Auftritt der Gänseschar - die Altenberger kommen!

Kapitel 4-4: Auftritt der Gänseschar - die Altenberger kommen!

Nachdem die Gäste endlich in ihre Pavillonen Platz genommen und ein wenig Kurzweil betrieben hatten, setzten sich die Gastgeber in Bewegung. In der Zwischenzeit lag es an der Küchenmeisterin Victualia die Besucher bei Laune zu halten und so schlug sie die Fässer mit Wein und Bier an und scheuchte ihre Mägde und Knechte, die wie fleißige Bienen den Wünschen des Adels folge leisteten, hin und her.

Nordrun, die Bardin, ging in das bunte Zelt, wo die Musikanten, Bänkelsänger und Doratrava, die Gauklerin, auf sie warteten. Mit einem kurzen Wink an die Truppe, setzten sich alle in Bewegung und bauten sich vor dem Zelt auf.

Zur selben Zeit ging Rahjel zum Treppenabsatz des Altenberger Pavillons und schaute in die Runde. Wie es schien lief alles nach Zeitplan. Ihm selbst war die Zeit eher unwichtig. Ein Fest sollte mit der Stimmung der Feiernden einhergehen und nicht mit einem starren Ablaufplan. Allerdings mußte er hier ein Kompromiss schließen. Dieses Fest, die Brautschau, stand nicht gänzlich unter dem Segen der Liebesgöttin, sonders musste sich diese mit Travia und Praios teilen und so kamen Züchtigkeit und Ordnung mit ins Spiel. Der Rahjageweihte holte tief Luft und wartete.

Die heiße Mittagssonne schien über Herzogenfurt und nur das Krächzen eines Raben störte diesen Moment der Ruhe. Flora vom Lilienhain, die Tochter Rahjagoras, betrat die Festwiese. Ihre Mutter Nordrun verstand dies als Zeichen und begann mit ihren Musikanten, ´Die Gänsepfeiffer´, das fröhliche Lied vom “ ´Walz der Gänse´ von ´Traviata Schnurrz´ zu spielen.

Doratrava hatte keine Zeit gehabt, sich nochmals umzuziehen. Das rote, knappe Kleid, dass sie trug, war eigentlich kein ausgesprochenes Tanzkostüm, aber es würde nun genügen müssen. Irgendwie verspürte sie tief versteckt in ihrem Inneren eine diebische Freude dabei, dem traviagefälligen Lied eine nicht zu übersehende rahjanische Note zu verleihen. Ihre Sandalen hatte die Gauklerin im bunten Zelt gelassen, denn wann immer es möglich war, tanzte sie barfuß. Nur, wenn sie den Boden unter den Füßen spürte, konnte sie wirklich die Einheit mit ihm bilden, die nötig war, um vollständige Kontrolle über ihre Schritte zu haben, und hier im Gras der Festwiese musste sie wohl auch keine spitzen Steine befürchten. Doratrava ließ die Musiker und Sänger Aufstellung nehmen und hielt sich zunächst ein kleines Stück hinter der Gruppe auf, so dass ihre Anwesenheit im ersten Moment gar nicht jedem auffiel. Doch mit dem ersten Takt nahm sie Anlauf, sprang in einen Handstandüberschlag, der in einem Salto über die Gruppe der Spielleute hinweg führte, so dass sie direkt vor diesen wieder auf dem Boden aufkam. Das war nicht mit diesen abgesprochen gewesen, da ihr das eben spontan eingefallen war, so dass der Flöte Gertas tatsächlich ein falscher Ton entfleuchte, doch zum Glück fingen sich die Musikanten schnell wieder, und Doratrava tanze eine Variation des Tanzes, welchen sie während der Übungen mit denselben entwickelt hatte. Was ihr knappes Kleid an fliegenden Röcken vermissen ließ, machte sie mit der ihr eigenen Exotik, Anmut und Kunstfertigkeit, gepaart mit ihrem strahlenden Publikumslächeln, mehr als wett, und mehr als einem der Zuschauer drängte sich der Vergleich mit einem fröhlich im Sonnenschein von Blüte zu Blüte flatternden Schmetterling auf, wie sie so ihre Kreise und Figuren mal hierhin und mal dorthin drehte, bis das Stück schließlich zu einem Ende kam und Doratravas letzte Schritte in eine schwer atmende Verbeugung mündeten.

Nachdem einige Sekunden absolute Stille geherrscht hatte zog Lininaj Corwyn am Rock und flüsterte ihm zu “warum jubelt denn keiner? Darf man das hier nicht? Die Tänzerin war doch toll!” “Wenn du willst dann darfst du jubeln, aber ich denke das hier ist nicht zu RAHjas Ehren sondern zu TRAvias Ehren gespielt worden.” “Und TRAvia ist nicht so impulsiv wie RAHja.” erwiderte die Schülerin leise, “also ist es besser nicht zu jubeln, richtig?” Mit einem zustimmenden Nicken strich Corwyn ihr über den Kopf. “Richtig. Aber ich denke die Tänzerin und die Musikanten freuen sich trotzdem über ein Lob. Zumindest ein leises.” Dann klatschte er leise und hörte erst auf als Doratrava sich wieder aufgerichtet hatte sein freundlichen Zunicken bemerkt hatte. Lininaj tat es ihm gleich. Für den Moment fühlte Doratrava eine Leere in sich, als sie sich aufrichtete, weil die Gäste kaum Notiz von der Darbietung der Musiker, Sänger und ihrer eigenen zu nehmen schienen. Das war sie nicht gewohnt, selbst auf dem Platz vor der Taverne eines kleinen Dorfes applaudierten die wenigen Menschen, die sich dort manchmal zusammenfanden, wenn die Gauklerin an einem regnerischen Tag ihre Aufwartung machte und die einfachen Leute erfreute - oder sie erschreckten sich vor ihrer ungewöhnlichen Erscheinung, das kam auch gelegentlich vor. Da bemerkte sie einen stattlichen Mann in grün-gelber Gewandung und ein Mädchen in einem grünen Kleid, welche sehr dezent in die Hände klatschten und freundlich den Kopf in ihre Richtung neigten. Das tröstete Doratrava ein wenig über den ungewohnten Mangel an Aufmerksamkeit hinweg und sie winkte ebenso dezent zu den beiden hinüber und zwinkerte ihnen zu. „Darf ich?“ Lininaj wippte unruhig auf den Zehenspitzen. „Oh du Floh. Lauf los und benehme dich wie es ein Barde tut.“ manchmal war der Ritter froh, eine noch so junge Schülerin zu haben, die ihr Herz so offen tragen durfte. Das Mädchen rannte auf die Gauklerin zu. „Ihr seid ein wahrlich rahjagefälliger Anblick im travianisch klingenden Rausch der Musik gewesen“, rief sie laut, wenn auch leicht über die Worte stolpernd über den Platz bevor sie kurz vor Doratrava mit einer theatralischen Geste stehen blieb und die Arme ausbreitete, um anschließend voller Inbrunst auszurufen: „Welch eine wundervolle Darbietung! Welch ein Auge, Ohr und Herz erfreuender Moment!“ Nur Doratrava bemerkte das kurze genervte Augenverdrehen des Mädchens, bevor dieses sich auf ein Knie sinken ließ und „Danke! Euch und euren Musikern!“ rief, während es die Hände wie verzaubert sich ans Herz presste.

Ziemlich überrumpelt starrte Doratrava das junge Mädchen an und wusste erst nicht, ob sie hier gerade Opfer eines Scherzes wurde. Allzu theatralisch wirkte das Gebaren der jungen Dame, doch ein Blick in ihre glänzenden Augen belehrte die Gauklerin eines Besseren. Da ließ sie sich selbst in die Hocke sinken und fasste das Mädchen an den Armen, um es mit hochzuziehen, als sie wieder aufstand. “Hab Dank für deine freundlichen Worte”, sprach Doratrava mit einem herzlichen, leicht verlegenen Lächeln. Wahrscheinlich war das Mädchen auch eine Adlige, aber der Gauklerin wollte das ‘Ihr’ für so ein junges DIng nicht über die Lippen kommen. “Wie heißt du denn - und ist das dein Vater?” Sie deutete auf den grün-gelb gekleideten Mann, der aufmerksam zu ihnen herübersah. “Ich bin Lininaj und das dort ist Corwyn.” der Arm des Mädchen deutete zu dem jungen Ritter am Rand des Rundes. “Mir hat gefallen was du vorgetragen hast. Du hast wie wir RAHja in deinem Herzen ausgewählt. Da ist doch egal wenn alle anderen hier TRAvia viel toller finden. Wer RAHja mag den mag ich. Vielleicht kannst du mir ja zeigen wie du das mit dem Tanzen machst. Das bringt Meister Corwyn mir nämlich nicht bei.” Die junge Dame schien kurz zu überlegen, dann blickte sie über die Musiker der Gänsepfeiffer. “Wenn die Musiker dich nicht mehr brauchen, dann besuche mich und Corwyn doch mal. Wir haben unser Zelt auf dem Zeltplatz. Das gelbgrüne neben dem blauweisen von Vitold.” Nach einer Verbeugung verschwand Lininaj breit grinsend wieder im Publikum bei Corwyn, der kopfschüttelnd, aber zufrieden dem Mädchen über den Kopf strich.

Fedora begann nach der Darbietung der Tänzerin und der Gänsepfeiffer zögerlich zu klatschen, bevor nach und nach auch die anderen Gäste und Anwesenden, sowie die Gastgeber in den Applaus einfielen.

Überrascht schaute Doratrava auf. Sie hatte nicht mehr mit dem Applaus gerechnet, doch plötzlich hatte diese ältere, edel gekleidete Frau begonnen zu klatschen, vielleicht als Reaktion auf die überschäumende Lobpreisung des Mädchens? Das hatte wohl nach und nach die anderen Gäste und sogar die Gastgeber animiert. Erfreut verbeugte sich Doratrava erneut in alle Richtungen und wies in einer weit ausholenden Geste auch auch die Musiker und Sänger, die den Applaus ebenso verdient hatten wie sie.

Rahjalind beobachtete die Gauklerin, mit der sie sich zuvor noch nett unterhalten hatte ganz genau. Die junge Novizin war, was das Tanzen anging, ja quasi vom Fach und dennoch, oder gerade deswegen, bestand Doratrava vor ihrem kritischen Blick und brachte die junge Adelige durch ihre Leistung dazu anerkennend zu nicken.

Schon nach den ersten Takten erschien die Traube von Menschen, angeführt von seiner Hochwürden Winrich von Altenberg - Sturmfels, auf der Festwiese. Der siebzigjährige, untersetzte Hochgeweihte, trug sein voll ergrautes Haar zu einem Almadanerzopf, sein gestutzter Vollbart umrahmte sein freundliches Gesicht und seine orange-braune Robe saß akkurat. Direkt hinter ihm ging seiner Ehrwürden Ademar von Leihenhof, der Praiosgeweihte der Hagrobald vom Großen Fluß zum Herzog krönte. Der junge Mann war hochgewachsen, hatte klare Gesichtszüge und trug seine mittelblonden Haare halblang. Die rotgoldene Robe und halbhohe Filzmütze waren aufwendig geschnitten und die zwei Spährenkugeln am Gürtel blinkten in der Sonne. Mit stolzen Gang und das Lied der Walz auf den Lippen schritt Vater Winrich voran und führte die Schar seiner Familie direkt zum großen Pavillon. Vierzehn Altenberger, neun Heiratskandidaten und ihre Eltern, hatten sich herausgeputzt und nahmen unter den neugierigen Blicken der Gäste an ihrer langen Tafel unter dem Sonnenschutz des Pavillons platz. Der Einen oder dem Anderen gelang es jetzt schon einen kurzen Blick auf die etwas auffälligeren Kandidaten zu erhaschen, wie etwa die recht korpulente Praiosgeweihte, die große, breitschultrige Frau mit dem flammend-roten Haar oder der gutaussehende Höfling im prunkvollen Gewandt.

Der Junker von Trollpforz erhob sich, als er sah, dass die Heiratskandidaten und -kandidatinnen kamen. Mit vor der Brust verschränkten Armen musterte er die Schar derer von Altenberg aufmerksam bis er sie sah, jene Frau wegen der er die lange Reise auf sich genommen hatte- Sabea. Thankreds Augen folgten ihr verzückt, bis sie sich an die lange Tafel setzte. Auch Rondradin verfolgte gespannt den Auftritt der Altenberger. Sein Herz schlug schneller als er Gelda ausmachen konnte. ‘Wie schön sie doch war.’ Wie gebannt folgten die Augen seiner großen - unerreichbaren - Liebe. Er unterdrückte einen Seufzer und zwang sich den Blick etwas anderem zuzuwenden, bevor er doch noch etwas Dummes tat. “Wahrlich liebreizend.” murmelte er leise.

Rahjalind erfreute sich an der Optik des Aufmarsches der Altenberger Kandidaten. Sie waren allesamt hübsch anzusehen und ihre Gewänder und Frisuren waren aufwendig. Dennoch konnte sie diesem Prozedere nicht viel abgewinnen. Wie auf dem Viehmarkt schienen sie der versammelten Gästeschar vorgeführt zu werden, weshalb die Rahjadienerin sich zuvorderst darauf beschränkte in die Gesichter der jungen Männer und Frauen zu blicken. Es war klar, dass einige davon begeisterter waren als andere. Die Novizin schüttelte ihr Haupt. Sie fühlte Mitleid in sich aufsteigen und nahm sich vor mit einzelnen Kandidaten das Gespräch zu suchen. Nicht unbedingt um zu werben, sondern weil sie sich denken konnte, dass einigen zum Reden zumute war.

Andesine hatte die Hände brav vor ihrem Schoß gefaltet und betrachtete nun die vorbeiziehenden Mitglieder der Familie Altenberg. Ihr Hauptaugenmerk lag dabei auf diesen gutaussehenden Höfling. Das musste wohl Elvan von Altenberg sein, von dem Rondradin gesprochen hatte. Nett anzusehen war er ja, aber - sie warf dem neben ihr stehenden Linnart einen raschen Blick zu - was war mit dem Rest? Sie trat näher an den Bannstrahler heran und flüsterte in dessen Ohr. “Na, was meint Ihr zu den Damen derer von Altenberg? Ist da jemand auf den ich eifersüchtig sein müsste?” Linnart schenkte ihr auf diese Frage hin ein vielsagendes Lächeln. Er kannte die Familie Altenberg nicht und hatte sich demnach auch noch kein Bild von den Teilnehmern machen können. Der Ablauf des Aufmarsches sagte ihm jedoch nicht ganz zu, was ein leichtes Zucken seiner Mundwinkel belegte. Das letzte Mal hatte er eine solche Inszenierung am Rossmarkt in Elenvina gesehen, als man die Zuchtstuten vor den potenziellen Käufern im Kreis geführt hatte. Ja, seine Familie war weit weg davon perfekt zu sein oder vom Gros der Adeligen des Herzogtums als wertvolles Mitglied der Adelschaft anerkannt zu werden, doch insgeheim war der Ritter froh darüber, dass ihm solcherlei Dinge erspart blieben. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens, in welcher er die Damen der Familie Altenberg eingehend beäugt hatte, wog Linnart nachdenklich seinen Kopf. In der Tat gab es zwei Frauen, deren Anblick seinem Auge schmeichelten. Eine äußerst attraktive junge Dame mit hellbraunem Haar und einnehmenden Augen, die nach Ärger aussah, was ihn jedoch stets gereizt hatte. Und dann auch noch ein zierliches Mädchen mit kastanienrotem Haar und grünen Augen. Ihre Körpersprache war das komplette Gegenteil der anderen, wirkte sie in erster Linie doch züchtig und freundlich. Wohl eine junge Frau, die sofort reißaus nehmen würde, wenn sie vor seine Mutter trat, während erstere Adda wohl bis aufs Blut ärgern würde. Der Blick des Bannstrahlers ging nun wieder zurück Andesine. Er schenkte ihr ein warmes Lächeln. "Ihr müsst nicht eifersüchtig sein, Andesine. Nirgends lieber wäre in diesem Moment als hier bei Euch." Sein Blick ging noch einmal hinunter zu den Altenbergern. "Was jedoch nicht heißt, dass ich Euch von den anderen Männern abhalten möchte." Linnart wusste, dass er kein Recht dazu hatte eifersüchtig zu sein, obwohl er natürlich nicht glücklich darüber wäre wenn sich die Wasserthalerin auch noch anderweitig umzusehen gedachte.

Als die anderen Gäste wieder ihre Sitzplätze einnahmen, hielt die Wasserthalerin den Bannstrahler zurück. “Bitte wartet.” Sie wirkte ungewöhnlich ernst, als sie Linnart musterte. “Ich werde mich heute noch mit anderen Männern unterhalten und ich erwarte, dass Ihr ebenfalls mit einigen der anwesenden Damen sprechen werdet. Schließlich wird das von uns erwartet.” Um einem Einwand zuvorzukommen, legte sie ihren Finger auf seinen Mund. “Aber seid versichert, keinem wird es gelingen mein Herz zu erobern. Denn wisst ihr?” Plötzlich wirkte sie ein wenig verlegen, aber auch wenn ihre Wangen sich röteten, sie hielt seinem Blick stand und ihre blauen Augen schienen von einem inneren Feuer zu strahlen. “Es wurde mir bereits geraubt. Und sollte dieser Schuft mir heute Abend seines schenken, dann darf er das meine behalten und ich werde ihm erzählen, weshalb ich vor ihm Reißaus nahm.”

Linnart sah sie einige Momente lang wortlos an. Das eben gesagte hatte ihm gewissermaßen die Sprache verschlagen und der sonst so vokale Bannstrahler war bereits zum zweiten Mal an diesem Tage sprachlos. Und beide Male war sein Gegenüber der Grund dafür gewesen. Würde Rahjalind ihn in diesem Moment so sehen, dann hätte er wohl schon längst eine schnippische Bemerkung und ihr glockenhelles Lachen zu hören bekommen. Es war ein besonderer Moment und gerne hätte er die Ritterin an sich herangezogen und geküsst, doch war es richtig was sie sagte. Es wurde von ihnen erwartet, dass sie sich als Gäste der Brautschau auch als solche verhielten. Das gebot alleine schon der Respekt vor den Gastgebern. Andesine konnte in seinem Blick jedoch ganz deutlich erkennen, dass es dem Ritter wohl genauso ging wie ihr. Linnart nickte ihr zu. "Wenn ich es dir noch einmal schenken könnte würde ich das tun", flüsterte er, griff nach ihrer Hand, drückte sie fest mit der seinen und legte sie dann auf seine Brust. “Leider habe ich nur eines und das gehört bereits dir.”

Andesines Herz setzte für einen Moment aus, nur um dann doppelt so schnell zu schlagen. In seinen Augen suchte sie Zeichen dafür, dass Linnart es wirklich ernst meinte und fand diese auch. Ihr Augen - nein ihr ganzes Wesen - schien zu strahlen. “Ich liebe dich.” Sie küsste die Fingerspitzen ihrer Linken und legte sie alsdann auf die Lippen Linnarts. Zu gern hätte die Ritterin den, nein, IHREN Ritter einen intensiven, leidenschaftlichen, nie enden wollenden Kuss geschenkt, aber das verbot sich derzeit noch. “Später.” sagte sie leise, sowohl zu Linnart als auch zu sich selbst. Sie zog sich wieder etwas von ihm zurück, aber ihr Blick versprach, dass sich das Warten lohnen würde. “Komm, lass uns wieder zurück gehen.”

Linnart nickte ihr zu. Es kam ihm nicht ganz ungelegen, dass sich die beiden nun wieder auf ihre Plätze begaben und er so ein paar Momente Zeit hatte um seine Gedanken zu ordnen. So schön es war, was Andesine zu ihm gesagt hatte ... es machte ihm ein bisschen Angst. Der junge Ritter hatte stets Liebschaften. Er war es gewohnt, dass Frauen ihn anhimmelten, doch hielt er sie stets auf Distanz. Er ließ keine davon nahe an sich heran, oder gar in sein Herz. Und jetzt sandte ihm Rahja auf einer Veranstaltung, die er gar nicht besuchen wollte, solch ein wunderbares Geschöpf und all das was er bisher über sich selbst zu wissen gedachte, war in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt. Die Situation verselbständigte sich vor seinen Augen und Linnart schien nicht mehr der Herr über seine Handlungen und Taten zu sein - nein, es fühlte sich ganz so an als hätte sich eine andere Macht seines Herzens bemächtigt und sein Kopf würde sich von nun an mit der Zuschauerrolle zufrieden geben müssen. Als sie sich wieder gesetzt hatten, strahlte der Bannstrahler die Ritterin mit seltsam glänzenden Augen an. Er küsste ihren Handrücken. "Ich ... ich ...", stammelte der sonst so beredte Ritter, "... ich weiß nicht was ich sagen soll." Auch wenn er es nicht sagen konnte, Andesine konnte in diesem Moment seine Gefühle deutlich spüren. "Ich möchte dich meiner Familie vorstellen wenn das hier vorbei ist." Linnart wusste, dass dies noch eine Hürde für eine gemeinsame Zukunft gewesen war. Nicht weil seine Eltern sich dagegen stellen könnten, nein, dahingehend war seine Familie eben nicht so wie viele andere Adelsgeschlechter. Ihm ging es mehr darum, dass Andesine mit den Eindrücken in Linnartstein vielleicht nicht zurecht kommen konnte.

Sie lächelte ob Linnarts Gestammels, das ihn in Andesines Augen noch liebenswerter machte. Liebevoll strichen ihre Fingerspitzen über seine Wange. “Aber natürlich! Ich würde sehr gerne deine Familie kennenlernen. Außerdem möchte ich, dass du auch die meine kennenlernst.” Leise Zweifel begannen an ihr zu nagen. Was würden wohl Linnarts Eltern zu ihr sagen? Ist sie ihnen gut genug für ihren Sohn? Was würde Linnart zu Andesines Familie sagen? Ihre Familie gehörte ebenfalls zum Neuadel und sie waren bei weitem nicht so reich, wie es Familie Linnarts. Und was würde ihre Familie zu Linnart sagen? Ihr Vater wird sich für sie freuen, da war sich Andesine sehr sicher. Beim Familienoberhaupt, Dorcas von Wasserthal lag der Fall schon anders, er wollte die Familie voranbringen. Anders als die Ritterin legte dieser großen Wert auf Familienname, Rang und Titel. Ihre Hand begann leicht zu zittern. Linnart konnte die plötzlich aufkommende Unsicherheit Andesines deutlich fühlen. In seinem Gegenüber lesen zu können war für ihn berufliche Notwendigkeit und es war schwer dies im Privatleben abzustellen. "Was ist los, Liebste ...", flüsterte er ihr zu, "... möchtest du darüber reden?"

Andesine lächelte verlegen. “Es ist nichts.” Versuchte sie abzuwiegeln. “Ich habe mich nur gefragt, was wohl deine Eltern von mir halten werden. Und mein Onkel, unser Familienoberhaupt, von dir.” Ihre Hand suchte die seine, das Zittern war aber immer noch da. Der Angesprochene lächelte ihr aufmunternd zu. "Meine Eltern werden dich mögen ...", sprach der Ritter zuversichtlich, "... Mutter wird wohl ihren Augen nicht trauen können, wenn ich ihr solch einen Goldschatz vorstelle." Seine Familie würde keine Schwierigkeiten machen, da war sich Linnart sicher. "Freie Entscheidungen werden bei uns im Haus hoch gehalten. Nie würden meine Eltern auf die Idee kommen, mich in hübsche Gewänder zu stecken und einer Gruppe von Junggesellinnen vorzuführen." Er sprach es nicht aus, aber Andesine wusste genau, dass er damit die Brautschau hier meinte. "Sie werden dich akzeptieren und mögen, das kann ich dir sogar versprechen." Der junge Bannstrahler ließ abermals ein Lächeln folgen. Eigentlich war es vielmehr die Frage ob denn Andesine seine Eltern mögen würde, doch sprach er diese Bedenken vorerst nicht aus. "Was jedoch deinen Onkel angeht ...", Linnart runzelte seine Stirn, "... meinst du er würde mich nicht als ausreichend gute Partie für dich betrachten?" Eine große Last schien von der Ritterin abzufallen, ihre Miene hellte sichtlich auf und sie schaffte es sogar zu lächeln. “Deine Worte machen mir Mut, Liebster. Nun brenne ich darauf deine Eltern kennenzulernen.” Das Lächeln verblasste ein klein wenig. “Was meinen Onkel angeht, nun ja, er hat klare Vorstellungen davon, wie er die Familie voranbringen kann. Solange du kein Grafensohn oder Baronet bist, wirst du seinen Ansprüchen nicht genügen. Seine Meinung ist aber nicht ausschlaggebend. Mein Vater hingegen wird dich lieben, da bin ich mir sicher. Ihm liegt vor allem daran, dass ich glücklich bin und das ist das Wichtigste. Ich habe nur Angst, dass du dich nach dem Treffen mit meinem Onkel vielleicht von mir abwendest.”

Linnart schüttelte entschieden seinen Kopf, dann stahl sich ein kurzes Lächeln auf seine Lippen. "Sei unbesorgt. Ich ging im Kloster unter meinem Großonkel Adelhelm durch eine harte Schule. Mich schreckt das nicht ab. Wichtig ist, dass du an meiner Seite bist ...", er führte ihre Hand zu seinen Lippen und küsste den Rücken, "... und, dass du mit dem Leben glücklich bist, das ich dir bieten kann." Der Ritter stoppte und sann kurz nach. "Was deinen Onkel angeht sei gesagt, dass ich nicht nur der Sohn meines Vaters bin, der mir den Namen eines jungen, nur lokal bedeutenden Geschlechts vererbt hat, sondern auch jener meiner Mutter, die uraltem Nordmärker Adel abstammt. Es wird dir bei uns an nichts fehlen. Du wirst dich keinem Feldzug anschließen müssen, so du das nicht willst ...", betonte Linnart bezogen auf Andesines böse Erinnerungen an Mendena, "... wir können uns die in der Ochsenbluter Urkunde festgeschriebene Ersatzsteuer leicht leisten. Du wirst edle, schöne Kleider tragen, wenn dir daran gelegen ist und Feste als Gastgeberin ausrichten. Du wirst einen eigenen Haushalt haben und wenn du eine Leibzofe möchtest, bekommst du eine. Das lässt sich alles machen." Der Ritter lächelte sie verträumt an. "Es wird dir jedoch nichts aufgezwungen werden. Freiheit innerhalb der Familie ist uns wichtig und oberstes Gebot." Beinahe schien es als wollte der Linnartsteiner damit enden, als er noch einmal lächelnd nachsetzte. "Doch bei aller Freiheit verspreche ich dir, dass ich stets loyal an deiner Seite stehen werde, genauso wie ich jetzt loyal zum Herrn Praios und dem Orden stehe." Es verlangte Andesine alles ab, Linnart nicht zu küssen. Nicht wegen der schönes Lebens, welches er ihr versprach, sondern einzig und allein deshalb, weil er an ihrer Seite sein wollte. Stattdessen nahm sie seine Hand und schmiegte ihre Wange hinein. “Das einzige was ich brauche bist du, mein Herz.” meinte Andesine, ihre Augen geschlossen, ganz die Wärme und Berührung seiner Hand auf ihrer Haut genießend. Linnart fühlte ihr Verlangen und die gegenseitige Zuneigung in diesem Moment ganz deutlich. Er genoss es, doch es marterte ihn auch zu wissen, dass er in diesem Moment seine Hände und Lippen von ihr lassen musste. Der Ritter blickte sich um. Überall schienen die Gäste damit beschäftigt zu sein Gespräche zu führen, oder von den Häppchen zu kosten. Er biss sich auf seine Unterlippe. "Und jetzt ...", flüsterte er, "... sollen wir uns ... umsehen?" Es schmerzte ihn sie gehen zu lassen, auch wenn es nur für einen kurzen Zeitraum sein sollte, doch sie mussten den Schein wahren - so hatten sie es besprochen.

Schweren Herzens nickte Andesine. Linnart hatte recht, sie sollten sich unter die Leute mischen, so schwer es ihr fallen würde, ihn - vorerst - loszulassen. Auf der anderen Seite fiel es ihr in Linnarts Nähe immer schwerer, ihn nicht zu küssen oder körperliche Nähe zu suchen. Seufzend richtete sie sich auf. “Du hat recht, das sollten wir wohl tun.” Es hatte keinen Sinn noch länger zu verweilen, es würde nicht leichter werden. “Später soll es die Möglichkeit geben frei durch den Park zu schlendern. Treffen wir uns dann beim Rahja-Schrein?” Der Ritter erhob sich aus seinem Stuhl und nickte ihr bitter lächelnd zu. Am Liebsten würde er wohl jetzt schon zum Schrein aufbrechen. "Bevor du gehst ...", hielt Linnart sie noch kurz auf und zog sich einen weißgoldenen Ring von seinem kleinen Finger, "... als Versprechen und damit du mich nicht vergisst." Er nahm Andesines schlanke Hand in die seine und schob ihr das kunstvolle Kleinod sachte auf den Daumen. Es passte. "Rahjaschrein ...", bestätigte der junge Bannstrahler dann, "... ich freue mich darauf." Überrascht starrte Andesine erst Linnart, dann den Ring und schlussendlich wieder Linnart an. “Ich weiß nicht was ich sagen soll. Vielen Dank!” Sie überbrückte die Distanz zwischen ihnen, so dass er den Duft von Lavendel wahrnehmen konnte, der von ihr ausging. und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. “Wie könnte ich dich jemals vergessen?”, flüsterte die Ritterin liebevoll in sein Ohr und biss zärtlich in sein Ohrläppchen. Als sie wegging, warf sie ihm noch einen letzten verliebten Blick zu, dann wurde sie von anderen Gästen verdeckt.

Nachdem wieder Ruhe einkehrte, stellte sich der Hochgeweihte der Travia zusammen mit dem Geweihten des Praios und dem Geweihten der Rahja in die Mitte des Pavillon, so dass alle Gäste sie sehen konnten. Vater Winrich öffnete einladend seine Arme und erhob seine Stimme, so dass alle ihn hören konnten.

“Oh heilige Travia, oh gütige Mutter. Siehe auf uns herab, denn dein Ruf wurde vernommen. Aus allen Teilen des Reiches sind sie angereist, um hier als Gast im Kreise der Familie Altenberg einen Gefährten für den Lebensbund zu finden, um Freundschaften zu schließen und Treue zu schwören. Mit dem Segen des Götterfürsten Praios, der gütigen Mutter Travia und der liebholden Rahja heiße ich euch alle auf dieser Brautschau willkommen.“ Er machte eine Pause, während ein laues Windchen die Planen des Sonnenschutzes der Pavillons kurz zum Aufblähen brachte. “Zur Rondrastunde werden wir mit dem Vorstellen der Junggesellinnen und Junggesellen beginnen. Bis dahin stehen ich und meine Brüder im Glauben, Ehrwürden Ademar von Leihenhof und seiner Gnaden Rahjel von Albenhus, für jeden zur Verfügung, den es um geistigen Beistand bedarf.” Mit zufriedenen Blick gab Vater Winrich der Bardin ein Zeichen und die ´Gänsepfeiffer´ begann wieder an zu spielen. Langsam schritten die drei Geweihte die Holztreppe herunter und warteten in der Mitte des Platzes, ob es jemanden gab, der ihre Nähe suchte.


Der Baron von Galebquell war verärgert. Wenn es etwas gab das er verachtete, war es Unpünktlichkeit. Und ausgerechnet betraf es diesmal ihn uns seine Familie. Unglücklicherweise gab es einen Radbruch der Kutsche die ihn und seine Familienmitglieder nach Herzogenfurt brachte. Eigentlich wollte er zu Pferd kommen, doch seine geliebte Gemahlin Jileia stimmte ihn um, des Anlasses wegen, etwas vornehmes zu wählen. Allerdings war das Kind nun in den Brunnen gefallen und es blieb ihm nichts anderes übrig als diese zur Eile zu ermahnen. Viel Zeit gab er ihnen nicht, sich auf Burg Herzogenfurt einzuleben und herzurichten, die Tore des Garten waren bereits geöffnet. Mit schnellen Schrittes voranschreiten, folgten ihm seine Vetter Lucrann und die Geschwister Lucasta und Ingeras, sowie sein Knappe, der junge Adamar von Firnholz. Am Tor wurden sie dann von einem Diener zur Festwiese geleitet und auf ihre Sitzplätze geleitet. Ein letzter strenger Blick an seine jüngeren Verwandten machten klar: ´Benehmt euch!´