Belhanka41 Strandspaziergang

Belhanka 2041: Strandspaziergang (Ira und Travingo)

Der restliche Abend war seltsam gewesen. Zwar hatten Josts Scherze, mit denen er die ernste ritterliche Runde aufzuheitern gedachte, Ira zumindest einige Momente des Schmunzelns abverlangt, trotzdem hatte Josts ‚Verhör‘ des Rizzi den Wunsch Iras nach einen entspannten Abend unter Freunden als Ausklang nach einem mehr als berauschenden Nachmittag betrogen. Die wenigen Zärtlichkeiten, die sie Travingo zugestand, gingen über ein phexisches Händchenhalten unterm Tisch, kleinen, eher wie zufälligen Berührungen und einige wenige Blicke nicht hinaus. Selbst als zu späterer Stunde der süffige Rebensaft die Gemüter lockerte, blieb in Ira das stetige Gefühl, dass ihr Umgang mit dem Horasier beobachtet wurde. Weniger von Jost, mehr von Wunnemar. Und je länger der gesellige Abend in die Nacht überging, reute sie ihre Entscheidung, Travingo mit hier her zu bringen. Sie wollte sich bei nächster Gelegenheit entschuldigen.

Es war ein schöner, lauer Abend. Die vielen bunten Lichter der Stadt, das Sternenzelt über ihnen, genauso wie die nun herrschende Ruhe - es war Travingos Meinung nach ein vollendeter Moment, auch und gerade weil seine Liebste bei ihm war. Der Rizzi wusste nicht an was genau es lag, aber seit dem Gespräch mit dem Baron fühlte er sich der Ritterin noch mehr verbunden.

Dabei hatte er sich ihren gemeinsamen Abend ganz anders vorgestellt. Auf der Terrasse des Hotels über der Stadt...nur sie beide...gutes Essen und dann wollte er sie auch über Nacht bei sich haben. Er wollte neben ihr einschlafen und auch wieder aufwachen. Der Horasier wollte das bisschen Zeit, das ihm mit Ira noch blieb nutzen. Er genoss seine neu entdeckten Gefühle für sie und nur die Götter wussten wann, oder ob er überhaupt noch einmal so empfinden würde.

Als Travingo irgendwann aufgestanden war, um sich zu verabschieden, hatte sie es ihm gleichgetan und zu den Ihren gesagt, sie wolle den Rizzi noch kurz begleiten. Vornehmlich, um höflich zu sein. Immerhin hatte sie ihn ja eingeladen. Allerdings ging es ihr um etwas ganz anderes.

„So. Und jetzt erzähl schon! Was wollte mein Baron von dir?“ kam sie sogleich zur Sache, kaum da sie außer Hörweite der anderen Hlutharswachter waren, und griff nun auch mit ihrer Hand nach seiner.

Als Ira die Fragen nach dem Gespräch mit dem Baron aussprach, hielt er seinen Schritt inne. Er drehte sie zu sich, nahm sie in seine Arme und küsste sie zuerst lang und innig.

"Bitte entschuldige...", flüsterte Travingo in ihr Ohr, als sich ihre Lippen voneinander lösten, "...das musste sein. Es war eine Folter die ganze Zeit neben dir zu sitzen und den Schein der Distanz zu wahren."

„Wir haben uns, glaube ich, ganz gut geschlagen.“ Entgegnete Ira. „Aber jetzt red schon, ich sterbe vor Neugier.“

Der Rizzi lächelte, dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. "Das Gespräch war in Ordnung. Der Baron sorgt sich um dich und deine Zukunft. Er meinte, dass er mir und meinen Absichten dir gegenüber nicht traut und fürchtet, dass du dir durch eine unüberlegte Entscheidung die Zukunft verbaust." Travingo hielt kurz inne und hob seine Schultern.

„Was heißt denn da unüberlegte Entscheidung…?“ brummte Ira dazwischen,

bevor er fort fuhr: "Dann sprach er eine subtile Drohung aus und dass er mich nach Belhanka nicht mehr in deiner Gegenwart sehen will - auch und vor allem nicht auf deiner Hochzeit." Der Rizzi lachte kurz auf.

Auch der Plötzbogen entlockte es einen Lacher, obwohl die seine Erzählung nicht so witzig fand wie er. „Eine subtile Drohung. Ja, das klingt nach Jost. Scheiße, der soll sich aus meinen Sachen raushalten, verdammt.“

Travingo schnaubte. "Er ist nicht der erste neureichische Baron, der meint, mich unterschätzen zu müssen. Solche Drohungen ringen mir ein müdes Lächeln ab. Aber sei es drum...", abermals folgte eine wegwerfende Handbewegung, "...ich habe ihm zu verstehen gegeben, dass ich auch weiterhin für dich da sein werde, wann immer du mich brauchst und dass er dir etwas mehr Vertrauen entgegen bringen sollte. Egal, was bisher in deinem Leben schief gelaufen ist, es wirkt so, als hättest du daraus gelernt."

Die Erkenntnis, dass Jost mit Drohungen um sich warf, war hart. Auch, wenn er es ihretwegen und vielleicht sogar aus Liebe tat. An Mut zur Einmischung schien es ihm jedenfalls nicht zu mangeln, aber wohl an Vertrauen – ja, das war es was Jost verdammt nochmal fehlte, ebenso wie Verstand! Ira ärgerte das sehr. Genauso wie es sie reute, den armen Travingo der Situation überhaupt erst ausgesetzt zu haben. Darum entzog sie sich erst einmal sanft, aber entschlossen, weiterer Zärtlichkeiten – so sehr wühlten sie diese Neuigkeiten auf.

„Warte, warte, ich muss das jetzt erst mal verdauen,“ sagte sie, während sie seinen Arm, der sie an der Taille wieder an sich ziehen wollte, liebevoll zurückschob. Ihr war gerade nicht nach Zärtlichkeiten. "Er hat gesagt, du sollst dich von mir fern halten, weil er denkt, dass ich womöglich sonst was? Hm. Mit dir durchbrenne? Diese scheiß Hochzeit absage? Meinem Zukünftigen gegenüber mein Wort breche? – Was glaubt er eigentlich, wer er ist?!? Als würde ich das tun wollen. Ehrlich, es tut mir wirklich sehr leid, dass ich dich bat, mit mir ins Lager zu kommen. Das war falsch von mir. Entschuldige.“

An dieser Stelle fasste sie seine Hand wieder. Scheu. Trotz ihrer Wut. Die sie jedoch im Griff zu haben schien. „Ich hätte gedacht, dass Wunnemar dumme Bemerkungen macht, aber nicht, dass Jost das Problem ist…“ Sie seufzte. Weil er aus ihr lesen konnte, sah er, wie hin und her gerissen sie war zwischen einer Trotzreaktion und vernünftig zu bleiben.

Ihr Gegenüber zog ob dem eben vernommenen Gefühlsausbruch kurz eine Augenbraue hoch. Es lag Travingo fern Unfrieden zu stiften, oder gar einen Keil zwischen sie und ihren Schwertvater zu treiben. Deshalb versuchte er mit beruhigenden Worten ihre Erregung etwas zu zügeln. "Jetzt bist du zu streng mit ihm, Ira...", setzte der Rizzi nach einigen Momenten der Stille an, "...das Gespräch war sonst sehr gesittet und aus seinen Worten konnte ich keine Bösartigkeit heraus hören. Vielmehr versuchte er dich zu schützen, wie ein Vater seine Tochter."

„Ist ja lieb, aber das soll er bitte verdammt nochmal bleiben lassen! Ich pfusch ihm ja auch nicht in sein Leben rein, in dem ich zu ihm sage, dass seine reizende Verlobte ein hinterlistiges, gemeines Miststück ist,“ blökte Ira ein weiteres Mal verzweifelt, auch, wenn sie selbst fand, dass der Rizzi wahrscheinlich recht besaß.

Kurz schien der Cavalliere seine nächsten Worte abzuwägen. "Was die Drohung angeht - das ist halb so wild. Ein Mann wie ich ist es gewohnt bedroht zu werden - von Vätern, Brüdern und Ehemännern. Ich habe ein Talent dafür."

„Wie du das sagst…“ murmelte sie und blickte verwundert.

Er lächelte sie vielsagend an. "Ja, ich habe das Gefühl gehabt, dass Jost dir, was mich angeht, nicht vertraut. Aber wohl nur aus seiner eigenen Angst heraus." Er hob unwissend seine Schultern. "Egal was passiert ist Ira, egal, warum der Baron meint dir nicht vertrauen zu müssen, ich weiß, dass du nichts Unüberlegtes tun würdest. Denn hätte ich auch nur die geringste Chance gesehen, gemeinsam mit dir durchzubrennen, dann hätten wir das gemacht..."

Als er das sagte, lächelte die Ritterin.

Travingo hielt abermals an, drehte Ira zu sich und legte nun beide ihrer Hände in die seinen. "Ich weiß schon, dass es schmerzt wenn Freunde einem kein Vertrauen entgegen bringen und ich weiß, dass das, was ich dir nun sage, wohl etwas zu leicht gesagt scheint, aber zeige ihnen allen was für ein toller Mensch du bist. Dass man sich auf dich verlassen kann - als Freundin, Mutter, Gefährtin und zukünftige Ehefrau...", fast schien es Ira, als wurden die Augen des Horasiers bei seinen letzten Worten etwas glasig, "...trete ihnen in ihre Hintern und zeig es ihnen, dass, egal wie übel das Leben dir auch mitspielt, du stets aufrecht stehen wirst und neuen Herausforderungen mit erhobenem Haupt und treu gegenüber ihnen und dir selbst entgegen schreitest."

Nach diesen sinngewaltigen Worten standen sich Ira und Travingo einen Augenblick lang stumm gegenüber. Seine Hände lagen warm und freundlich um die ihren, während sie spürte, wie sich sein Herz verkrampfte. Hätte Hagrian damals so zu ihr gesprochen hätte sie sich in seine Arme geschmissen und ihm vor lauter Rührung gesagt wie sehr sie ihn doch liebe. Für Travingo musste es reichen, dass sie sich ihm entgegen warf und sich mit einer unausgesprochene Sehnsucht an ihn drückte.

Der Rizzi hielt die Plötzbogen fest in seinen Armen. Er mochte es einfach ihre Nähe zu spüren. Wie lange sie nun so da standen, konnte er nicht sagen, aber er wusste, dass er die Ritterin am Liebsten nie mehr loslassen würde.

"Was meinst du, Ira," brach Travingo dann die wohlige Stille zwischen ihnen. "…Werden dich die anderen schon vermissen? Oder möchtest du noch etwas durch die Gegend spazieren?" Der Horasier löste die Umarmung und hielt nun wieder bloß ihre Hände in den seinen. "Vielleicht können wir beide ja noch zum Delta runter schauen, uns ans Wasser setzen und die Stadt bewundern."

Einem kurzen Blick über die Schulter zurück. Travingo sah, wie sie abwog, dann aber mit einem aufflammende Leuchten in den Augen lächelte. „Gern. Mir egal, ob sie mich vermissen. Die denken sowieso was sie wollen.“

Travingo lächelte ob ihres letzten Satzes. Auch er blickte noch einmal in die Richtung, in welcher sich die Tafel befand, dann nahm er die Ritterin an der Hand und führte sie hinaus aus dem Zeltlager hin zum Wasser.

Es war ein lauschiger und ruhiger Platz, der eine ausgezeichnete Sicht auf die Stadtteile Belenora und Simiavilla bot, die auch der anderen Seite des Wassers lagen.

Der Rizzi sog die kühle Abendluft ein. Es war genau das Richtige um wieder runter zu kommen. Ja, der Abend lief nicht so wie er es sich vorgestellt hatte und Iras Freunde würden ihn wohl nie mögen, doch dennoch war er glücklich bei ihr gewesen zu sein.

Die beiden setzten sich ins Gras. Ira vorne und Travingo ganz nah hinter ihr und mit seinen Armen um sie gelegt. Wortlos saßen sie da und genossen die Ruhe, die vielen Lichter und Geräusche feiernder Menschen aus der Stadt und die Anwesenheit des jeweils anderen.

"Weißt du, dass ich eigentlich gar nicht nach Gareth kommen wollte?" brach der Cavalliere dann die Stille.

„Zum Kaiserturnier meinst du?“

„Travietta lag mir ewig damit in den Ohren bis ich zugesagt habe..." Er hielt für einige Herzschläge inne. "...öfter habe ich schon daran gedacht, ob es nicht besser gewesen wäre nicht hinzugehen. Gerade jetzt wieder, als ich sah, was Menschen, die dir nahe stehen und wichtig sind, dadurch von mir halten und dir dadurch Kummer bereiten." Es waren ehrliche und an sich selbst zweifelnde Worte, die aus seinem Mund kamen – etwas, das Ira von Travingo bis jetzt noch nicht kannte.

Daher drehte sie sich leicht überrascht zu ihm um, dass er nun mehr ihren Rücken mit dem einen und ihre Knie mir dem anderen Arm umfasst hielt, und strich dem Cavalliere zärtlich das schwarze Haar aus dem Gesicht hinters Ohr. „Sooo schwere Gedanken, Rizzi? Passt gar nicht zu dir. Außerdem dachte ich, du machst dir nichts aus der Meinung anderer über dich.“ Ein neckisches Schmunzeln lag auf ihren Lippen, als sie ihn mit wachen Augen ansah, als wolle sie ihn ergründen. Gleichzeitig ergriff seine Nachdenklichkeit auch sie selbst. Ja, es war eine gute Frage, was passiert wäre, hätten sie sich nicht kennengelernt. Sehr wahrscheinlich stünde es dann anders um ihr Herz. Um seines auch.

„Du darfst dir solche Fragen nicht stellen. Glaub mir, ich bin in den letzten beiden Jahren Meister darin geworden, das Schicksal zu beschimpfen - aber dem macht das leider herzlich wenig aus.“ Gab sie mit einem Seufzen ihre Erkenntnis preis, aber sie lächelte weiter und fuhr sein Gesicht in symmetrischen Bahnen mit den Fingerspitzen ab. „Gestern waren wir beide in Gareth…. Du und ich… Heute sind wir beide hier….Du und ich…. Und das Morgen ist hoffentlich noch eine Weile fort…. Hör mal, du hast vorhin zu mir erst noch gesagt, dass ich es allen zeigen soll. Mach du das auch! Zeig ihnen, dass Travingo Rizzi mehr ist, als ein, hm, Weiberheld.“ Sie ließ ihre Worte verklingen und schmiegte sich noch etwas enger in seine Umarmung.

Und er hielt sie fest an sich. "Bin ich denn mehr als ein Weiberheld?", fragte er flüsternd. "Du darfst aus meinem Verhalten dir gegenüber nicht auf das gegenüber allen anderen schließen. Du bist etwas...", der Cavalliere hielt inne und küsste ihren Schopf, "...besonderes für mich, Ira." Er machte eine kurze Pause. "Du hast mich im Übrigen falsch verstanden. Es ist mir egal, was die anderen über mich denken. Sollen sie mich hassen. Was mir jedoch nicht egal ist, ist das, was es mit dir macht." Er beließ es dabei.

Nur einige Herzschläge danach sollte auch schon etwas anderes seine Aufmerksamkeit erregen. Auf der anderen Seite sah er das von einem Illusionisten an den schwarzen Nachthimmel gezauberte Schauspiel von Levthan und ein paar jungen Frauen - wahrscheinlich Hexen. Auch wenn die Interpretation des Magiers weit romantischer und sanfter war, als es der Volksglaube vorgab.

„Sieh mal...", versuchte der Rizzi auch Iras Aufmerksamkeit darauf zu lenken, "...schön, findest du nicht?"

Ira wandte den Kopf. „Oh wie schade, dass die anderen das nicht sehen können,“ murmelte sie mit einem Tonfall, der Bedauern ausdrückte, aber in Wahrheit Gleichgültigkeit enthielt.

Staunend betrachteten beide das Schauspiel eine Weile. Während Ira sich die frivolen Bilder ansah, gingen ihre Gedanken jedoch auf Reisen, und obwohl sie hin und wieder kleine Kommentare abgab, konnte Travingo spüren, dass sie doch nicht ganz bei der Sache war. In der Tat sann die Ritterin über das Zurückliegende nach. Ira konnte es immer noch nicht glauben, dass Jost von Travingo drohend verlangte, sich von ihr fern zu halten, und die Gefühle, die sie beiden gegenüber empfand, mochten gerade gegenläufiger nicht sein. Jost. Ausgerechnet Jost! Sie wollte nicht noch einmal, dass sie sich beide wochenlang anschwiegen, wie es damals nach der Sache mit Hagrian gewesen war. Und sie wollte auch Jost nicht noch einmal dafür hassen müssen, dass er ihr den Geliebten wegnahm. Ein wenig zweifelte Ira dabei allerdings auch an sich selbst: hatte Jost wirklich so eine abartig schlechte Meinung von ihr, dass er fürchtete, dass sie sich tatsächlich lieber für den Rizzi als für Rickenbach und Leuhart entscheiden würde?

Unvermittelt drehte sie irgendwann wieder das Gesicht zu dem Horasier und brummte „Hat Jost dir wirklich verboten, zu meiner Hochzeit zu kommen? Ja? Ernsthaft?“

Dem Cavalliere fiel es bedeutend schwerer seinen Blick von dem sich vor ihnen bietenden Schauspiel zu lösen. "Hm...ja...hat er. Er meinte, dass er mich nach Belhanka nicht mehr in deiner Nähe sehen will, vor allem nicht bei deiner Hochzeit." Die Ritterin konnte an seiner Muskelbewegung vernehmen, dass er mit den Schultern zuckte.

Während er wieder an den illuminierten Himmel starrte, um das Schauspiel weiter zu verfolgen, blickte Ira den Horasier immer noch von der Seite her an. Dass sie erneut Wut in sich spürte, davon zeugten nur ihre zusammengezogen Brauen und ihr düsterer Blick.

Einige Herzschläge vergingen, in denen sie in Gedanken abwog. Schließlich pfiff sie auf die Konsequenzen. Missmutig, entschlossen und trotzig klang ihre Stimme, als sie eine Verkündigung machte:

„Scheiße, das ist MEINE Hochzeit. ICH entscheide, wer kommen darf. Nicht Jost! Wär ja noch schöner. Also, 12. Peraine, auf der Hyndanburg zu Rickenbach in der Baronie Eisenstein, das ist zwei Tage von Elenvina entfernt. Wie sieht‘s aus, Rizzi, kommst du?“

Travingo drehte seinen Kopf langsam vom Himmel weg, sodass sein Blick nun wieder auf Ira lag. Seine Augenbrauen wanderten dabei nach oben und er wirkte leicht amüsiert. "Auf deine Hochzeit?", fragte er ungläubig. "Meinst du, dass das eine gute Idee ist?" Zögerlich kamen seine Worte, ganz so als wolle er sie vorher gründlich abwägen. "Mir ist egal was Jost meint. Wie du schon gesagt hast, es ist deine Hochzeit und er hat nichts zu melden, zumal er ja selbst nur Gast sein wird. Billige Drohungen beeindrucken mich auch nicht, aber..." Abermals überlegte der Cavalliere. Ginge es um jemand anderen als Ira, dann würde er alleine deswegen kommen, um es Jost unter die Nase zu reiben. In diesem Fall jedoch wusste er nicht, ob er es ertragen würde, gerade sie jemanden anderen heiraten zu sehen. "...es würde mir nicht leicht fallen zu kommen. Ich werde es mir überlegen."

Leicht fallen – tja, wem sagte er das.

„Ja, klar,“ entgegnete sie ihm, noch immer überzeugt, dass ihre Idee eine gute war. Sie würde zeigen, dass Drohungen sie ebensowenig einschüchterten wie den Rizzi, und dass sie jegliches Vertrauen verdiente. Das von Jost. Das von Wunnemar. Und auch jenes, das Travingo in sie setzte. Sie würde vor allen ihr Wort halten, würde dem Schellenberg ihre Hand geben und die wunderschöne Braut mimen und sich so über jeden noch so kleinen scheiß Zweifel erheben. Verdammt. Fast bekam sie Angst vor sich selbst.

Dass es Travingo vielleicht genauso unwohl wie ihr auf dieser Hochzeit sein würde, rückte ganz in den Hintergrund. Ach, Dreckshochzeit!

„Rizzi?“ Ihre Stimme klang nun sehr melodisch. Herausfordernd, lockend. Ira wollte nämlich nicht länger an ihren bevorstehenden Bund mit Lupius denken. Schließlich war sie nach Belhanka gekommen, um zu feiern. „Ich hätte große Lust, auch ein kleines Schauspiel zu veranstalten. Es wird sicherlich nicht den Himmel erleuchten. Aber das muss es auch nicht.“ Dabei griff sie an die Knopfleiste ihres Hemds und fing an, selbiges aufzuknöpfen.

"Wie kalt wird der Sikram sein, was meinst du?"

Travingos Antlitz war sogleich von einem Lächeln gezeichnet. Iras Gedankengang schien ihm zu gefallen. Er legte seinen Kopf schief und lehnte sich interessiert zurück. Erst kamen Iras Schultern zum Vorschein, dann ihre Brust und der Rücken. Der Cavalliere genoss ihren Anblick. Das fahle Mondlicht ließ ihre blasse Haut leuchten und führte dazu, dass er nur sehr mühsam den Impuls unterdrücken konnte, über ihren nun nackten Rücken zu streicheln und ihn mit zahlreichen Küssen zu bedecken. Stattdessen blickte er sie weiterhin an. Lächelnd. Wie schön sie in diesem Moment war. Weggeblasen waren die trüben Gedanken von vorhin - Iras Hochzeit, Jost, das Misstrauen und der Missmut ihrer Freunde... Sie war ein Meisterin darin, Stimmungen zu wechseln, das erstaunte ihn immer wieder. Und gerade ließ er sich gerne mitreißen.

"Hm...", brummte der Rizzi dann, ohne seine Augen von ihr zu nehmen, "...wohl sehr kalt." Dann begann auch er sich auszukleiden.

Ira spürte Travingos genießerischen Blick in ihrem Rücken, als sie sich aufschwang, um einen Augenblick später aus ihren Schuhen und der Hose zu schlüpfen. Nur von Mondlicht umhüllt tapste sie den kalten Fluten entgegen. Das flache Ufer ging hier in weichen Morast über, und bei jedem Schritt quetschte sich der Untergrund zwischen den Zehen der Nordmärkerin hindurch. Der Schlamm war nicht das Problem, es war letztlich die Kälte, warum sich Ira auf die Lippen biss. Von Ehrgeiz und Stolz getrieben ging sie noch ein klein wenig weiter hinein, bis ihr der Sikram bis knapp unters Knie reichte, dann hatte sie genug. Das dunkle Nass war doch kälter als angenommen. Nun, wen wunderte es, war doch trotz südlicher Gefilde auch hier immer noch Tsamond – das konnte man bei den warmen Tagen und den angenehmen Abenden nur allzu leicht vergessen. Schnell stakte sie zurück ans Ufer, fröstelnd, ein klein wenig bibbernd. „Brrr. Ich glaube wir gehen doch lieber ein andermal schwimmen.“ Krächzte sie heiser und ließ sich von seinen Armen auffangen. Sie hatte Gänsehaut am ganzen Körper. Doch der freche Schalk war hingegen nicht von ihr gewichen: „…da haben wir uns jetzt ganz umsonst ausgezogen…“ raunte sie gespielt bedauernd, während ihre Hände sanft über seine Schultern streichelten.

Travingo hatte die Ritterin bei ihrem Versuch beobachtet in die kalten Fluten zu steigen. Lächelnd biss er sich auf die Unterlippe, als er ihren zögerlichen Gang hinunter zum Wasser wahr nahm. Zwar tapsig wie ein junges Küken, aber dennoch aufreizend. Er bewunderte ihren trainierten Körper, das Muskelspiel ihres wohl geformten Hinterns, die lange rote Mähne... Der Cavalliere fragte sich, ob das in ihm kochende Verlangen, das bei ihrem Anblick oder ihren Berührungen stets in ihm hochkam, jemals verschwinden würde.

Als sie sich dann, nach ihrem Versuch den kalten Sikram zu bezwingen, an ihn schmiegte, fiel es dem Rizzi deshalb auch schwer, ihr seine Erregung zu verbergen. "Umsonst...", brummte er, während er ihren Rücken streichelte, "...nein. Sieh mal, dort unten steht ein kleines Boot. Das werden wir uns leihen." Travingo lächelte frech.

Sie folgte seinem Blick überrascht. „Ein Boot? Was, äh, willst du denn damit?“

„Was man in der Regel so mit Booten macht: fahren.“ Antwortete er grinsend vor Vorfreude, dann hob er seine Geliebte hoch und trug sie ein Stück am Ufer entlang zu besagtem Boot.

Die Göttin sollte ihnen wohlgesonnen sein, war das Bötchen doch mit Decken und Fellen ausgelegt und auch die beiden Ruder konnte er finden. Vorsichtig setzte der Cavalliere die schmunzelnde Ira ins Boot. Nach einem Kuss setzte er sich ihr gegenüber hin, griff nach den Rudern und fuhr mit ihr hinaus auf das schwarze Wasser des Deltas, genau dort hin, wo sich der Mond in den Fluten spiegelte.