Die Antwort

Die Antwort

„Nun, was gibt es noch?“ fragte Rajodan seinen Verweser Roban, der gerade mit einer handvoll Briefe hereingekommen war. Der Baron seufzte und der alte Mann, der sich ihm gegenüber in den breiten Lehnstuhl gesetzt hatte, sah ihn entschuldigend an. „Nur das übliche.“ Er legte drei Briefe vor seinem Herrn auf dem Tisch ab. Zwischen das große, ausladende Tintenfass und ein kunstvoll verziertes Glasgefäß, in dem drei große, bunte Federn steckten. „Glückwunsche zu eurer wohlbehaltenen Rückkehr.“ Der Baron grunzte ein wenig und folgte mit den Augen weiteren fünf Schreiben, die sich zu den anderen gesellten und mit ihnen einen kleinen Stapel bildeten: „Einige Künstler, die um Unterstützung bitten.“ Der Baron sah nachdenklich drein, im Kopf ging er die Summe durch, die er zur Verfügung stellen wollte. Das übliche, dachte er sich. Oder etwas mehr? Immerhin war ein Kriegsjahr, Rahja war stets bedürftig in Jahren, die Pein und Leid brachten. Oder etwas weniger? Immerhin war ein Kriegsjahr, und ALLE waren bedürftig in Jahren, die Pein und Leid brachten. „Eine Nachricht aus Rickenbach. Mit der Bitte Merkans mit euch über die Lehenvergabe sprechen zu wollen. Er möchte seinen Neffen Lupius schicken.“ Wieder wanderte ein Brief auf den stetig wachsenden Haufen Pergaments. Befriedigung zeigte sich auf den Zügen des Adeligen. Sollte Merkan schmoren. Im Unwissen bleiben. „Gebt ihm einen Termin Ende … Boron. Oder lieber … Anfang Hesinde. Nach der Tsafeier meiner Tochter. – Was noch?“ „Ein Brief aus Hlutherwacht. Der Baron wird eine Dienstritterin….“ Kurz musste der ältere Verweser nachdenken: „Ida von Plötzbogen -herschicken, um Odelia Geleit nach Drachenwacht zu geben. Sie wird wohl am 12. Boron Gast auf einer Hochzeit in Elenvina sein und danach hierherreiten. Also seiner Schätzung nach am 15. Boron am Nachmittag hier eintreffen.“ Ja, Odelia, sie würde eine perfekte Baronin für den jungen Hlutherswachter sein, da war er sich sicher. „Ja, schickt mir gleich Prianna her, sie wird ihre Schwester begleiten.“ Beim Gedanken an seine älteste Tochter furchte sich die Stirn des Eisensteiners und er machte eine ungeduldige Bewegung mit dem Handgelenk, hieß Roban fortfahren. „Noch irgendetwas erfreuliches?“ „Nichts.“ Und damit landetet der letzte Brief auf dem Stapel vor dem Baron. „Nur das übliche Bittschreiben der Moosgauer.“ Der Baron schnaubte. „Haben die ihren Wald und ihre Waldmenschen da oben immer noch nicht im Griff?“ Der alte Ritter von Hax zuckte mit den Achseln. „Scheinbar nicht, sie ersuchen – erneut- um Getreide für den Winter.“

Wütend schlug Rajodan mit der Faust auf den Tisch. „Was glauben die eigentlich. Diese … Diese…. Undankbare…. Inkompetente…. Impertinente…..Person.“ Nur wieder ein Beispiel dafür, dass Frauen nicht in der Lage waren etwas wie ein Lehen zu führen. „Wo soll ich denn in diesem Winter Getreide hernehmen? Sollen die anderen Glas essen?“ Er schnaubte und blinzelte Roban wütend an. „Na, soll ich den anderen sagen, ja, ihr seid zwar in der Lage, vernünftig zu wirtschaften, doch, tja da Moosgau MAL WIEDER wie IN JEDEM VERDAMMTEN JAHR seit ich DENKEN kann, NICHT dazu in der Lage war, musst IHR leider leider eure Bauern dieses Jahr mit GLAS über den Winter bringen.“ Der Krieg. Der Krieg hatte sie alle viel gekostet. Getreide – ohnehin Mangelware in den Eisensteinen – war rar wie nie. Dazu kündigte sich ein harter Winter an. „Zunächst. Bestellst du die Alte ein. Die soll mir GEFÄLLIGST ins Gesicht sagen, wenn sie etwas will. Und dann …. Soll sie ihre Bücher mitbringen. Ich werde mir PERSÖNLICH ansehen, ob es wirklich so schwierig ist, dieses Lehen zu führen, wie sie vorgibt.“ „Die letzten Briefe kamen von ihrem Enkel“ – wieder überlegte der Verweser einen Augenblick: „Godo, glaube ich.“ „Ja, den kann sie gleich mitbringen.“ Dann nahm Rajodan die Federn aus dem gläsernen, wunderschönen Glasgefäß auf seinem Tisch und wog es in der Hand. Der alte Ritter von Hax zuckte als der Baron es vor sich auf die hölzerne Platte knallte. Kunst – Rajodans Steckenpferd – er konnte sie nicht mutwillig zerstören.

Stattdessen griff er mit der Hand unter den Tisch, zog die Peitsche hervor, die dort immer lag. Ihr Griff war bereits abgenutzt und das weiche Leder am Ende zeigte deutliche Gebrauchsspuren. Rajodans Lieblingswaffe, wenn er ehrlich war. „Jemand – im Kerker?“ er drehte den Griff ungeduldig in der Hand. Roban schüttelte bedauernd den Kopf. „Irgendein Soldat, der heute seinen Dienst zu spät angetreten ist.“ Die Worte des Barons wurden immer ungeduldiger. Dennoch erntete er erneut nur ein Kopfschütteln von seinem Verweser. „Irgend JEMAND in diesem verfluchten Schloß muss doch heute irgend ETWAS falsch gemacht haben?“ Der Verweser zögerte einen kurzen Moment. Zu lange, dass dem Baron nichts aufgefallen wäre. „Wer?“ Roban hustete. „Es war keine große Sache. Nur … eure … Tochter.“ „Prianna?“ Ja, seine Älteste. Ständig machte sie Ärger. Sie war ein einziges Ärgernis. Ein einziges. Vorsichtig nickte der alte Ritter, die wenigen Haare, die er noch auf seinem Kopf hatte, wippten dabei auf und ab. „Sag mir nichts. Ich werde es schon … aus ihr herausbringen.“ Er warf die Peitsche zurück an ihren Platz, enttäuscht. Immerhin seine Lieblingswaffe. „Und bestell mir diese unfähige Bösenburschbande ein.“ Rief er dem Verweser zu, als er den Raum verließ, um mit seiner Tochter zu sprechen. (Rajodan von Keyserring/ Roban Lye von Hax


-- Main.CatrinGrunewald - 04 Feb 2020