Belhanka41 Gespraech

Belhanka1041: Ein Gespräch unter vier Augen (Jost und Travingo)

Als Jost und Travingo außer Hörweite waren, ließ der mittelreichische Baron los, was ihm auf der Seele brannte. Leise aber bestimmt waren seine Worte:

„Travingo, lasst mich einige deutliche Worte über Euch und meine Ritterin an Euch richten. Noch steht Ira in meinen Diensten, daher empfinde ich eine gewisse Verantwortung für ihr Wohl und Wehe. Auch kenne ich sie nun seit sie noch nicht zur Frau erblüht war, lehrte sie das Rittertum und das Leben, so gut ich es vermochte. Ich sehe mich als ihr Dienstherr und als ihr Freund. Es ist nicht an mir über euch Beide zu urteilen. Was sie mit wem treibt, ist mir schlicht egal, seit ich ihr den Ritterschlag erteilte. Aber Ihr solltet wissen, Ira ist eine Frau, deren stürmische Liebschaften sie bisher in Chaos und Leid führten. Über die Geschichte mit Hagrian muss ich Euch, denke ich, nicht aufklären. Umso heißer Rahjas Odem in ihr brennt, um so mehr vergisst sie sich selbst und hat die Angewohnheit, sich selbst zu schaden.

Nun wird sie mit der bevorstehenden Hochzeit eine verantwortungsvolle Position einnehmen. Es wird nicht mehr nur um ihre Ehre und ihr Ansehen gehen, sondern um das ihrer Familie und ihres Lehens. Daher habe ich eine eindringliche Bitte an Euch. Was ihr bis zur Hochzeit treibt, sei euer beider Angelegenheit. Ist der Bund jedoch erst geschlossen, will ich Euch nicht mehr in ihrer Nähe sehen. Sie muss sich auf sich, ihren Ehemann und ihr Lehen konzentrieren und jeder Kontakt mit Euch, jede Einmischung durch Euch wird sie aus der Bahn werfen. -- Habt Ihr mich verstanden?“

Travingo schritt mit hinter dem Rücken verschränkten Armen neben dem Baron her und lauschte aufmerksam. Als Jost geendet hatte, überging der Cavalliere seine zum Schluss gestellte Frage.

"Eure Sorge um Ira ehrt Euch, Hochgeboren." Seine Stimme war ruhig, gefasst und respektvoll. "Ich denke, jeder junge Mensch wünscht sich einen Mentor wie Ihr es seid. Ira ist eine erwachsene Frau, ihre Ausbildung beendet und dennoch sorgt Ihr Euch um ihr weiteres Leben - gleich einem guten Freund. Das ist viel wert und etwas, um das ich sie beneide."

Die beiden Männer schritten einige Momente wortlos nebeneinander her. Einzig das monotone Geräusch von Stiefeln auf kiesigem Untergrund war zu hören. "Ich durfte Ira in der wenigen Zeit, die wir miteinander verbracht haben, kennen und schätzen lernen. Was vielleicht zwanglos und oberflächlich begann, entwickelte sich in kurzer Zeit zu einer tiefen Freundschaft." Kein Wort verlor Travingo darüber, dass es für ihn wohl sogar mehr als Freundschaft war. "Ich respektiere sie als Frau und Freundin. Ich respektiere ihre Vergangenheit und auch ihre Zukunft, die sie aus freien Stücken gewählt hat."

Der Cavalliere blieb stehen und wartete bis es ihm der Baron gleich tat.

"Hochgeboren, Ihr könnt versichert sein, dass Ira stets mit offenen Karten gespielt hat. Vom ersten Treffen an wusste ich um ihr Versprechen und die Bürde, die zukünftig auf ihr liegen wird. Vom ersten Moment an war mir ...uns… klar, dass es keine Hoffnung auf eine längerfristige Bekanntschaft gibt. Ira hat ihre zukünftigen Verpflichtungen mir gegenüber in keinem Moment zurückgestellt."

Der Rizzi machte eine kurze Pause und legte sich seine folgenden Worte zurecht. Sie sollten ihm nicht leicht über die Lippen kommen. "Das, was wir gegenwärtig miteinander teilen, tun wir, weil es unseren Seelen im Moment gut tut. Seid versichert, dass ich ihr keine dummen Gedanken in den Kopf pflanzen und mich in ihre Ehe nicht... einmischen... werde." Beim letzten Satz blitzten seine weißen Zähne im dämmrigen Licht auf. "Dass ich gänzlich aus ihrem Leben verschwinden werde, kann ich Euch nicht versprechen, wiewohl Ihr mein Wort habt, dass ich ihren Ehebund respektieren werde. Sie ist, wie gesagt, eine Freundin und ohne ihren ausdrücklichen Wunsch werde ich ihr nicht den Rücken zuwenden."

Jost Verian hatte den Worten Travingos gelauscht, wobei seine Gefühle von ‚sich geschmeichelt fühlen‘ zu Beginn hin zu ‚zornig ob der Widerworte‘ wechselten.

So stand er denn dem Horasier gegenüber, die Hände im Gürtel untergehakt und überdachte seine nächsten Worte. Ihm war das Parkett, auf welches er den jungen Cavalliere vor ihm geführt hatte, wohl bewusst. Er konnte sich mit wenigen Sätzen einen Feind schaffen. Oder aber auch einen Verbündeten. Und kurz, nur ganz kurz, überlegte er, wie es der Mann schaffte, seinen Zähnen ein solch strahlendes Weiß zu verschaffen.

Er neigte dann kurz das Haupt, wie um Zustimmung zu signalisieren, und erwiderte:

„Ich sehe Eure tiefen Gefühle, Travingo. Und auch die meiner Ritterin. Und ich bin froh, dass Ihr meine Sorge versteht. Doch seht, es ist bereits Eure Ansicht über Iras künftige Position, die mich vorsichtig sein lässt und meine Sorge Euch gegenüber leider auch bestätigt. Ihr sprecht von Iras Hochzeit und ihrer Verantwortung als einer Bürde, als etwas, das auf ihr lasten wird. Doch ich sehe eine unglaubliche Chance für sie, ihr Leben in geordnete Bahnen zu lenken sowie gesellschaftlich aufzusteigen und, nun ja, den einen oder anderen Fehler ihrer Vergangenheit zu bereinigen.“

Der Baron wandte sich halb von Travingo ab und nahm seinen Spaziergang wieder auf, ging einfach ohne Ziel im Lager umher. Vielleicht lockten ihn auch die Lichter Belhankas, der Stadt, mit der er sein Herz und seine Seele wohl für immer verbunden hatte.

„Ich habe gehört, was Ihr mir versprochen habt, und ich werde Euch beim Wort nehmen. Nun, genießt denn die Tage, welche wir hier verbringen, ganz so wie ihr wollt. Da ihr den Ehebund Iras respektieren wollt, gehe ich davon aus, Euch nach dem Turnier der Ketten vorerst nicht wiederzusehen. Vor allem nicht bei der Hochzeit.“

Jetzt blieb er doch wieder stehen und blickte aus ernsten Augen in die seines Gegenübers.

„Wo es für alle Umstehenden offensichtlich ist, welcher Art euer beider Gefühle für einander sind, wäre es mehr als unschicklich und womöglich beleidigend für den Bräutigam, solltet Ihr dort erscheinen.“

Travingo nahm schweigend den Schritt des Barons auf. Beinahe schien es Jost als folge gar keine Antwort mehr auf seinen eben artikulierten, gut gemeinten...ja...war es ein Vorschlag, oder gar eine Drohung?

"Ich werde ganz ehrlich mit Euch sein...", brach er einige Herzschläge danach sein Schweigen, "...ich mag zwar aus einer Familie stammen, die man überall im Reich mit der Kirche und den Geboten der Herrin Travia assoziiert, doch fällt es mir persönlich schwer den Sinn darin zu sehen sich ewig an einen Menschen zu binden - noch dazu, wenn es nicht aus tiefer Zuneigung heraus geschieht. Deshalb ja...in meinen Augen ist es eine Bürde. Auch wenn ich die Entscheidung respektiere, verstehen muss und kann ich sie nicht."

Darüber hinaus wusste Travingo ganz gut wie sehr Ira unter diesem Versprechen litt, doch war er sich sicher, dass auch der Baron sich dessen bewusst war. "Ira hat mir nie das Gefühl gegeben, dass sie sich nicht bewusst ist, was von ihr erwartet wird und was sie zu tun hat - aus welchen Gründen auch immer." Der Rizzi stockte kurz in seiner Ausführung, ganz so, als schoss ihm in dem Moment ein Gedanke ein. "Ihr könnt Euch ja selbst einmal fragen, ob ein nach Freiheit strebender Vogel in einem goldenen Käfig glücklicher ist als in einem hölzernen. Was einige Menschen als große Chance ansehen, empfinden wieder andere vielleicht dennoch als Beschneidung ihrer Freiheit." Er hob seine Schultern und machte dann eine fuchtelnde Handbewegung. "Ich werde mich nicht in ihre Entscheidungen einmischen. Ich werde, wie bereits gesagt, ihren Ehebund respektieren, aber weiterhin ein Freund sein, so sie das überhaupt möchte. Ich gebe Euch was das betrifft mein Wort."

Beinahe schien es als hätte der Horasier damit geendet, als er sich kurz an die Stirn fasste. "Und ja, was die Hochzeit angeht. Ich denke nicht, dass ich eingeladen sein werde."

Jost Verian bewunderte still die Loyalität, welcher dieser Rizzi für Ira empfand. Noch war er sich nicht in Gänze sicher, ob das Sehnen des Horasiers tatsächlich Ira als Mensch oder nur ihren weiblichen Teilen galt. Doch mit seinen Worten hatte er das Pendel zugunsten freundschaftlicher Gefühle für seine ehemalige Knappin ausschlagen lassen.

"Und Ihr könnt Euch fragen, ob ein Vogel, wenn ihm schon bestimmt ist, in einem Käfig zu sitzen, diesen dann nicht so bequem und luxuriös wie möglich haben möchte. Denn diese Freiheit, von der Ihr sprecht, ist niemanden vorherbestimmt. Niemand ist frei, weder der Bauer auf dem Feld noch der Horas auf dem Thron. Denn selbst wenn Ihr alles hinter euch lassen würdet, Ihr kämt doch immer irgendwo an und müsstet euch neuen Zwängen unterwerfen. Und sei es nur, zu Essen und zu Trinken. Von den Wünschen und Fesseln der Familie ganz zu schweigen."

Der Baron seufzte schwer. Es war für ihn nicht leicht, diese Lektion zu lernen. War auch er doch ein freiheitsliebender Vogel gewesen, der vieles erst verstehen musste. Und noch immer lernte. Wieder einmal vermisste er seinen Herrn Vater, den er Zeit dessen Lebens nicht verstanden hatte, dafür jetzt, wo er schon zwei Jahre tot war, umso mehr.

Langsam lenkte der Hlûtharswachter nun ihre Schritte zurück zum Lager.

"Sei es wie es sei, Rizzi. Ihr kennt meinen Standpunkt, und ich nun den Euren. Ihr solltet aber nicht darauf bauen, dass Ira eine für sie ungesunde Beziehung von sich aus beendet. Die dafür nötige Stärke und Weitsicht fehlt ihr leider. Deshalb sind Eure schön klingenden Aussagen, Ihr würdet das tun, was sie wünscht, Augenwischerei."

Jost erstickte einen möglichen Widerspruch des Ritters mit einer energischen Handbewegung.

"Wie vorhin bereits gesagt, genießt eure Zeit, feiert und lebt die 'Freiheit', in der ihr euch wähnt. Und erkennt den Moment, an dem es vorüber ist. Andererseits werde ich Euch diesen aufzeigen."

Schon konnten sie die Stimmen von Josts Begleiter hören. Das Lager der Nordmärker lag um die Ecke.

Da war sie also doch noch. Travingo hatte insgeheim schon darauf gewartet. Drohungen waren die ultima ratio für jene, die aus welchen Gründen auch immer mit Argumenten nicht weiter kamen. Gerne hätte er die Grundsatzdiskussion mit dem Baron weitergeführt, doch beschränkte er sich Ira zuliebe lediglich darauf vielsagend und offensichtlich unbeeindruckt zu lächeln. Es war nicht an der Zeit diesen Kampf auszufechten. Der Cavalliere fand sich täglich mit diesem antiquierten Denken konfrontiert - es war ein Kampf gegen Windmühlen. Die Mär von der göttergewollten Ordnung, die man jedem kleinen Bauernjungen oder Bäckersmädchen erzählte, damit sie ja nicht aufbegehrten und sich einen anderen Platz in dieser Welt suchten. Auch dieser falsche Begriff von Ehre und Pflicht, mit dem man Zöglinge des Adels in ein Korsett zwang, das nicht mehr als dem Erhalt und Ausbau von weltlicher Macht im Sinn hatte. Er kannte das alles und es schauderte ihm davor. Zu wieviel mehr würde ein freier Mensch wohl zu leisten im Stande sein, wenn er seinen Wünschen, Talenten und Träumen nachgehen konnte?

In gemächlichem Schritt bewegten sich die beiden auf die festliche, von Kerzen und Fackeln erhellte Tafel zu. Kurz bevor sie aus den Schatten ins Licht traten und damit wieder zur Gesellschaft hinzustießen, wandte sich der Cavalliere noch einmal dem Baron zu. "Dass Ihr mir nicht vertraut und meine Taten hinterfragt sei Euch gegönnt. Ihr kennt mich nicht und ich habe das Talent einen fürchterlichen ersten Eindruck zu hinterlassen...", der Rizzi lächelte und abermals blitzten seine Zähne auf, "...doch denke ich, dass Ihr Ira unterschätzt. Was auch immer sie in der Vergangenheit für Fehler gemacht hat, das liegt zurück und hat sie als Person wachsen lassen. Wenn Ihr schon mir nicht vertraut, dann vertraut wenigstens ihr." In einer beinahe freundschaftlichen Geste, klopfte der Horasier Jost augenzwinkernd auf die Schulter und wandte sich dann wieder dem Tisch mit den anderen zu.

Einen Augenblick sann Jost darüber nach, dies freche Gebaren zu ahnden. Doch dann ließ er den Jüngeren ziehen. Ja, der Cavalliere hatte richtig erkannt. Jost traute weder dem Horasier noch Ira so weit über den Weg, dass er glaubte, die beiden könnten voneinander die Finger lassen. Dass er ein scharfes Auge darauf haben würde hatte er mehr als deutlich gemacht. Nun kam es darauf an, ob großen Worten auch die nötigen Taten folgten.

Mit einem erleichterten Lächeln empfing Ira die beiden, als diese sich wieder am Tisch niederließen. Die junge Ritterin versuchte im Folgenden zu ergründen, wie es um die Stimmung des Cavallieres und des Barons bestellt war. Immerhin: sie hatten sich - wie Lioba es voraussah - nicht die Augen ausgekratzt. Ein gutes Zeichen? Man würde sehen. Begierig darauf zu erfahren, was die beiden miteinander gesprochen hatten, fiel ihr die Warterei, bis sie jeweils einen von ihnen unter vier Augen darauf ansprechen konnte, wahrlich schwer.

Travingo setzte sich schmal lächelnd zurück an den Tisch. Nah an Ira heran - vielleicht sogar etwas zu nahe. Auf jeden Fall näher als es sich ziemen würde. Seine Mimik verriet der Ritterin nicht viel über den Inhalt und Ausgang des eben geführten Gespräches. Auch, dass er unter dem Tisch nach ihrer Hand griff und sie fest mit der seinen umschloss, sollte daran nichts ändern.