Die Bardin

Kapitel 1-1: Die Bardin

Nordrun vom Lilienhain

Autoren: DanSch

ab Efferd 1042 B.F., Herzogtum Nordmarken ---

Mit Lilien, Liebe und berauschendem Wein,

Malava und Merkan,

Für immer und ewig, sei mein.“

Mit tiefer und betörender Stimme sang sie die letzte Strophe des Liebesliedes. Sie wartete ab, bis auch der letzte Ton ihre Knicklaute verklungen war. Dann öffnete die Bardin ihre Augen und blickte sich um. Der Thronsaal war gefüllte mit Edeldamen, Höflingen, einigen Mägden und wenigen Kindern. Am Ende einer langen Tafel thronte die Herrscherin des Hauses. Der große Kamin mit dem knisternden Feuer sorgte für eine warme und angenehme Stimmung, während draußen der Regen prasselte. Niemand sagte ein Wort, alle lauschten gebannt ihrer Vorstellung. Ja, sie hatte es wieder geschafft und für Begeisterung gesorgt. Etwas mehr als drei Jahrzehnte schon bereiste sie die Nordmarken, auch über deren Grenzen hinaus, und erzählte, sang und musizierte. Doch heute Abend war sie aus einem anderen Grund hier, als nur die Leute zu unterhalten. Wichtig war es, die Leute in Stimmung zu bringen, vor allem die Herrscherin. Ihre eigene Familie hatte sie beauftragt, eine bestimmte Kunde an die Adelshäuser der Nordmarken zu tragen. Das Haus Altenberg, ein altes Ministerialengeschlecht, rief zu einer Brautschau. Sie selbst hatten den Namen schon vor vielen Jahren abgelegt, als sie ihren Gemahl ehelichte. Von je her waren die Altenberger eher unauffällig in der nordmärker Politik und wie es schien, schon eine Weile auf dem Weg ins Vergessen. Zu ihrer Überraschung trafen sich die Älteren, um einen Plan zu schmieden, um genau dies zu verhindern. Nun lagen all ihre Hoffnungen auf dem Können der Bardin. Nordrun vom Lilienhain war bereit!

Der Applaus, das Stampfen der Füße und das Klopfen der Hände auf den Tischplatten holten die Bardin zurück aus ihren Gedanken. Nordrun erhob sich, legte die Laute auf den Tisch und verneigte sich. Dann hob sie die Hände beschwichtigend in die Höhe und wartete ab, bis wieder Stille eingekehrt war. Sie strich sich ihre kastanienroten Locken, die jetzt schon mit vielen silbernen Strähnen durchsetzt waren, aus dem Gesicht und zog noch einmal ihre samtene Weste gerade. Die Bardin räusperte sich, wartete kurz ab und sprach dann mit klarer Stimme:

Euer Hochgeboren. Edle Damen und Edle Herren. Nicht nur bin ich gekommen, um Euch von der Liebe einer Fee und ihres Geliebten zu singen. Auch möchte ich Euch noch begleiten die schöne Pavane zu tanzen“! Ihr Blick viel auf die Flötenspielerin, die sie auf dieser Reise begleitete.

Doch vorher möchte ich Euch von einer Kunde berichten, die mir zugetragen wurde.“

Die Bardin setze eine Pause ein und wartete bis die Blicke der Zuhörer in reine Neugier umschlugen.

So höret, ihr hohen Damen und hohen Herren des stolzen Herzogtum Nordmarken, es ist der Wille der Herrin von Heim und Herd, der gütige Mutter Travia, zum Bündnis und Ehe zu bitten. Der bekannte Hohe Herr Winrich von Altenberg – Sturmfels, Tempelvater des Herdtempels zu Elenvina, hat den Ruf vernommen und verstanden.“

Wieder setzte Nordrun eine dramatischen Pause ein.

Das Oberhaupt des alten Hauses Altenberg möchte all die Junggesellinnen und Junggesellen des Adels zu einer Brautschau einladen. Es ist der Wunsch der Familie, neue Bündnisse zu schließen, um dem Herzogtum weiterhin und zukunftsreich zu dienen. Fünf edle Damen und vier edle Herren des Hauses Altenberg werden, in dieser travia- und praiosgefälligen Festlichkeit, die Werber erwarten.“

Die Bardin lies ihren Blick wieder über die Bewohner dieser Burg schweifen, um sich zu vergewissern, dass noch jeder gespannt zuhörte.

Dann sprach sie weiter:

Doch lasst mich nun von denjenigen künden, die Travias und Rahjas Ruf vernommen haben.“

Kaum waren diese Worte ausgesprochen, fing die Flötenspielerin an, eine leise angenehme Melodie zu spielen. Nordrun nickte ihr zu und sprach nun mit ihrer schönen, tiefen Stimme weiter, während sie die folgenden Worte passend zur Melodie betonte.

Juno und Maura von Altenberg, einem Diener des alten Gottes Efferd und einer Doctora der Heilkunde, haben den Ruf vernommen und sind bereit, ihre Kindern den Bund fürs Leben eingehen zu lassen.

Die Erstgeborene, die holde Lichtbringerin, Praiona von Altenberg ist eine treue Dienerin des Götterfürsten Praios, in der Wehrhalle zu Elenvina. Ihr erheiterndes Gemüt bringt oft den puren Sonnenschein in die Herzen der Gläubigen.

Der einzige Sohn der beiden, Elvan von Altenberg, war erst vor einigen Monden Gespräch am herzöglichen Hofe . Durch seine besonnene Art und weisen Verstand gelang es ihm, mit anderen Edlen des Herzogtums, den Flusssegler Concabella, samt Herzogenmutter, aus dem Reich der Feen zu befreien. Seine Schreib- und Malkünste werden gerühmt und es war ihm erlaubt die Kinder des Herzogen zu porträtieren.

Elvrun, das Gänslein, ist die jüngste der drei. Ihre Unschuld und Fürsorge ist jetzt schon über die Tempelmauern Elenvinas hinaus bekannt und es ist vorauszusehen, das sie einst eine tugendhafte Dienerin Travias sein wird.

Auch die Kinder von Hamar und Rondela von Altenberg, dem ersten Schreiber der Kanzley von Handel und Wandel und einer Ritterin, werden ihre Herzen den Werbern des Reiches öffnen.

So lasst mich beginnen mit der Älteren:

Groß und voller Leidenschaft, so wird die hohe Dame Sabea von Altenberg beschrieben. Voller Mut stellte sie sich dem schändlichen Überfall der Barbaren aus Thorwal, die versuchten unsere geliebte Capitale Elenvina zu plündern.Wer sie an seine Seite wählt, kann sich ein Leben in Sicherheit wiegen.

Der Zweitgeborene, Talfano von Altenberg, steht ganz im Zeichen der Juristerei. Jung und von gerechter Gesinnung, folgt er den Pfaden seiner Vorfahren, den Rechtsgelehrten von Gratenfels. Immer mit Büchern der Rechtskunde und Schreibutensilien gerüstet, verheißt dies schon heute, das er dereinst ein Mann von großen Worten seien wird.

Von ebenfalls stolzer Gesinnung ist die Jüngste, Gelda von Altenberg. Wer die Jungfer auf ihren schneeweißen Pferd und ihren kupfergoldenen Haar durch die Gassen Elenvinas reiten sah, ist sich gewiss, dass Ihr Schönheit und Mut in die Wiege gelegt wurden.“

Die Bardin machte eine kurze Pause, schloss die Augen und wiegte sich in der Melodie des Flötenspiels. Sie holte tief Luft und sprach dann weiter.

Wer meinte, dies wäre schon alles, was die stolze Familie von Altenberg zu bieten hat, möge sich getäuscht haben.

Der erste gar war der Gelehrte Herr Tassilo von Altenberg, Meister der Rechtskunde seines Zeichens, der seine zwei Kinder zur Brautschau bestallte.

Selbstlos, aber mit einem feinen Sinn für die guten Dinge im Leben, so könnte man seinen Sohn bezeichnen. Amiel von Altenberg ist ein Ritter der Tugenden, ein Streiter nach Travias Geboten.

Durinja, die Liebliche, so wird die junge Hofdame und Tochter Tassilos am herzöglichen Hofe genannt. Ihre Mutter hatte im Moment ihrer Geburt die Holde selbst erblickt, der ihr Anmut und Liebreiz in die Wiege legte.

Aus dem wehrhaften Gratenfels wird der einzige Sohn der Rektorin der Rechtsschule, Prianna von Altenberg, anreisen.

Der hohe Herr Milian von Altenberg ,gilt als aufstrebender Stern der Familie. Er ist ein treue Diener des Haushofmeisters zu Gratenfels und sein Stolz und angenehmes Auftreten ist eines Edelmannes würdig.

Nun, werte und hohe Herrschaften, sollte Euer Herz Travias Ruf vernommen haben, so findet Euch am 8. Rahja im lieblichen Städtchen Herzogenfurt, ein. Unter dem Segen des Götterfürsten Praios, der gütigen Mutter Travia und der Liebholden Rahja wird dort das Werben stattfinden und mit einem Fest im Stadtpark enden.“

Das Flötenspiel endete. Nordrun ließ die gesprochenen Worte kurz sacken. Dann klatschte sie in die Hände und stimmte einen Takt mit ihren rechten Fuß an. „Und nun, liebe Leute, ist es Zeit für eine Pavane!“ Die Bardin war zufrieden. Der Hof hatte ihr gelauscht und stürmten die Leute auf zum Tanze. Mit einem breiten Grinsen stimmte sie gesanglich ein und war sich gewiss, das die Zukunft des Haus Altenberg gerettet war.

-- Main.DanSch - 03 Dec 2019