Entscheidende Frage

Die entscheidende Frage

"Vielleicht habe ich den Teil ja vor lauter unverschämter Anschuldigungen und Beleidigungen nicht gehört."

Dieser magiekundige Knilch strapazierte ihre ruhige, gute Laune bis aufs Äußerste. Yolde funkelte den Magus wieder etwas angriffslustiger an.

"Es macht .. aber …. keinen Sinn. Wer sollte denn seine Töchter umbringen wollen? Sie sind das beste, was dieser Hund in seinem Leben hervorgebracht hat."

Prianna wurde abwechselnd rot und weiß und ballte die Fäuste. Irgendwie war es ein Kompliment, doch irgendwie auch nicht.

"Ich hätte geschworen, es müsse einer der Bediensteten gewesen sein, denn die behandelt der werte Herr Baron nicht wesentlich besser als alle anderen Leute. Aber seine Töchter? Keiner würde denen etwas antun wollen." Sie schüttelte den Kopf. "Ihr müsst euch irren, es macht... einfach keinen Sinn." Entschied sie. Und damit schien dieses Kapitel abgehakt und sie drückte sich mit fast anmutiger Arroganz nach oben.

"Sonst noch Fragen, Herr Inquisitor?" Sie stand nun vor der Gruppe und schaute kampfeslustig auf Rhys herab.

"Ihr schmeichelt mir über alle Maßen", gab Rhys belustigt von sich, dann wurde er wieder ernst. "Einer der Bediensteten hätte wohl kaum euren Fluchtweg eingeschlagen oder? Er hätte ihn schlicht nicht gekannt." Es war eine nüchterne Feststellung.

Der Magus seufzte. "Eure Gnaden, ihr braucht euch nicht drohend vor mir aufbauen. Ich führe keine Anklage. Doch wenn wir gehen, ohne dass wir den Täter haben, dann werden andere kommen und die werden weniger freundlich sein, befürchte ich." Rhys zuckte mit den Schultern und sein Gesicht sprach von ehrlicher, aufrichtiger Gleichgültigkeit. "So funktioniert unsere wunderschöne Welt nun einmal." (Rhys)

Maeve trat rasch an Yoldes Seite, bevor diese antworten konnte und legte ihr sachte die Hand auf den Arm. Dann ergriff sie das Wort bevor der Magier alles zunichte machte: „Ich verstehe nicht, warum ihr dem Wort einer Geweihten misstraut, Rhys?“ Die Novizin hatte Nachdruck in das Wort gelegt.

„Und dass auch andere - wie die Baronessen - Kenntnis vom geheimen Gang hatten, lässt sich doch wohl nicht von der Hand weisen? Auch wir sind dem Mädchen mit Glück...“, sie schauderte kurz beim Gedanken an die dunklen Gänge, “...gefolgt, ohne das Ziel zu kennen. Also können andere dies auch vollbringen – in beide Richtungen...“

Sie wandte sich fragend an Prianna: „Wohlgeboren, wisst ihr jemanden, der Basilissa den Weg gewiesen haben könnte?“ (Maeve)

Prianna stockte kurz als alle Augen auf ihr lagen. War das eine versteckte Beschuldigung? Aber es konnte ja schlecht jemand annehmen, dass sie auf sich selber geschossen hatte: „Meine Schwester ist diesem Elgor gefolgt.“ Wiederholte sie Lissas Aussage vom Vortag. „Und ich glaube nicht, dass sie.. vorher etwas von den Gängen wusste. Ich selber...“ Sie blickte kurz zu Tassilo hinüber: „...kenne sie seit einigen Jahren. Und ich war bis zum gestrigen Tag überzeugt, der einzige zu sein, der sie nutzte.“ (Prianna)

„Von wem habt ihr von den alten Wegen gewusst?“ fragte Maeve weiter. (Maeve)

Die Baroness zuckte mit den Achseln: „Von niemanden. Ich habe sie durch Zufall entdeckt.“ Oder wie man es nennen mochte, wenn man so viele Stunden in seinem Zimmer eingesperrt wurde, dass die Wände Halbfinger für Halbfinger nach Geheimgängen zu untersuchen und zu Phex zu beten die einzige Beschäftigung war, die einem blieb. Sie sah Yolde durchdringend an. Von wem hatte es die Tsa Geweihte gewusst? „Ein Zufall der sonst wohl kaum jemandem zufallen könnte.“ (Prianna)

„Es war kein Zufall, der MIR zugefallen wäre, Wohlgeboren.“ Die Anrede rotzte die Tsa-Priesterin so verächtlich heraus, so dass auch dem letzten klar sein musste, was sie von Titeln hielt: „Ein anderer Geweihter meiner Göttin erzählte mir davon. Ihm ist womöglich dieser Zufall zugefallen. Oder wie auch immer er zu diesen Informationen gekommen ist.“

Aufmerksam sah Yolde alle an. Sie umfasste Maeves Hand, drückte sie sachte und lächelte reihum alle an. Etwas schief zwar, aber die junge Novizin schien einen mäßigenden Einfluss auf sie zu haben.

„Wie hieß denn dieser Geweihter, euer Gnaden?“, fragte Lares ruhig und sachlich. (Lares)

„Quirin .. oder vielleicht auch Quintin -ich habe ihn nur ein paar Mal kurz gesehen. Vor zwei oder drei Götterläufen habe ich die Weihe empfangen und bin gemeinsam mit ihm und Ise vom Konvent aus hierher gereist,“ antwortete Yolde achselzuckend.

„Ist dieser Quintin noch immer hier? Könnte er das Geheimnis der Tunnel noch an Andere weitergegeben haben?“ (Lares)

„..Das weiß ich nicht,“ sagte Yolde gedehnt, „ich kenne ihn nicht gut. Fragt am besten Ise dazu. Sie ist mit ihm befreundet, glaube ich.“

Seit sie sich neben Rhys zur Besprechung gesetzt hatte, wurde Verema immer verwirrter und verunsichert. War ihr wieder etwas entgangen? Sie beugte sich zu Borax und flüsterte ihm zu.

"Entschuldigung, ich verstehe nicht ganz, warum wir uns so sicher sind, wem der Anschlag galt. Und warum es einer der Fünfe gewesen sein muss. Gut, man kann außerhalb dieser Lichtung Waffen verstecken, genauso hätte aber auch jemand anderes das Treiben des Völkchens hier beobachten können und ihnen zu gegebener Zeit folgen. Es ist mir peinlich, mein Unwissen in großer Runde zuzugeben, aber Euch vertraue ich.." (Verema)

Der Zwerg so angesprochen rümpfte die Nase und schien zu überlegen. „Ich bin nicht…“. Die Augen des Vogtes von Nilsitz weiteten sich. “Ich nehme dir, was du liebst”, sprach er unvermittelt so laut, dass sich alle zu ihm wandten. “Das hat der Täter in roter Farbe an die Wand geschrieben.”

Borindarax fixierte Yolde. “Wer hat einen Grund auf diese Weise Rache zu nehmen, vielleicht ihm gleiches mit gleichem anzutun?” (Borax)

"Ja das wäre logisch. Ihm das Kind zu nehmen, um ihn zu verletzen. Da er aber, was ich so mitbekommen habe, nicht unbedingt der Sympathieträger weit und breit ist, ist das nicht so leicht, außer, es ist in letzter Zeit etwas vorgefallen. "

Sie wandte sich an die älteste Tochter des Barons: "Prianna, fällt Euch dazu etwas ein? Hat er jemandem sein Kind genommen?"(Verema)

Die dunkelhaarige Eisensteinerin zuckte nicht einmal mit einer Wimper: „Der Baron ist der Meinung, dass harte Strafen nötig sind, um den Menschen ihren Platz vor Praios immer wieder deutlich zu machen.“

Yolde schnaubte. Jeder wusste, was diese Antwort bedeutete. „Soll heißen,“ wandte sie sich an die Almadarin, „dass da viele Menschen in Frage kämen.“

Hob aber gleichzeitig die Hände: „Ich selber stamme nicht aus dieser Baronie. Fragt am besten Ise. Die kann euch da sicher eher weiterhelfen. Dann könnt ihr sie auch gleich nach diesem Quirin oder Quintin fragen. Ich werde sie holen.“

Sie sprang auf und entfernte sich rasch, nachdem sie sich kurz orientiert hatte und die alte Tsapriesterin am Ende der Lichtung entdeckt hatte.

Schweren Herzens hatte Maeve die Hand Yoldes losgelassen und sah ihr nun nach. Sie hoffte, dass der Einfluss der Lieblichen und der Gütigen deren Taten zumindest geleiten würde. Während die Ungewissheit an ihr zerrte, (Maeve)

hielt sich der Geweihte neben ihr bewusst aus dem Gespräch heraus, lieber wollte er vorerst eine neutrale Position wahren, um später eventuell noch schlichtend einschreiten zu können. (Tassilo)

Derweil hielt sich der junge Ritter Baldos zurück, weil er es in diesem Augenblick nicht als seine Aufgabe erachtete, die Anklage zu führen. Er hatte bereits einen Auftrag, gegeben von seinem Lehensherrn und diesem wollte und musste er nachkommen – um keinen Preis könnte er diese Pflicht vernachlässigen und hinnehmen das Tassilo etwas widerfuhr. [Baldos]

Wenig später kam Yolde zurück. An ihrer Seite ging die alte Tsapriesterin. Ihre jugendlich sprühenden Augen zeigten ehrliche Besorgnis als sie zu den Gefährten trat und sich in ihrem Kreis niederließ. Die Sonnenstrahlen kitzelten die vielen Falten in ihrem Gesicht heraus und sie wirkte noch älter als in der Abenddämmerung.

„Yolde sagte, ihr würdet mich gerne sprechen und dass ich euch womöglich helfen könne, einige eurer Fragen zu beantworten?“

Ihre Stimme war ruhig und freundlich. Sie schien die generelle Ablehnung gegen die Gruppe, die ihrer jungen Tempelschwester zu Eigen schien, nicht zu teilen. Fragend sah sie sich um, während Yolde ihre Arme vor der Brust verschränkte und hinter der alten Frau stehen blieb, als sei sie ihr persönlicher Leibdiener.

Als Maeve der abwehrende Haltung Yoldes gewahr wurde, suchte sie deren Nähe und ergriff behutsam wieder Yoldes Hand als der zwergische Vogt ansetzte, zu sprechen: (MAeve)

„Das ist richtig“, begann Borindarax mit einem freundlichen, gewinnenden Lächeln, kam dann aber gleich auf den Punkt.

„Der Attentäter schrieb - ‚Ich nehme dir was du liebst‘ - an eine der Wände im Bunten Schloss.“

Der Vogt machte eine Pause, um die Worte wirken zu lassen.

„Kennt ihr jemanden, den der Baron so gegen sich aufgebracht hat, ja ihn derart hasst, dass derjenige ihm eine Tochter würde nehmen wollen. Der Bolzen galt nämlich nicht seiner Hochgeboren selbst, er warf sich dazwischen, um seine Töchter zu schützen.“ (Borax)

Mit einem zufriedenen Nicken registrierte der Magus, dass der Zwerg die richtige Frage gestellt hatte. Aufmerksam musterte er Ise während Borindarax sprach, versuchte jede Regungen der Geweihten zu deuten. (Rhys)

Ise runzelte die Stirn. Schüttelte nur stumm den Kopf: „Ich weiß nicht, wie viele Urteile er in diesem Götterlauf gesprochen hat. Aber es werden einige gewesen sein. Dafür müsstet ihr in seinen Büchern nachsehen. Dann gab es natürlich den Feldzug. Gefallene Soldaten. Hmm. Die Rickenbacher Einheit ist gänzlich geschlagen worden. Einige andere, haben mehr als die Hälfte ihrer Leute im Osten gelassen. Die herben Verluste dieses Krieges sind unzählbar. Zur gleichen Zeit gab es auch hier viele Tote, die indirekten Opfer dieses abscheulichen Krieges. Vor dem Krieg sind es ebenfalls unzählbare. Ein mühsames Unterfangen, alle herauszufinden…“, sie seufzte und lächelte den Magier an. „Nun habe ich euch wieder nicht helfen können. – Oder könnt ihr eure Frage noch eingrenzen. Vielleicht den Zeitraum oder eine Beschreibung?“

„Gab es denn einen Fall, bei dem ein Mädchen oder eine junge Frau ums Leben gekommen ist?“, versuchte es Lares ins Blaue hinein. (Lares)

Ise nickte. „Selbstverständlich waren einige von ihnen junge Frauen. Der Baron ist ein harter, unnachgiebiger und grausamer Mann. Aber er ist zu allen gleich hart, unnachgiebig und grausam.… Und wie ich sagte. Es ist in letzter Zeit nichts passiert, was herausstechen würde. Oder?“

Ihre Augen suchten Prianna, die langsam den Kopf schüttelte.

Die Baroness dachte nach. Hatten sie etwas übersehen? Irgendeinen Hinweis auf diese Person? Zu ihrem Motiv oder ihrer Identität? Etwas Offensichtliches? Sie hatte das Gefühl, dass sie irgendetwas übersah. Irgendetwas irritierte sie an all den neuen Informationen. Nur was? (Prianna)

“Da fällt mir etwas ein”, gab der Magus leise von sich, seine Miene war grüblerisch. “Der Ritter von Eschengrund sagte, dass es seit geraumer Zeit Probleme mit derartigen Schmierereien im Schloss gibt und dass sie alle mit roter Farbe gemalt worden sind.” Rhys sah auf, seine Augen ruckten unstet hin und her. “Und das es begann, als sie aus dem Osten wiedergekehrt sind. Der hohe Herr hat sich wohl dort einen zweifelhaften Ruf als Schlächter angeeignet.

Also, erstens - könnte das Projektil von jemandem stammen, der den von Eschengrund hasst? Prianna”, er sah zur Baroness, “Könnte der Hohe Herr eine Auge auf dich geworfen haben, oder zu dir oder deiner Schwester in irgendeiner anderen Verbindung stehen, so dass die Nachricht ihm galt?“ (Rhys)

Prianna lachte laut auf. Die Vorstellung war zu absurd. „Beim besten Willen, nein. Er wäre dem Baron zu hörig oder nennen wir es praiostreu genug, nicht die Tochter seines Dienstherrn zu umschmeicheln und als nachgeborener Sohn eines einfachen Ritters eine Hochadelige zu umwerben. Eine andere Verbindung fällt mir kaum ein. Und es hat nicht erst begonnen, als sie aus dem Osten kamen, schon vorher, dann hat es aber einige Monde wieder aufgehört und erst wieder begonnen als der Baron zurückgekehrt war.“ (Prianna)

„Wie sahen die vorherigen Nachrichten aus, welchen Inhalt hatten sie, oder waren sie nur dazu gedacht Bilder zu zerstören?“ (Rhys)

Prianna nickte. „Selten wurde etwas geschrieben, es ging wohl eher stets um die Zerstörung,“ dabei funkelte sie wütend in Yoldes Richtung, die zufrieden lächelte. (Prianna)

„Zweite Frage - hat der Baron im Osten irgendeine Gräueltat befohlen, die nun gerächt werden soll, ist dir davon etwas bekannt?” Sein Blick blieb auf Prianna geheftet. (Rhys)

Nun schüttelte Prianna den Kopf: „Nein.“ (Prianna)

Rhys nickte seufzend. Auch dies führte zu nichts, half ihnen nicht weiter.

“Drittens - Eines verstehe ich nicht in diesem Zusammenhang.” Rhys sah wieder zu den beiden Tsa- Priesterinnen hinüber. “So wie ich es verstanden habe, habt ihr in der Vergangenheit öfters derartige Aktionen im Schloss durchgeführt und Kunstgegenstände beschädigt. Habt ihr dabei nicht auch besagte rote Farbe verwendet? Warum hinterlässt dann der Attentäter eine Nachricht in roter Farbe?” (Rhys)

Yolde nickte. „Ja. Zuerst habe ich einfache Farbe angerührt, aber als ich merkte, dass sie zu leicht abwaschbar war und dem Baron selbst diese Vorfälle wohl nie gemeldet worden wären, habe ich einige Zeit darauf verwendet Mitstreiter zu suchen und die Farbe zu verbessern. Siegellack tut Wunder, um die Abwaschbarkeit zu verringern,“ stolz war aus ihrer Stimme zu hören.

Doch dann runzelte sie die Stirn: „Wir halten seitdem immer einige Farbeimer in den Gängen bereit. Nach dem Heerzug haben wir dann wieder begonnen, diese sogenannte „Kunst“ zu beschmieren.“

Ise sah Yolde an,

während Maeve unmerklich und missbilligend den Kopf schüttelte: (Maeve)

„Ihr seid also immer über die Gänge ins Schloss gelangt,“ diese Feststellung schien der alten Geweihten nicht zu behagen. Irgendetwas war ihr in den Sinn gekommen, was ihre Augen unruhig werden ließ. Ein noch unbeständiger Gedanke trieb durch ihren Geist.

Noch während Rhys zu ergründen versuchte, ob das Gehörte etwas Neues darstellte, etwas, dass sich in ein Gesamtbild fügen ließ, hörte er den zwergischen Vogt an dieser Stelle ansetzen. „Meint ihr, man wird diesen Wachs auch in der Farbe finden, mit der die Hassbotschaft geschrieben wurde?“ Es war eine eher rhetorische Frage. Eine die den Ernst der Lage für die Tsa-Anhänger indirekt herausstellte.

„Ich nehme dir was du liebst“, wiederholte Borax die Worte noch einmal. „Dies kann in zweifachem Sinne gesehen werden. Natürlich so, dass man dem Baron eine geliebte Tochter nehmen wollte, aber auch anders. Seine Hochgeboren ist ein bekannter Kunstliebhaber, seine Beziehung zur Rahja-Kirche weithin bekannt. Er liebt die schönen Künste.

Dieser Argumentation zur Folge können die Worte auch einem fehlgeleiteten Anhänger eurer Ideologie entstammen, dies solltet ihr euch immer vor Augen halten. Die Umstände und Tatsachen, wie die gemeinsame Nutzung des Geheimgangs, der gemeinsam gewählte Zeitpunkt, die Farbe sprechen vielleicht sogar dafür.“ (Borax)

Ise nickte, "leider, fürchte ich mittlerweile, dass es tatsächlich so sein könnte“, sagte sie leise.

Während der Magus eine Augenbraue hob und nur extrem spöttisch von einer zur anderen Geweihten sah, setzte der Zwerg im ruhigen, sachlichen Ton nach. „Was genau an meiner Ausführung bringt euch zum Zweifeln und wen habt ihr in Verdacht eure Gnaden?“ (Borax)

„Zufälle darf man nicht unterschätzen“, sagte die Priesterin ruhig, „sind sie doch die wichtigste Nahrung des Wandels. Und doch… wenn sie sich zu stark häufen, muss man überlegen, ob es wirklich Zufälle sind. Und hier scheint es als wäre jeder neue Punkt, den ihr anbringt, neuerlich ein Zufall, der auf unsere Gemeinschaft deutet. Aber darüber hinaus gibt es keine konkreten Verdachtsfälle. Nur so ein….Gefühl.“

Verema hatte dem Gespräch längere Zeit ruhig zugehört. „Ise“, sprach sie nun die Geweihte an, „Sagt mal, kennt ihr diesen Quintin oder Quirin, kennt ihr ihn? Woher stammt er?“ (Verema)

Ise blickte ein wenig verdutzt. „Von wem sprecht ihr? Hat er was mit…“

Yolde unterbrach ihre Glaubensschwester: „Der Geweihte, mit dem wir in meinem Weihejahr zurückgereist sind. Ich kann mich nicht mehr an seinen Namen erinnern.“

Während die Jüngere sprach, wurde Ise blass. Ihre Augen weiteten sich – fast furchtsam. Dann griff sie sich an die Brust: „Quindan Dornschneider.“ Hauchte sie.

Prianna hörte den Namen und wurde ebenfalls blass: „Dornschneider.“ Wiederholte sie leise. (Prianna)

Das klang ja jetzt mal wirklich interessant. „Um wen handelt es sich dabei? Ihr scheint den Namen beide zu kennen.“ (Lares)

Prianna nickte nur. (Prianna)

Und Ise begann mit stockender Stimme zu sprechen. Hin und her gerissen zwischen Abneigung seiner vermeintlichen Tat und Loyalität zu einem Freund: „Quindan ist ein alter Freund von mir. Er hat zwar einige Winter weniger als ich auf den Knochen. Doch er ist … war … immer ein guter Mensch. Ein Unglücksfall hat ihm einst fast die gesamte Familie geraubt. Seine Frau war Hebamme hier, daher kannte ich die Familie und auch ihn selbst. Über Monate nach ihrem Tod hat er gelitten, doch letztlich sich der jungen Göttin zugewandt. Sich weihen lassen. Er zog seine einzige verbliebene Tochter dann alleine groß. Sie war so alt wie..“ und sie deutete auf die ältere Tochter des Barons. Prianna nickte, als der alte Zeigefinger in ihre Richtung deutete: „Tsalinde. Ich … kannte den Namen ihres Vaters nicht, sonst hätte ich den Zusammenhang früher gesehen. Sie war das Kindermädchen von Lissa und ihrem Zwillingsbruder.“

Während der Erzählung nickte der Mersinger nur. Als sie geendet hatte, blieb jedoch eine Frage offen: „Ihr sagtet Sie ‚war‘ so alt wie die Baroness. Was ist ihr zugestoßen?“ (Lares)

Ein langer Blick wurde zwischen der Baroness und der Geweihten getauscht. Dann seufzte Ise: „Sie ist tot.“ Das sagte sie mit einer Schlichtheit als sei der Tod etwas gänzlich banales.

„Ist Quindan ebenfalls verstorben? Und wie geht es jetzt weiter?“ Der vorlaute Knappe nervte sie nun wieder, hatte sie doch gerade diesselbe Frage stellen wollen, aber wie der Rabensteiner bei der gemeinsamen Jagd kürzlich, ignorierte sie ihn einfach. Es schien, als wären sie kurz vor der Lösung ... (Verema)

Doch bevor Ise antworten konnte, mischte sich Yolde wieder in das Gespräch ein, und flüsterte der alten Geweihten zu: „Du glaubst, er hat mich benutzt, nicht wahr? Um sich am Baron zu rächen.“

Ises Blick glitt über die aufgebrachte Jüngere hinweg und antwortete mit gesenkter Stimme: „Du bist uns bei deiner Weihe aufgefallen. Deine Leidenschaft, die Opferbereitschaft für das, an das du glaubst, dein frischer und freier Geist und deine wunderschönen Träume haben mich fasziniert.

Doch womöglich hat Quindan in deiner Opferbereitschaft einen Mangel an Rücksicht, in deiner Leidenschaft eine Neigung zur Rechthaberei und in deinen Träumen den Hang zu brutaler Eigensucht gesehen. Ich glaubte, er habe nach Tsalindes Tod endlich seinen Frieden wieder gefunden. Wir beide wurden getäuscht. Wir beide, weil wir an etwas glaubten, das wir glauben wollten.“

Yolde ließ sich neben Ise ins Gras gleiten. Sie wirkte mit einem Mal nicht mehr so großspurig. Ein wenig wie ein Vogel, dem man die Flügel gebrochen hatte.

„Niemand wird gerne benutzt. Und doch ist es eine Lektion, die das Leben früher oder später jeden lehrt.“ Ise strich der rothaarigen, schönen und jungen Geweihten über das Haar. Es war das Lehrgeld der Hybris.

Maeve hatte Yolde freigegeben und wäre gerne an Ises Stelle gewesen, doch wollte sie die Intimität zwischen Mentorin und Schülerin nicht stören. (Maeve)

“Über eure Verfehlungen könnt ihr später in aller Ruhe disputieren”, warf Rhys spitzzüngig und wiederum nicht ohne Spott ein. Das ausgerechnet die Geweihten in den Mord verwickelt schienen, entsprach ganz seiner Weltanschauung. Er hatte es nicht anders erwartet. (Rhys)

Seine Worte versetzten Maeve einen Stich, da sie gestern noch gesehen hatte, wie es in ihm aussah. Sie ging langsam zu ihm hinüber und blickte ihn mit aller Güte an, die sie aufbringen konnte und meinte leise: „Es gibt keine Verfehlungen – ihr Antrieb ist doch nur der Glauben, ebenso wie Unglauben der eure ist. Keines von beiden scheint falsch zu sein, da beides IST...“ (Maeve)

Rhys schüttelte den Kopf. “Nicht Unglauben ist mein Antrieb.” Es kam energisch, auch wenn seine Miene einen verzückten Ausdruck annahm, als er sich der Rahja-Priesterin zuwandte. “Nein, nur weil ich mein Handeln nicht vom Glauben leiten lasse, ist es nicht zwangsläufig das Gegenteil, was mich lenkt. Es ist weder das eine noch das andere. So einfach ist unser Dasein nicht. Ich habe mich längst von diesem Schwarz-Weiß-Denken der einfachen Geister gelöst. Es gibt ein paar philosophische Ansätze, die mich reizen und mit denen ich zum Teil sogar sympathisiere, aber auch sie sind nicht mein Antrieb. Dies ist einzig das Wissen.

Und noch eines muss ich klarstellen. Wenn eine der Geweihten den Mörder mit in das Bunte Schloss gebracht haben sollte, dann ist es eine mögliche Verfehlung. Ich spreche nicht von Schuld oder Mitschuld, denn das entscheidet weder ihr noch ich. Aber es wird bei einer Anklage dieses Herrn zur Sprache kommen. Kein Amt, keine Würde wird dies verhindern.” (Rhys)

„Dann magst du mich für einfältig halten, Rhys, denn ich halte unser Dasein für genau so einfach. Man glaubt - oder eben nicht.

Dein Antrieb mag also das Wissen sein, doch ist dies nur scheinbar ein weiterer Weg neben dem Glauben oder Unglauben. Auch dein Wissen schützt nicht vor Torheit, allzu oft haben dies bereits weise Männer und Frauen bewiesen…

Und was den Mörder anbelangt – es gibt und gab keinen Mörder auf dem Schloss! Einzig den Anschlag eines Fehlgeleiteten – dessen Absicht misslang. Das was du tust, ist Vorverurteilung.

Außerdem haben die Geweihten niemanden mitgebracht. Im Gegenteil: der Armbrustschütze ist ihnen vermutlich gefolgt!“

Ihre grauen Augen blitzten vor Leidenschaft, vielleicht auch vor Wut über seine Worte, als sie sich dicht zu ihm hinauf streckte und ihr intensiver Duft für einen kurzen Moment seine Sinne betörte. Leise flüsterte sie in sein Ohr: „Wir beide wissen, dass wir auch stets selbst über Schuld oder Mitschuld entscheiden können: Für ein Urteil über uns selbst benötigen wir keinen Außenstehenden.

Solange wir nicht götterverlassen sind und Schuld empfinden können, sind wir uns selbst das größte Hindernis.“ (Maeve)

Darauf wollte Rhys keine Erwiderung mehr geben. Sie würde niemals Ruhe geben, da ihre Meinungen sich einfach nicht miteinander vereinbaren ließen. Ihre Weltanschauungen waren schlicht zu konträr. Ihre war geprägt von den Predigten ihrer Ausbildungen, seine von den dunklen Seiten der vergangenen Jahre, einer ungleich härteren Schule. Es war Zeitverschwendung. Er seufzte.

„Eine Grundsatzdiskussion werden wir zwei niemals zu einem Abschluss bringen. Ich kann euch ebenso wenig überzeugen wie ihr mich.“ Mehr hatte er dazu nicht mehr zu sagen. (Rhys)

„Für einen Sucher der Erleuchtung mangelt es dir deutlich an Beharrlichkeit und an Weisheit. Denn weise scheint es mir nicht zu sein, vorschnell jegliche Hoffnung fahren zu lassen...“, schloss Maeve traurig. [Maeve]

Während des leise geflüsterten Gesprächs der beiden Tsageweihten und von Rhys und Maeve räusperte sich die Baroness: „Einige von euch, wissen es,“ ihr Blick striff Baldos, ihren Großcousin, „Mein Bruder Regibald, der Zwillingsbruder von Lissa ist vor drei Götterläufen tödlich verunglückt. Der Baron..“ wieder räusperte sie sich: „er war der Meinung, Tsalinde habe ihre Pflichten vernachlässigt. Sie ist vor Eröffnung des Prozesses im Kerker des Schlosses gestorben.“

Stumm nickte Baldos als die Baroness vom Tod ihres Bruders berichtete. Auch wenn er damals nur ein junger Bursche in Knappschaft gewesen war, so war ihm dennoch nicht entgangen, wie sehr sich der Baron an der Erfüllung seines lang gehegten Traumes erfreut hatte. Endlich ein männlicher Erbe, endlich hatte Ansualda das geleistet, für das er sie geehelicht hatte. Es mochte unfair klingen und dennoch war es genau das, was Rajodan von ihr erwartetet hatte. Doch einige Götterläufe später hatten sich die Zwillinge herausgeschlichen, um auf dem Pony auszureiten. Dabei stürzte Regibald und eh Lissa Hilfe herbeischaffen konnte, hatte Golgari ihn über das Nirgendmeer getragen. Ein tragisches Ereignis und für das Gemüt des Barons gewiss nicht förderlich. Das Ende der Zofe hingegen war nicht bis zu ihm vorgedrungen. (Baldos)

Während Maeve sich an den Magier wandte, blickte auch Ise den Zauberer an. Mitleid lag auf ihren Zügen, doch sie sprach nicht, ließ die junge Novizin Rahjas reden. Sie schien aus einem ihr nicht verständlichen Grund weniger seinem Feindbild zu entsprechen als sie selbst.

Neben seiner Meinung über die Rolle der Geweihten stand für Rhys nun jedoch eine andere, drängende Frage im Raum. “Existiert zumindest die theoretische Chance, dass sich der Gesuchte hier versteckt hält?” (Rhys)

Yolde schnappte kurz nach Luft. Ein Teil ihrer Selbst wollte sich verbal auf den viel zu selbstverliebten Magier stürzen. Doch der Teil, dem eben ein gutes Stück seines Weltbildes um die Ohren geflogen war, mochte sich lieber schamvoll verkriechen. Also stieß sie die Luft nur wieder aus und schüttelte den Kopf: „Tot ist er jedenfalls nicht,“ sagte sie freundlich mit Blick auf Verema.

Dann wandte sie sich mit zusammengebissenen Zähnen Rhys zu: „Ihr sucht immer nach den größten Unwahrscheinlichkeiten, nicht wahr, Zauberer? Sicherlich würde er sich am ehesten hier verstecken, an einem Ort, an dem so ziemlich jeder sein Handeln für Frevel hält? Außer euch, natürlich, da ihr ja nicht grundsätzlich etwas gegen das Morden habt. Und euch daher nicht vorstellen könnt, dass es anderen Menschen anders geht? An einem Ort, dessen Glauben er abgeschworen hat? Und der darüber hinaus so unglaublich viele Versteckmöglichkeiten bietet.“ Ihr ironischer Blick fuhr das Lager und die Tempelruine ab. Die Lichtung war ein überschaubarer Ort, jemand, der sich unter all den Menschen hier verstecken wollte, musste sich wohl dauerhaft unsichtbar machen.

Ises Hand wanderte beschwichtigend über Yoldes Arm, während sie erklärte: „Ich habe ihn hier schon seit Monden nicht gesehen. Und hier - war er sehr lange nicht mehr. Hat diesen Ort vielleicht sogar gemieden. Mir scheint fast, er hat sich freiwillig seiner Trauer hingegeben. Womöglich wollte er gar nicht von ihr befreit werden. Manche Menschen füllen die Leere in sich lieber mit Wut, Hass und blinder Rachsucht, als sich einem Neuanfang zu stellen.“

Ihre glitzernden Augen glitten beiläufig über Rhys, Maeve und die anderen. Sie seufzte und ihre tränenverhangenen Wimpern flogen nach oben und blickten auf den wolkenklaren Himmel: „Allesspendende Göttin, vergebe mir. Ich lege das Schicksal meines Freundes, der lange Zeit dein treuer Diener gewesen ist, in deine Hände. Geleite seine Wege wie du die unseren geleiten wirst.“

Mit Yoldes Hilfe erhob sich die alte Frau vom Boden. Gemächlichen Schrittes und mit einer Hand in ihrem Kreuz schritt sie an den Waldrand und öffnete den Mund, um mit demselben Kauderwelsch, das die Gruppe gestern schon gehört hatte, in den Wald hinein zu rufen. Dann verharrte sie dort, still auf eine Antwort lauschend.

„Hat er es denn überhaupt selbst gemacht oder einen von hier dazu gebracht?“ Verema wandte sich an Rhys. So nervig er war, er erinnerte sie an den Vater ihres Ungeborenen, außerdem war sie selbst den Geweihten gegenüber skeptisch. (Rhys)

„Und wo wir dabei sind zu klären, wer was getan hat - wer wird den Baron für seine Tat zur Rechenschaft ziehen? Immerhin ist er ja mit seiner Tat der Urheber des Ungemachs, dass nun auf ihn und die Seinen zurückfällt: Er ist doch bislang der einzige Mörder auf dem Bunten Schloss, nicht wahr?“ Maeves Blick wanderte provokativ zu Rhys und dann zu Prianna hinüber. (Maeve)

Bei dieser Frage lachte der Magus erheitert auf. „Bitte, niemand hindert euch daran, die Anklage zu führen. Wenn ihr wirklich so weltfremd seid, tut euch keinen Zwang an. Mein Unglauben, wenn ihr es so nennen wollt, basiert zu einem großen Stück auf der Tatsache, dass ihr damit keine Chance habt.“ (Rhys)

„Deine Suche nach Erkenntnis wird nicht verhindern, dass du durch deinen Hochmut noch zu Fall gebracht wirst, Rhys“, sie sah ihn an und keine Häme sprach aus ihrem Blick. Es war vielmehr eine Feststellung.

„Du magst mich als schlicht und weltfremd ansehen, doch der Hüter des Valpoglücks, Llabaduin, zum Tempel in Gareth zog einst einen adligen Frevler zur Rechenschaft - einen Ritter, der im Gestech wider die heiligen Tiere gehandelt hatte. Niemand auf Dere mag sich in Sicherheit wiegen, dass er über die Gesetze von Menschen und Göttern erhaben ist! Dies ist eine Tatsache!“ (Maeve)

Nochmal lachte der Magus auf. “Ihr vergleicht einen Rittersmann ernsthaft mit einem Angehörigen des Hochadels?” Er schüttelte den Kopf über so viel Naivität. “Nochmals, klagt ihn an und sorgt für Gerechtigkeit, dann habt ihr euch wahrlich meinen Respekt verdient.”

Rhys erhob sich. “Da man meine Argumentationsweise missbilligt, empfehle ich mich hiermit. Ihr könnt euch ja jetzt bei den Händen fassen und einen Reigen tanzen, um der Sache auf den Grund zu gehen.” Während seine Miene immer noch Belustigung zeigte, versprühten seine Augen Zorn, was wohl auch der Grund war, warum er sich abwandte, um seine Sachen zusammenzusuchen. (Rhys)

Ungläubig blickte die Novizin ihn an – das konnte doch nicht sein Ernst sein! Nach dem Weg hierher, den aus irgendeinem ihr zunehmend unklaren Grund eingeschlagen hatte, zog er mitten in diesem Disput nun fadenscheinig den Schwanz ein? Er war nicht zu verstehen und sie fühlte sich von ihm manipuliert. Zwiespältige Gefühle erfüllten sie - trotz oder gerade wegen der gestrigen Ereignisse.

Sie war hin und hergerissen, sich selbst Güte zu befehlen, um ihn zurückzuholen und auch den Geboten der lieblichen Herrin zu entsprechen. Gleichzeitig vermutete sie, dass er genau das herausfordern wollte.

Sollte er doch gehen: „...wenn Häme alles ist, was du beizutragen hast...“. (Maeve)

Priannas Blick traf Maeve als sie sich erhob. Missbilligung und Zustimmung hatte sie bei den Worten der jungen Novizin empfunden. Sie missbilligte die Art wie der Adel, immerhin in ihrer Vorstellung mit Willen der Götter an einen Platz des Herrschens gesetzt, von der jungen Frau diskreditiert wurde. Andererseits wusste sie um den Charakter ihres Vaters, der genau wusste, wie weit er das Gesetz biegen konnte, ohne sich schuldig zu machen und den eine perfide Lust am Leid anderer antrieb. Während ihre Augen Rhys folgten, legte sie Maeve beschwichtigend die Hand auf die Schulter und folgte dann dem Magus. (Prianna)

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-- Main.CatrinGrunewald - 21 Jul 2020