Ende Des Tisches

Zeitgleich am Ende des Tisches

„Vergebt mir vielmals, Euer Gnaden.“ Mit einem Lächeln wand sich Imma an ihren Nachbarn. Ihre Gedanken waren abgeschweift, sie hatten sich wie so oft irgendwo zwischen ihren Ohren und ihrem Hinterkopf verirrt. Das passierte Imma häufiger, wenn sie neue Menschen traf und sich ausmalte, wie diese sich fühlen mochten, woher sie kamen und welche Pläne sie für ihr Leben haben könnten. „Meine Gedanken waren für einen kurzen Moment nicht an ihrem vorgesehenen Platze. Wenn ich mich kurz vorstellen dürfte, mein Name ist Imma von Schellenberg aus der Baronie Eisenstein - vom Rittergut Rickenbach. Ich bin sehr erfreut eure Bekanntschaft zu machen. Und vergebt mir erneut, wenn ich euch durch meine Fragen unangemessen neugierig erscheinen sollte, doch nie zuvor konnte ich ein freimütiges Gespräch mit einem Ingerimmgeweihten führen. So möchte ich euch fragen, woher Ihr stammt und wo ihr dem himmlischen Schmied geweiht wurdet? Habt ihr euer Gesellenstück erst kürzlich fertiggestellt oder seid ihr von der Walz oder gar von einer abenteuerlichen Reise zu uns gestoßen?“ Ein Schwall von Fragen brach aus der jungen Frau heraus, neugierig den kräftigen Hünen an ihrer Seite betrachtend. (Imma)

Gemessenen Schrittes betrat ein athletischer Jüngling den Saal, diesen und die Anwesenden prüfend mit seinen dunkelbraunen Augen musternd. ‚Phex sei Dank, ich bin nicht der letzte und begonnen hat das Abendmahl auch noch nicht‘, dachte Boromar erleichtert. Mit der linken Hand strich er sich eine Strähne des fast schwarzen, etwa schulterlangen, leicht gewellten Haares hinter das linke Ohr und glättete den blütenweißen Wappenrock, welcher groß über der Brust blaue Wolken mit schwarzen Blitzen über silbernem Grund zeigte. Abschließend zupfte er einen nicht vorhandenen Fussel von seiner dunklen Leinenhose und schritt elegant zur Tafel, wobei er den Gästen knapp zunickte. ‚Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe, aber niemand der mir bekannt ist.‘ Nachdem Boromar den ihm zugedachten Platz – zwischen einem Oger von einem Mann mit feuerrotem Haar und Bart sowie einer jungen Frau in dunklem Mantel – gefunden hatte, beugte er sich ein wenig vor und rückte den Stuhl vom Tisch ab. Dabei schielte er auf die Platzkarte seiner Sitznachbarin. „Verzeiht mir werte Dame von Schellenberg und Euer Gnaden Eurer Gespräch zu unterbrechen, aber dies ist mein Platz. Wenn es Euch also nichts ausmacht, gestattet mir mich Euch kurz vorstellen: Boromar von Rodenbrück, Ritter im Orden des Donners.“ Mit diesen Worten nahm Boromar ebenfalls an der Tafel Platz. (Boromar)

Die junge Frau blickte auf. Die Brauen über ihren Augen, in denen man anfänglich noch ein vages Interesse an dem durchtrainierten Mann zu erkennen glaubte, zuckten während seiner Vorstellung fast unmerklich zusammen. „Ihr wohnt hier in Elenvina?“ Ihre Stimme klang betont höflich als sie sich leicht vorbeugte, damit er ihre Frage verstehen konnte. „Wird der Donnerorden auch am Feldzug teilnehmen? Oder werdet ihr uns auf unserer Reise begleiten?“ In ihrem Blick mischten sich für einen kurzen Augenblick Furcht und Missachtung. (Imma)

Boromar griff nach einem Becher Wein, um den kurzen Moment seiner Irritation zu verbergen. ‚Was sie wohl gegen den edlen und ehrenvollen Orden der Donnerer hat? Seltsam…‘‘ Er wandte sich seiner Gesprächspartnerin zu, fast schon ein wenig empört, ob der Annahme, dass die edlen Recken des Ritterbundes nicht mit dem Herzog in die Schlacht ziehen könnten, obwohl sie damit richtiglag. „Freilich würden wir den Heerzug begleiten, wenn nicht der Schutz der Stadt mit den umliegenden Landen für die Dauer des Heerzugs in unsere Hände gelegt worden wäre. Immerhin stellen die Donnerer einen Gros der schweren Reiterei im Hinblick auf die Truppen der Nordmarken. Ein wahrhaft Ehrfurcht gebietender Anblick, wenn eine ganze Schwadron Ritter Rondra zum Wohlgefallen in die Schlacht reitet, das kann ich Euch wohl versichern. Seht, der Donnerorden schützt schon seit jeher Stadt und Herzogenhaus. Und dieser gewichtigen und ehrenvollen Aufgabe kommen wir voller Stolz nach. Und für die anstehende Reise Ihrer Hoheit, der Alt-Herzogin der Nordmarken und Baronin vom Berg, durch das ganze Herzogentum wurde ich als Begleitung gesandt.“ Boromar trank noch einen Schluck Wein, ehe er fortfuhr. „Um auch noch Eure erste Frage zu meiner Person zu beantworten: Der Familiensitz des Hauses Rodenbrück ist Burg Rodenfels, welche direkt an der Mündung des Rodasch in den Großen Fluss in der Baronie Kyndoch und nur wenige Meilen von der Reichsstadt entfernt liegt. Und von dort habe ich mich auf den Weg hierher gemacht, aber wann immer ich in Elenvina weile, beziehe ich Quartier in der hiesigen Ordensburg. Da Ihr nun einiges über mich wisst, so verratet mir doch auch etwas über Euch. Woher stammt Ihr und welcher Profession geht Ihr nach?“ (Boromar)

„Entschuldigt bitte, falls euch meine Frage gekränkt haben sollte. Ich war nur verwundert, euch hier zu sehen.“ Die junge Frau sah ihm einen Moment in die Augen und was er darin erkannte, war eher ein tiefer Schmerz, den sie zu verbergen suchte, als eine an ihn persönlich gerichtete Ablehnung. „Ich denke, uns und besonders die Herzogenmutter auf der Reise zu schützen ist eine ehrenvolle und wichtige Aufgabe. Ich hoffe doch es gibt keinen Grund zur Besorgnis, wenn eigens ein Ritter des Donnerordens dafür bereitgestellt wird?“ kurz hielt sie inne als suche sie in seiner Reaktion die Antwort auf ihre Frage, „ich selber unterstütze meinen Onkel bei der Verwaltung des Lehens unserer Familie. Insbesondere das Gestüt, welches wir in Rickenbach unterhalten, fordert meine Aufmerksamkeit. Mein Onkel ist der Verweser meines Bruders, der leider nur selten zu Hause weilt. Hagrian folgt gerade mit anderen Geweihten der Donnernden - so wie auch eure Ordensbrüder- dem Ruf des Herzogs und wird wohl gerade in Mendena weilen, wenn nicht bereits Golgaris Schwingen ihn in die Hallen der Leuin getragen haben.“ Ein kurzer Seufzer ließ erneut Schmerz in ihren Augen aufblitzen. Diesem kurzen Moment ließ sie aber sofort ein freundliches Lächeln folgen „Ich lebte auch einige Zeit in Elenvina als ich hier die Hesindeschule besucht habe. Sagt, wie gefällt euch die Stadt? Mir selber fehlte nach einiger Zeit hier, die Weite der Ländereien und die frische gute Luft bei uns in den Höhenlagen Eisensteins.“ Höflich beugte sich Imma nach vorne, um den Ingerimmgeweihten nicht aus ihrem Gespräch auszuschließen. (Imma)

-- Main.CatrinGrunewald - 22 Feb 2019