Abschied und Aufbruch


Ort: Dorf Weilheim im Gut Trackental

Zeit: 12. TRAvia 1045 BF

Dramatis Personae:

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Burian von Hohensprötzingen, der erfahrene Ritter im Dienste der Baronin von Liepenstein, saß in seiner Stube im Gasthof von Weilheim auf einem schmalen Sessel und hatte die Hände aneinander gelegt. Seine Fingerspitzen tippten der Reihe nach, immer und immer wieder, aneinander, während er wartete. Da es jetzt, Mitte Travia, bereits am frühen Nachmittag oft schon dämmrig war, hatte er auf dem Tisch eine breite Kerze entzündet, die den Raum zusammen mit dem restlichen Tageslicht, welches durch die Butzenglasscheiben des Fenster drang, in ein sonderbares Zwielicht tauchte.
Als sich die Tür schließlich öffnete, zog ein kalter Wind herein, sodass die Kerze wild zu flackern begann. Dem Luftzug folgte ein Kind im Alter von ungefähr einem Dutzend Götterläufen, welches das Ornat eines Novizen trug. Die Person war schmal, jedoch nicht sonderlich groß gewachsen und ihr ovales Gesicht ließ nicht darauf schließen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelte, was durch den Pagenschnitt des dunkelblonden Haares noch unterstrichen wurde. Burian besah das Gesicht des Kindes für einen Moment und dachte darüber nach, ob seine Tochter nicht eher ihm ähnelte als ihrer Mutter. Dann schloss das Mädchen die Tür hinter sich, ging zwei Schritte in seine Richtung und stand dann mit vor dem Schoß gefalteten Händen kerzengerade vor ihm.
“Vater?”, sprach sie ihn mit fragendem Tonfall an, “Du wolltest mich sprechen?”.
Burian zwang sich zu einem Lächeln, ehe er ihr antwortete:
“Ja mein Liebes. Schön, dass du hier bist. Wir hatten die letzten Wochen zu wenig Zeit miteinander verbracht.”
Er sah, wie seine Tochter die Stirn in Falten legte und etwas erwidern wollte, kam ihr jedoch zuvor:
“Setzt dich, ich will mit dir reden!”.
Mit seiner Hand wies er auf den kleinen Sessel gegenüber und die Novizin nickte Stumm, hob ihr Ornat ein wenig an und nahm Platz.
“Dir gefällt es hier?”,
frug er und lächelte erneut.
Seine Tochter kniff die Augen zusammen, als erwarte sie einen Tadel. Die Antwort entfuhr ihr nur zögerlich:
“Ja. Ich glaube schon. Ja.”.
Um die Unsicherheit ihrer Worte Lügen zu strafen, nickte sie sehr eifrig. Burian jedoch schien enttäuscht und blickte im Raum umher.
“Schön.”, entfuhr es ihm nur knapp. Dann holte er tief Luft und fixierte seine Tochter mit einem stechenden Blick.
“Du hast sicher gehört, was hier in den letzten Wochen so alles vorgefallen ist. Die Menschen haben einen Drachen gesichtet…oder etwas ähnliches.”
“Ja, Hochwürden Karo…”,
Burian von Hohensprötzingen unterbrach die Novizin mitten im Satz mit einer schneidenden Handbewegung:
“Es interessiert mich nicht, was dieser Alte plappert!”
Seine Tochter öffnete ihren Mund, als wolle sie etwas erwidern, schloss ihn jedoch sogleich wieder, als sie den entschlossenen Blick ihres Vaters sah. Dieser nickte nur kurz und fuhr fort:
“Menschen verschwinden, sogar Geweihte und Ordenskrieger. Hier ist es zu gefährlich für dich.”
Mit skeptischem Gesichtsausdruck wartete die Novizin darauf, ob ihr Vater dem noch etwas hinzuzufügen hatte. Und nach einigen Augenblicken der Stille sprach er kühl weiter:
“Du wirst daher zurück zu Mutter gehen, bis sich die Sache hier aufgeklärt hat.”
Das Mädchen sprang auf und war sichtlich entrüstet. Ihre Stimme schien zu brechen, als sie laut erwiderte:
“Aber Vater! Der Götterfürst braucht mich hier! Wir müssen das Böse bekämpfen!”.
Burian von Niedersprötzingen lachte laut und spöttisch auf, sodass es seiner Tochter Tränen in die Augen trieb. Als er sich nach einem Moment wieder gefangen hatte, schüttelte er seinen Kopf:
“Ach, Alara, Kind. Du wirst hier gar nichts tun, weil du hier nichts tun kannst!”
Das Mädchen stapfte mit dem Fuß auf den Boden und schrie ihren Vater mit bereits tränenerstickter Stimme an:
“Doch! Das kann ich wohl! Es ist Praios Wille und meine Pflicht, alle finsteren Kreaturen zu bekämpfen!”
Dieser erhob sich nun ebenfalls und seine Augen verengten sich, als er auf seine Tochter, der nun dicke Tränen über die Wangen kullerten, herab sah:
“Praios Wille…”, sprach er verächtlich, "…Pah! Was weißt du schon von dem Willen der Götter oder finsteren Kreaturen?!? Nichts! Gar nichts weißt du!”
Er beugte sich ein Stück zu Alara hinab, die reflexartig zurück zuckte, ehe er er mit gedämpfter, aber umso eindringlicher Stimme weitersprach:
“Ich habe gesehen, wie finstere Kreaturen ganze Heerscharen vernichteten. Gesegnete Frauen und Männer, die es für ihre Pflicht hielten, mit in die Schlacht zu ziehen, wie die Fliegen gefallen sind. Nein, du weißt nichts!”.
Laut weinend ließ sich das Mädchen zurück auf den Sessel fallen und rieb mit ihren Händen ihre Unterarme. Sie schluchzte mehrfach, ehe erstickte Worte aus ihrem Mund kamen:
“Das…das…das ist nicht richtig, das sage ich Hochwürden!”.
Als habe er mit einer solchen Antwort gerechnet, atmete Burian tief durch und nahm langsam ebenfalls wieder auf seinem Sessel Platz. Sein Gesichtsausdruck war nun hart und unnachgiebig. Er zuckte mit den Schultern und seine Stimme verriet Gleichgültigkeit:
“Er ist nicht hier. Und er wird auch zu spät zurück kommen, um deine Abreise zu verhindern. Draussen steht ein Pferd mit einem Büttel. Er wird dich nach Burg Steigwacht bringen. Ihr brecht sofort auf. Vor dem Abend werdet ihr noch Buigen erreichen.”
Da seine Tochter mittlerweile ganz ungehemmt weinte und dazwischen immer wieder nach Luft rang, schwieg Burian und schloss die Augen.

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Burian stand am geöffneten Tor des kleinen Weilers und sah den Karrenweg entlang. Der Himmel war noch immer von dunklen Wolken bedeckt und jederzeit konnte der Regen wieder einsetzen. Er sah dem Pferd nach, das zwei Personen, eine große und eine kleine Gestalt, nach Osten trug und kurz darauf hinter einer kleinen Hügelkuppe verschwand.
Dann ging er zurück in das Dörfchen und hielt zielstrebig auf den Stall zu. Auch er würde heute noch aufbrechen. Sein Ziel lag aber nahezu doppelt so weit entfernt, wie das seiner Tochter. Er musste sich also eilen. Es galt, Eoban von Albenholz in Poluik einen Besuch abzustatten und ihm zu berichten, was hier vorgefallen ist. Ganz so, wie die Baronin es ihm befohlen hatte.

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