Erste Erkenntnisse

Erste Erkenntnisse

Borax stockte kurz der Atem und er wendete abrupt den Blick ab. Bei dem Hammer des Allvaters, warum hatte er auch ein so verlautes Mundwerk? Er hatte gehofft sich noch seelisch auf diese… Sache vorbereiten zu können. Noch nie hatte er einen Toten bewusst näher in Augenschein nehmen müssen. Natürlich hatte er welche gesehen, es kam vor das Arbeiter oder Bergleute in den Höhlen des Bergkönigreiches verschüttet wurden, verunglückten. Ja, Unfälle kamen vor, waren aber sehr selten. Einen abgestürzten Schachtfeger hatte er in jungen Jahren auf verbotenem Streifzug in entlegenen Stollen gefunden und das Opfer eines Tatzelwurmes hatte er kurz vor dessen Verbrennung im Tempel des ewigen Schmiedes gesehen. Das hier aber war etwas anderes… Wobei, war es das wirklich? Eigentlich war er lediglich ermordet worden, mit einem Dolch oder einer andersartigen, schmalen Klinge, so die Aussage des vermalledeiten Spitzels. Der Oberst konnte ja nicht schlimmer aussehen als der arme Bergmann, der von dem elendigen Tatzelwurm zerfleischt und angefressen worden war. Mit diesem Gedanken wendete sich Borax wieder dem Toten zu und trat mit wackeligen Knien zwei Schritte näher an dessen Lagerstatt. Dabei blickte er kurz zur Seite und nickte Dhana aufmunternd zu, irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie genauso unsicher war wie er selbst. Als er vor der Leiche stand, sprach er erneut leise ein kurzes Gebet in seiner Muttersprache und beugte sich dann mit sichtbarem Widerwillen, aufeinandergepressten Lippen und bleichen Zügen über die Leiche, um nach Spuren äußerer Gewalteinwirkung zu suchen. (Borax)

Dhana betrachtete den Adeligen, welcher das Tuch von dem Oberst zog, mit offensichtlich gemischten Gefühlen. Seine Worte waren noch in ihrem Gedächtnis. Ja, man sollte diese Hure finden, auch wenn diese wohl entweder tot oder - wenn sie schlau war - irgendwo weit, weit weg auf einem Pferd saß. Viel mehr bedrängte sie die Frage, welcher der Fälle zutraf. Hatte eine der beiden Wachen gelogen? Das sollten Arlan und Boromar rausbekommen. Die Hoffnung bestand jedoch, dass der Meuchler einen anderen Weg genommen hatte. (Dhana)

Sie blickte zu dem Oberst und trat einen Schritt auf ihn zu, als sie sicher war, dass der Mann endlich fort war. Ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, als sie zu Borax sah, welcher schon bei dem Mann stand. Sie schlug still das Boronsrad und seufzte leise: "Mein lieber Borax... sei so gut und sieh dich um, ob es hier in den Wänden Geheimgänge oder gar einen Eingang zu einem solchen gibt. Ich will wirklich ungerne belauscht werden, auch wenn ich nicht denke, dass ein etwaiger Mörder jetzt noch zusehen würde..." ein leichtes 'aber' schwang unhörbar hinterher, doch es wurde wohlweislich nicht ausgesprochen. Mit einem leicht unbehaglichen Gefühl stellte sie sich neben den Oberst und suchte zuerst nach dem Offensichtlichen, nachdem sie einfache Handschuhe angezogen hatte: Der Wunde vom Dolche. Anschließend wollte sie bei der Wunde und an den Augen sowie den Lippen des Mannes nachsehen, wie die Zeichen der Vergiftung aussahen. Sicher, sie kannte sich hauptsächlich in der Heilkunde von Giften aus, und auch hier war sie bei weitem keine Meisterin, aber besser als nichts. Und in den Giften des Südens war sie bewanderter als in solchen, die es im Norden gab. Zudem suchte sie etwas anderes. Besser kannte sie sich bei der Kunde der Wunden aus und - wenn auch nur durch Bücher und die Tatsache, dass diese Kunst nicht überall verboten war - mit der um die Anatomie des Menschen. Wenn der Gemeine Stutzinger gelogen hatte, was den Absacker betraf, dann konnte der Zeitraum des Mordes ab dem Moment sein, an dem die Dirne Einlass erhielt. Und wenn sie sehr, sehr, sehr viel Glück hatten, gab es Flecken oder ähnliches, die solches verrieten, weil sie zeitlich sonst nicht passten. Angst, den Toten anzufassen, hatte sie nicht, auch wenn die Griffe und Handbewegungen sehr unbeholfen wirkten. Nur borongefälligen Respekt und Mitleid empfand sie, da er zu früh und gewaltsam gehen musste. (Dhana)

Dhana konnte auf dem Kissen ein schwarzes, kurzes Haar entdecken, das mit Sicherheit nicht zu den weiß-braunen, militärisch kurzen Haaren des Obersts gehörte. Im Licht betrachtet glänzte es leicht bläulich. Das Laken, auf dem der Leichnam lag, war zerwühlt und sehr zerknittert. Am Hals des Toten konnte sie eine kleine, feine Einstichwunde erkennen, genau dort, wo die Halsschlagader zu finden sein musste. Altersflecken waren noch keine zu sehen, so dass der Zeitpunkt des Todes sich nach dem Absacker mit dem Gemeinen Stutzinger einzuordnen ließ. Was ihr dann weiter auffiel, war ein Verband, der den linken Oberarm des Oberst bedeckte. Eingetrocknetes Blut war darauf zu erkennen, jedoch schloss sie aus Farbe und Geruch des Blutes, dass dieser Verband erst vor einigen Stunden angelegt worden sein musste.

Borax hielt inne und sah zu Dhana. Es war nicht das, was sie gesagt hatte, es war, wie sie es getan hatte. Einen langen Moment sah er seiner Begleiterin tief in die Augen, dann nickte er kurz und wendete sich ab. Manches brauchte keine Worte. Diese Frau hatte scheinbar verborgene Talente, war nicht nur schön, sondern nun auch noch geheimnisvoll. Sie hatte in Kunchom gelebt und dort den Handel studiert. Nun, die Tulamiden waren freiheitsliebend in vielen Belangen, auch in den Wissenschaften. Dort gab es Gedankengut und Bestrebungen, welche nach Berichten vielen konservativen Geweihten der Hesinde Sorgen bereiten würden. Hatte sie vielleicht mehr studiert und gelernt in der Perle am Mhanadi? Noch etwas, was er unbedingt von dieser Frau erfahren wollte. So wendete er sich von dem Toten ab, holte einen kleinen Hammer aus der Werkzeugtasche, schloss das Fenster und nahm eine Kerze vom Tisch, entzündete sie und machte sich an sein Werk. Zwerge hatten ein angeborenes Gespür für verborgene Schätze und Geheimnisse im Gestein, so sagte man. Nun, Borax wollte sich nicht allein auf seine Intuition verlassen, also wählte er den systematischen Ansatz. Er sah sich die Wände an, waren sie an einer Stelle hier im Raum in Bezug auf Flur und Nebenräume oder Außenwand zu dick, hörten sie sich an einer Stelle hohl oder einfach anders an, als die restlichen Mauerstücke und flackerte die Kerze beim Abgehen der Fugen vielleicht und was verriet das Strömen der Luft? Die Böden vergaß er jedoch ebenfalls nicht, bestanden sie aus Gestein, oder Holz, gab es vielleicht hier eine Falltür, unter dem Teppich oder den Möbelstücken? Ganz vertieft in die Suche vergaß er alles um sich und brabbelte Unverständliches auf Rogolan in seinen gepflegten Bart. (Borax)

Doch wie lange Borax auch suchte, er konnte keine verborgenen Türen oder Gänge entdecken. Nur soliden Stein an den Wänden und massive Holzdielen auf dem Boden.

Borax trat erneut in die Stube des Oberst. Er wartete bis Dhana ihm Aufmerksamkeit schenkte, zog dann nur leicht die Schultern hoch und schüttelte sachte den Kopf. “Hier gibt es meiner Meinung nach nur solides Gestein und profane Mauern. Ich hoffe euch war der listige Fuchs bei der Suche holder als mir.” (Borax)

Den Blick des Zwergs erwiderte Dhana freundlich und warm, ja, Geheimnisse schien sie zu haben, doch ihm gegenüber war sie - und das merkte er - so ehrlich wie nur möglich. Sie grinste dann triumphierend: "Gut, wenn niemand zusehen oder hören kann... Borax, ich habe etwas gefunden, Phex war wirklich mit uns. Hier lag ein Haar, kurz und schwarzblau. Es ist nicht vom Oberst und wenn die Gemeinen kein solches Haupthaar haben, wie sich Dhana sogleich selbst bestätigen konnte, ist es vom Meuchler oder der Dirne, und beide müssen wir finden. Zudem scheint er erst nach dem Besuch der Hure gestorben zu sein." Anschließend sah sie auf die Binde am Arm und wurde stutzig. Sehr vorsichtig fing sie an, diese abzuwickeln, um zu sehen, was darunterlag. (Dhana)

Dhana entfernte den Verband vom linken Arm der Leiche. Dabei konnte sie im Laken darunter eine große Blutlache erkennen, wohl genau an dem Ort, wo Blut aus einer Wunde am Oberarm herablaufen würde. Und tatsächlich! Die letzte Lage musste sie schon mit einem merklichen Widerstand vom Arm reißen, da darunter rohes Fleisch blank lag. Auf einer Fläche von 10 auf 20 Fingern war die Haut komplett abgezogen worden. So wie es aussah, wohl mit einem groben Messer, oder in höchster Eile, entsprechend unsauber waren die Schnittkanten.

Borax trat näher, beobachtete das Tun Dhanas mich wachen und interessierten Augen. Ja, ihre geschickten Hände fesselten ihn, das musste er zugeben. Sie waren mitnichten fahrig oder zittrig in Anbetracht des Toten, sie arbeitete ruhig und routiniert. Als sie das blanke Fleisch am Arm des Opfers freilegte, musste er kurz den Blick abwenden. Dhana bemerkte, dass er ein paar Mal mit der Hand vor dem Mund tief ein- und ausatmete, wohlgemerkt mit dem Kopf zur Seite, weg von ihr und dem Toten. Dann hustete er, fasste sich dann aber scheinbar wieder. Bis auf einen leicht gequälten Gesichtsausdruck blieb nichts zurück. „Meint ihr es war eine Tätowierung, die hier entfernt wurde, aber wenn dem so ist, warum? Solche Hautbilder werden jedoch oft so tief gestochen, dass die Farbe eigentlich auch im Muskelfleisch zu sehen seien sollte, oder irre ich mich da? Könnt ihr noch etwas erkennen? Ich kenne mich mit den Bräuchen des menschlichen Militärs nicht sonderlich gut aus, aber ich habe gehört, dass junge Männer, grade Absolventen einer Krieger- oder Kadettenschule, sich gerne ein Wappen stechen lassen, wenn sie diese frisch absolviert haben. Das hat wohl etwas mit Stolz zu tun, möchte man meinen. Wo kam der Oberst ursprünglich her, sprich wo wurde er geboren, wo besuchte er die Militärschule, hier in Elenvina, oder in einer anderen Metropole des Mittelreiches und wo und wann trat er in den Dienst des Herzogs? Diese Frage sollten wir dem Waibel stellen. Vielleicht ist es nur ein unbedeutendes Detail, aber ich bin mir fast sicher, dass Herr von Schellenberg nicht weiß, was auf dem Arm des Opfers tätowiert war, oder woher die Wunde stammt.“ Dhana merkte, dass der Monolog nicht nur der Findung von Erkenntnissen galt, sondern auch um sich selbst zu beruhigen. Als er selbst merkte, wieviel er grade gesagt hatte und sie damit von der Arbeit ablenkte, räusperte er sich und trat einen kleinen Schritt beiseite. „Verzeiht, ich wollte euch nicht von Eurem Tun abhalten.“ (Borax)

Dhana sah wie gebannt auf das nackte Fleisch, welches unter dem Verband zum Vorschein kam. Es ratterte unter den kurzen, braunen Haaren, das sah man bereits von weitem. Zudem schien dieser völlig unerwartete Anblick dafür zu sorgen, dass sie sich einige Schritte entfernen musste, bevor sie anfing nachzudenken, was es hieß. Sie lauschte den Worten des Zwergs und nickte: „Seltsam ist es jedenfalls... ob er ein Tattoo hatte, frage ich mich auch. Von etwaigen Ritualen habe ich - ehrlich gesagt - keine Ahnung. Waffenbruderschaften oder solche aus Kasernen sind mir fremd. Den Verband hat man ihm sorgfältig angelegt. Aber wer macht sich die Mühe?" Nun, da sie wusste, was sie erwartete, trat sie wieder an ihn heran und besah sich die Wunde genauer. Sie entstand nach dem Tode und wurde verbunden, letzteres war wohl nicht der Meuchler. Doch warum? War es eine Trophäe? Eine Auftragsbestätigung? Oder sollte etwas verborgen werden? "Bitte, rede weiter, Borax. Dann weiß ich, dass ich nicht alleine in diesem Raum bin mit dem Oberst" während sie sprach, schaute sie bei den Muskeln nach eingedrungener Tinte. (Dhana)

Dhana beugte sich tief über die freigelegte Wunde, um nach Farbspuren im Muskelfleisch zu suchen. Der süßliche Duft von Blut und Fleisch drang dabei in ihre Nase, klar und scharf konnte sie Muskelfasern, Haut und nicht mehr ganz rosiges Menschenfleisch wahrnehmen. Leider wurden bei der Fleischerarbeit, welche keineswegs fachkundig durchgeführt aussah, auch die zwei erkennbaren Muskeln zerschnitten, so dass sie zwar erkennen konnte, wo Farbe durch die tiefen Stiche in die Fasern eingedrungen war, jedoch kein Bild oder Worte erkennen. Lediglich zwei längliche Strukturen, die grob schräg zueinanderstanden, waren mit Phantasie deutbar.

„Hm, an eine Trophäe oder eine Art Auftragsbestätigung habe ich nicht gedacht, auch möglich, wenn mir der Gedanke auch reichlich bizarr erscheint. Aber wenn das der Grund dieser… Verstümmelung wäre, dann hieße es doch sicher, dass es ein auffälliges Muttermal, eine Tätowierung, oder etwas anderes, augenscheinlich Einzigartiges gewesen ist, auf das es der Attentäter abgesehen hatte, meint ihr nicht?“ Borax kratzte sich am Kinn, wodurch unweigerlich seine Zöpfe und die darin befindlichen Metallkügelchen und –Drähte in Bewegung kamen. Was leise, klingende Töne hervorrief. „Wir sollten auf jeden Fall in der Flussgarde nachfragen, ob jemand wusste, was sich an besagter Stelle auf dem Arm des Oberst befunden hat. Wir müssen dieser Spur nachgehen! Das wäre eine Frage, welche unsere Begleiter Boromar und Arlan im Verhör klären sollten.“ (Borax)

"Wenn er ein Abzeichen oder ein Ehrentattoo bekommen haben sollte, denke ich, dass auch so etwas nicht viele andere haben. Egal weswegen... es zu nehmen..." sie wirkte einen kleinen Moment sehr angeekelt: "Ist wirklich abstoßend." Ihre Augen ruhten auf Borax und sie rang mit sich, bevor sie dem Oberst den Rücken zudrehte und nah an den Zwergen herantrat: "Borax, ich habe ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache. Vielleicht ist es, weil ich aus den Tulamidenlanden komme... bitte, behalte, was ich jetzt sage für dich, auch keiner der anderen sollte vorerst von meinen Gedanken erfahren, denn ich verrenne mich gerne einmal - und ich will niemanden anschwärzen und es ist eigentlich nichts." sie seufzte leise und ordnete die Gedanken. (Dhana)

Es schien ihr unangenehm, Zweifel zu haben, doch sie wollte mit jemandem darüber reden: "Dieser Alfons... ich weiß nicht wieso, aber irgendwie bin ich ratlos. Ich bilde mir ein, entweder ihn oder jemanden, der ihm sehr ähnlich sieht, bereits einmal gesehen zu haben. Leider will mir nicht mehr einfallen, wann und wo das war. Zudem sprach er mich an, als ich gestern Abend auf mein Zimmer ging. Er erzählte, dass es schlimme Gerüchte über mich gäbe und ließ das Wort 'Kladj' in seinen Wortfluss einfließen. Dieses ist maraskanisch und in den nördlichen Landen nicht üblich. Noch dazu sollte ein Mann in seiner Position einen gewissen Respekt gegenüber anderen zeigen, egal woher er oder sie stammt, aber er kann auch einfach nur ein Rüpel sein. Ich will sagen, ich traue ihm nicht. Wir sollten vorsichtig sein, auch ihm gegenüber." Dann richtete sie sich auf und lächelte: "Doch ich hoffe, dass sich mein ungutes Gefühl eher auf zuviel Wein stützt und die Bedenken sich zerschlagen." (Dhana)

Borax Miene wurde sehr ernst bei ihren Worten. “Ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl bei diesem Mann, aber ich habe es leichthin abgetan, denn die Herzogenmutter schien ihm, wenn auch nicht zu mögen, dennoch ihn für einen rechtmäßigen Diener der Kaiserthrones anzusehen.” Er kratzte sich erneut das Kinn, dies schien öfter der Fall zu sein, wenn er nachdachte. “Gibt es eine Möglichkeit seine Legitimation zu prüfen? Ein Reiter braucht zu lange nach Gareth und zurück, einmal abgesehen davon, dass man wohl nicht so einfach zum Reichsgroßgeheimrat durchgelassen wird.” Er zog die Stirn kraus. “Von diesem Kladj habe ich nur gelesen. Die Maraskaner sollen in vielem sehr eigen sein, auch mit dem scharfen Essen. Jedenfalls hört man allerorten das von dem verfluchten Eiland noch nie etwas Gutes gekommen sei und bedenket wer Marustan, so der alte Name der Insel, grad beherrscht und blutig unterjocht hat. Sei es drum, es ist auf jeden Fall seltsam, dass ein Maraskaner, wenn er denn einer ist, als Spitzel des Thrones dient. Immerhin sagt man ihnen doch nach, einen ausgeprägten Sinn für Freiheit und Unabhängigkeit zu haben. Ist so jemand in diesem Maße vertrauenswürdig, dass man ihm mit so einem bedeutenden Posten adelt? Abgesehen von alldem… einen Siegelring kann man auch durch Mord erbeuten.” Den letzten Satz hatte er fast geflüstert. Dann fuhr er deutlicher, aber dennoch mit leiser Stimme fort. “Wir sollten diese Gedanken wirklich für uns behalten, werte Dhana, da stimme ich Euch uneingeschränkt zu.” (Borax)

Erst als er diese Gedanken mit seiner Begleiterin geteilt hatte klarte seine Miene auf. „Dhana, ich fühle mich zutiefst geehrt, dass Ihr mich so ins Vertrauen zieht und bitte, ich muss Euch erneut um Verzeihung bitten, ich rede zu viel, wenn ich derart angespannt bin und mein Verstand dennoch versucht zu arbeiten.” Er lächelte und griff nach der Tasche, welche immer noch auf dem Boden der Kammer lag. “Was meint ihr, sollen wir Arlan und Boromar bei ihrem Verhör unterstützen oder seid ihr hier noch nicht fertig?” Er nickte beiläufig zur Leiche, offenkundig mit Unbehagen und ohne hinzusehen. “Wir sollten alle befragen, die dem Oberst nahe standen, um herauszufinden was an besagter Stelle an seinem Arm war.” (Borax)

Einen langen Augenblick sah sie aus den seltsam bernsteinigen Augen in die von Borax, und schnell hatte sie die Worte gefunden: "Jetzt hör schon auf, dich zu entschuldigen. Du machst nichts falsch. Bleib ja genauso, wie du jetzt bist, denn einen anderen Angroscho will ich nicht hier stehen haben bei mir." Nicht nach dem Protokoll, sondern nach der Seele sprach sie. Zwerge konnten stur sein. Doch sie würde genauso lange standhalten und ihm dies immer wieder sagen. Er war genau richtig. Mit einem erzkonservativen, erzzwergischen Angroscho würde sie sich sicherlich nicht so gut verstehen und das wäre sehr schade. (Dhana)

Verdutzt sah er Dhana an. Damit hatte er nicht gerechnet. Sie mochte ihn, nur das konnte dieser Ausbruch bedeuten. Leicht presste er die Lippen aufeinander, schwer imstande ihrem Blick standzuhalten. Verlegen drehte er sich weg, um dann in der Bewegung, wie von Angrosch Schmiedehammer getroffen, innezuhalten. „Ich Sohn eines debilen Grottenolmes, um es in den Worten eines novadischen Schriftstellers zu sagen, welcher irgendetwas mit Ibn Fahadlan im Namen trägt, seinen ganzen konnte ich mir beim besten Willen nicht merken, wie ihr sicher verstehen werdet, es lag so offen vor mir. Wehrheim! Er absolvierte die Kaiserlich Wehrheimer Akademie für Strategie und Taktik, seht die Urkunde an der Wand. Wisst ihr wer einst über die Rüstkammer des Reiches herrschte? Helme Haffax war Graf von Wehrheim! Ich möchte wetten, dass der beste Stratege des Mittelreiches auch bei dieser Schule seine Finger im Spiel hatte, sie vielleicht mitbegründete oder protegierte. Gibt es bei diesem Mord vielleicht ein anderes Motiv als das naheliegende? Wie alt war Burghard von Zweibruckenburg, was schätzt ihr, hat er den ehemaligen Reichsmarschall vielleicht gekannt, wäre das möglich? Was wieder die Frage aufwirft, ob noch mehr der hier dienenden Gardisten oder eher höherrangige Mitglieder der Flussgarde in Wehrheim waren?“ Sein Kopf ruckte in Dhanas Richtung. „Es ist nur ein Gefühl in den Tiefen meiner Eingeweide, aber ich wette, dass diese Verbindung nach Wehrheim und der Kaiserlichen Akademie bedeutsam ist und wahrscheinlich auch etwas mit der entfernten Haut zu tun hat. Mir erschließt sich nur noch nicht, von welcher Art sie ist. Ein einfaches Wappen der Akademie oder von Wehrheim kann die Tätowierung nicht dargestellt haben, dann hätte der Attentäter, wenn er wirklich auch Spuren beseitigen sollte, auch die Urkunde entfernt. Es muss mehr dahinterstecken. Wir müssen,“ er machte eine bedeutsame Pause, „herausfinden, was die Tätowierung darstellte, es muss eine gewesen sein, davon bin ich jetzt felsenfest überzeugt!“ (Borax)

Nach einer ganzen Weile, die sie stumm und grübelnd im Raum gestanden hatten, machte Borax einen neuen Ansatz. “Dieses Wappen auf dem Brief, den der Attentäter geschrieben haben soll und der abgefangen wurde, gehe ich recht in der Annahme, dass wir noch nicht wissen, was es bedeutet, woher es stammt? Hm”, Borax kratzte sich das Kinn, “gibt es da vielleicht eine Parallele, eine mögliche Verbindung? Immerhin scheint dieses Element wiederholt aufzutauchen, wir sollten das nicht aus den Augen lassen. Wir haben ein Wappen, eben dieses aus dem Brief, dieses vermögen wir nicht zuzuordnen und eines, was wir auf dem entfernten Hautstück auf dem Arm des Toten vermuten, aber nicht kennen. Wartet, welche kusliker Buchstaben waren in dem Wappen des Briefes zu finden? Im Uhrzeigersinn K.A.S.T.” Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn das es klatschte. Damm rief er aus. “Kaiserliche Akademie für Strategie und Taktik, ich fasse es nicht!” (Borax)

Dhana sah zu Borax und er konnte erkennen, dass durch seine Reaktion, sich von ihr abzuwenden, in ihr das Gefühl aufkam, ihn vielleicht verletzt zu haben durch den kleinen Gefühlsausbruch. Doch nach seinen Worten stahl sich Erkenntnis in ihr Gesicht und sie zog leicht die Augenbrauen nach oben: "Bei Hesinde, wie konnte ich das übersehen? Ich hätte wirklich besser bei der Wappenkunde aufpassen sollen." Ihre Hände gruben sich in die eigenen Haare und sie deutete anschließend auf das brachliegende Fleisch des toten Mannes: "Mit viel Vorstellungskraft kann man hier noch das Tattoo mit eben jenem Wappen erahnen. Borax, du bist ein Genie!" Sie grinste ein wenig und wurde aber schnell wieder ernst, als ihr etwas anderes einfiel: "Mit wem sollten wir denn dann darüber reden, immerhin könnte jeder der eine militärische Laufbahn hatte ebenfalls betroffen sein... oder... ist es vielleicht möglich, dass er... nun... vielleicht den Täter kannte... also mit ihm gedient hatte... und..." sie schüttelte den Kopf: "Ich mutmaße schon wieder". (Dhana)

„Erst einmal müssen wir herausfinden ob dies das Standartwappen der Kaiserlichen Akademie für Strategie und Taktik ist? Aber das kann eigentlich nicht sein, warum hätte man ihm dies aus dem Arm schneiden sollen, das ergäbe wenig Sinn. Nein, denn dann wäre es auch bei der ersten Beschau des Briefes richtig zugeordnet worden. Immerhin ist es eine der besten Akademien des Reiches, so wie ich mich an die Berichte im Boten erinnern kann und wir haben rondragefällige Recken in unseren Reihen, sie hätten es erkannt, davon bin ich überzeugt. Dahinter muss mehr stecken.“ Er trat näher an das Bett, über dem an der Wand die Urkunde des Oberst befestigt war und betrachtete diese eingehend, suchte nach einem Wappen, einem Wasserzeichen oder ähnlichem. (Borax)

Borax konnte feststellen, dass der Name der Akademie „Kaiserlich Wehrheimer Akademie für Strategie und Taktik“ zentral, ausgeschrieben und schnörkellos als Briefkopf ganz oben stand. Diese, nüchterne und geradlinige Art, entsprach durchaus den Wehrheimer Offizieren, die Borax durch Erzählungen vor eigenen Augen stehen sah. „Wehrheimer Strammstehen“ war als stehender Begriff auch bei den Zwergen angekommen. Es gab kein Wappen oder Bildnis, dass er auf der Urkunde erkennen konnte. Vor allem keines mit den gekreuzten Stäben und den Buchstaben als Abkürzung.

"Leider kann ich auf diesem Gebiet nicht helfen. Auch wenn ich es schade finde, so ist es nicht möglich, Kriegerisches in meinen Kopf zu bekommen. Lache nicht, doch während mein lieber Bruder Kunststücke mit dem Langschwert vollführt, schaffe ich es kaum, dieses in einer fließenden Bewegung zu ziehen- durch den alleinigen Gedanken daran wurde sie zart rosa im Gesicht. Sie dachte einen Moment nach und sah aus dem Fenster, nachdem sie die hölzernen Läden schwungvoll geöffnet hatte: "Angenommen er war bei dieser Akademie, was hilft es uns? Nur er könnte uns sagen, ob er Haffax kannte. Doch wenn dem so war, dann war es vielleicht ein persönliches Anliegen, ihn zu morden. Dann wäre das Tattoo wirklich ein Beweis." Sie seufzte leise und blickte zu Borax: "Was ich nicht verstehe ist, wieso man dann so leichtfertig ist, und dieses Wappen als Wasserzeichen nehmen sollte. In den Tulamidenlanden würde es nur Sinn ergeben, wenn es eine falsche Fährte wäre. Zudem würde man in den südlichen Ländern die Intrige weitaus tiefer vermuten, zum Beispiel, dass der hochstehende Drahtzieher, um nicht aufzufallen, Helfer einstellt, welche unbekannt sind und noch keine Erfahrung haben. Diese bekämen falsche Informationen und könnten nur verlieren, wobei sämtliche Schuld bei ihnen läge. "(Dhana)

“Einmal abgesehen von dem durchtriebenem Intrigenspiel der Tulamindenlande, welche mir schon in der Vorstellung Kopfschmerzen bereiten: Nein Dhana, so trivial kann es auch in unserem Falle nicht sein, da gebe ich euch recht. Der Auftraggeber des Attentäters wollte sicher gehen, dass eben dieser Teil der Wehrheimer Akademie, diese Unterfraktion oder wer auch immer sich zumindest auf sie beruft, nicht mit dem Mord in Verbindung gebracht wird. Wir sind uns sicher einig, dass wir nicht vermuten, dass die gesamte Institution dahintersteckt. Das kann einfach nicht sein, nicht unentdeckt geblieben, nicht im Herz des Reiches." Er schüttelte energisch den Kopf. "Weiter halten wir fest, dass auf dem Brief des Attentäters an seinen Herren dieses Wappen enthalten war, ein Mordauftrag im Namen der kaiserlichen Akademie für Strategie und Taktik, selbst wenn nicht die Akademie an sich dahintersteckt, an einem Oberst der Flussgarde und der Herzogenmutter, das ist Hochverrat. Aber ihr habt recht, was heißt das alles? Wir sind beide keine wackeren Streiter im Sinne Rondras, da müssen uns andere weiterhelfen, die sich auf diesem Gebiet auskennen, versierter sind als wir. Unsere Erkenntnisse sind nur ein kleiner Teil eines zerbrochenen Tempelfensters. Erst wenn wir alle Teile haben, können wir das Bild darauf erfassen. Sehen wir, was die anderen herausgefunden haben und tragen die Scherben zusammen. Aber erst möchte ich den Waibel noch ein, zwei Dinge fragen.” An diesem Punkt hielt er plötzlich inne, denn vom Flur waren Geräusche zu vernehmen. (Borax)

Während die beiden in der Kammer des Toten in wilden Mutmaßungen und Theorien versanken, konnten sie vor der geschlossenen Türe Stimmen hören. Leise, fast ohne Worte zu verstehen, hörten sie zumindest den ihnen bekannte Klang des Waibel Lupius von Schellenberg. Die andere Stimme gehörte einer Frau, die in befehlsgewohnten Ton mit ihm sprach. Wortfetzen drangen an das Ohr von Zwerg und Menschenfrau: „Wachablösung gleich zur Rondrastund…..Bewachen…..Herzogenfeste…..Boronis……Oberst“.

Borax sah Dhana verwundert an, trat langsam an sie heran und begann zu flüstern. „Meint ihr man hat uns belauscht? Was habt ihr verstanden, worum geht es, den Wachwechsel, aber was hat die Herzogenfeste damit zu tun, meint ihr es ist etwas passiert?“ (Borax)

Dhana nickte und dachte nach, aber so wirklich viel konnte sie auch nicht mehr dazu beitragen. Also tat sie, was nur borongefällig war. Sie nahm eine frische Wundbinde aus der einfachen, aus schönem Leinenstoff gefertigten Tasche und verband den Arm des Oberst erneut, wobei sie sich viel Mühe gab, dass es anständig aussah. Auch wenn er keine Wundheilung mehr haben würde, so war es ein Zeichen des Respekts. Diese Wundversorgung ging sehr geschickt vonstatten, ihre flinken Finger arbeiteten vor sich hin, routiniert und gewohnt und nicht etwas stockend wie das Ansehen der Leiche. "Es ist sicherlich gut, wenn wir noch mit dem Waibel reden. Er oder der Adjuntant werden sicherlich den Verband angelegt oder dies zumindest beauftragt haben. Ich kann noch immer nicht glauben, dass der Mörder dies getan hatte. Und wenn sie selbst nicht wissen was er dort hatte... nun... er schien ja öfters einmal eine Dirne bestellt zu haben. Vielleicht kennt eine der Damen ja das Geheimnis." sie drehte sich nach der Arbeit zu Borax um und lächelte leicht, zog die Handschuhe wieder aus und verstaute sie sorgfältig in der Tasche, ebenso wie das blauschwarze, kurze Haar: "Zudem bin ich wirklich gespannt, was Boromar und Arlan herausgefunden haben. Gerade Boromar, welcher ja vom Orden des Donners kommt, sollte uns bei der Heraldikfrage helfen können." (Dhana)

“Ihr habt Recht Dhana, die Wahrscheinlichkeit, dass die Dirne unsere Vermutungen hinsichtlich des Wappens bestätigen kann ist durchaus gegeben. Ein Grund mehr sie zu finden. Vielleicht gibt es in unseren Reihen ja auch jemanden, der sich in diesen Kreisen auskennt, der sie finden könnte, wenn man geschickt vorgeht und sie nicht verschreckt. Wenn erst einmal bekannt wird, dass der Oberst der Flussgarde tot ist wird sie untertauchen. Aber viel Zeit haben wir ja ohnehin nicht.” Mit diesen, letzten Worten trat er zur Tür, um diese zu öffnen.

Borax öffnete abrupt die Tür, trat aus der Stube des ermordeten Obersts und sah in den Flur. Wer unterhielt sich dort, wer hatte sie möglicherweise gar belauscht? Seine Augenbrauen waren zusammengezogen, denn ihm missfiel der Gedanke, dass jemand ihr vertrauliches Gespräch mitbekommen hatte. (Borax)

Vor der Türe konnte der Zwerg einerseits den ihm bekannten Waibel, Lupius von Schellenberg, andererseits eine weitere Flussgardistin sehen. Sie trug eine ähnliche Rüstung wie Lupius, jedoch mit etwas anderen Abzeichen. Er schätzte sie ungefähr 30 Götterläufe alt, sah breite, starke Schultern, schmale Hüften und sofort auffallende Narben im Gesicht. Mit ihren blonden Haaren vermittelte sie einen stolzen und unnahbaren Eindruck. Beide blickten Borax entgegen und unterbrachen ihr Gespräch. Lupius übernahm schnell die Vorstellung: „Hauptfrau, ich darf euch den Zwergen Borindrax Sohn des Barbaxosch vorstellen. Die Dame dahinter ist Veralidhana Praiodane von Hamrath. Veralidhana, Borindrax, dies ist die Hauptfrau des zweiten Banners, der ersten Lanze der Flussgarde, Lioba von Bilgraten zur Graufurt.“ Die Hauptfrau nickte kühl zur Begrüßung, deutete dann auf die Kammer, aus der Borax gerade gekommen war. „Seid ihr hier fertig? Konntet ihr Hinweise auf den Mörder finden?“

Borax sah erst den ihm bekannten Waibel und dann die Hauptfrau an. Man erkannte, dass er vormals etwas in Rage gewesen war, aber seine Züge entspannten sich bereits wieder. Er atmete langsam aus, bevor er ruhig ansetzte. “Es ist mir eine Freude euch kennenzulernen, werte Dame von Bilgraten zur Graufurt”, sagte er knapp und förmlich. “Verzeiht, dass ich so schnell zur Sache kommen muss, aber das, was wir nicht haben, ist Zeit. Dann trat er einen Schritt auf den Waibel zu. „Herr von Schellenberg auf ein Wort.” Borax fixierte die Augen des Mannes. “Der gemordete Oberst von Zweibruckenburg besuchte die Kaiserlich Wehrheimer Akademie für Strategie und Taktik, das besagt die Urkunde in seiner Stube. Kam er alleine hierher nach Elenvina, oder brachte er Freunde, vielleicht Vertraute mit sich? Des Weiteren die Frage, ob es in der Flussgarde andere gibt, welche in Wehrheim die Akademie besucht haben? Denkt sorgfältig nach, das könnte von Bedeutung sein.” Boraxs Äußeres verriet keinerlei Regung, er verdrängte die innerliche Anspannung und konzentrierte sich ganz darauf in Gestik und Mimik seines Gegenübers zu lesen. Ihm durften keine Informationen vorenthalten werden. (Borax)

Ebenfalls neugierig sah Dhana zu den beiden Gardisten, welche in der Tür standen. Als sie schließlich durch den Herrn von Schellenberg vorgestellt wurde, knickste sie höflich und blickte zu der Dame. Anschließend sah sie ebenfalls gespannt zum Waibel und lauschte den Worten von Borax. (Dhana)

Da Borax so intensiv auf die Mimik des Herrn von Schellenberg achtete, konnte er erkennen, dass dieser kurz die Augen zusammenkniff und die Oberlippe zur Nasenspitze drückte. Er wirkte, so glaubte der Zwerg, peinlich berührt, so als ob er sich plötzlich in einer unangenehmen Situation befand. Er blickte schnell zu seiner Hauptfrau. Diese atmete kurz, offenbar genervt, ein und aus, bevor sie es war, die zu sprechen ansetzte: „Von Schellenberg, Sie dürfen sich zurückziehen. Sie kennen die Befehle, bereiten Sie sich auf heute Abend vor. Das wäre alles.“ Dieser salutierte, wobei er seinen Rücken und Schultern straffte, machte auf den Hacken kehrt und eilte zur Treppe. Die Hauptfrau wendete sich daraufhin Borax und Dhana zu, nagelte beide förmlich mit ihrem Blick fest. „Ich beantworte eure Frage. Der Oberst traf nach seinem Abschluss allein hier ein. Natürlich ist es nicht bekannt, wie viele Freundschaften er während seines Studiums schloss. Es gibt vier weitere Offiziere, die in Wehrheim ihren Abschluss gemacht haben. Hauptfrau Gunelde von Blaublüten-Hohenbirk befindet sich mit der ersten Lanze des zweiten Banners in Gallys. Genauso Mika vom Berg, auch erste Lanze, aber im ersten Banner. Die anderen beiden sind tot, gestorben im Dienst des Herzogs. Sie haben das letzte Rauschen des Großen Flusses gehört, daher werde ich über sie nichts mehr sagen. Beantwortet ihr nun meine Frage, oder muss ich betteln?“ Den letzten Satz sprach sie mit einer Schärfe aus, die ein Tuzakmesser vor Neid erblassen lassen würde.

Borax schloss die Augen und versuchte ruhig zu atmen, allein es gelang ihm nicht. Als er zur Antwort ansetzte, war sein Gesicht deutlich gerötet und seine Augenbrauen zogen sich zu einer Linie zusammen. Mit geöffneten, starren Augen erwiderte er den Blick der Hauptfrau eisig. „Ihr wisst sicher durch wen wir zu dieser Untersuchung autorisiert sind?” Eine rhetorische Frage als Eröffnung, um ihr zu verdeutlichen, wie wenig sie in diesem Moment zu sagen hatte. „Gut, dann könnt ihr sicher nachvollziehen, dass wir leider nicht befugt sind mit euch über die Ergebnisse unserer Nachforschungen zu sprechen. Des Weiteren hoffe ich ihr werdet mit uns kooperieren, denn ansonsten werde ich mich genötigt sehen euch in meinem Bericht an eben betreffende Person mit den Worten den Untersuchungen hinderlich und unkooperativ in Verbindung zu bringen. Wollt ihr das wirklich?” Er sah kurz dem enteilenden Waibel hinterher, setzte aber sofort nach. “Bitte, bedenkt, dass mir diese Situation ebenso unangenehm ist wie euch. Ich bin jetzt aber an einem Punkt angelangt, wo ich nicht länger gewillt bin mich von irgendjemandem anfeinden zu lassen, nur weil ich Befehle befolge. Ich denke diese Situation ist euch wohl bekannt und ihr könnt dies nachempfinden.” Erneut setzte er nur kurz ab, blickte zu Dhana und schenkte ihr ein Lächeln. Seine Stimme war wieder ruhiger geworden als er weitersprach. “Ich war noch nicht fertig mit der Befragung des Waibels. Bitte sorgt dafür, dass wir, meine Begleiterin und ich ungestört mit ihm sprechen können, auf seiner Stube. Es wir nur den Bruchteil eines Stundenglases in Anspruch nehmen. Des Weiteren händigt ihr uns bitte umgehend, bevor wir gehen, eine Abschrift der Befehle für heute Abend aus, über die ihr eben spracht. Diese sollten auch Namen und Dienstgrade der eingesetzten Wachen beinhalten.” Er machte ein ernstes Gesicht, sann darüber nach, ob es von seiner Seite noch etwas zu sagen gab, dann schloss er. “Gut, bitte helft uns und lasst dies nicht zu etwas Persönlichem werden. Dies ist das letzte, wonach mir der Sinn steht. Wir haben ein gemeinsames Ziel, die Sicherheit in dieser Stadt und unsere Praios gegebene Pflicht diesen Mörder zu fassen.” (Borax)

„…nicht befugt?... Bericht?.... sorgt dafür?… Befehle aushändigen? Zwerg, hört Ihr Euch eigentlich reden?“ Kurz musste die Hauptfrau der Flussgarde stammeln ob der Unverschämtheiten, welche sie sich von einem Zwerg, der mit garether Geheimagentenblättern herumwedelte, anhören musste. Dann fing sie sich jedoch. Straffte sich. Die rechte Hand legte sich, in einer deutlichen Geste auf ihren Schwertgriff. Noch steckte dieses im Gürtel. Wenn es je Augen gab, in die Borax blicken musste, die sich förmlich durch die Augäpfel, durch sein Gehirn, an die Rückseite seines Schädels zu bohren schienen, dann diese. Hauptfrau von Bilgraten zur Graufurt sprach leise, fast flüsterte sie, so dass sich Dhana Mühe geben musste, diese ersten Sätze zu verstehen: „Habt ihr vergessen, wo Ihr hier seid, Herr Zwerg? Wer ich bin? Ihr seid im Herzen der Herzöglich Nordmärkischen Flussgarde. Soll ich euch daran erinnern, was unsere Aufgabe ist? Wir SIND DIE LEIBGARDE DES HERZOGS UND SEINER FAMILIE!“ Ab hier konnte Dhana wunderbar verstehen, welche Worte wie ein Blitzgewitter auf Borax einprasselten. „Was habt ihr bisher geleistet, um das Leben der Herzogenfamilie zu retten? ICH HABE MICH IN EINEN BOLZEN GEWORFEN, DER DEM HERZOG GALT! ICH HABE BRANDÖL ABGEFANGEN, DAS DEM HERZOG GALT! MIT MEINEM VERDAMMTEN GESICHT!! Ihr könnt so oft ihr wollt mit eurem Bericht drohen, wir sind hier in den Nordmarken und nicht im verdammten Gareth, wo ihr mit so einem Wisch vielleicht Jungfern hinterm Ofen hervorlocken könnt. Und ihr wollt, dass ich Euch die Befehle an meine Gardisten für das Bankett heute Abend einfach so gebe? HABT IHR EUREN VERDAMMTEN VERSTAND VERLOREN? Ich habe euch bisher gewähren lassen, da mein Waibel von Schellenberg euch unterstützen wollte. Wenn ihr mir nicht berichtet, was ihr herausgefunden habt, lasse ich euch in meinen tiefsten Kerker werfen, bis ihr euren Verstand wiedergefunden habt.“ Nach diesem Ausbruch gestattete sich die Hauptfrau des ersten Banners der zweiten Lanze einige Male tief durchzuatmen. Borax und Dhana konnten von der Treppe her eilige Schritte hören. „Ich anerkenne, dass ihr in offiziellem Auftrag arbeitet. Ich anerkenne, dass mein Waibel euch zu vertrauen scheint. Ihr habt nun die Wahl, wie es weitergehen soll. Kooperation oder Kerker. Wie ist es euch lieber?“

Dhana, welche während der Ausführungen des Zwergs innerlich mehrere Male sehr beherrscht bis zehn gezählt hatte, konnte die Frau sehr gut verstehen, ebenso aber auch Borax. Sie war hier in diesem Moment die Befehlshabende, ihr Oberst wurde ermordet, und sie waren immerhin die Flussgarde. Und dann kamen ein paar Halbstarke; Leute, von denen sie vermutlich noch nie etwas gehört hatte, und wedelten mit einem Brief, welchen sie vermutlich noch nie gesehen hatte, und meinten alles aufzuklären. Ein Schlag ins Gesicht. Und Borax? Der arme Angroscho war völlig unvorbereitet gewesen ob dieses Gewitters, welches über ihn hereinbrach, kannte er sich vermutlich nicht sehr gut mit den menschlichen Gepflogenheiten aus. Als die Hauptfrau geendet hatte, wartete Dhana noch einen Moment, um die Stimmung sich wieder legen zu lassen, ehe sie sich rührte. Die spontane, unbewaffnete Bewegung sollte reichen, die Aufmerksamkeit zu bekommen, welche sie gerade wollte. Ihr Blick blieb dabei seltsam ruhig, eine Angewohnheit, welche schon die eigene Mutter zur Verzweiflung gebracht hatte. So zeigte mit einer eleganten Armbewegung in den Raum, welcher das Zimmer des Obersts war, als würde sie wollen, dass die Dame sowie der Angroscho erneut eintraten: „Bitte, Hauptfrau von Bilgraten zu Graufurt, verzeiht die Worte von Borindrax. Wir sind nicht hier, um Euch zu verärgern oder gar zu kränken. Gerne lassen wir Euch teilhaben an dem, was wir in diesem grausamen Mordfall bereits herausgefunden haben. Doch ist es nicht viel und ich erhoffe mir von Euch Hilfe in einigen Unklarheiten. Sicherlich weiß ich, dass uns in Euren Augen nichts befugt dies zu tun, sind wir doch erst kurze Zeit mit dieser Aufgabe betraut - aber wir führen sie aus, für die Nordmarken." Ja, es klang tatsächlich, als ob ein wenig Patriotismus mitschwang. Einen Moment wartete sie, ob die Hauptfrau mit in die Kammer kam, was diese auch zögerlich tat. Die Hand hatte sie wieder von ihrem Schwertgriff genommen: "Ihr wurdet bestimmt schon unterrichtet, dass der Oberst in der letzten Nacht eine Dirne zu Besuch hatte? Wir sind uns nicht sicher, doch sie könnte dem Mörder geholfen haben. Wir müssen sie finden, um dies zu bestätigen oder zu verwerfen. Zudem..." jetzt wurde ihre Stimme ein wenig leiser, dass nur noch Borax und die Hauptfrau sie verstehen konnten: "...wäre wichtig zu wissen, welches Tattoo sich auf dem Oberarm des Obersts befand und herausgetrennt wurde." [Dhana]

Borax folgte den beiden Frauen, sah dabei aber betreten zu Boden, ließ die Schultern hängen und schien zur Gänze niedergeschlagen. So fehlten seiner Worte jede Kraft als er den Kopf hob und nach Dhana das Wort ergriff. “Werte Dame von Bilgraten zur Graufurt, bitte glaubt mir, wenn ich sage, dass ich mit keinem meiner Worte beabsichtigte Euch oder Euren Waibel zu beleidigen, noch wollte ich Eure Taten oder Verdienste schmälern. Wenn ich mich im Ton und dem, was ich sagte, vergriffen habe, dann tut es mir aufrichtig leid und ich entschuldige mich, bin ich doch gern bereit mir meinen Fehler einzugestehen. Ich bin ein Angroscho und kann nicht zwischen den Zeilen lesen, wie ihr Menschen es nennt, ich bin unter dem Berge aufgewachsen und von den meinen erzogen worden. Derjenige, der uns zu dieser Untersuchung autorisierte, setzte uns auch entsprechend unter Druck Ergebnisse zu liefern und Verschwiegenheit zu bewahren. Er ist ein Diener des Kaiserthrones, der Raulschen Krone und ich nur ein unbedeutendes Mitglied der weitläufigen Familie des Bergkönigs vom Eisenwald. Ich dachte einfach es stünde mir nicht zu mich über seine Anweisungen hinwegzusetzen. Bitte, nur dies veranlasste mich zu meinem Handeln.” Er machte eine kurze Pause und schluckte vernehmlich schwer. “Im Übrigen bin ich unbewaffnet, werte Dame von Bilgraten zur Graufurt, es gibt keinen Grund mir zu drohen.” Er warf einen unsicheren Blick zu ihrer Hand, welche noch immer auf dem Schwertknauf ruhte. “Wenn es Euch ein persönliches Anliegen ist mich in den Kerker zu werfen, weil ihr Euch in Eurer Ehre verletzt fühlt, so tut dies, ich werde keinen Widerstand leisten, darauf habt ihr mein Wort. Ich würde Euch aber bitten meine Entschuldigung anzunehmen und den Worten der Dame von Hamrath weiter zu lauschen, sie wird Euch mitteilen, was wir wissen. Wenn Euch dies nicht reicht, so bitte ich Euch nur mich zu inhaftieren und meine Begleitung ziehen zu lassen, sie hat kein böses oder scharfes Wort verloren, die Verfehlung liegt ausschließlich bei mir.” (Borax)

„Nun gut, ich anerkenne Eure Entschuldigung, werter Herr Borindrax Sohn des Barbaxosch. Ihr solltet jedoch, wollt ihr für längere Zeit unter Menschen weilen, an Eurem Umgang mit diesen arbeiten. Immerhin scheint es so zu sein, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgen.“ Sie hatte sich, auch nach den besänftigenden Worten der Dame, wieder beruhigt. In der Kammer blickte die Hauptfrau kurz zur Urkunde, welche über dem Bett hing. Sie nickte und wandte sich dann Dhana zu. „Frau von Hamrath, ich kann bestätigen, dass auf dem Oberarm des Oberst ein Hautbild zu sehen war. Ich habe es mir aber nie genau angesehen – ein Oberst der Flussgarde läuft nicht einfach ohne Bekleidung durch die Gänge, so dass ich euch nicht sagen kann, was sich darauf befindet. Hinsichtlich der Dirne wusste ich Bescheid.“ Deutliche Missbilligung ließ sie Ihre Lippen schürzen. „Dem Bericht des Herrn von Schellenberg nach können die Gemeinen, die letzte Nacht Torwachen hatten, mehr dazu sagen. Ich schlage vor das Gespräch in die Schreibstube des Waibels zu verlegen?“

Borax nickte nur knapp, aber man sah seinem Gesicht an, dass er erleichtert war. Dennoch stahl sich kein Lächeln auf seine Miene, die kurz darauf wieder wie versteinert schien. Lediglich ein, “Habt Dank“, war trocken und ohne emotionalen Ton zu vernehmen. ‘Oh Angrosch, warum habe ich nur ein so loses, vorlautes Mundwerk. Dies wird mich noch vor meiner Zeit in deine ewige Esse führen.‘ Innerlich leistete Borax Dhana Abbitte und dankte ihr für ihre Fürsprache bei der Hauptfrau. Seine Begleiterin besaß mehr Taktgefühl als er, das stand fest. Das hatte er aber auch nie angezweifelt. Nur hatte er sich selbst für intelligenter gehalten als er offenkundig war. Die Erkenntnis seines Irrtums schmerzte. ‘Oh Borax, so hast du dich noch nie verrannt, du hast zu viel gewollt und bist damit genau an die Falsche geraten. Du hättest es besser wissen müssen, aber du hast nicht auf Menschenkenntnis gesetzt, sondern wolltest mit deinem Dickkopf durch die Wand.’ Dieses Sprichwort hatte er in einem Kriminalroman eines garether Schriftstellers gelesen. Er fand es passte perfekt, war er doch ein Narr gewesen. (Borax)

Dhana hörte der älteren und weitaus erfahreneren Hauptfrau aufmerksam zu, als diese über das Tattoo und die Dirne sprach. Leise musste sie seufzen, dass auch hier das genaue Bildnis auf der Haut nicht bekannt war. Doch war sie ebenfalls erleichtert, dass die Adelige sich wieder beruhigt hatte. Immerhin war es so schon eine sehr schwere Aufgabe, welche vor ihnen lag, auch ohne dass die Aussicht auf einen Kerker im Raume stand. Nach Borax besänftigenden Worten schenkte sie ihm ein Lächeln, wandte sich dann jedoch zur Tür um den Raum wieder zu verlassen, in dem Wissen, Informationen und ein schwarzblaues Haar mitzunehmen. Auf dem Weg hinab in die Schreibstube, in welcher hoffentlich Arlan und Boromar weitere Erkenntnisse bekommen hatten, sah sie wieder zu der Hauptfrau: "Ich gehe richtig in der Annahme, dass auch bei diesem Staatsbankett die Flussgarde zum Schutze der Herzogenmutter anwesend sein wird? Werdet Ihr ebenfalls zugegen sein?" (Dhana)

-- Main.CatrinGrunewald - 03 Mar 2019