. Ihre Gedanken schweiften an vergangene Begegnungen zurück, Momente der letzten drei Dekaden die sie beide verbanden. Es dauerte nur einen Wimpernschlag an und dennoch durchlebte sie Stunden, Praiosläufe, Wochen wenn nicht gar Monde gemeinsamer Erinnerungen. Die Hände zusammenfaltend durchdachte sie sein Angebot und war zufrieden – denn scheinbar hatte ihr Schüler endlich verstanden was ihr Wunsch war. „Nun Magister ich denke unter den folgenden Bedingungen kann ich Eurem Antrag stattgeben. Adepta Elissa wird in Eurer Vertretung eine aushelfende Lehrtätigkeit ausüben …“ ‚… und sich ohne den erdrückenden Schatten ihres Lehrmeisters entfalten können.‘ Führte sie den Satz in Gedanken noch fort. „Unter Fortzahlung seiner Bezüge wird der Magister von Blauendorn aus eigenen Mitteln seine Expedition bestreiten.“ Eine Lösung die ihr die sowohl eine weitere Belastung für die Akademiekasse verhinderte, aber auch Corvinius dazu zwang sich mit dem Haushalten seiner Mittel bewusst zu beschäftigen. „Des Weiteren wird Magister von Blauendorn die Ehre zu teil die Akademie beim Honninger Turnei und bei der Jungfernfahrt der ‚Concabella‘ zu vertreten. Eine verantwortungsvolle Aufgabe bei der der Magister maßgeblichen Einfluss auf das Außenbild dieser Lehreinrichtung haben wird.“ Und wieder vervollständigte sie ihre Ausführung im Geiste. ‚… und eventuell gelingt es ihm sich im Umgang mit anderen Menschen weiterzuentwickeln.‘ Aufmerksam ruhte ihr Blick während ihrer Ausführung auf ihrem Gegenüber. „Ist der Magister mit diesen Bedingungen einverstanden?“ Geduldig ließ sie ihm Zeit seine Entscheidung zu fällen und ergriff erst wieder das Wort als dieser sein Einverständnis zu verstehen gab.

Erst jetzt wurde ihre Miene versöhnlicher, fast mütterlich wenn es dieser Regung überhaupt möglich war sich in ihrem Gesicht zu zeigen. „Corvinius Unbeugsamkeit ist eine wichtige Eigenschaft für einen Magier, doch muss er auch im Stande sein mit der Zeit zugehen. Neuerungen und Veränderungen dürfen uns nicht Schrecken, sondern sind jene Momente wo man sich Beweisen muss oder untergeht. Tatsächlich unterliegst du einem Trugschluss, denn wir sind nicht von Praios-Kirche und deren milden Gaben abhängig. Das Ziel der Diener des Götterfürsten ist es den Druiden und Hexen die Schüler zu rauben, doch welche Möglichkeiten hätten sie wenn nicht wir uns ihrer annähmen? Das Leben unschuldiger Kinder können sie nicht nehmen ohne sich mit den Göttern zu versündigen. Ebenso können sie sie nicht einsperren, denn auch dann würden sie sich mit den Göttern versündigen. Genauso wie das Ausbrennen der Hesindekraft, zumal die Kraft nicht missbräuchlich Verwendung fand, rechtlich sehr bedenklich ist. Also lassen wir sie zahlen! Jedes Kind das sie zu uns bringen wird auf ihre Kosten ausgebildet, stell die dir die Ironie und das Missfallen darin vor. Ja es ist eine Belastung für dieses Institut, aber sollten wir uns all das Potential durch die Hände gleiten lassen? Wenn auch viele der Kinder nur bedingt Begabung zeigen, so können wir sie dennoch formen. Magister von Sturmfels frohlockt, denn unter ihnen sind viele Kandidaten für die Admiralität und ebenso erfreuen sich einige besonderer Begabungen in der Alchemie. Es mag nicht der Pfad alter Tage sein, doch es ist Weg in die Zukunft – nicht zu altem, sondern zu neuem Ruhm.“

Im Gehen befindlich und soeben nach der Türklinge greifend ließ die Stimme seiner Lehrmeisterin Magister von Blauendorn nochmals inne halten. „Eines noch Corvinius, viel Erfolg!“ Als sich dieser sich jedoch umdrehte war Ruane von Elenvina bereits in ein Schreiben auf ihrem Schreibtisch vertieft und hoffte dass ihr sturer Schüler auf seiner Reise mehr fand als er sich erhoffte. Sie hoffte dass er Demut und Selbstständigkeit wieder erlernte, dass er mehr Menschlichkeit entwickelte.

Als Magister von Blauendorn das Arbeitszimmer der Spektabilität wieder verließ, deutete rein gar nichts mehr auf sein kürzlich erfolgtes Missgeschick hin. Keine kleinen Spritzer vom Rotwein waren auf dem Boden oder am Schreibtisch zu erblicken, keine Scherben zu sehen und in der Luft lag nicht die geringste Nuance seines Duftes. Auch ging der am Tisch arbeitende Adeptus nicht darauf ein, sondern schreib flüssig, schnell und ungemein sauber am unteren Ende eines unverschämt langen Textes.

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Kategorie: Briefspielgeschichte

-- Main.VonRichtwald - 15 Mar 2018