Der Mersinger

Kapitel 2-5: Der Mersinger

Autoren: Simon und Catrin

1042 B.F., Herzogtum Nordmarken ---

Lares, der frischgebackene Ritter, verkroch sich in den Stall und striegelte sein Pferd. Jetzt war er gerade der Abhängigkeit des Knappendaseins entwachsen und doch fühlte er sich wie ein Kleinkind. Naja, erst seit der "liebevollen Ratschläge" seiner Mutter. Die Familie ereilte eine nachgerade geschäftig klingende Nachricht, in Altenberg gäbe es heiratsfähige Damen und Herren. Das hatte die Mutter zum Anlass genommen, ihren verschlossenen, verschrobenen Sohn zu ermahnen, dass es doch endlich Zeit wäre, auch einmal nach einer standesgemäßen Braut Ausschau zu halten. Dann gäbe es auch kein Gemunkel über missverstandene Begegnungen auf Festen in extraordinären Gärten mehr...

Nein wirklich, das war das Letzte, das der Mersinger jetzt brauchte. Eine Braut? Herr Boron bewahre. Es wäre besser, wenn sich darüber der Mantel des Schweigens breiten würde. Wie sollte er eine Braut finden und dann auch noch...? Nein, eindeutig nein. Zuerst würde er für seinen Herzog kämpfen, das Reich behüten und die Feinde der zwölfgöttlichen Ordnung zerschmettern müssen! Oder so. Der Striegel strich immer schneller durch das dichte Fell des schwarzen Wallachs, den sein Vater ihm einst schenkte. Lares merkte es nicht. Vielmehr rumorte die Unzufriedenheit in ihm. Er wollte doch seine Mutter nicht enttäuschen.

Nach einem Stundenglas war das Pferd gestriegelt, der Stall ausgemistet und das Zaumzeug gebohnert. Arbeiten, die er sonst den Stallburschen überließ. Aber in dem Moment kam es ihm wie die bedeutendste Tat der Welt vor. Als er schließlich feststellen musste, dass es nichts mehr zu tun gab, trottete er niedergeschlagen in seine Kammer. Auf dem Tisch am Fenster lag bereits ein Stück Pergament, Tusche und Feder. Natürlich: Mutter hatte sie bereit gelegt. Lares verdrehte die Augen. Widerwillig ließ er sich nieder, griff den Gänsekiel und tauchte ihn in die schwarze Farbe.

"Hohe Herrschaften,

es ist mir eine Freude, mein Kommen zuzusagen. Die Familie von Mersingen möchte zugleich ihren herzlichen Dank für die Einladung aussprechen. In einem herzogentreuen Haus wie dem Euren zu Gast zu sein, erfreut unser Herz.

Praios und Travia mögen euer Ansinnen segnen,

Lares von Mersingen."

Er faltete das Blatt und siegelte es. Mehr Worte wären verschwendet. Ganz sicher würde es dort keine Dame geben, die reinen Gedankens und treuen Herzens war. Das wusste er jetzt schon. Aber was muss, das muss.

Eine „unerfreuliche“ Nachricht



Lares von Mersingen hatte sich verausgabt. Er war verdreckt und roch nach Schweiß, aber er war zufrieden. Es ging nichts über einen strammen Ausritt – man lernte sein Pferd und sich selbst bei jedem Mal ein bisschen besser kennen. Und er bekam den Kopf frei. In den letzten Wochen quälten ihn die Gedanken; zu nachtschlafener Zeit wälzte er das immer gleiche Thema hin und her: Die Brautschau. Es war so anstrengend gewesen, sich die wunderschöne Rahjani aus dem Kopf zu schlagen, derentwegen er sich bis auf die Knochen blamiert hatte. Jetzt sollte er plötzlich eine Braut finden? So was Dauerhaftes? Und der Oheim hatte gesagt: „Der Name von Mersingen hat Gewicht. Verkauf dich nicht unter Wert.“ Wie sollte er das bitte anstellen?

Vor lauter Gedanken um seiner selbst hatte er jedoch völlig vergessen, dass die Einladung de facto nicht nur ihm selbst galt. Die eigene Verwirrung machte es ihm schwer, seiner neuen Aufgabe nachzukommen. Er hatte große Verantwortung übertragen bekommen – Verantwortung für die wilde aber herzliche Basilissa von Keyserring, seine Pagin. Das, obwohl er selbst kaum aus dem Knappenalter erwachsen war. Verantwortung für ihn? Ein eigentlich absurder Gedanke. Gerade wollte er absatteln, als ihm siedend heiß einfiel, dass er mir seiner Pagin noch gar nicht über die Brautschau gesprochen hatte.

Er zog sich um und wusch sich den gröbsten Dreck aus dem Gesicht, dann zog er seine vornehmsten Hauskleider an. Er musste die Botschaft möglichst gut rüberbringen – er wusste ja, dass Basilissa nicht die größte Freude an „gesellschaftlichen Anlässen“ empfand. Er war sich sicher: Für die Kleine war das eine unerfreuliche Nachricht. Seine Pagin erhielt gerade ihren alltäglichen Unterricht durch den Hauslehrer der Familie. Der junge Mersinger hatte beschlossen: Der Unterricht war jetzt zu Ende. Er klopfte an der Tür, betrat die kleine Kammer, die zum Unterrichtsraum umfunktioniert war und schickte den verdutzten Hauslehrer für den Tag nach Hause. „Basilissa, wir müssen uns über eine wichtige Aufgabe unterhalten, die du in den nächsten Tagen wirst bekleiden müssen. Ich bin mir sicher, es wird dir gefallen!“

Das kleine blonde Mädchen mit den dunklen, fast tiefschwarzen Augen sah ihn skeptisch an. Bisher war ihre Vorstellung davon, was es hiess Ritter zu werden, nicht erfüllt worden. Sie musste weiterhin lernen. Nicht genauso viel wie zuhause- ihr Schwertvater hatte bereits jetzt mehr Interesse daran gezeigt, Zeit mit ihr zu verbringen als ihre Eltern es je getan hatten-, dennoch hätte sie es bevorzugt am Schwert unterrichtet zu werden, oder im Reiterkampf. Stattdessen waren es wieder überwiegend Bücher und Pergamente, mit denen sie sich den ganzen Tag beschäftigte.

Dafür war ihr Lehrer freundlicher und weniger verbohrt als es ihre alte Tante gewesen war. Und er schlug sie nicht so häufig. Dafür vermisste sie aber ihre Schwestern, die jeden Tag im Unterricht bei ihr gewesen waren. Vor allem Adelke, die sie so oft gegen die harte Hand der Tante verteidigt hatte, wenn Prianna, die Älteste der Schwestern, nicht dagewesen war.

„Ja, hoher Herr, was soll ich tun?“ Alles, was sie von den Büchern wegbrachte, war ihr Recht. Ihre Skepsis wich letztlich doch der Hoffnung, dass es ihr wirklich gefallen würde.

"Hör zu", fing Lares an, stockte und kam sich unmittelbar blöd vor. Er war schon immer ein schlechter Lügner gewesen und wusste das auch. Es gab kein probateres Mittel, Basilissa misstrauisch zu machen als dieses kriecherische 'Hör zu'. "Die Aufgaben eines Ritters sind vielseitig. Wir kämpfen stolz für unseren Herzog, gewinnen seine Schlachten und schützen unsere Mündel." Das war garantiert nach Basilissas Geschmack! Damit würde er sie sicher bekommen. "Wir fechten aber auch auf anderem Parkett: Manchmal ist eine spitze Feder und eine flinke Zunge eine schärfere Waffe als es dein teures Schwert je sein kann." Das Mädchen verzog sodess unzufrieden das Schnütchen. Und der Mersinger hatte, wenn er an seine ach so lang zurückliegende Knappenzeit zurückdachte, das Gefühl, quasi nur in diesem Teil des Handwerks unterrichtet worden zu sein. Ersteres beherrschte er trotzdem gut - seine magere Statur machte ihn flink und wendig und doch kräftig. "Aber das kennst du ja bereits", schmunzelte er - wohl wissend, dass seine Pagin dem nicht gerade zugeneigt war.

"Aber unsere letzte große Aufgabe hast du noch nicht kennen gelernt!", kündigte Lares pathetisch an. Sie sah ihn mit großen Augen an. Was konnte er meinen? Welche größeren Aufgaben als Kampf, Schlacht und Diplomatie, mochte es geben? Wenn er so um den heißen Brei herum sprach, konnte es jedenfalls nichts Spannendes sein. „Dein Vater ist stolz, fünf Töchter zu haben, die einmal das Erbe seines hohen Hauses fortführen, wenn er dereinst in BORons Hallen wandelt. Der Herzog konnte die Geburt seines Kindes feiern. Ein Erbe oder eine Erbin ist für uns ganz besonders wichtig – so gehen unsere Familien nicht unter, wir können unseren Reichtum und unsere Macht weitergeben und können uns sicher sein, dass unsere Kinder unsere Pflicht gegenüber Herzog und Reich weiter erfüllen werden.“

Die Kleine verzog angewidert den Mund. Der Mersinger Ritter schluckte. Wie konnte er das Thema Geschlechtsverkehr jetzt am Besten vermeiden. Seine Pagin aufzuklären war nicht der Plan des Gesprächs gewesen – das sollte am Besten die Rahjaadeptin übernehmen, die den schönen Rosenhain pflegte. „Aber die Herrinnen TRAvia und TSA schenken nicht einfach jedem dieses Glück. Die Göttinnen achten auf uns alle und verlangen für ihre Gunst, uns zu bewähren! Nur einem glücklichen, vor Göttern und Menschen fest verbundenen Paar werden sie Kinder schenken.“ Ja, das könnte vielleicht klappen. Nun zog Basilissa die Stirn in Falten. Was wollte ihr Schwertvater ihr aussagen. Skeptisch lauschte sie ihm, ohne dazwischen zu sprechen. „Und dafür muss man eine wunderbare Partnerin oder, wie zum Beispiel deine große Schwester, einen ehrenvollen Partner finden. Das ist fast so, wie eine Burg zu erobern. Da gilt es Gräben und Wälle zu überwinden, Widerstand zu brechen und die eigene Fahne zu hissen; nur nicht mit Gewalt, sondern mit Feingefühl und Respekt!“ Jetzt lachte sie auf. „Also ich mag nicht heiraten. Nie. Ich will Ritterin werden. Und nicht eine Ehefrau, so wie meine Mutter. oder wie Odelia. Wie laangweilig die beiden sind. Immer nur Singen und Tanzen und Musizieren…. Und Sticken.“ Naja, das war ja schon einmal etwas besser gelaufen als gefürchtet. Lares nahm die Vorstellungen seiner liebenswerten Pagin über die Ehe stoisch zur Kenntnis und bemühte sich nach Kräften, keine Miene zu verziehen. Die Kleine schüttelte ihre blonden Locken. „Nein, nein.“ Sie näherte sich verschwörerisch. „Es ist… als höre man auf zu leben. Und hat keinen Spaß mehr. Niemals wieder.“

Das allerdings konnte Lares so nicht stehen lassen. Die Herrin TRAvia, die alles am Herdfeuer hörte, würde vor mütterlichen Zorn beben! "Nana, da gehst du jetzt aber ein Stückchen zu weit, Pagin", tadelte sie der junge Ritter mit deutlichen Worten. "Ist deine Schwester etwa unglücklich? Oder deine Mutter?" Die junge Baroness sah ihn zustimmend an und nickte. Lares bemerkte, dass er gefährliches Terrain betrat und eilte, an die rhetorischen Fragen anzuschließen. "Schau, auch ich werde eines Tages heiraten, eine Familie gründen und einen Hausstand führen müssen", proklamierte er voll Überzeugung und wunderte sich zugleich, woher diese kam. Jetzt, heute, eine Familie? Niemals. Oder doch? "Willst du etwa sagen, dann wäre ich kein Ritter mehr?" Zum Schein zog er eine Augenbraue hoch und stemmte die Hände in die Hüften. "Es gibt kaum etwas ritterlicheres, als seine Familie zu schützen und nach einer siegreichen Schlacht Frau und Kinder in die Arme zu schließen. Jeder Ritter braucht etwas, um das es sich zu kämpfen lohnt!" Aber was war mit der Ritterin?

Nun sah die Kleine nachdenklich aus. „Aber… ich kann doch keine Frau heiraten.“ Sagte sie entrüstet. Lares kippte die Kinnlade herunter. Er hüstelte kurz, dann versuchte er sich, wieder zu fassen. Derweil dachte sie darüber nach, ob Ritterinnen vielleicht ebenso wie Ritter Frauen heiraten müssen. Sie kannte kaum Ritterinnen. Lupius hatte eine geheiratet. Aber die war die ehemalige Geliebte seines Bruders gewesen. Liederlich hatte ihr Vater sie genannt. Ansonsten kannte sie keine Ritterinnen. „…. Oder?“ „Ähm. Ich. Ähm. Eine Frau heiraten musst du nicht. Schau, es ist so, dass es auch Männer gibt, die beschützt werden wollen oder müssen. Nicht alle Männer sind Kämpfer, die auf sich selbst aufpassen können. Die ganzen Pfeffersäcke, die viel Reichtum aber wenig Mut haben, die bräuchten eine tapfere Ritterin, die sie und ihre Karawanen vor Räubern schützt. Oder die vielen Herren, die kein Talent mit dem Schwert, dafür umso mehr in Harfe und Dichtkunst haben!“ Basilissas Schwertvater schwitzte jetzt ersichtlich. Hoffentlich war das ein Weg aus der Misere! . Ihre dunklen Augen taxierten ihn derart skeptisch als suchten sie nach einem Anzeichen dafür, dass er sie auf den Arm nehmen will. „Weißt du, in Aranien, da unten am Perlenmeer, da, habe ich gehört, hält man Männer grundsätzlich für das ‚weichere‘ Geschlecht, das von einer starken, tapferen und tollkühnen Frau beschützt werden muss!“ Jetzt grinste Lares schelmisch – ob dieser ersichtlichen Absurdität. „Ihr wollt mich nur auf den Arm nehmen.“ Grinste die Kleine nun ebenfalls. Aber die Vorstellung, gefiel ihr trotzdem. "Nein nein, ich meine das schon ganz ernst.“ Entgegnete ihr Schwertvater. „In diesem Aranien, denkt ihr da gibt es auch Männer ohne Schwert die aber trotzdem klug und mutig sind?“ Ihre Schwester hatte mit ihr sehr lange über Mut und Tollkühnheit gesprochen, nachdem sie –leichtsinnigerweise- den Attentäter ihres Vaters verfolgt hatte.

Aber egal was einmal wäre, einen Feigling wollte sie nicht heiraten. Ein Feigling, wie es ihre Mutter war. Auch wenn nie eine ihrer Schwestern etwas gesagt hatte, wusste sie, was die Blicke bedeuteten, die ihre ältesten Schwestern der Mutter zuwarfen. Blicke, voll Verachtung und Ablehnung. Und sie hatte schon als kleines Kind entschieden, dass sie niemals so angesehen werden wollte. Von niemandem. Niemals. Und einen Mann haben, der so feige war, dass sie ihn so anschauen musste, das wollte sie auch nicht.

„Du musst wissen Herr PRAios und seine Geschwister haben uns allen einen gewissen Platz im Leben und jedem eine Aufgabe zugewiesen. Dafür haben wir Begabungen und Talent mitgegeben bekommen. Nur häufig entdecken wir nicht, welche Aufgabe die Götter für uns vorgesehen haben. Deswegen gibt es auch kluge, tapfere und tollkühne Männer, die kein Schwert brauchen, um zu bekommen, was sie wollen. Das Wort eines Geweihten der Zwölfe beispielsweise hat Gewicht, ohne dass er dem mit einem Schwert Nachdruck verleihen muss", referierte Lares und bemühte sich, dieses Mal einen auch wirklich ernsten Eindruck zu machen. "Entscheidend ist der Wille, die eigene göttergegebene Aufgabe im Leben umzusetzen. Dadurch wachsen wir alle über uns hinaus." Er legte eine kurze Kunstpause ein. "Ich habe selbst das ferne Aranien noch nicht besucht, doch bin ich mir sicher: In allen zwölfgöttlichen Landen, so auch dort, finden sich tapfere, kluge Männer. Vielleicht findet sich auch für uns eine Aufgabe, die uns eines Tages dorthin führt, dann kannst du meine Worte selbst überprüfen." Allein hatte er bisher die größte Schwierigkeit ausgespart: Wie findet man gerade diese eine seltene Person, die sittsame Eigenschaften und für die Herrin TRAvia schon im Stillen alles zum Ehebund bereitet hat.

Das Kind legte den Kopf schief und sah Lares durchdringend an, dabei blitzten Lissas Augen abenteuerlustig auf: „Das wäre ein feiner Spaß. Ich war noch niemals ausserhalb der Nordmarken.“ Träumerisch schweiften die Blicke des Mädchens in die Ferne. „Ist es das, über das ihr mit mir reden wolltet?“ fuhr sie fort, obgleich ihre Stimme so klang, als sei ihre Phantasie längst eingetaucht in eine Welt aus schweren Rauschkrautdüften, raschelnden Schleiern und rasselnden Säbeln. „Machen wir eine Reise?“

"Ja, aber nicht so weit. Wir sind nach Altenburg eingeladen. Ich werde dort als Kandidat an einer Brautschau teilnehmen. Es ist an der Zeit, für mich eine geeignete Braut zu finden. Und du wirst mich dorthin begleiten." Lares legte eine Kunstpause ein. "Und du wirst dich dort ordentlich zu benehmen wissen - mach deinem Vater und mir dort keine Schande", setzte der Mersinger streng hinzu.

Kurz wich die Freude aus dem Blick des Kindes. Aranien wäre so schön gewesen. Wo lag dieses Altenburg? Altenburg? Strahlend sah Basilissa plötzlich wieder auf und ihren Schwertvater an: „Mein Vater wird auch dort sein, mit meiner älteren Schwester.“ Sie wurde Luzi wieder sehen. Sie strahlte glückselig, der Gedanke Luzi zu sehen…. Sie vermisste die anderen doch mehr als sie je zugeben würde, denn sie wollte nichts sagen, was die Meinung ihres Vaters änderte, ihr gestattet zu haben Pagin des Mersingers zu werden.

"Nana, ist das alles, was dich daran freut?", witzelte der junge Ritter. Insgeheim war er glücklich, dass seine Pagin die Reise als Chance wahrnahm. "Wenn dein Vater und deine Schwester ebenfalls zugegen sind, dann gilt erst Recht, dass ritterliche Ordnung angesagt ist! Wir wollen ja nicht, dass nicht nur mein Leumund, sondern auch noch der gute Ruf deines Vaters flöten geht, weil er seine Tochter in meine Hände gab." das Mädchen richtete sich auf und zeigte einen - bemueht- ernsthaften Gesichtsausdruck, um ihren Willen dazu zu demonstrieren. Lares taxierte Lissa zum Schein von oben bis unten. "Noch ist etwas Zeit für Lektionen in standesgemäßem Benehmen", nickte er zufrieden. Dann kam ihm plötzlich ein anderer Gedanke: "Sag, was wollen dein Vater und deine Schwester in Altenburg? Kommen sie etwa auch wegen der Brautschau? Soll deine Schwester verheiratet werden?"

"Ja." die Kleine nickte. "Vater sagt, daß sei das wichtigste, was Töchter ihm einbringen können." Es klang mehr wie eine Feststellung. Nicht wie etwas, das in Frage zu stellen war. "Sie wird nächstes Jahr schon 16." fügte sie wissend hinzu.

"Aber deine älteste Schwester ist doch schon verheiratet, oder?" Insgeheim gab Lares Basilissas Vater Recht. Weibliche Nachkommen, zumal zweite und dritte Mädchen verursachten hauptsächlich Kosten für Mitgift...

Lissa schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Nur Odelia ist verheiratet. Mit Jost. Das ist der Baron von Hlutherswacht. Prianna sollte aber eigentlich in diesem Jahr heiraten, da habt Ihr recht. Doch wegen dem, was bei der Odelias Hochzeit passiert ist, hat sie ein Trauerjahr verlangt. Wegen unseren Tanten.“ Angst stach dem Kind aus den Augen, als es sich kurz erinnerte, wie blutig diese Hochzeit gewesen war. Ihre Großtante war bei dieser Hochzeit zu Staub zerfallen. Bereits zuvor war ihres Vaters alte Tante Praiotrud, die Praiosgeweihte und Lehrerin am eisensteiner Baronshof, mit einem Armbrustbolzen niedergestreckt worden. Einem Bolzen- mitten in die Stirn. Und Lissa hatte direkt daneben gesessen. Es war das erste Mal, dass sie einen Menschen hatte sterben sehen und dieses Geräusch des Bolzens, das Aufstöhnen und die alten Augen, aus denen jedes Lebenslicht wich, verfolgten sie immer noch in ihren Träumen. Ihre Stimme zitterte ein wenig als sie weitersprach: „Pria wird erst im nächsten Jahr heiraten. Und… sie hat mir versprochen, euch einzuladen, damit ich…“ Sie sah auf den Boden. Wusste nicht recht, ob es ihr zustand, ihren Schwertvater zu bitten, an der Hochzeit ihrer Schwester teilnehmen zu dürfen.

"Prianna hat dich gebeten, mich einzuladen? Wie komme ich zu der Ehre?" Lares fühlte sich geschmeichelt. Den Nachsatz hatte er überhört. Aber gut, die Tragödie, die Odelia ereilte, sollte sich keinesfalls wiederholen. Da konnte jedes Schwert gebraucht werden. "Aber wenn Prianna die Brautschau besucht, dann steht ihr Gatte wohl noch nicht fest?"

Lissa schüttelte den Kopf. Sie war verwirrt. "Doch, doch. Der steht schon fest. Nur die Hochzeit wurde verschoben." sagte sie schnell. "auf der Brautschau will Vater einen Gatten für Luzia suchen, Pria wird nicht da sein."

"Ah! Jetzt verstehe ich. Ihr seid so viele Schwestern, da verliert man schnell mal den Überblick", lachte Lares. Insgeheim dachte er sich: Schade, das wäre eine sehr gute Partie gewesen... "Wen wird denn deine Schwester Prianna heiraten?"

Die Kleine zuckte mit den Achseln. "Irgendein Oberhaupt." sagte sie langsam, versuchte sich den Namen in Erinnerung zu rufen. Das alles interessierte sie nicht. "Schleifen... Roechte?" sagte sie mehr fragend als sicher.

"Ulfried oder Praiosind von Schleifenröchte?" Lares ärgerte sich etwas. Schon in seiner Zeit in der Wehrhalle hatte er Praiosind, der dort das Noviziat absolvierte, nicht ausstehen können.

"Äh..." sagte die Kleine dazu nur…"Es ist ein Ritter. Beim Herzog. Und sehr alt." fügte sie eilig hinzu. Sie runzelte die Stirn: "Äh und das Oberhaupt seiner Familie." sprudelte sie noch heraus. Dann schwieg sie. Ihr Interesse an dem Mann, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, war verschwindend gering.

"Ah. Den." Jetzt tat ihm Prianna leid. Aber da war wohl nichts zu holen. "Jetzt aber gilt es erst einmal, einen Bräutigam für Luzia zu finden, oder nicht? Du kannst ihr bei der Brautschau sicher helfen", meinte Lares. Und verschwieg, dass auch er eine Braut würde finden müssen.

"Ja." Ihre Augen leuchteten als sie Lares verschmitzt ansah. Ihre Idee war so naheliegend...



DanSch - 17 Dec 2019