Der Ploetzbogen

Kapitel 2-2: Der Plötzbogener

Autoren: TanFlam

1042 B.F., Herzogtum Nordmarken ---

"Sooooohn!" gelte die schrille Stimme Perdias von Plötzbogen-Schwertleihe aus dem Salon und durch den Flur. "Mein Letztgeborener geht aus dem Haus? So spät?" Die Frage klang nicht nur nach Vorwurf, sie war auch einer.

Helswin hielt im Schritt inne und stöhnte. Seine Linke krampfte sich um den Stab in seiner Hand. "Mutter ich bin verabredet." Kaum zu glauben, dass diese Person ihn immer noch wie ein kleines Kind behandelte. Bei Praios, und das mit 32!

"Das trifft sich gut. Komm herein zu deinem Vater und mir," schalmeite es aus dem Salon wie eine geworfene Klinge, die ihm in die Stirn fahren würde, käme er dieser Einladung nicht nach.

Er seufze. Ein abschätzender Blick zur Tür. Imma würde also leider noch einen Augenblick warten müssen. Wenn sie sich bloß nur keine Gedanken machte. Damit war sie immer recht schnell. Manchmal kam dummes Zeug heraus, manchmal verblüffte sie ihn. Er seufze erneut. Mit Furchen auf der Stirn trat Helswin schließlich in den Salon. Hoffentlich hielt man ihn nicht lange auf.

"Tritt ein, mein Junge, tritt ein! Tu deiner Frau Mutter den Gefallen." empfing ihn die sonore Stimme seines Vaters. Der Stadtvogt saß in einem großen Ohrensessel und rauchte gemütlich Südmeertabak aus seiner langen porzellanenen Pfeife. Das Aroma des herben Krauts füllte den Raum und kratze beim Atmen in der Brust. Helswin konnte das Zeug nicht leiden, besaß aber so viel Selbstbeherrschung, sich nichts anmerken zu lassen, während der Diener, welcher der Dame auf der langen Liege gerade etwas servierte, in einem fort hüstelte.

"Mutter, beeilt Euch, ich habe nicht viel Zeit." Eröffnete der Magus das Gespräch, von dem er hoffte, dass es nicht wieder um dieses eine Thema ging. Es hing ihm bereits zum Hals heraus.

Perdia räusperte sich pikiert. "Na, deine kleine Dirne wird dich doch sicher einen Augenblick entbehren können."

Helswins Fingerknöchel taten sich weiß hervor. Dirne? Elsterlein war alles andere als das. Aber er wusste, dass es nicht an der Zeit war zu streiten. Außerdem wollte er seiner Mutter nicht noch größeren Triumph gönnen. Also tat er, wie stets. Er stand da, aufrecht, über alle Anfeindungen erhaben, ließ es an sich abprallen. Eigentlich wunderte es ihn nicht, dass seine Mutter von seinen Treffen mit Imma wusste. Sie hatte schließlich ihre Augen und Ohren überall, diese alte Hexe.

"Nimm dir im kommenden RAHja nichts vor. Du wirst nämlich nach Herzogenfurt reisen und die Familie repräsentieren. Meine liebe gute Freundin Maura von Altenberg - ich gehe nicht davon aus, dass du sie kennst - lädt dort zu einem Fest." Die Augen Perdias musterten ihren Jüngsten mit stechendem, fast gehässigem Blick. "Einem äußert freudigen Fest, finde ich."

"Und der Anlass ist?"

"Ein sehr göttergefälliger." Perdia lächelte erfreut und griff nach einer kleinen Tasse, die vor ihr dampfend auf einem Tischchen mit unerhört filigranen Beinen stand. Über deren Rand sah sie kurz auf: "Die Ehe, Helswin, die Ehe."

"Mutter, ich dachte ich hätte mich--"

"Eine Brautschau wohl bemerkt," mischte sich da der Stadtvogt ein, indem er seinem Jüngsten ins Wort schnitt und entließ eine Salve Qualm, "wiewohl es mich dauert, dass DU bislang alle Vorschläge deiner Mutter ignoriert hast. Es ist nun an der Zeit, dass du einige der Damen wenigstens kennenlernst! Das ist nicht nur der Wunsch deiner dich liebenden Frau Mutter, die sich um deine Zukunft sorgt. Sondern auch der meinige. Du trägst einen klangvollen Namen, mein Sohn. Und eine Verbindung mit dem Hause Altenberg würde das Herz deiner alten Mutter sehr erfreuen."

Ach. Doch wieder dieses Thema. Leider. Kurz legte sich Helswins Stirn unwillig in Falten. Allerdings wirklich nur kurz, bevor er die Beherrschung über sich und seine Gefühle wiedererlangte und die verrutschte Maske wieder an ihrem Platz saß. So wie es ihm auf der 'Schwert und Stab' anerzogen worden war. "Würde es das?" wiederholte er die Worte ohne eine Regung in der Stimme. Innerlich fuhr er fast aus der Haut. Zukunft, pah, für seine Zukunft interessierte die Alte sich ja nur, wenn es ihr eigenes Wohl und Ansehen betraf. "Nun... Wenn es 'der Familie dient', wenn ich dort erscheine, dann." Er ließ den Satz unvollständig und leitete stattdessen die Kehre durch einen Schritt ein. "Ich nehme an, ich darf mich nun empfehlen? Gut. Mutter, Vater, wünsche einen geruhsamen Abend."

"Helswin Traviadan von Plötzbogen, mein Sohn. Du wirst dich mit den vier Kandidatinnen auseinandersetzen," verhinderte Perdias scharfe Stimme, dass er die Drehung vollenden konnte. "Und eine wählen! Für die Familie. Und wage nicht, dort nicht zu erscheinen. Auch nicht, sollte deine geliebte Kaiserin dich rufen."

Er hielt inne. Wie lächerlich das alles war. Nun aber übertrieb sie. "Natürlich, Mutter.." sagte er dann allerdings und nickte demutsvoll. Aus reiner Höflichkeit, nicht mehr. Dann wandte er sich um und ging ohne ein weiteres Wort. Er hätte ja sowieso keinen Wert gehabt. Eine Brautschau? Die selbstherrliche alte Zusel hatte nun wirklich den Verstand verloren. Er würde gleich mit Imma gehörig darüber lachen. Gleich. Aber erst noch musste er sich abreagieren, seine Linke schmerzte von der verkrampften Haltung am Stab und dem erstbesten, der ihn auch nur schief ansah, würde er vermutlich, wenn er nicht der wäre, der sich damit brüstete, die Ratio in persona zu sein, eine zimmern. Also blieb nur, den Weg zu der verlausten Imman-Kneipe - über der die kleine Schellenberg hauste - durch dunkle Gassen zu nehmen, wo niemand sah, wie er vor Wut einige alte Fässer umwarf.