Die Herausforderung

Kapitel 1-3: Die Herausforderung

Gelda

Autor: DanSch

Firun 1042 B.F., bei Elenvina ---

Der eisige Wind peitschte ihr die Schneewehen hart ins Gesicht. Firuns Wüten schnitt ihr den Atem ab, so dass sie zum Schutz ihre Arme vor´s Gesicht hielt. Ihrer Sicht beschnitten, lief sie ziellos durch den Wald, ohne zu wissen, in welche Richtung sie ging. Der Schnee war kniehoch und behinderte ebenfalls das Vorankommen. Die Kälte hatte schon seit einer Weile ihren Weg durch ihre Kleidung gebahnt. Mit jedem weiteren Schritt verlor sie weiter das Gefühl für ihren Körper. Dann stürzte sie. Sie wusste, dass Firun keine Gnade kannte. Ihre Zeit war gekommen, sie würde sterben.

Nach der Angst, nach dem erlösenden Schlaf, kam die ersehnte Wärme. Mühsam öffneten sich ihre Augenlider und schlossen sich gleich wieder. Das Knistern eines Feuers ließ sie aufhorchen und holte die junge Frau aus ihren Schlummer. Gelda öffnete ihre Augen und betrachtete den Raum, in dem sie sich befand. Die hölzernen Wände, die Decke und der Boden kamen ihr bekannt vor. Sie befand sich in einer alten Jagdhütte. Die junge Frau bemerkte auch, dass sie bar ihrer Kleidung war, aber umschlungen von einem Mantel. Dieser war aus einem weiß-grauen und äußerst weichen Fell, der sie in eine wohlige Wärme hüllte. Ein Feuer prasselte in einem Kamin und eine Person hockte davor. Das Schnauben eines Pferdes unterbrach ihre Beobachtung. ´Aschefell!´,floß es ihr über die Lippen. Erleichtert betrachtete sie ihren grau-weißen Apfelschimmel. Die letzte Erinnerung an ihr Pferd war, als sie ihn im Schneesturm verloren hatte. Sie fühlte sich seltsam zufrieden und es störte sie nicht, dass noch eine andere, die ihr unbekannte Person im Raum saß. Genau diese drehte sich um und bewegte sich auf Gelda zu. Es war eine Frau in den Zwanzigern und nach der Kleidung her zu urteilen eine Jägerin. Ihr Haar war schwarz und zu einem Zopf gebunden, ihre mandelförmigen blauen Augen blitzten aufmerksam. „Ifirn sei Dank! Du bist wach. Wie fühlst du dich?“, fragte sie die Erwachende. „Ich bin Gelda … Gelda von Altenberg. Und du? Was ist passiert?“ fragte sie noch leicht benommen zurück. „Die Schwanengleiche hat ihre Flügel um dich gelegt. Dein Schimmel hat mich zu dir geführt.“ Die Jägerin ging auf das Pferd zu und strich es durch die Mähne. „Aschefell also.“, raunte sie. Der Schimmel schnaubte wie zur Bestätigung, senkte den Kopf und fraß etwas von dem Bündel Stroh auf dem Boden. „Ich bin Nia und diene Ifirn als ihre Priesterin. Ich komme aus einem fernen Land aus dem Norden. Doch Firuns Tochter hat mich hierher geführt. Und wie ich feststellen musste, hat Firun dieses Land sehr fest in seinen Händen dieses Jahr. Ich frage mich, was die Leute hier getan haben, ihn so zu erzürnen.“ Nachdenklich drehte sie sich wieder zu Gelda. Diese schaute verschlafen zurück, fühlte aber ,wie sie mit jeder Minute mehr und mehr Herrin ihrer Sinne wurde. „Was hat dich zu dieser Wahnsinnstat bewegt, bei diesem Schneesturm in den Wald zu reiten, Gelda?“ Die Altenbergerin zuckte kurz und fühlte sich peinlich berührte. ´Ja, was hat mich eigentlich geritten, wie ein dummes Kind in den Tod zu reiten?´ „Also“, begann sie,“ es fing mit einem Streit zwischen meiner Schwester Sabea und meiner Mutter an. Sie hat uns verkündet, das die Familie eine Brautschau veranstaltet und wir alle heiraten müssen.“ Nun richtet sie sich etwas auf. „Meine Schwester hat darüber nur gelacht, was meine Mutter zur Rage gebracht hatte.“ „Und was hast du gemacht?“, fragte Nia während sie sich zu Gelda setzte. Mit klaren Blick ihrer grünen Augen schaute sie nun der Ifirngeweihten ins Gesicht . „Gar nichts. Ich meine , ich habe nichts gesagt, aber innerlich war ich wütend. Ich wurde noch nicht einmal gefragt.“ Ihre sinnlichen Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund. „Ich wollte einfach nur weg. Mein eigenes Leben leben. Ich habe das Nötigste zusammen gepackt, mir Aschefell gegürtet und bin in den Wald geritten. Über den Schneesturm habe ich mir keine Gedanken gemacht, auch nicht wo es hin gehen sollte.“ Nun errötete sie über ihre eigene Dummheit. Sie senkte verlegen ihren Blick. „Danke“, sagte sie mit einem schuldigen Klang. Das helle Lachen der Geweihten lies sie wieder aufblicken. „Danken musst du mir nicht. Es war Ifirn, die nicht wollte, dass Firun dir dein junges Leben nimmt. Du hast ein gutes und mutiges Herz, Gelda von Altenberg. Das gefällt der Göttin.“ Die mandelförmigen und blauen Augen von Nia wirkten voller Leben, als sie sprach. „War es dumm, wegen solch einer Nichtigkeit in den tödlichen Sturm zu reiten? Auf jeden Fall!“ Die harschen Worte von Nia ließen sie zusammenschrecken. „Doch“, sagte die Geweihte,“ es war auch sehr mutig zu versuchen, dem grimmen Herrn zu trotzen!“ die Schwarzhaarige lächelte wieder und strich der jungen Frau einer der Strähnen ihres roten Haares aus dem Gesicht. „Die Schwanengleiche hat dir heute eine Lektion gelehrt.“ Neugier huschte über Geldas Gesicht. Sie wusste, dass sie jetzt aufmerksam zuhören sollte. „Das Leben stellt uns Herausforderungen. Ihnen aus dem Weg zu gehen, könnte fatale Folgen haben. Es bedarf viel Mut und Stärke, sich ihnen zu stellen, aber dann ist frau auch Herrin ihres eigenen Schicksals. Und glaube mir, die Herausforderungen kommen in verschiedenen Formen und sind nicht immer ein Schneesturm!“ Gelda nickte vorsichtig, spürte aber, dass Nia noch nicht fertig war. „Du kannst dein Schicksal selbst bestimmen. Ifirn hat erkannt, dass du dafür alles hast. Auch ich sehe das jetzt. Du hast eine zweite Chance verdient. Denke darüber nach. Vergesse diesen Tag niemals!“ Mit einem ernsten Gesicht schloss sie ihre Rede ab. Gelda hatte verstanden. Ihr wurde eine zweite Chance geschenkt. Die Tochter des weißen Jägers war an ihrer Seite. Plötzlich spürte sie, wie sie sanft zurück ins Strohlager gedrückt wurde und eine Welle von Müdigkeit Gelda erfasste. „Ruh dich noch ein wenig aus. Mein Mantel wird dich schützen, bis deine Kleider wieder trocken sind. Morgen früh bringe ich dich wieder nach Hause zurück.“ Die beruhigenden Worte der Ifirngeweihten ließ sie wieder in einen Schlummer fallen. „Danke, Nia!“ sagte sie nochmals und schloß ihre Augen. ´Bei Ifirn, ich werde nie wieder eine Herausforderung ausschlagen. Auch eine Brautschau wird mich nicht aufhalten, das schwöre ich!´, waren Geldas letzten Gedanken, als sie wieder in einen tiefen Schlaf fiel.

-- Main.DanSch - 26 Dec 2019