Bande und Bünde 1042 - Brief von Ira an Imma

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Auf ihrer Flucht vor der eigenen Scham hatten Iras Füße sie zurück zum Haus der Doctora von Altenberg geführt. Aber dort hatte man ihr gesagt, dass sie die Schellenberg nicht sprechen könne, weil sie schlafe. Sie solle am nächsten Tag erst wiederkommen, bis dahin habe Imma sich möglicherweise auch so weit erholt, um weitere Gespräche führen zu können.

Ira war daraufhin zähneknirschend nach Hause zurückgegangen, hatte sich von Dari dem Hausmädchen Papier und Tinte geben lassen und sich dann in Merkans Kammer eingeschlossen, um Imma einen Brief zu schreiben. So sehr sie es wollte, aber sie konnte nicht warten, um ihre Gefühle persönlich mit ihrer selbsternannten ‘Schwester’ teilen zu können. Sie musste ja am nächsten Tag schon wieder früh am Morgen aufbrechen, um zurück nach Rickenbach zu reiten. Denn jeden Tag, den sie in Elenvina blieb, würde sie dem Baron bezahlen müssen. Schließlich machte der große Unterschiede zwischen privaten und dienstlichen Belangen und seine Regeln dabei waren streng und unangenehm. Da Imma dies wusste, hoffte Ira, dass ihre Freundin verstand und dass sie ihr nicht gram war, wenn sie ihre Gefühle stattdessen auf Papier band.


Imma, bitte, diesen Brief solltest du selbst lesen, oder von jemand anderem lesen lassen, der NICHT LUPIUS oder MiLIAN heißt. Vielleicht den Boroni, der dir Schlaf geschenkt hat, er war sehr nett (das ist nachträglich über die Anrede gekritzelt)

Boron 1043

Liebste Imma,

ich weiß nicht recht, wie ich das in Worte fassen soll, was ich dir so gerne von Angesicht zu Angesicht erzählt hätte. Vorhin war ich bei dir, aber die Doctora ließ mich nicht zu dir, weil du dich erholen musst. Das verstehe ich. Und ich bin mir sicher, dass du verstehst, dass ich morgen früh zurück nach Rickenbach reisen muss und daher nicht länger bei euch in Elenvina bleiben kann. Wenn du diesen Brief liest - oder wenn dir jemand ihn vorliest - werde ich also ganz sicher schon unterwegs sein. Ich haben noch Dienst. Diesen Götterlauf dauert meine Diestzeit etwas länger, musst du wissen, weil ich mit dem Baron einige Absprachen treffen musste. Notgedrungen. Ich bin eigentlich nur nach Elenvina gekommen, damit ihr (du, Milian und dein Bruder) wisst, dass es mir gut geht. Aber vielleicht der Reihe nach. Ich weiß nur nicht genau, wo ich anfangen soll. Es ist so viel passiert in der Rabenmark.

Wir waren in harte schmutzige Kämpfe verwickelt. Unser Heer wurde mehrmals von Diener der Jenseitigen angegriffen. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass es mir keine Angst macht, gegen Paktierer und Dämonen meine Waffe zu ziehen. Es macht mir eine Riesenangst. Und es hat mir jedesmal eine Riesenangst gemacht, wenn das Leben meiner Freunde in Gefahr geriet. Du weißt ja, dass meine Bundbrüder vom Orgilsbund mit uns gekommen sind. Es freut dich sicher zu hören, dass Aureus und Boronian nach unserer Rückkehr nach Rickenbach gekommen sind, um mich dort etwas zu unterstützen. Ich habe Boronian das Kommando über die Burgwache gegeben. Merkan war einverstanden. Der Baron weniger, wie du dir denken kannst, aber er hat es akzeptiert. Er kann eigentlich nicht meckern, ich habe mein Möglichstes getan, um die Aufgabe, die er mir gestellt hat, zu seiner Zufriedenheit zu erfüllen. Er gab mir das Kommando über die Hunde - nicht unbedingt die Einheit, die ich mir selbst gewünscht hätte, aber ich hab mich mit ihr arrangiert. Es hat einen gewissen Nutzen und ist in den Schwarzen Landen seltsam beruhigend, wenn du treue Tiere weißt, die dir Schaden vom Leib halten. Ja, ich habe versucht, nicht daran zu denken, dass eine dunkle Macht sie möglicherweise beeinflussen und auf uns hetzen könnte. Ist nicht passiert. Dafür anderes. Ich habe mich mit Vitold von Baldurstolz, ich will nicht sagen, angefreundet, aber wenn alles so läuft wie es sich abzeichnet, habe ich ihn als Verbündeten gewonnen. Denn sein Knappe, auch ein Baldurstolz, möchte Mitglied im Orgilsbund werden. Ich mag diese politischen Spielchen nicht, aber ich weiß auch, dass sie manchmal notwendig sind. Zuerst war ich dem Knappen, er heißt Folcrad, gegenüber sehr skeptisch, und auch Vitold, aber wir haben uns miteinander auseinander gesetzt, das war gut. Daher glaube ich, dass aus dieser vorsichtigen Annäherung wirklich was Gutes draus entspringen kann. Nicht nur für den Bund. Auch für Rickenbach. Folcrad hat mich dabei immer wieder an Gereon erinnert. So oft, dass ich irgendwie nicht mehr an Zufall glaube. Ich bin mir fast sicher, dass es eine verwandschaftliche Beziehung zwischen dem Haus Rickenbach und dem Haus Baldurstolz gibt, von der noch niemand etwas erzählt hat. Ich habe Onkel Hesindiard gefragt. Er wusste nichts. Er hat aber auch nur seine doofen Sternen im Kopf gehabt. Wobei ich sagen muss, er hat mir sehr geholfen, ich kann gar nicht über ihn klagen, obwohl er etwas sehr Nerviges an sich hat. Sein Umgang mit dem Baron ist...gewöhnungsbedürftig und ich fürchte, dass ich da noch ernten werde, was der Onkel mit seiner losen Zunge gesät hat, aber er hat mit klugen Äußerungen dafür gesorgt, dass ich mit meinem Bundbrüdern nach Warunk pilgern kann. Wir haben die Lanze des Heiligen Orgils von Rommilys erst nach Tälerort gebracht und von dort aus zu ihrem neuen Bestimmungsort in Warunk überführt. Das war ein erhebendes Erlebnis. Genauso wie unser neuerlicher Bundschwur im Traviatempel in Rommilys, damit die Bundherrin unsere Waffen mit ihrem Segen versieht. Imma, ich muss dir aber auch von Dingen berichten, die ich selbst nicht so ganz verstehe und glaub mir, ich wollte es dir mit eigenen Worten sagen und ein Brief kann nie im Leben das, was ich ihn mir spüre, ausdrücken Keine Worte vermögen das, was ich erlebt habe, erklären zu können. Trotzdem möchte ich es versuchen. Damit du weißt, dass du nicht allein bist. Damit du weißt, dass ich gut, wirklich sehr gut, nachvollziehen kann, wie es ist, wenn man glaubt, sterben zu müssen. Ich kenne die Angst, die einem die Kehle zuschnürt, ich kenne die Kälte, die einem das Herz einfriert, ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn dein Leben nur mehr einen Hauch oder noch weniger ist. Ich habe es gesprürt, Imma. Ich habe es gespürt! Ich wurde bei einem Hinterhalt verletzt und eine Klinge riss mein Leben entzwei. Ich habe Lupius davon erzählt, aber ich sagte ihm auch, dass ich nur ein mal mit ihm darüber sprechen würde, und zwar auch das nur, weil ich der Meinung bin, dass er als mein Mann es erfahren sollte, was passiert ist, und er war entsprechend bestürzt, wie du es womöglich jetzt auch sein wirst. Aber es lässt sich nicht beschönigen. Ich bin glaube ich da drüben im Osten wirklich gestorben. Ich lag in den Armen meiner Bundbrüder, als mein Herz aufhörte zu schlagen. Ich war, wie die anderen mir sagten, tatsächlich für einige Herzschläge tot. Tatsächlich hörte ich etwas, was ich glaube, dass es Golgaris Schwingen waren, während mich die Furcht, dich, Lupius, Leuhart, euch alle, die Heimat, meine Freunde, unsere Familien nicht wiederzusehen, gefangen hielt. Dann aber passierte etwas, das ich nur mit einem Wunder beschreiben kann. Ich spürte etwas, was wie die liebende Umarmung einer Mutter war und jemand sagte mir, ich solle zurückgehen und mich mir selbst stellen. Oder so ähnlich. Ich weiß es nicht mehr so genau. An das Gefühl aber erinnere ich mich noch gut. Es war warm und weich, wie ein prasselndes Feuer, über dem eine leckere Suppe köchelt. Kennst du den Duft von Brühe und Holzfeuer? Natürlich tust du das. Ich war der Herrin Travia noch nie sehr zugeneigt, wie du weißt. Sie war mir nie ausreichend wichtig. Meine Göttin ist und bleibt Rahja, das weiß ich. Das war schon immer so gewesen. Aber es war nicht sie, die in diesem einen Augenblick bei mir gewesen war, glaube ich, sondern ich meine , dass es Travia war, die mich wieder ins Leben zurückschickte, damit ich zu euch zurückkommen und mein Leben ändern kann. Damit ich Leuhart eine Mutter sein, dir eine Frendin, unserer Familien eine Stütze und vor allem, dass ich meinen Platz an der Seite deines Bruders einnehme. Als Frau von Lupius. Oh mann, wenn ich das so schreibe, dann bekomme ich Gänsehaut. Lupius, ja. Lupius und ich… ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Es wird dich freuen, dass wir uns...annähern. Ja, das beschreibt es vielleicht am besten. Wir haben festgestellt, dass uns Dinge verbinden. Wir wollen nicht mehr so viel streiten wie bisher. Und er hat mir gesagt, dass er mich mag!! Danke, dass du ihn ermutigt hast, mir diesen Brief zu schreiben. Ich habe ihn am Anfang gar nicht gelesen, gebe ich zu, aber dann danach umso häufiger. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das letztes Jahr um die gleiche Zeit sage, aber ich mag Lupius auch... irgendwie… Bitte sag ihm nicht, dass ich es dir gesagt habe. Das fände ich komisch. Dabei kann ich gar nicht sagen, ob das das Werk der Gütigen ist, aber es fühlt sich gut an. Und richtig. Scheiße, Imma, du solltest jetzt mir gegenüber sitzen. Mir ins Gesicht sehen. Wir sollten zusammen weinen und lachen und uns in die Arme nehmen, während wird den Göttern danken, dass es uns beide noch gibt! Und dann könnten wir gemeinsam überlegen, ob es tatsächlich die Herrin Travia höchstselbst war, die mein Herz wieder hat schlagen lassen. Ich fühle sie jedenfalls seitdem noch stärker, als ich es seit Rommilys tat, nachdem ich mit meinem Bundbrüdern unseren Schwur erneuerte. Da war sie uns nahe, da habe ich sie gefürchtet und gefühlt. Jetzt fürchte ich sie auch noch, aber es ist anders. Sie ist mir nicht mehr unbekannt. Ach, es ist komisch zu beschreiben, das sagte ich ja eingangs schon. Hör mal, ich will im TSA wieder nach Belhanka aufs Turnier. Ja, ich möchte mich mit meinem Freund Rizzi treffen, das ist wahr. Ich muss ihn einfach sehen, um mit ihm ein paar Dinge zu besprechen, die ich nur von Angesicht zu Angesicht klären kann. Du verstehst das, das weiß ich. Ob Lupius das versteht, da bin ich mir nicht ganz so sicher, daher weiß er das auch noch nicht. Jedenfalls wollte ich damit sagen, dass ich Anfang oder spätestens Mitte Tsa auf meinem Weg ins Horasiat wieder durch Elenvina komme. Ich werd einplanen einen Tag zu bleiben. Und dann können wir über alles sprechen. Ich werde mich freuen, dich wieder zu sehen und du wirst bis dahin bestimmt wieder gesund sein. Das weiß ich. Du bist eine Kämpferin! Das weiß ich auch. Nicht so wie ich, du führst keine Klinge, aber das macht dich nicht weniger stark. Wenn ich dran denke, was du ausgehalten hast… Ich habe gestandene Kerle gesehen, die dem Bösen nicht Stand gehalten haben. Du könntest es ohne Weiteres mit Dämonen aufnehmen, lass dir das nur mal gesagt sein. Ich bewundere dich. Ja, wirklich. Je genauer ich darüber nachdenke, umso mehr empfinde ich Ehre dafür, dass ich dich kennen darf. Auch wenn ich nicht weiß, welche Geheimnisse du lieber mit in dein Grab genommen hättest, weiß ich, dass du eine starke Frau bist. Ich glaube, meinen Onkel Helswin hast du für dich gewonnen. Und den kann sonst so schnell niemand für sich gewinnen, der nicht die Kaiserin persönlich ist. Das will schon was heißen.

Die Tinte geht aus. Ich werde gleich noch einmal in die Stadt gehen, um welche zu kaufen. Ich muss mir noch ein bisschen die Füße vertreten, freue mich aber auf das Abendessen mit Lupius und ich hoffe, er freut sich auch. Denn ab morgen gehen wir ja wieder erst mal getrennte Wege. Ich werde xxxihnxxx euch vermissen. Dass ich erst mal nicht mehr zu meinen Großeltern gehen werde, nachdem sich meine Großmutter ziemlich unschön über den Feldzug ausgelassen hat, soll dir Lupius erzählen. Er war ja dabei.

Fühl dich von mir tausendfach gedrückt und geherzt.

Wenn du willst, schreib doch zurück. Ich erwarte aber nichts, hörst du. Denn wir sehen uns im TSA. Und dann werde ich dich in meine Arme schließen und mit dir weinen und lachen. Ich freue mich darauf.

in Liebe, deine kleine Schwester

Ira



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