Du bist dem Tod so nah

Die Welt ist verloren, wenn Du Dich aufgibst. Mit allem, was Du verurteilst, verurteilst Du Dich selbst. Etwas abzulehnen heißt, einen Teil der Schöpfung zu verneinen. Mich nennen sie den wandernden Weisen. Und meine Fähigkeiten könnten Dir von Nutzen sein. Mit Hilfe meiner Kräfte gebe ich Dir die Möglichkeit zu erkennen, wer Du wirklich bist. Und, Geode, ich rate Dir, nimm diese...

Lektionen in Demut

Lege deine Bedenken beiseite, Geode. Sie sind hier fehl am Platz. Ich verwalte deine Welt für eine Weile. Gib dich mir ganz hin, bis ich tief in dir drin endlich allein mit dir bin. Du kannst dich deiner Lektion nicht entziehen, egal ob du dich mir stellst. Du kannst vor allem fliehen, nur nicht vor dir selbst. Du redest dich um Kopf und Kragen als ob es um dein Leben ging und alles Glück dieser Welt an dir hing.

Du willst ein Held sein? Dein Kartenhaus fällt ein. Denn deine Welt kann nur ein Spiegel deines Selbst sein. Du bist allein nur ein halber Zwerg, so fehlbar. Und die Stimmen in dir drin sind unzählbar. Doch vergiss nicht vor dem Sturz steht der Hochmut. Und nach dem Fall folgen Lektionen in Demut. Knie nieder, Nichts, und danke der Welt, dass sie dir ein zu Hause gibt und dich am Leben hält. Und dann erhebe dich, Prinz, nutze deine Macht gut, nimm die Lektionen des Lebens in Demut.

Du hast die Wahl, ob hier die zwölfgöttlichen Paradiese oder die Niederhöllen sind. Denn Du bist Schöpfer deiner Welt, obwohl du Teil von ihr bist. Du trägst Verantwortung für alles was in deinem Leben geht. Und auch ein Stück vom Herzen eines jeden der dir nahesteht. Und wenn du dich dennoch fühlst wie jemand der Alles verloren hat und Angrosch die Schuld gibst, nur weil er dich geboren hat, dann wird es Zeit, dass dich endlich jemand am Kragen packt, Dich schüttelt und dir sagt, dass er es nur einmal sagt:

Du willst ein Held sein? Dann tritt für die Welt ein und lass die Liebe wieder Spiegel deines Selbst sein. Es ist deines Lebens Ziel, dass du es auch liebst. Und du gewinnst dein Ich spielend wenn du es aufgibst. Du hast dir Liebe geschworen und hast dazu den Mut. Dann wirst du neu geboren durch Lektionen in Demut.

Ich fühl mich schwach und müde, als hätte ich Tage nicht geschlafen, als bliebe ich wach und übte mich darin, mich zu bestrafen. Der, der einst so groß war, endet als Hofnarr. Doch ich erhebe mich, strebe zum Licht. Fühl mich wie ein neues Wesen, das zum ersten Mal spricht. Ich bin bereit auf das zu hören, was mein Leben mir zu sagen hat, Erkenntnis zu erfahren, die man am Ende aller Fragen hat, den Zustand zu bewahren, um alles fließen zu lassen, um die Freiheit zu empfinden und die Einheit zu erfassen. Alle Ängste überwindend hab ich mein Ziel erreicht, spür die Kraft in meinem Innern die der Macht der Götter gleicht. Was das Leben jedem Wesen mitgegeben hat fließt durch jede meiner Venen wie ein Mahlstrom.

Und ich werde der Held meiner Welt sein. Im großen Kampf um eure Seelen seid ihr nicht mehr allein. Es fallen endlich alle Regeln und Barrieren ab. Und ich sehe was ich noch zu regeln und zu klären habe. Ich bete ein „Ich verzeih Dir“ und ein „Es tut mir Leid“ zur Klärung der Vergangenheit.


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Du bist dem Tod so nah

(aus: Die Geschichte der Kinder Mirils und Der gefallene Stern)

593 BF (Magierkriege)

„Und unsere Brüder sahen so schrecklich verunstaltet und entstellt aus, gequält und geschunden. Grausame Experimente. Und einer seiner Schergen belebte dann noch diejenigen, die bereits qualvoll gestorben waren. Keine Achtung und kein Respekt vor den Toten. Die scheuen vor nichts zurück. Dieser Zulipan ist ein Monster...“ Entsetzt berichtete der Angroscho von den schlimmen Erlebnissen. Der gestandene Zwergenkrieger zitterte am ganzen Leib. Er war zwar entkommen, doch trug er schlimmen Schaden an seiner Seele davon.

Der Geode Labradôm hörte sich den Bericht schweigend an. Innerlich kochte er vor Wut. Es musste ihn jemand aufhalten. Zulipan von Punin hatte seinem Volk Schreckliches angetan. Der entkommene Zwergenkrieger berichtete dem Hochkönig Ambros Sohn des Aragax. Der Rogmarok hatte verschiedene Geoden hinzu bestellt. So war auch Labradôm erschienen.

Während der Angroscho noch von seinen schrecklichen Erlebnissen berichtete, kamen Boten hereingestürmt. „Hört! Hoher Rogmarok! Es gab eine Schlacht...“, berichtete einer der Boten noch ganz außer Atem. „... bei Elenvina, am Hornswald, am Rickenbach, nahe der Hyndanburg. Truppen Zulipans. Die Isenhager haben versucht sie aufzuhalten. Der Graf des Isenhag hat sich ihnen entgegengestellt. Er ist in der Schlacht gefallen. Wie auch viele andere auch, so auch die Baronin von Dohlenfelde und der Freiherr von Calmir und Isenbrück. Die Schergen Zulipans konnten den Sieg davon tragen. Dann sind sie weiter gezogen und dringen nun in die Ingrakuppen ein. Sie bedrohen Xorlosch. Sie haben die Burg auf dem Roxeiron eingenommen und rüsten sich zum Sturm auf Zaman...“

Roxeiron war der zwergische Name für den Eisenstein. Die meisten Angroscho dachten, das Wort sei Rogolan. Doch Labradôm wusste es besser. Es war ein uraltes Wort und es war trollischen Ursprungs. Es bezeichnete einen ganz besonderen Ort. Doch selbst der Geode wusste nur vage, was das Besondere war.

Zaman war die alte Zwergenfestung am Westrand des Zwergenkönigreiches Xorlosch. Der Hochkönig hieß sogleich, Krieger auszusenden, durch die Tunnel nach Zaman. Sie sollten den Zugang zum Bergkönigreich schützen. Labradôm bot sich an, die Krieger zu begleiten.

So kamen sie am Tag darauf in Zaman an. Von hier konnte man über den Moosgau blicken bis zum Eisenstein. Was mochte Zulipan dort vorbereiten? Die Zwerge hielten Kriegsrat. Labradôm empfahl, mit einem Teil ihrer Krieger den Eisenstein zu umgehen und ihn von Süden anzugreifen. Das erschien allen ein guter Plan zu sein. Angriff war die bessere Verteidigung. Desto länger sich der Magier vorbereiten konnte, desto schlimmer konnte das werden, womit er die Zwerge angreifen würde. Eine Schar Krieger angeführt durch den Geoden zog über den Krähenbach durch den Krähenwald, überquerte den Rickenbach und zog durch den Hinterwald, kam so schließlich von Westen her an den Eisenstein heran. Die Zwerge lagerten südlich des Trollwaldes am Nordostrand des Breewaldes in einem Dorf der Menschen.

Labradôm stieg nachts auf den Weißenstein, einem Berg am Nordrand des Breewaldes, um von dort einen Blick auf den Eisenstein zu werfen, auf die Menschenburg, wo sich Zulipans Schergen verschanzt hatten. „Was sind das für Steine?“, fragte der Geode einen der Menschen, die ihre Hütten auf dem Weißenstein an einer Quelle zwischen drei riesigen Megalithen errichtet hatten. „Ach das. Es wird erzählt, dass Trolle diese Steine hier vor langer Zeit hingeschleppt haben. Wahrscheinlich, um in Vollmondnächten um sie herum zu tanzen.“ Der Mensch lachte. „So wie die sieben Schwäne, die hier immer ihre Runden drehen über den Steinen.“ Der Geode schüttelte den Kopf. Der Mensch wusste nichts. Dann blickte er erstaunt gen Himmel. Was war das? Da löste sich ein Stern aus dem Sternbild des Uthar. Einer der vier Sterne, die den Pulsar rahmten, entfernte sich augenscheinlich von diesem. Desto länger Labradôm den Stern beobachtete, desto größer wurde er. Er schien immer näher zu kommen. Unwohlsein stieg in dem Geoden auf. Irgendetwas beunruhigte ihn. Es ging eine Gefahr von diesem Stern aus, die er nicht recht deuten konnte. Nun wurde der Stern deutlich größer und heller. Dann erschienen rings um den Stern Flammen. Er zog einen Schweif hinter sich her. Kleine Teile lösten sich von dem Stern und zogen brennend ihre Bahn am Nachthimmel. Der große Stern aus dem Sternbild des Uthar schien aber auf den Geoden hin zu steuern, auf ihn zu fallen. Nun war Labradôm sich sicher: Der Stern würde auf ihn stürze, er würde ihn und die Streitmacht der Zwerge vernichten. Doch es war zu spät. Er würde es nicht mehr schaffen, sie zu warnen und das Heerlager der Angroshim zu evakuieren. Verzweifelt blickte er hinunter in das Tal zu dem Dorf, in dem die Zwergenkrieger lagerten. Dann blickte er wieder auf zu dem Stern. Die Nacht war inzwischen fast taghell. Das Feuer und Dröhnen des fallenden Sterns war deutlich zu vernehmen. Er rauschte auf das Dorf zu. Mit einem lautem Donnern schlug er in den Wald ein, die Erde brach unter der Last ein und ein riesiger Feuerball breitete sich vom Einschlagskrater aus. Die Flammen schlugen hinauf bis auf den Weißenstein. Der Geode konnte sich gerade noch hinter einen der Trollsteine retten. Die Welt schien unterzugehen.

Der Trollstein schützte den Geoden vor den Flammen. Zwar senkte es seine Haare und seinen Bart an und verbrannte seine Haut, aber eigentlich hätte er tot sein müssen. Es war mehr als nur der bloße Fels des Megalithen. Es war ein uralter Zauber. Die Hütten der Menschen, die hier oben auf dem Weißenstein standen, brannten lichterloh. Die Menschen waren alle tot. Labradôm spürte, wie ihm das Feuer die Luft zum Atmen nahm. Mit letzter Kraft kroch er zu der Quelle in der Mitte der Trollsteine. Er trank wie ein Tier aus dem Born. Wie ein Wunder kehrte seine Lebenskraft zurück. Das Wasser hatte heilende Wirkung. Ein heiliger Ort. Inzwischen war der Feuersturm vorbei. Die Bäume rings herum brannten. Der Geode raffte sich auf und humpelte bis zum Berggipfel. Ein schrecklicher Anblick. Ein Inferno. Die Wälder im Tal und auf den Hängen der Berge standen in Flammen. Dort wo einst das Heerlager der Zwerge gewesen und das Dorf der Menschen gewesen war, sah er nur noch einen dunklen, verkohlten Einschlagkrater. Eine schreckliche Katastrophe. Sie waren alle tot. Verzweiflung stieg in ihm auf. Zulipan hatte sie alle getötet. Was würde ihn jetzt noch aufhalten, Xorlosch zu nehmen? Dann fuhr Labradôms blick zu den umliegenden Berggipfeln. Da! Zaman. Vernichtet. Es brannte lichterloh. Zulipan würde das Volk der Angroschim auslöschen. Der Geode fühlte sich ohnmächtig. Sein Blick schweifte weiter. Was war das? Auch die Burg auf dem Eisenstein brannte. Da hatte niemand überlebt. Hatte Zulipan etwa keinen Schutzzauber gewirkt? Wie dumm. Labradôm konnte und wollte das nicht glauben. Der finstere Scherge Borbarads hatte sich selbst vernichtet? Er war das Opfer seines eigenen Hochmuts geworden.

Der Geode hatte dieses schreckensvolle Ereignis überlebt. Der gefallene Stern – eine Schlacht ohne Sieger. Wie durch eine Fügung war er am Leben geblieben, während hunderte Zwerge und Menschen in dieser Nacht ihr Leben ließen. Labradôm sollte in der Folgezeit noch eine wichtige Rolle spielen. Was er in dieser Nacht nicht wusste war, dass Zulipan gar nicht selbst auf der Burg Eisenstein weilte, sondern nur ein Teil seiner Anhänger, der nun ebenfalls vom Antlitz Deres getilgt war – bis auf zwei. Zulipan sollte erst fünfzehn Jahre später sterben in der Schlacht am Stillen Grund, wo der Hexenmeister von Angbar herkam, der in dieser Nacht so fatal gescheitert war. Zulipan von Punin würde am Stillen Grund vom Hochkönig der Zwerge, Ambros Sohn des Aragax, dem Rogmarok, besiegt werden. Doch der Rogmarok würde dabei ebenfalls sein Leben lassen. Der Geode Labradôm nahm auch an dieser Schlacht teil und überlebte erneut. Hier am Eisenstein entstand in dieser Nacht der Landstrich, der fortan von den Menschen dort die `Öde´ genannte werden würde. Die beiden Anhänger Zulipans, die diese Nacht überlebten, waren fortan an diesen Ort gebunden. Das war `Satinavs Rache´. Besonders der in dieser Nacht noch junge Magier würde in den kommenden Jahrhunderten zu einer unkalkulierbaren Gefahr werden. Auf die Initiative des Geoden Labradôms wird es in den kommenden Jahrzehnten zurück gehen, dass sowohl das Volk der Angroschim wie auch das der Menschen sogenannte `Wächter´ aussuchen würden, die die Gefahr, die von der `Öde´ ausging, beobachten sollten. Diese Wächter sollten aktiv werden, wenn die Befürchtungen wahr würden, die der Geode seinerzeit mit diesem Ort und dem besagten Magier verband. Es hält sich das Gerücht, dass Labradôm selbst heute noch unter einem anderen Namen als Müller einer kleinen Wassermühle am Ortsrand des Dorfes Breewald zusammen mit seiner Katze leben würde...


Autor: Innozenz m.c.