Auftritt der Gänseschar - die Altenberger kommen!

Kapitel 4-4: Auftritt der Gänseschar - die Altenberger kommen!

Nachdem die Gäste endlich in ihre Pavillonen Platz genommen und ein wenig Kurzweil betrieben hatten, setzten sich die Gastgeber in Bewegung. In der Zwischenzeit lag es an der Küchenmeisterin Victualia die Besucher bei Laune zu halten und so schlug sie die Fässer mit Wein und Bier an und scheuchte ihre Mägde und Knechte, die wie fleißige Bienen den Wünschen des Adels folge leisteten, hin und her.

Nordrun, die Bardin, ging in das bunte Zelt, wo die Musikanten, Bänkelsänger und Doratrava, die Gauklerin, auf sie warteten. Mit einem kurzen Wink an die Truppe, setzten sich alle in Bewegung und bauten sich vor dem Zelt auf.

Zur selben Zeit ging Rahjel zum Treppenabsatz des Altenberger Pavillons und schaute in die Runde. Wie es schien lief alles nach Zeitplan. Ihm selbst war die Zeit eher unwichtig. Ein Fest sollte mit der Stimmung der Feiernden einhergehen und nicht mit einem starren Ablaufplan. Allerdings mußte er hier ein Kompromiss schließen. Dieses Fest, die Brautschau, stand nicht gänzlich unter dem Segen der Liebesgöttin, sonders musste sich diese mit Travia und Praios teilen und so kamen Züchtigkeit und Ordnung mit ins Spiel. Der Rahjageweihte holte tief Luft und wartete.

Die heiße Mittagssonne schien über Herzogenfurt und nur das Krächzen eines Raben störte diesen Moment der Ruhe. Flora vom Lilienhain, die Tochter Rahjagoras, betrat die Festwiese. Ihre Mutter Nordrun verstand dies als Zeichen und begann mit ihren Musikanten, ´Die Gänsepfeiffer´, das fröhliche Lied vom “ ´Walz der Gänse´ von ´Traviata Schnurrz´ zu spielen.

Doratrava hatte keine Zeit gehabt, sich nochmals umzuziehen. Das rote, knappe Kleid, dass sie trug, war eigentlich kein ausgesprochenes Tanzkostüm, aber es würde nun genügen müssen. Irgendwie verspürte sie tief versteckt in ihrem Inneren eine diebische Freude dabei, dem traviagefälligen Lied eine nicht zu übersehende rahjanische Note zu verleihen. Ihre Sandalen hatte die Gauklerin im bunten Zelt gelassen, denn wann immer es möglich war, tanzte sie barfuß. Nur, wenn sie den Boden unter den Füßen spürte, konnte sie wirklich die Einheit mit ihm bilden, die nötig war, um vollständige Kontrolle über ihre Schritte zu haben, und hier im Gras der Festwiese musste sie wohl auch keine spitzen Steine befürchten. Doratrava ließ die Musiker und Sänger Aufstellung nehmen und hielt sich zunächst ein kleines Stück hinter der Gruppe auf, so dass ihre Anwesenheit im ersten Moment gar nicht jedem auffiel. Doch mit dem ersten Takt nahm sie Anlauf, sprang in einen Handstandüberschlag, der in einem Salto über die Gruppe der Spielleute hinweg führte, so dass sie direkt vor diesen wieder auf dem Boden aufkam. Das war nicht mit diesen abgesprochen gewesen, da ihr das eben spontan eingefallen war, so dass der Flöte Gertas tatsächlich ein falscher Ton entfleuchte, doch zum Glück fingen sich die Musikanten schnell wieder, und Doratrava tanze eine Variation des Tanzes, welchen sie während der Übungen mit denselben entwickelt hatte. Was ihr knappes Kleid an fliegenden Röcken vermissen ließ, machte sie mit der ihr eigenen Exotik, Anmut und Kunstfertigkeit, gepaart mit ihrem strahlenden Publikumslächeln, mehr als wett, und mehr als einem der Zuschauer drängte sich der Vergleich mit einem fröhlich im Sonnenschein von Blüte zu Blüte flatternden Schmetterling auf, wie sie so ihre Kreise und Figuren mal hierhin und mal dorthin drehte, bis das Stück schließlich zu einem Ende kam und Doratravas letzte Schritte in eine schwer atmende Verbeugung mündeten.

Nachdem einige Sekunden absolute Stille geherrscht hatte zog Lininaj Corwyn am Rock und flüsterte ihm zu “warum jubelt denn keiner? Darf man das hier nicht? Die Tänzerin war doch toll!” “Wenn du willst dann darfst du jubeln, aber ich denke das hier ist nicht zu RAHjas Ehren sondern zu TRAvias Ehren gespielt worden.” “Und TRAvia ist nicht so impulsiv wie RAHja.” erwiderte die Schülerin leise, “also ist es besser nicht zu jubeln, richtig?” Mit einem zustimmenden Nicken strich Corwyn ihr über den Kopf. “Richtig. Aber ich denke die Tänzerin und die Musikanten freuen sich trotzdem über ein Lob. Zumindest ein leises.” Dann klatschte er leise und hörte erst auf als Doratrava sich wieder aufgerichtet hatte sein freundlichen Zunicken bemerkt hatte. Lininaj tat es ihm gleich. Für den Moment fühlte Doratrava eine Leere in sich, als sie sich aufrichtete, weil die Gäste kaum Notiz von der Darbietung der Musiker, Sänger und ihrer eigenen zu nehmen schienen. Das war sie nicht gewohnt, selbst auf dem Platz vor der Taverne eines kleinen Dorfes applaudierten die wenigen Menschen, die sich dort manchmal zusammenfanden, wenn die Gauklerin an einem regnerischen Tag ihre Aufwartung machte und die einfachen Leute erfreute - oder sie erschreckten sich vor ihrer ungewöhnlichen Erscheinung, das kam auch gelegentlich vor. Da bemerkte sie einen stattlichen Mann in grün-gelber Gewandung und ein Mädchen in einem grünen Kleid, welche sehr dezent in die Hände klatschten und freundlich den Kopf in ihre Richtung neigten. Das tröstete Doratrava ein wenig über den ungewohnten Mangel an Aufmerksamkeit hinweg und sie winkte ebenso dezent zu den beiden hinüber und zwinkerte ihnen zu. „Darf ich?“ Lininaj wippte unruhig auf den Zehenspitzen. „Oh du Floh. Lauf los und benehme dich wie es ein Barde tut.“ manchmal war der Ritter froh, eine noch so junge Schülerin zu haben, die ihr Herz so offen tragen durfte. Das Mädchen rannte auf die Gauklerin zu. „Ihr seid ein wahrlich rahjagefälliger Anblick im travianisch klingenden Rausch der Musik gewesen“, rief sie laut, wenn auch leicht über die Worte stolpernd über den Platz bevor sie kurz vor Doratrava mit einer theatralischen Geste stehen blieb und die Arme ausbreitete, um anschließend voller Inbrunst auszurufen: „Welch eine wundervolle Darbietung! Welch ein Auge, Ohr und Herz erfreuender Moment!“ Nur Doratrava bemerkte das kurze genervte Augenverdrehen des Mädchens, bevor dieses sich auf ein Knie sinken ließ und „Danke! Euch und euren Musikern!“ rief, während es die Hände wie verzaubert sich ans Herz presste.

Ziemlich überrumpelt starrte Doratrava das junge Mädchen an und wusste erst nicht, ob sie hier gerade Opfer eines Scherzes wurde. Allzu theatralisch wirkte das Gebaren der jungen Dame, doch ein Blick in ihre glänzenden Augen belehrte die Gauklerin eines Besseren. Da ließ sie sich selbst in die Hocke sinken und fasste das Mädchen an den Armen, um es mit hochzuziehen, als sie wieder aufstand. “Hab Dank für deine freundlichen Worte”, sprach Doratrava mit einem herzlichen, leicht verlegenen Lächeln. Wahrscheinlich war das Mädchen auch eine Adlige, aber der Gauklerin wollte das ‘Ihr’ für so ein junges DIng nicht über die Lippen kommen. “Wie heißt du denn - und ist das dein Vater?” Sie deutete auf den grün-gelb gekleideten Mann, der aufmerksam zu ihnen herübersah. “Ich bin Lininaj und das dort ist Corwyn.” der Arm des Mädchen deutete zu dem jungen Ritter am Rand des Rundes. “Mir hat gefallen was du vorgetragen hast. Du hast wie wir RAHja in deinem Herzen ausgewählt. Da ist doch egal wenn alle anderen hier TRAvia viel toller finden. Wer RAHja mag den mag ich. Vielleicht kannst du mir ja zeigen wie du das mit dem Tanzen machst. Das bringt Meister Corwyn mir nämlich nicht bei.” Die junge Dame schien kurz zu überlegen, dann blickte sie über die Musiker der Gänsepfeiffer. “Wenn die Musiker dich nicht mehr brauchen, dann besuche mich und Corwyn doch mal. Wir haben unser Zelt auf dem Zeltplatz. Das gelbgrüne neben dem blauweisen von Vitold.” Nach einer Verbeugung verschwand Lininaj breit grinsend wieder im Publikum bei Corwyn, der kopfschüttelnd, aber zufrieden dem Mädchen über den Kopf strich.

Fedora begann nach der Darbietung der Tänzerin und der Gänsepfeiffer zögerlich zu klatschen, bevor nach und nach auch die anderen Gäste und Anwesenden, sowie die Gastgeber in den Applaus einfielen.

Überrascht schaute Doratrava auf. Sie hatte nicht mehr mit dem Applaus gerechnet, doch plötzlich hatte diese ältere, edel gekleidete Frau begonnen zu klatschen, vielleicht als Reaktion auf die überschäumende Lobpreisung des Mädchens? Das hatte wohl nach und nach die anderen Gäste und sogar die Gastgeber animiert. Erfreut verbeugte sich Doratrava erneut in alle Richtungen und wies in einer weit ausholenden Geste auch auch die Musiker und Sänger, die den Applaus ebenso verdient hatten wie sie.

Rahjalind beobachtete die Gauklerin, mit der sie sich zuvor noch nett unterhalten hatte ganz genau. Die junge Novizin war, was das Tanzen anging, ja quasi vom Fach und dennoch, oder gerade deswegen, bestand Doratrava vor ihrem kritischen Blick und brachte die junge Adelige durch ihre Leistung dazu anerkennend zu nicken.

Schon nach den ersten Takten erschien die Traube von Menschen, angeführt von seiner Hochwürden Winrich von Altenberg - Sturmfels, auf der Festwiese. Der siebzigjährige, untersetzte Hochgeweihte, trug sein voll ergrautes Haar zu einem Almadanerzopf, sein gestutzter Vollbart umrahmte sein freundliches Gesicht und seine orange-braune Robe saß akkurat. Direkt hinter ihm ging seiner Ehrwürden Ademar von Leihenhof, der Praiosgeweihte der Hagrobald vom Großen Fluß zum Herzog krönte. Der junge Mann war hochgewachsen, hatte klare Gesichtszüge und trug seine mittelblonden Haare halblang. Die rotgoldene Robe und halbhohe Filzmütze waren aufwendig geschnitten und die zwei Spährenkugeln am Gürtel blinkten in der Sonne. Mit stolzen Gang und das Lied der Walz auf den Lippen schritt Vater Winrich voran und führte die Schar seiner Familie direkt zum großen Pavillon. Vierzehn Altenberger, neun Heiratskandidaten und ihre Eltern, hatten sich herausgeputzt und nahmen unter den neugierigen Blicken der Gäste an ihrer langen Tafel unter dem Sonnenschutz des Pavillons platz. Der Einen oder dem Anderen gelang es jetzt schon einen kurzen Blick auf die etwas auffälligeren Kandidaten zu erhaschen, wie etwa die recht korpulente Praiosgeweihte, die große, breitschultrige Frau mit dem flammend-roten Haar oder der gutaussehende Höfling im prunkvollen Gewandt.

Der Junker von Trollpforz erhob sich, als er sah, dass die Heiratskandidaten und -kandidatinnen kamen. Mit vor der Brust verschränkten Armen musterte er die Schar derer von Altenberg aufmerksam bis er sie sah, jene Frau wegen der er die lange Reise auf sich genommen hatte- Sabea. Thankreds Augen folgten ihr verzückt, bis sie sich an die lange Tafel setzte. Auch Rondradin verfolgte gespannt den Auftritt der Altenberger. Sein Herz schlug schneller als er Gelda ausmachen konnte. ‘Wie schön sie doch war.’ Wie gebannt folgten die Augen seiner großen - unerreichbaren - Liebe. Er unterdrückte einen Seufzer und zwang sich den Blick etwas anderem zuzuwenden, bevor er doch noch etwas Dummes tat. “Wahrlich liebreizend.” murmelte er leise.

Rahjalind erfreute sich an der Optik des Aufmarsches der Altenberger Kandidaten. Sie waren allesamt hübsch anzusehen und ihre Gewänder und Frisuren waren aufwendig. Dennoch konnte sie diesem Prozedere nicht viel abgewinnen. Wie auf dem Viehmarkt schienen sie der versammelten Gästeschar vorgeführt zu werden, weshalb die Rahjadienerin sich zuvorderst darauf beschränkte in die Gesichter der jungen Männer und Frauen zu blicken. Es war klar, dass einige davon begeisterter waren als andere. Die Novizin schüttelte ihr Haupt. Sie fühlte Mitleid in sich aufsteigen und nahm sich vor mit einzelnen Kandidaten das Gespräch zu suchen. Nicht unbedingt um zu werben, sondern weil sie sich denken konnte, dass einigen zum Reden zumute war.

Andesine hatte die Hände brav vor ihrem Schoß gefaltet und betrachtete nun die vorbeiziehenden Mitglieder der Familie Altenberg. Ihr Hauptaugenmerk lag dabei auf diesen gutaussehenden Höfling. Das musste wohl Elvan von Altenberg sein, von dem Rondradin gesprochen hatte. Nett anzusehen war er ja, aber - sie warf dem neben ihr stehenden Linnart einen raschen Blick zu - was war mit dem Rest? Sie trat näher an den Bannstrahler heran und flüsterte in dessen Ohr. “Na, was meint Ihr zu den Damen derer von Altenberg? Ist da jemand auf den ich eifersüchtig sein müsste?” Linnart schenkte ihr auf diese Frage hin ein vielsagendes Lächeln. Er kannte die Familie Altenberg nicht und hatte sich demnach auch noch kein Bild von den Teilnehmern machen können. Der Ablauf des Aufmarsches sagte ihm jedoch nicht ganz zu, was ein leichtes Zucken seiner Mundwinkel belegte. Das letzte Mal hatte er eine solche Inszenierung am Rossmarkt in Elenvina gesehen, als man die Zuchtstuten vor den potenziellen Käufern im Kreis geführt hatte. Ja, seine Familie war weit weg davon perfekt zu sein oder vom Gros der Adeligen des Herzogtums als wertvolles Mitglied der Adelschaft anerkannt zu werden, doch insgeheim war der Ritter froh darüber, dass ihm solcherlei Dinge erspart blieben. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens, in welcher er die Damen der Familie Altenberg eingehend beäugt hatte, wog Linnart nachdenklich seinen Kopf. In der Tat gab es zwei Frauen, deren Anblick seinem Auge schmeichelten. Eine äußerst attraktive junge Dame mit hellbraunem Haar und einnehmenden Augen, die nach Ärger aussah, was ihn jedoch stets gereizt hatte. Und dann auch noch ein zierliches Mädchen mit kastanienrotem Haar und grünen Augen. Ihre Körpersprache war das komplette Gegenteil der anderen, wirkte sie in erster Linie doch züchtig und freundlich. Wohl eine junge Frau, die sofort reißaus nehmen würde, wenn sie vor seine Mutter trat, während erstere Adda wohl bis aufs Blut ärgern würde. Der Blick des Bannstrahlers ging nun wieder zurück Andesine. Er schenkte ihr ein warmes Lächeln. "Ihr müsst nicht eifersüchtig sein, Andesine. Nirgends lieber wäre in diesem Moment als hier bei Euch." Sein Blick ging noch einmal hinunter zu den Altenbergern. "Was jedoch nicht heißt, dass ich Euch von den anderen Männern abhalten möchte." Linnart wusste, dass er kein Recht dazu hatte eifersüchtig zu sein, obwohl er natürlich nicht glücklich darüber wäre wenn sich die Wasserthalerin auch noch anderweitig umzusehen gedachte.

Als die anderen Gäste wieder ihre Sitzplätze einnahmen, hielt die Wasserthalerin den Bannstrahler zurück. “Bitte wartet.” Sie wirkte ungewöhnlich ernst, als sie Linnart musterte. “Ich werde mich heute noch mit anderen Männern unterhalten und ich erwarte, dass Ihr ebenfalls mit einigen der anwesenden Damen sprechen werdet. Schließlich wird das von uns erwartet.” Um einem Einwand zuvorzukommen, legte sie ihren Finger auf seinen Mund. “Aber seid versichert, keinem wird es gelingen mein Herz zu erobern. Denn wisst ihr?” Plötzlich wirkte sie ein wenig verlegen, aber auch wenn ihre Wangen sich röteten, sie hielt seinem Blick stand und ihre blauen Augen schienen von einem inneren Feuer zu strahlen. “Es wurde mir bereits geraubt. Und sollte dieser Schuft mir heute Abend seines schenken, dann darf er das meine behalten und ich werde ihm erzählen, weshalb ich vor ihm Reißaus nahm.”

Linnart sah sie einige Momente lang wortlos an. Das eben gesagte hatte ihm gewissermaßen die Sprache verschlagen und der sonst so vokale Bannstrahler war bereits zum zweiten Mal an diesem Tage sprachlos. Und beide Male war sein Gegenüber der Grund dafür gewesen. Würde Rahjalind ihn in diesem Moment so sehen, dann hätte er wohl schon längst eine schnippische Bemerkung und ihr glockenhelles Lachen zu hören bekommen. Es war ein besonderer Moment und gerne hätte er die Ritterin an sich herangezogen und geküsst, doch war es richtig was sie sagte. Es wurde von ihnen erwartet, dass sie sich als Gäste der Brautschau auch als solche verhielten. Das gebot alleine schon der Respekt vor den Gastgebern. Andesine konnte in seinem Blick jedoch ganz deutlich erkennen, dass es dem Ritter wohl genauso ging wie ihr. Linnart nickte ihr zu. "Wenn ich es dir noch einmal schenken könnte würde ich das tun", flüsterte er, griff nach ihrer Hand, drückte sie fest mit der seinen und legte sie dann auf seine Brust. “Leider habe ich nur eines und das gehört bereits dir.”

Andesines Herz setzte für einen Moment aus, nur um dann doppelt so schnell zu schlagen. In seinen Augen suchte sie Zeichen dafür, dass Linnart es wirklich ernst meinte und fand diese auch. Ihr Augen - nein ihr ganzes Wesen - schien zu strahlen. “Ich liebe dich.” Sie küsste die Fingerspitzen ihrer Linken und legte sie alsdann auf die Lippen Linnarts. Zu gern hätte die Ritterin den, nein, IHREN Ritter einen intensiven, leidenschaftlichen, nie enden wollenden Kuss geschenkt, aber das verbot sich derzeit noch. “Später.” sagte sie leise, sowohl zu Linnart als auch zu sich selbst. Sie zog sich wieder etwas von ihm zurück, aber ihr Blick versprach, dass sich das Warten lohnen würde. “Komm, lass uns wieder zurück gehen.”

Linnart nickte ihr zu. Es kam ihm nicht ganz ungelegen, dass sich die beiden nun wieder auf ihre Plätze begaben und er so ein paar Momente Zeit hatte um seine Gedanken zu ordnen. So schön es war, was Andesine zu ihm gesagt hatte ... es machte ihm ein bisschen Angst. Der junge Ritter hatte stets Liebschaften. Er war es gewohnt, dass Frauen ihn anhimmelten, doch hielt er sie stets auf Distanz. Er ließ keine davon nahe an sich heran, oder gar in sein Herz. Und jetzt sandte ihm Rahja auf einer Veranstaltung, die er gar nicht besuchen wollte, solch ein wunderbares Geschöpf und all das was er bisher über sich selbst zu wissen gedachte, war in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt. Die Situation verselbständigte sich vor seinen Augen und Linnart schien nicht mehr der Herr über seine Handlungen und Taten zu sein - nein, es fühlte sich ganz so an als hätte sich eine andere Macht seines Herzens bemächtigt und sein Kopf würde sich von nun an mit der Zuschauerrolle zufrieden geben müssen. Als sie sich wieder gesetzt hatten, strahlte der Bannstrahler die Ritterin mit seltsam glänzenden Augen an. Er küsste ihren Handrücken. "Ich ... ich ...", stammelte der sonst so beredte Ritter, "... ich weiß nicht was ich sagen soll." Auch wenn er es nicht sagen konnte, Andesine konnte in diesem Moment seine Gefühle deutlich spüren. "Ich möchte dich meiner Familie vorstellen wenn das hier vorbei ist." Linnart wusste, dass dies noch eine Hürde für eine gemeinsame Zukunft gewesen war. Nicht weil seine Eltern sich dagegen stellen könnten, nein, dahingehend war seine Familie eben nicht so wie viele andere Adelsgeschlechter. Ihm ging es mehr darum, dass Andesine mit den Eindrücken in Linnartstein vielleicht nicht zurecht kommen konnte.

Sie lächelte ob Linnarts Gestammels, das ihn in Andesines Augen noch liebenswerter machte. Liebevoll strichen ihre Fingerspitzen über seine Wange. “Aber natürlich! Ich würde sehr gerne deine Familie kennenlernen. Außerdem möchte ich, dass du auch die meine kennenlernst.” Leise Zweifel begannen an ihr zu nagen. Was würden wohl Linnarts Eltern zu ihr sagen? Ist sie ihnen gut genug für ihren Sohn? Was würde Linnart zu Andesines Familie sagen? Ihre Familie gehörte ebenfalls zum Neuadel und sie waren bei weitem nicht so reich, wie es Familie Linnarts. Und was würde ihre Familie zu Linnart sagen? Ihr Vater wird sich für sie freuen, da war sich Andesine sehr sicher. Beim Familienoberhaupt, Dorcas von Wasserthal lag der Fall schon anders, er wollte die Familie voranbringen. Anders als die Ritterin legte dieser großen Wert auf Familienname, Rang und Titel. Ihre Hand begann leicht zu zittern. Linnart konnte die plötzlich aufkommende Unsicherheit Andesines deutlich fühlen. In seinem Gegenüber lesen zu können war für ihn berufliche Notwendigkeit und es war schwer dies im Privatleben abzustellen. "Was ist los, Liebste ...", flüsterte er ihr zu, "... möchtest du darüber reden?"

Andesine lächelte verlegen. “Es ist nichts.” Versuchte sie abzuwiegeln. “Ich habe mich nur gefragt, was wohl deine Eltern von mir halten werden. Und mein Onkel, unser Familienoberhaupt, von dir.” Ihre Hand suchte die seine, das Zittern war aber immer noch da. Der Angesprochene lächelte ihr aufmunternd zu. "Meine Eltern werden dich mögen ...", sprach der Ritter zuversichtlich, "... Mutter wird wohl ihren Augen nicht trauen können, wenn ich ihr solch einen Goldschatz vorstelle." Seine Familie würde keine Schwierigkeiten machen, da war sich Linnart sicher. "Freie Entscheidungen werden bei uns im Haus hoch gehalten. Nie würden meine Eltern auf die Idee kommen, mich in hübsche Gewänder zu stecken und einer Gruppe von Junggesellinnen vorzuführen." Er sprach es nicht aus, aber Andesine wusste genau, dass er damit die Brautschau hier meinte. "Sie werden dich akzeptieren und mögen, das kann ich dir sogar versprechen." Der junge Bannstrahler ließ abermals ein Lächeln folgen. Eigentlich war es vielmehr die Frage ob denn Andesine seine Eltern mögen würde, doch sprach er diese Bedenken vorerst nicht aus. "Was jedoch deinen Onkel angeht ...", Linnart runzelte seine Stirn, "... meinst du er würde mich nicht als ausreichend gute Partie für dich betrachten?" Eine große Last schien von der Ritterin abzufallen, ihre Miene hellte sichtlich auf und sie schaffte es sogar zu lächeln. “Deine Worte machen mir Mut, Liebster. Nun brenne ich darauf deine Eltern kennenzulernen.” Das Lächeln verblasste ein klein wenig. “Was meinen Onkel angeht, nun ja, er hat klare Vorstellungen davon, wie er die Familie voranbringen kann. Solange du kein Grafensohn oder Baronet bist, wirst du seinen Ansprüchen nicht genügen. Seine Meinung ist aber nicht ausschlaggebend. Mein Vater hingegen wird dich lieben, da bin ich mir sicher. Ihm liegt vor allem daran, dass ich glücklich bin und das ist das Wichtigste. Ich habe nur Angst, dass du dich nach dem Treffen mit meinem Onkel vielleicht von mir abwendest.”

Linnart schüttelte entschieden seinen Kopf, dann stahl sich ein kurzes Lächeln auf seine Lippen. "Sei unbesorgt. Ich ging im Kloster unter meinem Großonkel Adelhelm durch eine harte Schule. Mich schreckt das nicht ab. Wichtig ist, dass du an meiner Seite bist ...", er führte ihre Hand zu seinen Lippen und küsste den Rücken, "... und, dass du mit dem Leben glücklich bist, das ich dir bieten kann." Der Ritter stoppte und sann kurz nach. "Was deinen Onkel angeht sei gesagt, dass ich nicht nur der Sohn meines Vaters bin, der mir den Namen eines jungen, nur lokal bedeutenden Geschlechts vererbt hat, sondern auch jener meiner Mutter, die uraltem Nordmärker Adel abstammt. Es wird dir bei uns an nichts fehlen. Du wirst dich keinem Feldzug anschließen müssen, so du das nicht willst ...", betonte Linnart bezogen auf Andesines böse Erinnerungen an Mendena, "... wir können uns die in der Ochsenbluter Urkunde festgeschriebene Ersatzsteuer leicht leisten. Du wirst edle, schöne Kleider tragen, wenn dir daran gelegen ist und Feste als Gastgeberin ausrichten. Du wirst einen eigenen Haushalt haben und wenn du eine Leibzofe möchtest, bekommst du eine. Das lässt sich alles machen." Der Ritter lächelte sie verträumt an. "Es wird dir jedoch nichts aufgezwungen werden. Freiheit innerhalb der Familie ist uns wichtig und oberstes Gebot." Beinahe schien es als wollte der Linnartsteiner damit enden, als er noch einmal lächelnd nachsetzte. "Doch bei aller Freiheit verspreche ich dir, dass ich stets loyal an deiner Seite stehen werde, genauso wie ich jetzt loyal zum Herrn Praios und dem Orden stehe." Es verlangte Andesine alles ab, Linnart nicht zu küssen. Nicht wegen der schönes Lebens, welches er ihr versprach, sondern einzig und allein deshalb, weil er an ihrer Seite sein wollte. Stattdessen nahm sie seine Hand und schmiegte ihre Wange hinein. “Das einzige was ich brauche bist du, mein Herz.” meinte Andesine, ihre Augen geschlossen, ganz die Wärme und Berührung seiner Hand auf ihrer Haut genießend. Linnart fühlte ihr Verlangen und die gegenseitige Zuneigung in diesem Moment ganz deutlich. Er genoss es, doch es marterte ihn auch zu wissen, dass er in diesem Moment seine Hände und Lippen von ihr lassen musste. Der Ritter blickte sich um. Überall schienen die Gäste damit beschäftigt zu sein Gespräche zu führen, oder von den Häppchen zu kosten. Er biss sich auf seine Unterlippe. "Und jetzt ...", flüsterte er, "... sollen wir uns ... umsehen?" Es schmerzte ihn sie gehen zu lassen, auch wenn es nur für einen kurzen Zeitraum sein sollte, doch sie mussten den Schein wahren - so hatten sie es besprochen.

Schweren Herzens nickte Andesine. Linnart hatte recht, sie sollten sich unter die Leute mischen, so schwer es ihr fallen würde, ihn - vorerst - loszulassen. Auf der anderen Seite fiel es ihr in Linnarts Nähe immer schwerer, ihn nicht zu küssen oder körperliche Nähe zu suchen. Seufzend richtete sie sich auf. “Du hat recht, das sollten wir wohl tun.” Es hatte keinen Sinn noch länger zu verweilen, es würde nicht leichter werden. “Später soll es die Möglichkeit geben frei durch den Park zu schlendern. Treffen wir uns dann beim Rahja-Schrein?” Der Ritter erhob sich aus seinem Stuhl und nickte ihr bitter lächelnd zu. Am Liebsten würde er wohl jetzt schon zum Schrein aufbrechen. "Bevor du gehst ...", hielt Linnart sie noch kurz auf und zog sich einen weißgoldenen Ring von seinem kleinen Finger, "... als Versprechen und damit du mich nicht vergisst." Er nahm Andesines schlanke Hand in die seine und schob ihr das kunstvolle Kleinod sachte auf den Daumen. Es passte. "Rahjaschrein ...", bestätigte der junge Bannstrahler dann, "... ich freue mich darauf." Überrascht starrte Andesine erst Linnart, dann den Ring und schlussendlich wieder Linnart an. “Ich weiß nicht was ich sagen soll. Vielen Dank!” Sie überbrückte die Distanz zwischen ihnen, so dass er den Duft von Lavendel wahrnehmen konnte, der von ihr ausging. und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. “Wie könnte ich dich jemals vergessen?”, flüsterte die Ritterin liebevoll in sein Ohr und biss zärtlich in sein Ohrläppchen. Als sie wegging, warf sie ihm noch einen letzten verliebten Blick zu, dann wurde sie von anderen Gästen verdeckt.

Nachdem wieder Ruhe einkehrte, stellte sich der Hochgeweihte der Travia zusammen mit dem Geweihten des Praios und dem Geweihten der Rahja in die Mitte des Pavillon, so dass alle Gäste sie sehen konnten. Vater Winrich öffnete einladend seine Arme und erhob seine Stimme, so dass alle ihn hören konnten.

“Oh heilige Travia, oh gütige Mutter. Siehe auf uns herab, denn dein Ruf wurde vernommen. Aus allen Teilen des Reiches sind sie angereist, um hier als Gast im Kreise der Familie Altenberg einen Gefährten für den Lebensbund zu finden, um Freundschaften zu schließen und Treue zu schwören. Mit dem Segen des Götterfürsten Praios, der gütigen Mutter Travia und der liebholden Rahja heiße ich euch alle auf dieser Brautschau willkommen.“ Er machte eine Pause, während ein laues Windchen die Planen des Sonnenschutzes der Pavillons kurz zum Aufblähen brachte. “Zur Rondrastunde werden wir mit dem Vorstellen der Junggesellinnen und Junggesellen beginnen. Bis dahin stehen ich und meine Brüder im Glauben, Ehrwürden Ademar von Leihenhof und seiner Gnaden Rahjel von Albenhus, für jeden zur Verfügung, den es um geistigen Beistand bedarf.” Mit zufriedenen Blick gab Vater Winrich der Bardin ein Zeichen und die ´Gänsepfeiffer´ begann wieder an zu spielen. Langsam schritten die drei Geweihte die Holztreppe herunter und warteten in der Mitte des Platzes, ob es jemanden gab, der ihre Nähe suchte.


Der Baron von Galebquell war verärgert. Wenn es etwas gab das er verachtete, war es Unpünktlichkeit. Und ausgerechnet betraf es diesmal ihn uns seine Familie. Unglücklicherweise gab es einen Radbruch der Kutsche die ihn und seine Familienmitglieder nach Herzogenfurt brachte. Eigentlich wollte er zu Pferd kommen, doch seine geliebte Gemahlin Jileia stimmte ihn um, des Anlasses wegen, etwas vornehmes zu wählen. Allerdings war das Kind nun in den Brunnen gefallen und es blieb ihm nichts anderes übrig als diese zur Eile zu ermahnen. Viel Zeit gab er ihnen nicht, sich auf Burg Herzogenfurt einzuleben und herzurichten, die Tore des Garten waren bereits geöffnet. Mit schnellen Schrittes voranschreiten, folgten ihm seine Vetter Lucrann und die Geschwister Lucasta und Ingeras, sowie sein Knappe, der junge Adamar von Firnholz. Am Tor wurden sie dann von einem Diener zur Festwiese geleitet und auf ihre Sitzplätze geleitet. Ein letzter strenger Blick an seine jüngeren Verwandten machten klar: ´Benehmt euch!´

Im Pavillon des Hochadels (linkerhand)

Die Ansprache hatte geendet und das leichte Schnarchen der Traviageweihten war allen Hochadligen gewahr. Doch lange mussten die Gäste ihr nicht lauschen, denn kurze Zeit später betraten weiter Leute den Pavillon des Hochadels. Angeführt wurden sie von einer Frau die dreißig Sommer schon überschritten hatte. Sie war von kleinem Wuchs und hatte eine gedrungende, üppige Figur. Ihr rundliches Gesicht war mit Sommersprossen übersät, die Augenbrauen sanft geschwungen und das Lächeln äußerst freundlich. Eindringlich waren jedoch ihre grünen Augen mit den grauen Einsprengseln, die fast silbrig wirkten. Die Fältchen um diese verrieten, dass sie den Schalk im Nacken trug. Das rotblonde Haar war unter einem braunen Leinenhäubchen verborgen, das in Strähnen hervorlugte. Der kräftige Oberkörper war in einem orangefarbenden Leinenhemd, dessen Ausschnitt großzügig geschnitten war. Ein breiter Gürtel, eine Umhängetasche und ein grüner Leinenrock schloß das ganze ab. Das ihr heiß war, war kaum zu übersehen. Der Schweiß rann ihr die Stirn hinunter und gaben ihren Nacken und Ausschnitt einen Glanz. Gleich hinter ihr stand ein wohl ansehnlicher junger Mann von vielleicht sechzehn Götterläufen. Er trug sein rotbraunes Haar kinnlang, seine strahlenden grünen Augen hoben sich von seiner leicht gebräunten Haut ab und seine Lippen waren voll und sinnlich. Er trug knielange grüne Hosen und ein Leinenhemd mit weiten Ausschnitt, das einen Einblick auf seine athletische Brust gab. In seinen Händen hielt er ein Tablett mit mehreren Schälchen. Weiter Diener warteten mit Krügen in den Händen. “Hohe Herrschaften, ich bin die Küchenmeisterin Victualia vom Lilienhain und zuständig für Leib und Wohl der Gäste am heutigen Tag.” Sie machte kurz einen Knicks. “Ich habe eine Herzogenfurter Köstlichkeit mitgebracht, so wie Wein und Wasser. Mein Neffe Servusian hier”, sie deutete auf den jungen Mann hinter sich,”wird sich um euer Wohl für den Rest des Tages kümmern.” Mit einem Wink ihrerseits begannen die Gehilfen den Gästen Wein oder Wasser einzuschenken. Victualia ergiff zwei der Schälchen “Herzogenfurter Liebling. Ein Weichkäse mit einer Beerensoße. Wer möchte?”, fragte sie mit freundlicher, glucksender Stimme.

Thalissa hatte seit einem recht frühen Frühstück nichts mehr gegessen und nun schon einen halben Schnaps und einen halben Kelch des Weines intus, so dass ihr Magen durchaus so langsam nach einer Grundlage verlangte. Also gab sie der Küchenmeisterin einen zustimmenden Wink. Ein fragender Blick traf Tar’anam, doch der schüttelte fast unmerklich den Kopf und behielt seine Position unverrückbar bei.

Fedora war sich dessen bewusst, dass sie so manches Mal die Einstellung ihres Bruders zu solchen Banketten und Gelagen verachtet hatte, der sich den Bauch voll schlug auf Kosten anderer und immer meinte: “Wenigstens was gutes essen kann man ja, wenn man schon sonst nichts dort erreicht.” - Nun aber dachte sie (schändlicher Weise, wie selbst zugeben musste) fast die gleichen Gedanken, und bestellte sich gerne den Weichkäse. “Habt Dank, das sieht köstlich aus.” (Wenigstens ein Lob an die Küchenchefin musste drin sein.) “Gerne.” Rajodan nahm ebenfalls eines der Schälchen entgegen, während er kurz die Frau musterte, die sie verteilte. “Wundervoll, Vicutalia, wie immer.” Zufrieden nahm Selinde von Schweinsfold ein Schälchen mit dem Käse entgegen. “Ihr müsst wissen, dass Victualia schon seit fast einem Götterläuf die Herrin meiner Küche ist - und sie hat ein außergewöhnliches Gespür für eine wahrhaft feine Küche. Wartet erst, bis sie euch die echten Tannwalder Würste kredenzt, die es heute noch geben wird. Ein wahres Gedicht!” Die rundliche Victualia lief kurz rot an. “Ihr seid zu gütig, euer Hochgeboren. Ich werde weiterhin versuchen die Zungen der hohen Gesellschaft zu beglücken. Nun, ich muss wieder in das Zelt. Gibt es irgendetwas, wendet euch bitte an Servusian.” Sie machte nochmals einen Knicks, nickte dem jungen Diener zu und machte sich auf zum Küchenzelt.

Auch Servusian begann mit dem verteilen und fing mit der jüngsten am Tisch an. Galant schmiss er sein Stirnhaar aus dem Gesicht und strahlte sie mit seinen grünen Augen, die ebenfalls diesen silbrigen Schimmer besaßen, an. “Möchtet ihr den Herzogenfurter Liebling, euer Wohlgeboren?” Das Mädchen wurde ein wenig rot als Servusian sie ansprach. “D..Danke.” sagte sie leise und ergriff das Schälchen, das er ihr hinhielt. Sie bedankte sich mit einem freundlichen Lächeln. Ihre blauen Augen bildeten einen interessanten Kontrast zu ihrem dunklen Haar und der sanften Röte, die auf ihren Wangen lag. Er lächelte und offenbarte eine Reihe, reinweißer Zähne. “Ich stehe zu euren Diensten … Wohlgeboren!” sagte Servusian leise genug, dass nur sie Luzia es hören konnte. Der Lilienhainer nahm einem Diener eine Karaffe aus der Hand. “Wein?”

Noch etwas mehr bezaubernde Röte trat auf die Wangen des jungen Mädchens. “D..Danke.” Still schalt sie sich eine Idiotin. Er war nur ein Küchenjunge. Ein Küchenjunge und sie eine Baroness. Ihren Vater hatte sie heute schon ausreichend gereizt. Und bei ihm den Bogen zu überspannen war in der Regel sehr unangenehm und nicht eben gesund. Sie seufzte und beäugte noch einmal den Jungen von oben bis unten. Er war irgendwie süß und seine Anwesenheit ließ ihr Herz schneller schlagen. “Wein klingt gut.” sagte sie und lächelte ihn an. Sie konnte nicht anders. Ohne zu zögern goß er der jungen Baroness ein. Dabei kam er ihr so nahe, das sie die Wärme seines Körpers spüren konnte. Der Diener roch nach wilden Kräutern und etwas … Anregendem. Dann lächelte er sie nochmals an und stellte sich an den Rand.

Luzia seufzte. Das einzige männliche Wesen hier. Und er war ein Küchenjunge. Sie sah ihm noch einen Moment nach, dann verzog sich ihre Miene wieder zu dem abweisenden, sauren Gesicht einer Heranwachsenden ohne Wunsch, positiv aufzufallen. Einige Momente nachdem die Baronin von Firnholz den Pavillon verlassen hatte, kam ein neuer Besucher hinzu. Noch etwas schnell atmend und mit glänzender Stirn betrat der junge Baron von Galebquell den Pavillon der Hochadligen. Er schaute sich kurz um. Alle waren beim Essen, aber die neugierigen Blicke trafen ihn. Gerade die dreißig Götterläufe überschritten trug er sein volles, braunes Haar kurz, auf dem die Baronskrone ruhte und seine Wangen waren frisch geschabt. Die klaren, braunen Augen, die etwas längliche, gerade Nase und das ausgeprägte Kinn gaben ihm etwas aristokratisches. Um den Hals trug er ein Schlangenhalsband aus Messing, das ihn als Consor der Hesinde-Kirche auswies. Sein teurer Brokatwams war in Grün- und Blautönen und das Wappen Galebquells, ein goldener, rechts stehender Widder auf blauen Grund, zierte auf seiner Herzseite. Wer den Baron kannte, wusste, dass er vermögend und einflussreich war. Aufgrund seiner Position als Niederadliger Kammerrichter mangelte es nicht an Einfluß bei Hofe. “Travia zum Gruße, verzeiht mein spätes Eintreffen zu diesem besonderen Fest. Ich bin Roklan Boromar von Leihenhof, Baron von Galebquell. Ich danke euch für diese Einladung!”, sagte er laut und höflich, die Worte an die Traviageweihte gerichtet. Mutter Elva schaute erst ernst, doch dann lächelte sie. “Wir sind froh, dass ihr es schaffen konntet, euer Hochgeboren. Nehmt Platz und fühlt euch in Travias Namen willkommen!” Mit einem Wink gab sie dem jungen Servusian zu verstehen, Roklan und seinem Gefolge etwas zu essen und zu trinken zu servieren. Roklan derweil suchte sich seinen Platz und nickte seinen Standeskollegen zu.

Ah endlich ein Mann. Doch auch dieser war verheiratet. Es war ein Jammer. “Und für wen sucht ihr hier die Augen offenzuhalten?” fragte Rajodan den Neuankömmling. Nachdem er einen Schluck vom Kelch nahm, beugte Roklan sich etwas vor, um den Baron etwas näher zu betrachten. Natürlich kannte er den Baron von Eisenstein, nicht persönlich, aber er wußte um ihn und seinen Ruf. Auch dass er nicht ganz grün mit dem Rabensteiner Baron war. “Ich vertrete die Interessen meiner Familie. Mein Vetter, der Junker Lucrann von Leihenhof, sowie wie die Kinder der Erbvögtin von Niedergalebra, Lucasta und Ingeras. Sein Blick wanderte vom Baron zu dessen Tochter. Von seiner Mädchenschar hatte er auch gehört. Roklan war allerdings auch an den beiden Baroninnen interessiert. Von beiden wußte er das sie neu im Amt waren … und ledig. Er prostete allen zu. “Ich nehme an, ihr schaut euch die Junggesellen etwas näher an?” wobei nicht klar war, an wen die Frage wirklich gerichtet war.

“Das hängt unbedingt damit zusammen, was es zu sehen gibt.” Selinde lachte auf die direkten Worte des doch ganz ansehnlichen jungen Mannes. “Und Ihr? Ihr habt ein Auge auf die mögliche Wahl eurer Verwandten? Haben diese denn bereits eine Entscheidung getroffen, mit der Ihr zufrieden sein könnt?” Ihre schlanken Hände strichen über das glatte, seidige Fell ihres Katers, der es sich auf ihrem Schoß gemütlich gemacht hatte und die Welt um ihn herum aus schmalen, goldenen Augenschlitzen höchst aufmerksam beobachtete. Thalissa hatte den Neuankömmling etikettegemäß begrüßt. Da sie schon mehrfach mit seiner Tante Ivetta von Leihenhof unterwegs gewesen war, kannte sie Roklan vom Hörensagen und war entsprechend gespannt, ihn einmal persönlich kennenzulernen. Für den Moment beschränkte die Baronin sich allerdings auf die Rolle der Zuhörerin. Ihr Blick kreuzte sich mit dem des Katers. Irgend etwas an dem Tier irritierte sie, aber sie konnte das Gefühl nicht greifen und wandte ärgerlich den Blick ab von den goldenen Augen des Katers, um sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.

“Leider bin ich dazu noch nicht gekommen, meine Werte. Einige Namen wurden mir allerdings schon zu geflüstert.” Ein leichtes Schmunzel offenbarte sich in seinem Gesicht. “Einige Junker sind recht vielversprechend, allerdings bei den Damen nur wenige.” Roklans Blick wanderte zur Baronin Thalissa. “Auch wenn ihr nicht suchen möget, aber die Junker sind recht interessant.” Nun wanderte der Blick zur Baronin Selinde. “Und mache Baronien könnten auch starke Bündnisse gebrauchen.” Wieder betonte er die Worte so, dass niemand wußte, wen er meinte. “Nun. Dann teilt doch euer Wissen, anstatt um den heissen Brei herum zu reden.” Rajodan grinste den anderen an, während seine Tochter betont uninteressiert an ihrem Kelch nippte. “Allerdings”, stimmte Thalissa ihrem Standesgenossen zu und veränderte ihre Sitzposition. Und wieder fehlte ihr der Fächer und sie musste ebenfalls beim Weinkelch Zuflucht suchen.

“Gemach, gemach. Ich wollte nicht geheimniskrämerisch sein. Ich sage nur, wir sollten uns die Bewerber genauer anschauen. Einer der Junggesellen mit einer gutsituierten Junkerei kommt sogar aus meiner Familie, daher für mich eher uninteressant. Selbst bei den Altenberger gibt es ein … zwei Kandidaten, die zwar kein Land, aber durchaus ambitioniert genug sind, um das Ansehen anderen Häusern im Reiche zu stärken.” Roklan lächelte. Ein kurzes Husten erinnerte die Barone, dass die Traviageweihte Elva anscheinend wieder erwacht war. “Möge Travia liebende Familien zusammenführen.”, kommentierte sie das Gespräch und lächelte dabei Luzia an. “Habt Ihr auch Namen, Hochgeboren?” fragte Thalissa direkt, ohne die Traviageweihte für den Moment zu beachten.

“Sicherlich. Milian von Altenberg ist ein Höfling vom Hofe in Gratenfels. Seine Mutter ist die Rektorin der Rechtsschule dort. Und hat somit gute Kontakte zur Praiosgeweihtenschaft. Und die junge Durinja von Altenberg ist jetzt schon eine Adlige die sicher ist auf dem höfischen Parkett. Zum Beispiel.” Sein Blick wanderte zur Baronin von Schweinsfold. Das der junge Milian auch mit dem Hause Schweinsfold verwandt war, ließ er aus. “Hm.” Mehr gab Thalissa nicht von sich, es klang ein wenig abwartend, vielleicht auch auffordernd. “Nun ja.” Stimmte Selinde zu. Sie erwiderte den Blick des Leihenhofers und hob eine Augenbraue. “Ihr sprecht, als hättet ihr jemanden bestimmtes im Auge?`” Roklan lächelte freundlich zurück. “Ganz sicher bin ich mir noch nicht. Ich warte erstmal die Vorstellung ab.” Sein Blick wanderte zur Zofe Melisande, dann zu Thalissa. “Eure Zofe stammt auch aus gehobenen Hause?” fragte er direkt. Etwas überrascht über die Wendung des Gesprächs warf Thalissa ihrer dunkelhäutigen Zofe einen Blick zu, den diese genauso überrascht zurückgab. “Durchaus”, wandte die Baronin sich wieder Roklan zu, “sie stammt aus einer angesehenen Neethaner Familie und verdient deshalb die Anrede ‘Signora’”. Sie machte eine kurze Pause, als würde sie überlegen. “Warum fragt Ihr?” “Reine Interesse. Wenn sie noch unvermählt ist, wäre sie ja auch eine gute Partie für den ein oder anderen Junker, Edlen oder Ritter. Bündnisse die einem zu gute kommen könnten, wenn man selbst schon gebunden oder noch nicht bündniswillig ist, denkt ihr nicht?” Mit einem schmunzeln, nahm er ein Schluck vom Wein. Thalissa hatte sich bei der Frage fast schon so etwas gedacht. Tatsächlich hatte sie im Vorfeld ihres Besuchs überhaupt nicht daran gedacht, dass ihre treue Zofe Ziel gewisser Begehrlichkeiten werden könnte, ein Versäumnis, dass nun zu … interessanten Verwicklungen führen konnte. Allerdings war Melisande für sie nicht nur ein Spielstein, wie offensichtlich nicht wenige andere junge Adelssprösslinge hier für ihre Eltern. Ein kurzer Blick zu ihr offenbahrte Thalissa einen kurz aufblitzenden unwilligen Ausdruck im Gesicht der Zofe, die sich aber gleich wieder im Griff hatte. Die Baronin beschloss, diesem Thema eine etwas andere Richtung zu geben. “Da mögt Ihr durchaus recht haben, Hochgeboren. Tatsächlich ist nicht nur meine Zofe unverheiratet, sondern auch der Edle von Hottenbusch, und für diesen wäre es langsam an der Zeit.” Thalissa wies mit der Linken lässig auf den mit stoischer Miene hinter ihr stehenden Tar’anam, doch da sie darauf achtete, nahm sie das Zucken seines linken Auges durchaus wahr. Sie hatte noch eine Rechnung mit ihm offen, da hatte sie kein schlechtes Gewissen bei diesem kleinen Seitenhieb.

“Edler von Hottenbusch.”,wiederholte Roklan den Namen und musterte den älteren Mann. Sofort wanderte sein Gedanke an seine Base Lucasta. Ja sie war ein wenig jung, aber solch ein Gut wäre genau das Richtige für sie. Er schätzte sie genauso wie ihre Mutter ein, eine fähige Verwalterin. “Vielleicht solltet ihr euren Blick auf meine Base werfen. Lucasta.” er deutete auf die Gäste unter dem Sonnenschutz, genau genommen auf das junge Mädchen im weinroten Kleid. Auch wenn die Geweihte der Travia an die 90 Götterläufe war, schien sie immer noch ein Gehör wie ein Luchs zu haben. “Der Edle braucht eine erfahrene Frau an seiner Seite. Meine Prianna ist eine gerechte Frau, die ebenfalls einen erfahrenen Mann braucht.” Nun deutet diese auf den Altenberger Pavillon. Die Frau mit goldener Brille stach aus der Menge heraus.

Zu Roklan gewandt meinte Thalissa mit einem Lächeln, dem ein maliziöser Hauch nicht abzusprechen war, was Tar’anam aber zum Glück nicht sehen konnte: “Gerne, warum nicht. ALlerdings wäre es leichter, wenn Ihr die beiden miteinander bekannt machen könntet, ist doch der Edle von Hottenbusch nicht als großer Redner bekannt.” SIe warf einen Blick nach hinten. Ja, da war etwas in den Augen Tar’anams, was sie sonst nur zu sehen bekam, wenn er sich auch eine Schlacht vorbereitete. Hoffentlich übertrieb sie es nicht. Höflichkeitshalber wandte die Baronin sich nun der alten Traviageweihten zu, nachdem sie einen ausführlichen Blick auf die angepriesene Verwandte geworfen hatte, soweit das aus dieser Entfernung möglich war. “Euer Ehrwürden, das sind weise Worte und ich danke Euch für Euren Hinweis. Doch verzeiht mir meine offene Frage: die Dame Prianna scheint mir schon ein wenig alt zu sein, ist sie denn noch in der Lage, guter Hoffnung zu werden?” “Ich denke das ließe sich einrichten” bestätigte ihr der Baron. Thalissa neigte dankend den Kopf. Zu Tar’anam sah sie jetzt lieber nicht.

Die Alte lächete sie an.”Sicherlich, das mit den Eier legen bedarf ein Wunder der guten Göttin. Aber sie hat einen Sohn aus erster Ehe, den guten Milian. Sein Vater ist leider nach der Hochzeit zu Boron gegangen. Aber” sie dachte kurz nach,” meine Enkeltochter Elvrun könnte einem erfahrenen Mann eine treues Eheweib sein. Sie ist jung und im nächsten Götterlauf erhält sie die Weihe zur Geweihten der heiligen Mutter.” Wenn Thalissa einen Grund fände, auch diese Kandidatin abzulehnen, würde die alte Geweihte vermutlich mit der nächsten Verwandten um die Ecke kommen. Die Altenberger schienen ja ganz offensichtlich sehr reich gesegnet zu sein mit unverheirateten Töchtern. Also nickte sie und antwortete: “Ich werde dem Edlen von Hottenbusch nahelegen, bei der Vorstellung der Damen ein Auge offenzuhalten, Euer Ehrwürden. Dann mögen Rahja und Travia das ihre dazu tun.” Sie wurden jäh unterbrochen, als die Baronin Fedora zurückkehrte. “Roklan, ich hatte gehofft Euch hier zu sehen. Wie geht es Euch?” begrüßte Fedora nun ihrerseits den Baron von Galebquell und Edlen von Leihenhof, dem sie ihren Sohn in Knappenschaft gegeben hatte, nachdem dieser seinen ursprünglichen Knappenvater im Feldzug gen Havena verloren hatte. Sie nahm ihren Weinkelch, welchen Sie vorher auf dem Tisch hatte stehen lassen, bevor sie Rajodan von Keyserring verlassen hatte. Sie prostete Roklan zu. “Fedora, was für eine schöne Überraschung. Ich muss ehrlich gestehen, ich habe mit eurer Anwesenheit gar nicht gerechnet. Habt ihr euren Sohn Adamar gesehen? Er müßte bei dem Tischen unter dem Sonnenschutz sein.” Auch er erhob seinen Kelch. Fedora trank einen Schluck, nickte dann, und fragte: “Oh, er ist hier?” Sie schaute sich um, in die angegebene Richtung und konnte ihren Sohn gleich erkennen, der in Begleitung zweier anderer jüngerer Kinder gerade zum Tisch unter dem Sonnenschutz ging. Dann drehte sie sich wieder zu Roklan um: “Schön, dass ihr ihn mitgebracht habt, das trifft sich gut. Bitte entschuldigt mich, ich werde ihn begrüßen gehen. Aber ich habe auch noch Fragen an Euch und ich hoffe, wir haben später noch die Gelegenheit uns etwas ausführlicher zu besprechen, Roklan.” Dann aber interessiert: “Wer ist dort bei ihm?” “Das meine Liebe, sind meine Verwandten Lucasta und Ingeras. Sie sind heute ebenfalls auf Brautschau. Und natürlich können wir später sprechen. Und nun geht ruhig euren Sohn begrüßen, ich bin sicher die Freude wird groß sein!” Er lächelte ihr ehrlich zu.

Fedora musste dringend mit ihrem Sohn sprechen, das war wichtiger als die drängenden Fragen an Roklan. Sie lächelte ihn ebenfalls an, bedankte sich und meinte: “Bis später dann.” noch im Fortgehen dachte sie, dass sie sich unbedingt nach diesem Ingeras erkundigen musste, vielleicht war der was für Ihre Tochter? Und natürlich musste sie Roklan später unbedingt noch nach dem Ritterschlag für Adamar fragen, Zeit wurde es…. Sie selbst musste Aureus von Moosgrund ebenfalls bald aus ihren Diensten entlassen! Da war es vielleicht ganz gut sich mit Roklan nochmal auszutauschen.

Im Pavillon des Niederadels (rechterhand)

Thankred stöhnte. ‘Warum muss man die ganze Veranstaltung unnötig so in die Länge ziehen? Konnte man nicht zügig zum Wesentlichen kommen? Seelischer Beistand- sicher, irgendwann würde er den brauchen, weil er die Geduld verlieren und jemanden an die Gurgel gehen würde, sollte nicht jemand beschwichtigend auf ihn einwirken.’ Genervt sah er sich um und ließ sich währenddessen einen Humpen Bier reichen.

Rondradin nutzte die Gelegenheit und ging auf den Mann in dem blauen Brokatwams zu, der seiner Schwester beigesprungen war. “Rondra zum Gruße, Euer Wohlgeboren. Mein Name ist Rondradin Wasir al’Kam’wahti von Wasserthal zu Wolfstrutz. Ich wollte Euch danken, dass Ihr vorhin für meine Schwester eingetreten seid.”

Lares, der gerade durch die Ankunft der Gastgeber abgelenkt war, drehte sich nach der Stimme des Mannes um, den er zuerst gemessen von oben bis unten begutachtete. Ein Rondrianer. Das war schon mal nicht schlecht. “Seid ebenso gegrüßt. Lares von Mersingen, Euer Gnaden. Ich habe nur meine Pflicht als ehrbarer Mann getan. Der heutige Tag soll ein göttergefälliger Tag ohne Tadel sein. Besonders sollen hier alle Werberinnen und Werber frei und ohne Angst Kontakte knüpfen können. Das geht nur, wenn sich alle an die Regeln des Anstands halten. Und wenn einer nun - übermannt wird, dann muss man ihn nur etwas an seine Pflichten erinnern.” Lares machte eine theatralische Kunstpause. “Mir war allerdings nicht bewusst, dass die hohe Dame eure Schwester ist. Ist ihr nunmehr wieder wohl?”

“Es ist mir ein Vergnügen Eure Bekanntschaft zu machen.” Der Geweihte lächelte zufrieden. “Meiner Schwester geht es gut. Sie wird Euch später sicherlich auch noch selbst danken wollen.” “Das muss sie nicht. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit”, meinte Lares aufrichtig. Rondradin nutzte den Augenblick um den Junker kurz zu mustern. “Sagt, habt Ihr schon eine Dame ins Auge gefasst oder seid Ihr noch unentschlossen?” “Ähm. Nicht wirklich. Ich…”, murmelte der Mersinger. Dabei stellte er für sich fest, dass er sich noch gar nicht richtig umgeschaut hatte. Die Schwester von Rondradin war bisher die Einzige, die er wirklich gesehen hatte - und das auch nur davoneilend. Nicht einmal die von Keyserrings waren ihm bisher über den Weg gelaufen. Wo sie im Vorfeld so viel über Luzia gesprochen hatten, da war der Ritter insgeheim neugierig geworden, aber gesehen hatte er sie ja bisher nicht. Und sonst auch keine Damen. “Ich glaube, ich hatte bisher keinen wirklich guten Sitzplatz”, resümierte Lares laut. “Dort im Pavillion sitzen viel zu viele Männer.” Laut auflachend stimmte ihm Rondradin zu. “Und, wie ist es bei euch? Habt Ihr eine Dame gesehen, die Euer Herz berührt hat?”, witzelte er. Zu dessen Überraschung nickte der Rondrianer ernst. “Ja, allerdings ist sie unerreichbar für mich.” Rondradin bedachte Lares mit einem traurigen Lächeln. “Wenn Ihr erlaubt, würde ich Euch gerne einen gutgemeinten Ratschlag geben. Hört auf Euer Herz, das wird Euch manchen Schmerz ersparen.” Da erst sah er die kleine Gestalt hinter Lares. “Das gilt auch für Euch, junge Dame. Jedenfalls sobald Ihr einmal im rechten Alter dafür seid.” Er lächelte die Kleine freundlich an und zwinkerte ihr zu. Den Zwölfen sei Dank, hatte er mit Alrike noch etliche Jahre Zeit, bevor er sich deshalb Sorgen machen musste.

Auch noch ein tiefgründiger Rondrianer. Der Mann war nach dem Geschmack des Mersingers. Er wollte die Verletzung, die man dem Mann ansah, nicht noch vertiefen wollen. Stattdessen knüpfte der dunkelhaarige Ritter an den letzten Satz an: “Zuerst gilt es für deine Schwester auf ihr Herz zu hören, nicht wahr? Und euren Vater davon zu überzeugen, dass ihr Herz das Richtige will. Hast du sie schon gesehen?” “Ja, aber ich habe sie nur gesehen.” sagte die Kleine leise. “Ich weiss nicht recht, ob es schicklich ist, zu ihnen hinüber zu gehen.” fuhr sie leiser werdend fort. Bei diesem Worten schüttelte der Trollpforzer Junker, der bis dahin recht teilnahmslos dabei gestanden und zur Tafel herüber geschaut hatte, amüsiert den Kopf. “Schicklich!?” Er lachte auf. “Ich hoffe meine Kinder werden sich in deinem Alter nicht solche Gedanken machen müssen.”

“Ihr seid ja auch kein Baron und eure Kinder keine Baronets”, wies ihn Lares scharf zurecht. Er hatte mit Lissa schon alle Hände voll zu tun wie sie war. Da musste man ihr nicht noch zusätzliche Flausen in den Kopf setzen. Dann wandte er sich wieder Basilissa zu: ”Sobald sich eine Gelegenheit bietet werden wir sie grüßen gehen. Versprochen. Ich denke, dass der förmliche Teil alsbald sein Ende findet.” Die anderen wussten vielleicht mehr über den Ablauf: “Oder wisst Ihr, was am heutigen Tage noch so geplant ist?” Als Lares wieder zu den anderen sah, stand der Trollpforzer unmittelbar vor ihm. “Nicht in diesem Ton”, sagte er bedrohlich und sah mit zusammengekniffenen Brauen auf den Mersinger herab. “Überdeckt eure eigene Unsicherheit nicht damit, dass ihr andere derart angeht. Bisher habe ich euch für einen umsichtigen Mann gehalten, eurer Ton jedoch ist unangemessen. Ich werde mir von niemanden eures Standes den Mund verbieten lassen.”

“Bitte, beruhigt Euch.” Ließ sich der Rondrianer vernehmen. “Diese Brautschau ist weder der rechte Ort noch der Zeitpunkt für einen Streit. Um der Herrinnen Travia und Rahja Willen, bitte ich Euch.” Er sah beide Männer abwechselnd an. Einen Moment kochte das Temperament in dem jungen Mersinger hoch, doch dann erinnerte er sich an seinen Familienwahlspruch. Die Worte des Rondrianers kamen da zur rechten Zeit. “Rondradin hat Recht. Und mir tut es Leid. Ich habe mich im Ton vergriffen. Verzeiht”, gab der Mersinger freimütig zu. Wenn es um Lissa ging wurde er manchmal einfach etwas überfürsorglich.

Ein paar Mal noch malten die ausgeprägten Wangenknochen Thankreds unter dem gepflegten Vollbart, dann nickte er. Das tiefe, kehlige Grunzen was er dabei von sich gab war jedoch alles andere als Zustimmung und die Körperhaltung des Junkers blieb angespannt, als er sich abwandte und an den Tisch setzte. Der Trollpforzer schien leicht reizbar und weniger beherrscht zu sein, als man es bei einem Ritter vermuten sollte. Seine Herkunft war nur allzu deutlich geworden. Der raue Isenhag war nicht das Gratenfelser Becken. In der Abgeschiedenheit der Berge schien man Konflikte wohl immer noch ‘handfest’ zu klären. Der Geweihte atmete auf. Ein heftiger Streit, der vielleicht sogar in einem Duell ausgeartet wäre, hätte gerade noch gefehlt, auch wenn er grundsätzlich ein Freund von Duellen war. Stattdessen versuchte er das Thema zu wechseln. Er wandte sich an den Trollpforzer. “Habt Ihr schon eine Dame ins Auge gefasst? Mir war, als hätte ich vorhin gesehen, wie Ihr einer bestimmten Dame aus dem Hause Altenberg Eure volle Aufmerksamkeit geschenkt hättet.” Thankred schnaubte und antwortete mehr widerwillig, sah aber wohl doch ein, dass es keinen Sinn machte sich stur zu stellen. Der Rondrianer war ja schließlich nicht derjenige gewesen, der ihn hatte zurechtweisen wollen. “In der Tat, gut beobachtet. Mein Interesse gilt Sabea von Altenberg.”

Die Überraschung war Rondradin direkt anzusehen. Dann wich diese einem Lächeln. “Habt Ihr sie bereits kennengelernt?” Ehrliches Interesse klang in seinen Worten mit. “Ich hatte das Vergnügen, sie auf der Reise hierher persönlich kennenzulernen. Vielleicht sollte ich aber auch dazusagen, dass ich hier nicht als Werber teilnehme und somit für niemanden eine Konkurrenz darstelle.” “Euch hätte ich im Gegensatz zu vielen anderen Anwesenden tatsächlich als würdige Konkurrenz gesehen.” Der Junker schmunzelte. “Euer Glück, dass ihr es nicht seid”, Thankred lachte und verriet so den Humor hinter seinen Worten. Die Eröffnung des Geweihten hatte den Trollpforzer erreicht und bewirkte so eine sichtbare Entspannung in dessen Haltung. “Nein”, gestand Thankred, “ich habe sie noch nicht kennenlernen dürfen. Ich begegnete ihr in Elenvina und erkundigte mich nach ihrem Namen. Die Ausrufung der Brautschau war wie eine Aufforderung meinen Arsch zu bewegen und die Initiative zu ergreifen.” Er zuckte mit den massigen Schultern. “Entweder ich erobere sie, oder ich ziehe unverrichteter Dinge wieder ab. Eine andere kommt nicht in Frage.” Thankred trank einen Schluck Bier. “Was könnt ihr mir über sie verraten?”

Rondradin lachte herzlich mit dem Junker. “Vielleicht ergibt sich ja mal die Gelegenheit für ein freundschaftliches Kräftemessen. Es würde mich freuen.” Thankred von Trollpforz war für ihn ein unbeschriebenes Blatt. Sie waren damals beide auf der Jagd in Nilsitz gewesen, allerdings hatte sich ein Treffen der beiden nicht ergeben. Rondradin zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihn. “Ihr wollt also etwas über Sabea wissen? Sie hat das Herz am rechten Fleck. Sie ist hilfsbereit und langt auch schon mal hin, wo so manche edle Dame wahrscheinlich zurückschrecken würde. Sabea kann längeren Disputen nicht allzuviel abgewinnen und ist eher auf schnelle, direkte Lösungen aus.” Etwas fehlte noch, was war das nur? “Ach ja, sie lässt sich nicht aufhalten, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Selbst das Verbot des Familienoberhaupts mit Außenstehenden zu sprechen, hat sie nicht davon abgehalten, uns in Twergenhausen bei einem kleinen Problem zu helfen.”

Immer breiter wurde das Grinsen des Trollpforzers während der Geweihte sprach. Aufmerksam hing der Junker an Rondradins Lippen, nur um dann mit nur schwer unterdrückter Begeisterung zu urteilen: “Sie ist also nicht nur so schön, wie der herbstliche Wald meiner Heimat, sondern sie besitzt darüber hinaus auch noch ein beherztes, zupackendes Wesen. So klingen eure Worte zumindest für mich. Das ist gut, denn sie wird mich bei den Hörnern packen und mir die Flausen austreiben müssen.” Thankred lachte erneut und es war diesmal eher von derber Natur. Es war ein weiterer Ausdruck dafür, dass der Junker wenig höfischen Umgang besaß und sich daheim wohl eher mit Gemeinen umgab. “Erzählt mir von diesem ‘Problem’ und wie Sabea euch half”, forderte Thankred Rondradin immer noch gut gelaunt auf. “Das interessiert mich.”

Ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht des Geweihten. “Seid vorsichtig mit Euren Wünschen. Sie könnten in Erfüllung gehen.” Nur zu gut erinnerte sich Rondradin daran, wie Sabea den Händler am Kragen gepackt und hochgehoben hatte. “Über die Einzelheiten des Problems kann ich Euch nicht informieren, dazu bräuchte ich die Erlaubnis der betreffenden Person. Aber zusammengefasst ging es um einen üblen Fall von Verleumdung, der darin gipfelte, dass Strauchdiebe Jagd auf das Opfer machten. In Twergenhausen konnten wir den vermeintlichen Übeltäter stellen. Die teure Sabea war hierbei eine hervorragende Leibwächterin und eine Meisterin des Verhörs. Sie musste ihn nur kurz schütteln und schon packte der vermeintliche Schuft aus.” "Das kann ich mir nur zu gut vorstellen", presste Trollpforzer hervor und hieb sich lachend auf den Oberschenkel. "Da wäre ich gern dabei gewesen. Allein der Anblick hätte mein Blut in Wallung gebracht. Prachtweib. Aber sagt", ganz plötzlich wurde der Junker wieder ernst. Thankred senkte die Stimme. "Wie steht Sabea eigentlich zu dieser 'Veranstaltung'? Das was ihr mir berichtet habt, deutet für mich auf ein Weibsbild, dass sich nicht gern diktieren lässt was sie zu tun und zu lassen hat. Darunter fällt vermutlich zuvorderst der fremdbestimmte Traviabund oder?"

“Ich weiß nicht wie Sabea darüber denkt.” Antwortete Rondradin wahrheitsgemäß. “Aber ich möchte Euch folgendes zu bedenken geben. Zum einen ist sie hier und nicht in Elenvina, zum anderen wollt Ihr doch ihr Herz gewinnen. Wäre das denn dann noch ein fremdbestimmter Traviabund, wenn sie Euch um euretwillen heiraten würde?” Rondradin legte dem Junker seine Hand auf die Schulter. “Wenn ich einen Rat geben darf. Seid Ihr selbst, wenn Ihr vor sie tretet und es wird schon werden. Wenn ich es jemanden aus dieser Gesellschaft hier zutraue Sabeas Herz zu erobern, dann seid Ihr das.” Der Geweihte war sich sehr sicher, dass Sabea den Trollpforzer nicht als ‘Würstchen’ bezeichnen würde, wie sie es in seiner Gegenwart schon mit anderen getan hatte. Bedächtig nickte der Junker ob der Worte Rondradins. “Ich danke euch für diesen Rat. So werde ich es halten. Alles andere dürfte mir ohnehin schwerfallen. Ich bin ein einfacher Mann und habe nie gelernt mich ‘zu verstellen’. Ich empfinde es aber auch als großes Glück, dass ich dies im Isenhag nicht muss. Die Adligen und vor allem auch die Zwerge dort geben sich zwar recht eigensinnig und zum Teil auch verschlossen, aber ein offenes, direktes Wort ist immer lieber gesehen, als hochtrabendes Geschwafel, wie ich es oft im Flachland ertragen muss.” “Ich glaube, Ihr und die werte Sabea werdet gut miteinander auskommen.” Erklärte Rondradin mit einem Grinsen. Die ehrliche, schroffe Art des Isenhagers würde Sabea sicherlich gefallen, da war sich Rondradin sicher.

Dem aufmerksamen Betrachter entgingen nicht die Leute, die mit Tablett und Krügen ausgestattet waren, die die Treppe des Pavillons hochkamen. Angeführt wurden diese von der zwanzigjährigen und niedlichen Flora vom Lilienhain, die ihre weizenblonden Haare in zwei ordentlich geflochtenen Zöpfen trug, die ihr fast bis zur Hüfte reichten. Sie trug ein schulterfreies, rotes Kleid auf dem Stickereien von Rosen angebracht waren und hatte ein Tablett mit Schälchen in den Händen. Auf dem Pavillon angekommen, wartete sie kurz, bis auch der letzte Gast sie wahrgenommen hatte. “Hohe Damen und hohe Herren. Ich komme mit den herzlichsten Grüßen der Küchenmeisterin Victualia vom Lilienhain, die heute für unser aller Leib und Wohl sorgt. Ich haben eine provinziale Köstlichkeit mitgebracht: den Schweinsfolder Groschen! Eine eingelegte Pflaume im Speckmantel. Und dazu Wein oder Wasser.” Dann fing Flora an, die Schälchen zu verteilen. “Ich werde übrigens für den Rest der Brautschau euch zur Verfügung stehen.” Dann gab sie den Dienern einen Wink, die dann anfingen die Kelche der Gäste zu füllen. “So, wer möchte?”

Aureus und Vitold meldeten sich fast gleichzeitig und nahmen dankend je eine Portion entgegen. Nach dem ersten Biss verzog Aureus das Gesicht. Offenbar schmeckte es ihm nicht und er schob seinen Teller rüber zu Vitold. Noch bevor Flora darauf eingehen konnte, hörte sie: “Mir könnt ihr ruhig gleich zwei Schüsseln geben”, antwortete der Junker ohne zu zögern und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. “Ich habe hunger wie ein Bär nach dem Winterschlaf.” Was Wein oder Wasser anging lehnte er ab, er hielt sich nun lieber an das Bier. “Ja gerne, ich nehme eine Portion. Und einen Becher mit Wasser. Vorerst”, meinte Lares und betrachtete die Kleinigkeit, die man vor ihm abgestellt hatte. Lissa hatte sich derweil selbst versorgt - das war zu erwarten gewesen.

Sorgfältig stellte Flora erst zwei Schälchen zum Junker Thankred, um dann gleich zum Junker Lares zu gehen. “Hier, ein Schweinsfolder Taler für Euch, Wohlgeboren. Darf ich übrings anmerken, was für ein galanter Edelmann ihr seid? So wie ihr euch für die Dame von Wasserthal eingesetzt habt, so etwas kann sich nur jede Frau wünschen”, sagte die niedliche Flora. “Ähm, danke”, meinte Lares leicht irritiert. Er hatte nicht erwartet, für Selbstverständlichkeiten komplementiert zu werden. Noch dazu nicht von einer Bediensteten. “Ich glaube, es ist die Pflicht eines jeden aufrechten Mannes, einzuschreiten, wenn die Grenzen von Respekt und Anstand überschritten werden.” Das meinte Lares ganz ohne Pathos. Er war fest davon überzeugt, dass Regeln und Grenzen ihr Gutes hatten. Andernfalls würde die Welt vor die Hunde gehen. Sicherlich. Er nahm einen großen Schluck Wasser aus dem Becher. Er hatte nicht gemerkt, dass vor lauter Anspannung sein Mund so ausgetrocknet war. Einen kurzen Moment betrachtete er die hübsche Dame. “Ihr seid keine Köchin und sonst bestehen Eure Pflichten auch nicht im Auftragen feiner Speisen, liege ich da richtig? Welche Pflichten verrichtet Ihr, wenn Ihr nicht zu solch besonderen Anlässen aushelft?” Ein bisschen Kurz-Konversation zum Locker-Werden ohne Risiko konnte ja nicht schaden…

Ein leichter Hauch von Röte färbte ihre Wangen. “Da habt ihr recht, euer Wohlgeboren. Ich bin Gärtnerin in diesem Stadtpark und pflege den Rahja-Schrein. Meine Familie hat sich ganz der lieblichen Göttin zugewandt und ich selbst strebe the Akoluthenwürde an.” “In Schweinsfold scheinen sich ja sehr viele Menschen der schönen Göttin verschrieben zu haben”, meinte Lares, als... Der Junker aus dem Isenhag ließ es sich derweil schmecken. Nicht ganz ohne Schmatzen aß er die Leckerei und hörte dabei dem laufendem Gespräch nur mit einem Ohr zu. Derlei Geschwafel interessierte ihn nicht. Das von seiner Seite aus als Lob an die Köchin gemeinte “daran könnte ich mich glatt überfressen”, war aber durchaus so gesprochen, dass es alle am Tisch hören konnten. Nichts anderes hatte der Mersinger erwartet. Er warf einen knappen Seitenblick auf den Trollpforzer. “Naja, nicht alle”, lachte er und biss ebenfalls herzhaft in die Pflaume. Das Zeug war wirklich lecker, das musste man dem Rüpel lassen. “Hmm, wirklich gut! Ein Kompliment an die Köchin.” Celissa von Tannenfels pflichtete bei. Pflaume im Speckmantel war eine Köstlichkeit, die alles andere als zu verachten war. Der von dem Schälchen aufsteigende Duft hatte sie jäh ihren zwischenzeitig erwachsenen Hunger, den sie vor lauter Gesprächen und ihrer Anspannung. unbedingt eine gute Partie für ihre Kinder zu machen, gänzlich verdrängt hatte, spüren lassen. Mit Wonne biss sie hinein und ließ den Zweiklang von fruchtiger Süße und Herzhaftigkeit auf ihren Gaumen wirken. Sie wussten zu leben, hier im Gratenfelser Becken.

Rondradin wollte gerade antworten, als ihn ein Bediensteter die Einladung der Doctora überbrachte. Sichtlich überrascht sah er zu dem Pavillon hinüber in dem sich die Familie Altenberg versammelt hatte. “Richtet Ihr bitte aus, dass ich die Einladung dankend annehme.” Er stand auf, griff nach seinem Becher in dem noch immer ein Rest des Beerenschnaps war und prostete seinen Tischnachbarn zu. “Meine Wohlgeborenen Herrschaften, Leider muss ich diese illustre Runde verlassen. Ich wünsche Allen viel Erfolg bei den heutigen Unternehmungen.” Nachdem der Becher geleert war, stellte der Geweihte ihn auf dem Tisch ab und verließ den Pavillon in Richtung der Altenberger Tafel. Lares zog kurz die Augenbrauen hoch. Na, da hat wohl jemand eine Sonderbehandlung verdient, dachte der Mersinger etwas neidisch und wandte sich dann seiner Gesprächspartnerin wieder zu.

Auch Flora schaute dem Rondrageweihten hinterher. Dann ließ sie sich eine Karaffe reichen. “Seiner Gnaden hat die Familie von Altenberg von Elenvina nach Herzogenfurt eskortiert. Vater Winrich hat einen Narren an ihm gefressen.”, beantwortete die ungefragte Frage. “Wollt ihr noch mehr Wasser?” “Na wenn Ihr so fragt, dann vielleicht lieber einen Becher Wein. Wir wollen Herrin Rahjas Getränk ja nicht verschmähen, oder? Reicht schon, wenn einer es tut.” “Wen meint ihr, Wohlgeboren?, fragte sie neugierig. Lares nickte unauffällig zu Trollpforzer rüber, der genüsslich einen schweren Humpen Bier kippte. Nun schien die junge Frau zu verstehen. ´Das Bier und kein Wein´. Mit einem bestätigten”Ah, ich verstehe” nickte sie dem Junker nochmals zu und kümmerte sich dann um den nächsten Gast.

Ritter Runegard war gerne bereit die lokale Spezialität zu probieren, in anbetracht des noch jungen Praioslaufes ließ er sich seinen Wein jedoch verdünnen. Flora vom Lilienhain musterte den älteren Mann. “Wollt ihr noch einen Schweinsfolder Taler?” fragte sie beflissen. ´Schaut er für seine Kinder oder für sich? Vielleicht wäre er was für Praiona, die ist ja schon über 30 Sommer.´ ging es ihr durch den Kopf. Kinder, zumindest eheliche, hatte der Vogt keine, ein Umstand der der Familie der er Vorstand wenig zusagt. Gezwungenermaßen hatte er sich deshalb genötigt gesehen, zumindest auf die Suche nach einer Braut zu gehen. Was den Verlauf dieser Suche betraf, da wollte er sich überraschen lassen. Vorerst nahm er jedoch erst einmal freundlich dankend einen weiteren der Schweinsfolder Taler.

Ein blonder, zwölfjähriger Junge löste sich aus den Schatten der Diener und ging mit einem Krug und einem Kelch auf die Pagin zu. Er war schlank und trug einen roten Leinenwams. “Verzeiht euer Wohlgeboren. Ich bin der Alfritz. Meine Mutter hat mich geschickt, um euch das hier zu bringen.” Alfritz hielt ihr den Kelch hin. “Holunderblütensaft.”

“Hab Dank.” sagte die Pagin und nahm ihm den Kelch ab. “Ich hätte auch gerne so eine Pflaume.” sie deutete auf die Küchenmeisterin. “Sie hat doch gesagt es gibt Pflaumen?” Sie grinste den Jungen an und offenbarte eine große Zahnlücke in ihrem oberen Kiefer. Der Junge grinste zurück. “Warte, ich hole welche.” Er stellte den Krug ab und ging zu einer der Diener. Geschwind war er zurück und stellte ein Schälchen mit zwei Schweinsfolder Groschen vor ihr hin. “Oder nur Pflaumen?”

Sie nahm eine der Köstlichkeiten in den Mund. Kritisch probierte sie, dann hellte sich ihr Gesicht auf: “Das ist lecker.” Mit schräg gelegtem Kopf sah sie den zweiten Happen an: “Ich denke ich möchte lieber dieses.” Damit verschwand auch der zweite Bissen gierig in ihrem Mäulchen. Sie nickte dem Jungen zu. “Was gibt es denn noch?” fragte sie neugierig. Ein spitzbübischer Blick schlich sich in seine Augen. “Was süßes oder was salziges?” Sie runzelte die Stirn. “Das will ich doch von dir wissen!” sagte sie streng, fuhr aber redselig fort: “Es ist nur nicht höflich sich mit einem ersten Gang den Bauch voll zu schlagen, wenn die Küchenmeisterin noch viele weitere Gänge bringt.” Das war ihr bereits mehrfach beigebracht worden, wenngleich sie sich nicht immer darin hielt: “Aber...sagen wir mal ich wüsste, was kommt, dann wüsste ich auch, ob ich es mag oder stattdessen lieber noch diese.. Diese Pflaumendinger essen mag.” sagte sie leise grinsend.

“Falls du hier weg kannst, kann ich dir meine Mutter vorstellen, die kann dir alles erzählen was es heute geben wird.”, flüsterte ihr zu. Lissa sah sich um. Ihr Schwertvater war gerade mit einem der Geweihten in ein Gespräch vertieft. Ausserdem war es ein wenig langweilig hier. Sie grinste. “Für kurz kann ich weg. Wie lange dauert das denn? Wenn ich schnell wieder komme, dann…” sie zögerte kurz… “dann geht das bestimmt.”

“Nur bis zum Küchenzelt” Dabei zeigte er auf das orange Zelt. Mit flinken Schritten ging er voran und schaute sich dabei um, ob sie ihm folgte. Die kleine Eisensteinerin folgte ihm auf dem Fuße. Sie wippte bei jedem Schritt ein wenig auf und ab.

´Lasst uns diese Farce beginnen´ Mit diesen Gedanken bestieg der Junker Lucrann von Leihenhof die Treppen zum Pavillon hinauf. Der junge Mann hatte mitnichten vor, nach einer Braut zu schauen. Er genoß das Leben in den höfischen Gesellschaften zu sehr, als sich jetzt mit einem Eheweib und Kindern herum zuschlagen. Seine Junkerei in der Baronie Berg verschaffte ihm ein gutes Auskommen und er wollte das auskosten. Seine Zeit im Horasreich hat ihn gelehrt das Leben zu genießen. Auch wenn die Nordmarken viel von den schönen Eigenarten des Lieblichen Feldes einbüßten, so konnte er sich wenigstens etwas davon erhalten. Und so erlaubte er sich, etwas von der horasischen Mode zu tragen.

Lucrann war hoch gewachsen , dabei von schlanker-sehniger Statur, ja fast dürr zu bezeichnen. Sein Gesicht war scharf geschnitten, wahrte dabei aber eine annähernd herzförmige Form und wurde von einem Busch aus sorgsam geschnittenen, dunkelbraunen Haaren eingerahmt. In diesem Gesicht leuchteten ein Paar wacher, meerblauer Augen, leicht schräg gestellt, und erinnerten den Kundigen an die Augen von Nivesen. Doch wirklich auffällig an dem Junker waren seine großen Hände mit den langen kräftigen Fingern. Seine Kleidung war einfarbig gehalten und zeugten von der Verwendung eines teuren Hesindigo-Blau. Und so trug der Junker ein aufwändigen Brokatwams mit abgesetzten Ärmeln, sowie Hosen, die etwa bis Kniehöhe gepludert waren, dazu Stiefel aus weichem Leder und ein Barett mit Federschmuck. Als Schmuck trug er einen einzigen tropfenförmigen Ohrring am linken Ohr. Eine Pomander hing an einer schmalen Kette, dessen Abschlussring an seinem Finger steckte und den herrlichen Geruch von Rose verbreitete. Noch vor der langen Tafel stehend, begrüßte er die Gäste, während er dabei nervös mit dem Pomander in seiner rechten spielte. “Den Göttern zum Gruße werte Signora und Signores! Verzeiht mein spätes Erscheinen und hoffe nicht zu stören. Cavalliere Lucrann von Leihenhof, Junker zu Liannon, mein Name.” Es fiel dem jungen Adligen immer noch schwer vor Gruppen zu sprechen. Zögerlich suchte er einen freien Platz und setzte sich hin.

Der Trollpforzer beobachtete den Auftritt ‘des Gockels’, denn das war dieser Herr für ihn, mit skeptischer Miene. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihm das Aussehen und Auftreten des anderen Junkers nicht gefiel, verkörperte er doch viel von dem, was der Isenhager an dem Adel des Flachlandes verabscheute. Demnach kam seine Vorstellung, “Thankred von Trollpforz”, auch eher beiläufig, ebenso wie das Erheben seines Bierkrugs. ´Das also ist der ungehobelte Junker, man hat nicht untertrieben´. Die Geschichten die er über Thankred gehört hatte waren verstörend wie auch belustigend am Hofe. Mit gekonntem Lächeln antwortete er den Junker mit einem erhoben Kelch Wein. Sein Tischnachbar schien aber vielversprechender zu sein und prostete auch ihm zu. ”Auf das Fest, werter Herr!” Mehr als ein leichtes Zucken seiner Mundwinkel hatte der Trollpforzer nicht mehr übrig für den Cavalliere. Ihm fehlte wohl schlicht die Lust, sich mit ‘dem Gockel’ weiter zu beschäftigen.

“Auf das Fest”, prostete dieser zurück und nahm einen Schluck Wein. “Und herzlich willkommen. Wenn ich mich vorstellen darf: ich bin Junker Aureus Praioslaus von Altenwein. Der Herr neben mir ist Ritter Vitold von Baldurstolz, der Edle zu Hinterwald. Ich habe kürzlich eine Verwandte von Euch kennenlernen dürfen, die hochgeborene Hochwürden Ivetta. Sagt, wie geht es ihr? Ist sie ebenfalls hier?” “Angenehm. Ich habe eine Weile nichts von meiner Tante gehört. Leider ist sie heute nicht anwesend. Aber mein Vetter, der Baron Roklan von Leihenhof zu Galebquell ist zugegen. “ Lucrann deutete auf den Pavillon des Hochadels. Habt ihr schon etwas über die Damen des Hauses Altenberg gehört? Ich muss gestehen, der Name ist noch nicht zu Hofe gefallen.” Leicht amüsiert ließ er sich von Flora nachschenken. “Leider nein, ich muss gestehen, dass ich erst vor kurzem belehnt wurde und mir noch keine Gedanken um meine traviagefällige Zukunft gemacht habe. Als ich von dieser Festlichkeit erfuhr, sagte ich mir: es kann ja nicht schaden mal einen Blick auf die heiratswilligen Damen der Nordmarken zu werfen. Wenn sich was ergibt, gut! Wenn nicht, dann nicht. Ein paar Jahre habe ich ja noch Zeit,oder?” Aureus plauderte, als würden sich die beiden schon lange kennen, während Vitold sich stumm seinem Schweinsfolder Groschen widmete und sich dabei den Leihenhofer betrachtete. “Absolut. Ihr habt Zeit … wir haben Zeit.” Der Junker ließ seinem Gesprächspartner wissen, dass er selbst noch nit so weit war sich zu binden. Aureus setzte gerade zu einer Antwort an, als er merkte, dass Lucranns Blick sich auf etwas hinter ihm focussierte. Er drehte den Kopf und sah eine Rahjanovizin näher treten.

Während sich die Reihen der Niederadligen füllte, aber auch der eine oder die andere den Pavillon verließ kehrten neue Besucher ein. Mit einem Lächeln auf den Lippen näherte sich die junge Novizin dem Pavillon der belehnten Niederadeligen. Eine kleine Gruppe alleinstehender, junger Männer ohne weibliche Gesellschaft. Da konnte ja nichts bei rauskommen außer einem Besäufnis und ernster Gespräche. Es wurde höchste Zeit, diese Zusammenkunft etwas aufzulocken. Rahjalind strich den Stoff ihres Kleides zurecht, das an ihren Züge hinabfloss wie flüssiges Metall und brachte ihre Frisur in Form. Sie war es nicht gewohnt ihre honigblonde Mähne offen zu tragen, doch war ihr heute danach. Nach ein paar kundigen Griffen stieg sie die Stufen hoch und begrüßte die Gesellschaft mit einem fröhlichen; "Rahja zum Gruße." “Rahja zum Gruße, Signora!”prostete ihr der Junker Lucrann von Leihenhof zu. Der dürre, junge Mann in horasischer Mode schenkte der Novizin ein lächeln, während seine meerblauen Augen offensichtliche Interesse bekundete. Auch die holde Weiblichkeit war nicht dazu angetan Thankred mehr als ein müdes Lächeln abzugewinnen. Er fühlte sich nicht dazu berufen heiter irgendwelche Belanglosigkeiten, noch besser Höflichkeiten auszutauschen. Er war aus einem Grund gekommen.

Rahjalind fiel der erlesene Modegeschmack des jungen Herrn sogleich ins Auge. Sie schenkte dem Junker ein strahlendes Lächeln und setzte sich ungefragt an den Tisch. Lucrann holte tief Luft. Er mag zwar einladend gesprochen haben, aber von Natur aus war er eher ein zurückhaltender Mensch. Er schluckte kurz und versuchte seine Unsicherheit hinunter zu spielen. “Welch eine Grazie. Und ich dachte schon eine erheiternde Konversation wäre an diesem Tisch nicht möglich gewesen. Mit wem haben wir es den zu tun?” fragte er sie. Die Novizin lachte glockenhell auf und schlug dann spielerisch ihre Augenlider nieder. "Rahjalind vom Traurigen Stein, Euer Wohlgeboren, Schülerin der Leidenschaft aus dem Rebentempel in Kyndoch." Sie musterte den jungen Mann noch einmal. Neben seiner Garderobe wirkten vor allem seine Augen fremd und interessant. "Und mit wem habe ich das Vergnügen?"

“Cavalliere Lucrann von Leihenhof, Junker zu Liannon. Den Namen ´vom Traurigen Stein´ habe ich schon einmal vernommen. Ich verbinde damit rauschende Feste und Wein. Ihr werdet uns heute noch eines bescheren?” eine leichte Röte zeigte sich auf seinen blassen Wangen. Die Angesprochene entgegnete ihm ein breites Lächeln. Ja, wenn ihre Eltern diese Feier ausgerichtet hätten, würde es hier wohl anders ablaufen. "Ich bin beeindruckt was Ihr alles über meine Familie wisst, Cavalliere ...", sie begann lasziv mit einer Haarlocke zu spielen, "... Wein hatten wir tatsächlich im Gepäck als wir angekommen sind, doch weiß ich nicht wo dieser sich gegenwärtig befindet ...", Rahjalind blickte kurz hinüber zum Küchenzelt, "... in der Holzklasse unter dem Sonnenschutz hat man ihn uns bis dato noch nicht serviert." Sie kicherte mädchenhaft und gab damit zu verstehen, dass ihre letzte Bemerkung wohl als Scherz zu verstehen war. "Nun wisst Ihr ja schon so einiges über mich, aber ich nichts über Euch. Erzählt mir doch etwas, stammt Ihr aus dem Horasreich?"

´Die Kleine hat echt Witz.´ Langsam entspannte er sich. “Ich bin in den Nordmarken geboren, doch habe ich meine Knappenzeit im Horasreich verbracht. Mein Schwertvater ist Signor Darion Amarinto aus der Baronie Sewamund, das liegt an der Grangorer Bucht. Nun bin ich aber wieder in meinem Geburtsland und habe mein Erbe in Liannon angetreten. Mein Vetter, der Baron von Galebquell, hat darauf bestanden, dass ich mich hier ´umsehe´.” Bei den letzten Worten verdrehte er die Augen. Rahjalind schürzte gespielt ihre Lippen. "Verspürt Ihr denn keinen Wunsch nach einem Eheweib?" Ihre Augenbrauen wanderten nach oben. "Immerhin habt Ihr dem Wunsch Eures Vetters entsprochen und seid nun hier unter den Werbern. Habt Ihr Euch denn schon ... umgesehen ...", ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre edel geschwungenen Lippen, "... gibt es schon eine Dame, die Ihr ins Auge gefasst habt?" “Nun ich muss gestehen, dass dafür noch keine Zeit war. Allerdings glaub ich, dass ich mich nicht mehr umschauen muss.” Lucrann schaute ihr tief in die Augen, während seine Wangen eine rosige Färbung annahmen.

"Och ...", meinte Rahjalind und schürzte gespielt ihre Lippen, "... wollt Ihr das den anderen Damen wirklich antun, mein Herr? Ich bin mir sicher, dass eine jede von ihnen darauf brennt Euch kennenlernen zu dürfen." Sie legte ihre schmale Hand auf die seine und erwiderte seinen Blick. "Ihr habt eine hübsche Base, die Euch begleitet hat", wechselte sie dann charmant das Thema ... vorerst. “Das kann sein, allerdings muss ich ja nicht darauf brennen JEDE kennenlernen zu wollen.” Das Grinste er. “Hübsche Base? Ach, ihr meint Lucasta. Nun, Schönheit liegt ja im anbetracht des Betrachters. Aber … danke, für eure lieblichen Worte, ich bin mir sicher, dass die junge Signora das gerne hört. Mein Vetter der Baron würde sie gerne verheiratet sehen. So …. wie mich.” Leichter unmut schwang in seiner Stimme.

Sie nickte wissend. "Nun aber Ihr seid hier und wenn ich Euch richtig einschätze, seid Ihr auch ein Lebemann. Was spricht denn dagegen gepflegte Konversationen mit den hübschen Damen hier zu führen ... vielleicht das eine oder andere Mal zu tanzen und Speis und Trank zu genießen?" Rahjalind wies in einer weitläufigen Handbewegung um sie. "Seht Euch nur einmal um. All die hübschen Maiden und Burschen in ihrer edlen Kleidung und wie ihnen die Aufregung rote Flecken auf die Wangen gemalt hat. Ist es nicht schön?" Sie lächelte breit und legte ihren Kopf schief. "Genießt es einfach und lasst es auf Euch zukommen. Am Ende des Tages werdet Ihr ja sehen ob es eine Frau gibt, die Euch so sehr begeistert, dass Ihr sie ehelichen wollt. Und wenn nicht, dann ist auch nichts verloren - dann hattet Ihr immerhin einen schönen Tag in netter Gesellschaft." Die Novizin kicherte melodisch. "Aber einen gemeinsamen Tanz erwarte ich mir mit Euch später schon." “Wo ihr recht habt, habt ihr recht. Ich werde mich einer Feier nicht verweigern Graziosa!” Lucrann war begeistert von der Novizin. Sie hatte recht und er begann die Brautschau mit anderen Augen zu betrachten. “Ich will euch natürlich nicht in beschlag nehmen, ich nehme an ihr möchtet noch mit anderen Gästen sprechen?”

Rahjalind winkte ab. "Ach, ich würde Eure angenehme Gesellschaft doch nie als etwas negatives sehen, Herr Lucrann." Sie lächelte und fast schien es ihm als würde sie dabei erröten. "Aber ich möchte auch nicht dafür verantwortlich sein, dass die anderen Damen hier nicht in den Genuss kämen Euch kennenlernen zu dürfen." Die Novizin nippte noch einmal an ihrem Kelch, hielt dabei jedoch stets Blickkontakt mit dem Junker. "Wir werden später noch Gelegenheit bekommen unsere Konversation fortzusetzen ... und überhaupt schuldet Ihr mir ja einen Tanz." “Das werden wir!” Mit einem Lächeln ließ er die Rahjanovizin von dannen ziehen. Als sie sich vom Junker entfernte, schenkte sie ihm einen verheißungsvollen Blick über ihre Schulter, begleitet von einem vollendet schönen Lächeln, das es wohl auch schaffen würde das ewige Eis schmelzen lassen. ´Ein sehr interessanter Mann´, dachte die Novizin bei sich, ´mal sehen wie er sich auf dem Tanzparkett anstellen würde.

In Begleitung des Lares von Mersingen betrat eine großgewachsene Schönheit in einem züchtig geschnittenen blauen Kleid den Pavillon. Mit ihren schwarzen Haaren und tiefblauen Augen erinnerte sie frappierend an den Rondrageweihten, der diese Runde zuvor verlassen hatte. Andesine ließ ihren Blick schweifen und sah Rahjalind in dieser Meute junger Adliger, der sie zulächelte. Sie wollte schon etwas sagen, überlegte es sich dann doch anders. Die Ritterin würde Lares den Vortritt lassen.. Lares sah sich eilig um und übersah dabei die schöne Rahjani vollends. Im Gegensatz zu seiner reizenden Begleitung war der Mersinger weder attraktiv noch ruhig, sondern wirkte fahrig, aufgelöst und noch bleicher als eh. Er suchte den Platz, an dem seine Pagin zuvor gesessen hatte. Sie hatten sich ja vorher dem Trollpforzer gegenüber platziert. Dieser Aureus war dann später auch hinzugestoßen. Schnell schickte der Ritter ein Stoßgebet gen Alveran, der Herr der Sonne wolle mit seinen Strahlen Klarheit senden, dann trat er an die Tafel heran und räusperte sich, um die Aufmerksamkeit zu erhalten. “Die Herrschaften mögen entschuldigen, aber ich suche meine Pagin. Zuvor war sie noch hier gesessen. Jetzt ist sie jedoch nicht mehr da. Hat irgendeiner der hohen Herren”, Damen waren ja nicht zu erblicken, dachte sich der Mersinger, “gesehen, wohin sie ging?”

“Es war ein junger Bursche, zehn, vielleicht zwölf, blond, mit einem roten Wams. Eure Pagin ist mit ihm gegangen”, erklärte der Junker von Trollpforz knapp, nur um dann den Kopf zu schütteln und noch etwas anzufügen. “Ich habe leider nicht gesehen in welche Richtung.” Thankrets Ton war sachlich und enthielt kein bisschen Biss, wie man es nach dem kleinen Streit mit Lares hätte vielleicht vermuten können. “Sie sind Richtung Küchenzelt”, sagte Vitold und deutete in die entsprechende Richtung. Es war eine sachliche Feststellung, wie es die Art des Baldurstolz war, doch wusste er aus Erfahrung, dass die meisten seiner Mitmenschen eine solche Äußerung in den falschen Hals bekamen und bereitete sich innerlich auf diverse unsachliche Anschuldigungen vor.

“Ähm, oh. Danke”, presste Lares gerade noch so hervor und wandte sich dann mit aufgerissenen Augen Andesine zu. Was zum Teufel wollte Lissa denn da? Und dann auch noch mit irgendeinem dahergelaufenen Küchenburschen. Wild gestikulierend bedeutete er der schönen Ritterin, dass sie so schnell wie möglich das Küchenzelt auf Links drehen müssten. Er packte sie am Handgelenk und zerrte sie förmlich hinter sich her. Mit ihrer freien Hand packte die Ritterin Lares und bremste ihn in seinem Tun. “Beruhigt Euch, um der gütigen Herrin Travia Willen.” zischte sie in einem leisen Befehlston. “Wenn Ihr jetzt quer über das offene Areal rennt, wird der Vater der kleinen Ausreißerin gewiss auf Euch aufmerksam werden. Atmet tief durch und dann gehen wir gemessenen Schrittes zur Küche.” Sie hakte sich wieder bei ihm unter, während sie Lares zu beschwichtigen suchte. “Was erwartet ihr denn, dass sie in diesem Alter mit einem Küchenburschen anfangen will? Wahrscheinlich will sie ein paar Spezereien naschen oder mit dem Jungen spielen.”

“Was, nein, wo denkt Ihr hin!”, zischte er. Das hatte der Mersinger wirklich nicht befürchtet. Aber die Standpauke half. Lares schnaubte einmal tief durch, dann meinte er nur knapp: “Ihr habt Recht. Das letzte, was wir jetzt brauchen, ist eine Szene.” Er strich sein Wams zurecht, das, wie er plötzlich bemerkte, fast denselben Farbton aufwies wie das lange Kleid der Ritterin. Neben der großgewachsenen Schönheit fühlte er sich plötzlich winzig. Und wirklich fehl am Platz. Einen irritierenden Moment lang starrte er aus fast schwarzen Augen zu ihr hinauf. Dann nickte er entschlossen und ging gemessenen, dennoch zügigen Schrittes Richtung Küchenzelt.

Unter dem Sonnenschutz (mitte)

Ein lautes Klopfen auf der Tischplatte ließ die Gäste kurz aufschrecken, aber das laute, kernige Lachen das folgte, nahm den Schrecken. Rahjagoras vom Lilienhain, der in seinen Sechzigern war, hatte eine breite Brust mit kräftigen Armen und großen Händen. Sein weißes Haar trug er im Wehrheimer Bürstenhaarschnitt und hatte sein Kinn glatt geschabt. Die feinen Linien auf Stirn, um den Augen, der Nase und Mund ließen ihn im Zusammenspiel mit seinen wachen, grünen Augen jünger erscheinen. Das er Zeit seines Lebens mehr draußen als drinnen verbrachte hatte, war deutlich an seiner sonnengebräunten Haut zu erkennen. Gekleidet war der Gärtner mit einer ärmelfreien, weinroten Tunika, die mit Ornamenten aus Lilien und Rosen geziert war. “Rahja mit euch, werte Gäste! Während wir uns auf die Brautschau einstimmen, hat meine Tochter Victualia etwas besonderes aus der Küche für euch schicken lassen.” Der Alte winkte eine dralle Maid heran. “Das hier ist meine Enkeltochter Fecundaque. Sie wird euch allen für die Brautschau zur Verfügung stehen. Und deshalb fangen wir doch gleich an!” Die etwa Fünfzehnjährige hatte recht weibliche Rundungen und schulterlanges ,rotbraunes Haar, das sie offen trug. Eine rote Rose hatte sie sich ins Haar gesteckt und trug dazu ein rotes Leinenkleid mit einer grünen Schürze. Anscheinend war sie es nicht gewohnt vor so vielen Leuten zu sprechen. Mit leichter Röte im Gesicht hielt sie ein Tablett mit Schälchen vor sich. “Ja … also … ich habe hier Tannwalder im gelben Rock. Das ist eine Wurst mit Mostrich.” Dann pfiff er weitere Helfer heran, die mit Karaffen ausgestattet waren. “Und Wein und Wasser”, fügte er an. Sogleich fing Fecundaque an die Schälchen zu verteilen. Rahjagoras griff selbst zwei Schälchen. “Also, wer möchte?”

Nur selten hatte Angrond die Gelegenheit sich derart frei zu bewegen, immerhin war er eigentlich noch Knappe und hätte eigentlich seinem Herrn aufwarten müssen. Sein Herr jedoch weilte nicht mit auf diesem Fest, stattdessen hatte er auf Geheiß seiner Mutter die vairninger Arsan Thomundson und Runegard vom Schwarzen Quell begleitet um selbst auf Brautschau zu gehen. Allerdings hatte er zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich noch überhaupt kein Interesse daran verheiratet zu werden, viel lieber wollte er erst einmal Ritter werden und auf Aventurie gehen. Wollte seine Mutter ihm dies etwas verwehren? Jetzt aber gönnte er sich einer der angepriesenen Tannwalder mit Mostrich, der Name der Würste war ihm dabei einerlei viel wichtiger war etwas deftiges und sättigendes im Magen zu haben.

Weder Auriane noch Lechdane waren von zu Hause großen Komfort oder gar Luxus gewöhnt. Das Haus Ahnwacht verfügte durchaus über Mittel, war schließlich es bei seiner Entstehung durch das Herzogenhaus mit Häusern in Albenhus, Elenvina, Gratenfels und Isnalosch, sowie einigen Regalien um ihr Auskommen zu finanzieren ausgestattet worden Die Häuser waren noch heute die Verwaltungsstützpunkte in den Grafschaften, wobei Elenvina zugleich auch das zentrale Archiv barg, während die Einnahmequellen großzügig das notwendige Kleingeld in die Schatullen des Hauses spülen. Das Leben der Familienmitglieder war jedoch das eines Verwaltungsbeamten. Ihnen oblag es Änderungen in den Stammbäumen der nordmärkischen Geschlechter zu erfassen, jene die Offiziell an sie gemeldet wurden, aber auch jene die ihr weit reichendes, teils mehrere Generationen bestehendes, Netz an Spitzeln und Informanten lieferten. Abgesehen vom Familienoberhaupt und der Erbin des Hauses, was beide nicht waren, wurde angestrebt das alle Mitglieder Ehen eingingen die die Verbundenheit des Hauses mit dem Adel des Herzogtums festigte, egal ob Niederadel oder Hochadel ein von Ahnwacht stellte nunmal eine gute Partie dar. Nur langsam ihren Tannwalder im gelben Rock verzehrend, zogen die beiden Damen es vor lieber bedächtig an ihrem Wein zu nippen.

Dorcas hob den Arm und sagte:” Ich nehme eine.” Er drehte sich zu seinen neuen Freunden und fragte:” Wollt Ihr auch eine Tannwalder?” Nebenbei sah er rüber zu seinem Vetter Belfionn rüber, der immer noch im Gespräch mit dieser jungen Frau war. “Wie könnte ich als eine Tannenfels eine Tannwalder ausschlagen?” antwortete Ringard. “Ich nehme auch eine! Für Dich auch, Nivard?” Dieser schien jedoch nicht bei der Sache. Sein Blick war noch immer in Richtung der Altenberger gerichtet, und versuchte dort eine zarte Gestalt mit roten Haaren auszumachen. Hoffte, dass sich ihre grünen Augen und die seinen - selbst auf diese Distanz - treffen mochten. “Nivard?” Ringard versuchte seinem Blick zu folgen, während sie Dorcas verschwörerisch zugrinste.

“Rahja ist voll im Gange”. Dorcas zwinkerte Ringard zurück. “Ihr solltet euch vielleicht auch umschauen. Wie wäre es mit einem dieser Knappen?” Der Hüne deutete auf den Knappen Angrond und Folcrad. “Wenn ihr wollt, könnte ich euch vorstellen?” “Das glaube ich auch.” Zu gerne hätte sie bereits jetzt einen Blick auf diese Dame erheischt, doch sie zügelte ihre Neugier, schickte der Tag doch so langsam an, auch in eigener Sache interessant zu werden. Für sie hätte die Unterhaltung mit Dorcas alleine (Nivard war ja gerade allenfalls leiblich bei ihnen) gerne noch länger andauern können, doch ging sie zunächst dennoch auf dessen Angebot ein: “Sehr gerne. Sind sie in Knappschaft am Hofe der hiesigen Baronin?” Noch bevor Dorcas antworten konnte, ergriff Nivard von der Seite das Wort: “Ihr beiden entschuldigt mich bitte. Wir sehen uns später…”

Verwundert schaute der Ritter Nivard hinterher. “Nun hat er es aber eilig.” Dann drehte er sich wieder zur Ringard. “So genau weiß ich das gar nicht, aber das werdet ihr schon herausfinden. Er legte sanft seinen Arm um die junge Frau und führte sie zu den jungen Knappen. “In Rahjas Namen, verzeiht die Herren. Ich würde euch gerne diese junge Rose vorstellen wollen: Ringard von Tannefels!” Dann schob er sie ein wenig vor. Der junge Baldurstolz erhob sich von seiner Bank, lächelte und verneigte sich:”Angenehm, Folcrad von Baldurstolz, Knappe des Edlen zu Hinterwald, Ritter Vitold von Baldurstolz. Möchtet Ihr Euch setzen?” Er bot ihr seinen Sitzplatz an und trat einen Schritt zur Seite. Bereit ihr die Hand zu reichen, sollte sie das Angebot annehmen.

Angenehm berührt, in Dorcas Arm geleitet zu werden, und sichtlich geschmeichelt ob der Vorstellung als junge Rose, strahlte Ringard zunächst den Ritter der hiesigen Baronin an, um dann lächelnd in Richtung Folcrad zurückzuknicksen: "Sehr erfreut! Ringard von Tannenfels, wie Ihr bereits vernahmt, vom Hofe ihrer Hochgeboren Wunnemine von Fadersberg zu Ambelmund." Der junge Knappe mochte kaum älter sein als sie selbst, wenn überhaupt. Er strahlte vielleicht nicht die gefestigte Reife von Dorcas aus, die sie als sehr anziehend empfand, doch war sie hier, um sich umzuschauen, und Folcrads offene und zuvorkommende Art bewegten sie dazu, die Einladung anzunehmen. "Gerne möchte ich mich zu Euch setzen." ergriff sie die gereichte Hand, und ließ sich nieder. "Mit wem habe ich in Euch die Ehre?" richtete sie zunächst das Wort an Angrond von Fuchsberg, der ihr ebenfalls unbekannt war."

“Angrond von Fuchsberg, meine Familie lebt auf einem Rittergut in Vairningen.” Gab dieser etwas schüchtern zurück. Dabei war es nicht so das er nicht mit Menschen konnte, er brauchte lediglich ein wenig um mit ihnen warm zu werden. Womöglich fehlte es ihm dabei lediglich ein wenig an Selbstvertrauen. "Wo genau denn in Vairningen?" fragte Ringard neugierig. Vielleicht stammten sie sogar aus unmittelbarer Nähe. Beim Gedanken daran stellte fest, wie wenig sie sich in der Nachbarbaronie ihrer Heimat auskannte.

“Waldenberg liegt im Südosten der Baronie.” Versuchte er die Lage schon einmal grob zu Beschreiben, eh er näher ins Detail ging. “Von der Reichsstraße nahe Kefberg durch die Furt nach Effertingen und dann noch ein Stück weiter gen Firun bis das offene Land am Fluss den Wäldern von Nordgratenfels weicht.” Somit lag für die Verhältnisse in Nordgratenfels das kleine Rittergut noch sehr verkehrsgünstig, aber eigentlich waren die meisten Bewohner sehr glücklich damit dass alles seinen gewohnten Gang ging und nur selten Reisende für unruhe sorgten. Damit lag seine Heimat am genau entgegengesetzten Ende Vairningens, wäre er hingegen aus Avesstein oder Kranickau hätte das hingegen ganz anders ausgesehen.

Angrond wirkte trotz oder vielleicht auch gerade seiner Schüchternheit wegen durchaus nett auf Ringard. Allerdings war der Südosten von Vairningen nicht die räumliche Errettung, die sie sich heute insgeheim erträumte. Noch wirkte der junge Knappe gerade wie der strahlende Retter... “Und welche Ländereien müsste ich durchreisen, wollte ich Hinterwald besehen?” versuchte sie herauszufinden, wo die Heimat Folcrads lag. “Das kommt ganz darauf an, von wo ihr anreisen wollt. Das Edlengut Hinterwald befindet sich in der äußersten nordwestlichen Ecke der Baronie Eisenstein.” “Noch käme ich aus Ambelmund, da wäre die Anreise sicherlich beschwerlich. Doch von Elenvina aus dürfte es nicht allzuweit sein, oder?” bemühte Ringard ihre recht rudimentären Kenntnisse der Geographie der Nordmarken. Ihre Stimme vermittelte echte Neugier, und in der Tat handelte es sich bei ihrer Frage keineswegs um Geplänkel… “Mmmmh...Ambelmund ist in der Tat recht weit. In die Richtung hat mich mein Schwertvater noch nicht geführt. Also gut, dann Elenvina. Am besten fahrt Ihr auf dem Großen Fluss bis Altenfurt. Von dort gehts firunwärts bis zum Rickenbach, aber quert ihn nicht, sondern reitet rechter Hand weiter bis zur nächsten Brücke, diese müsst Ihr nehmen. Reitet weiter zum Ort Rickenbach und dann vorbei an der Hyndanburg, bis zur nächsten Weggabelung. Dort müsst Ihr den linken Pfad wählen, der Euch durch den Breewald führt, bis zum gleichnamigen Ort. Immer weiter dem Weg folgend, werdet Ihr eine Kreuzung erreichen. Linker Hand werdet Ihr zur Baronie Eisenhuett gelangen, rechter Hand geht´s zur Einöde, an dessen Rand Tuhnich - Guhds Schloss liegt. Es war die Feste eines üblen Schwarzmagiers. Angeblich haust seine Tochter dort immer noch. Reitet nicht dorthin. Geradeaus werdet ihr auf direktem Wege den Ort Hinterwald erreichen, wo ich derzeit Zuhause bin. Alles in Allem braucht man zwischen drei und fünf Tagen für diesen Weg.”

‘Drei bis fünf Tage bis Elenvina - naja, von Tannenfels oder Ambelmund aus ist es viel weiter bis in eine richtige Stadt…’ Und die Art, in der Folcrad von seiner Heimat erzählte, gefiel ihr. Mit einem leichten Zucken in den Mundwinkeln fragte sie neugierig nach: “Tuhnich - Guhd? Ein übler Schwarzmagier? Hat ihm denn jemand das Handwerk gelegt? Oder musste es seine Tochter selbst richten, natürlich nur, um seine Macht an sich zu reißen? Es scheint gefährlich zuzugehen in Eurer Heimat… sicher werden dort Helden gemacht! Und bei Euch, Angrond, ist es dort genauso abenteuerlich?”

“Soweit ich weiß haben wir mit Zauberkundigen eher selten Probleme.” Klärte Angrond diese Unart direkt als erstes auf. Die Baronin hatte ihre Hofmaga und die Thomundson war im Volk recht beliebt, da sie ihre, am Anatomischen Institut in Vinsalt erworbenen, Kenntnisse großzügig auch zum Wohle des einfachen Volkes einsetzte. Ansonsten hatten sie noch Naturzauberer, aber wenn man die nicht verärgerte, dann taten die einem auch nichts. “Es gibt Wölfe und Bären, aber die machen eigentlich einen weiten Bogen um die Siedlungen - also zumindest solange das Futter nicht knapp wird. Für Rot- und Schwarzpelze gilt eigentlich das Gleiche, wenn es dann aber soweit kommt sind sie gefährlicher. Die größte Gefahr sind deshalb vermutlich die Schergen der Rauestahls. Eine Familie von Raubrittern die sich sämtliche Konkurrenz in der Umgebung einverleibt oder alle umgebracht hat. Meist überfallen sie Reisende auf der Reichsstraße, aber auch Höfe in Vairningen sind bereits von ihnen geplündert worden. Die Position ihres Lagers konnte leider noch nicht festgestellt werden und so können sie seit Götterläufen ihr schändliches Unwesen treiben.”

“Ich müsste da meinen Schwertvater fragen. Der Zauberer trieb sein Unwesen vor zwanzig Götterläufen zur Zeit der Borbarad - Krise. Er soll wohl auch dessen Kult gefolgt sein. Räuber haben wir zur Zeit glücklicherweise nicht. Unternimmt Euer Schwertvater was dagegen und dürft Ihr ihn dabei begleiten?”, Folcrad stellte sich gerade vor, wie Angrond zusammen mit anderen den Räubern den Garaus machte. ‘So langsam taute Angrond also auf’, stellte Ringard insgeheim fest. Die Berichte der beiden Knappen waren kurzweilig - und aufschlussreich. Ihr Bild vom Leben im Südosten Vairningens erhärtete sich - es schien dort in vielerlei Hinsicht gar nicht so anders zuzugehen als im heimischen Tann, auch wenn sie in Ringards Heimat offensichtlich weniger Ärger mit Raubrittern hatten. Sie mochte die beiden Knappen, musste sie feststellen. Aber wie mögliche Ehemänner kamen sie ihr gerade nicht vor.

Wie von magischen Mächten gelenkt zog es Nivard aus dem Obdach des Sonnenschutzes hinaus in Geldas Richtung, darauf hoffend, noch ein Wort mit ihr wechseln zu können, oder wenigstens einen Blick, bevor es "offiziell" weiterging. Doch er musste erkennen, was er insgeheim längst wusste, dass das Protokoll und die Ordnung des Festplatzes genau dies wohl kaum zulassen würden. Wie angewurzelt blieb Nivard daher stehen, wenige Schritt vor dem Sonnenschutz, doch statt sich wieder zurückzuwenden, galt seine Aufmerksamkeit für einen Moment alleine Gelda, die er von hier gut erkennen konnte, suchten seine Augen die ihren, sehnsuchtsvoll bereits, ein weiteres Mal in deren magischem Grün zu versinken. Aber wie es schien, sah sie ihn nicht, dafür sah er aber Doratrava und Rondradin, wie beide mit ihr an der Altenberger Tafel saßen und redeten.

Neidvoll sah er zu dem kleinen Kränzchen. Wie gerne wäre er jetzt bei jenen, mit denen er in Nilsitz oder spätestens während der Reise hierher vertraut geworden war. Aber er musste sich gedulden. Heute ging es um mehr als um einen Tag in netter Gesellschaft, mit gutem Essen, Kurzweil und Plauderei. Er stand vor einem Kampf, einem, der nicht mit dem Schwert zu führen und zu gewinnen war. Für den er nicht ausgebildet worden war. Einem, in dem es für ihn um alles ging. ‘Militat omnis amans.’ Wie recht hatte diese alt-bosparanische Weise. Sie sahen nicht zu ihm herüber. Auch wenn es ihm schwer fiel, zwang er sich dazu, sich abzuwenden. Er war gerade dabei, als… Er direkt in die tiefblauen Augen Rondradins blickte. Beinahe entschuldigend lächelnd nickte dieser grüßend Nivard zu. Er sagte etwas zu Gelda und Doratrava, gleichzeitig deutete er unauffällig in Nivards Richtung. Doratrava sah daraufhin zu Nivard hinüber und winkte erfreut, war aber gerade im Gespräch und wollte auch nicht über den Tisch schreien. So zwinkerte sie dem Krieger nur zu und wandte sich dann wieder ab.

“Willst du auch eine Tannwalder?” fragte Corwyn seine Schülerin als er sich eine Schale von Rahjagoras nahm. Doch das Mädchen schüttelte den Kopf. “Gibt es nichts anderes?” fragte es schüchtern? Der ältere Mann schaute sie nachdenklich an. “Hmmm, nach was gelüstet es dich, junge Dame?” “Nach etwas ohne Fleisch bitte.” Lininaj lächelte Rahjagoras bittend an. “Da wird mir schon etwas passendes einfallen.” meinte dieser, “Ihr müsstet nur noch etwas warten.” “Das mache ich gerne.” erwiderte sie dankbar und sah dem älteren Mann nach bis dieser verschwunden war. “Die Tannwalder ist aber lecker.” versuchte Corwyn seiner Schülerin die Senfwurst doch noch schmackhaft zu machen. Diese schüttelte aber nur den Kopf und wartete geduldig bis einige Zeit später Rahjagoras zurück kam und ihr eine mit Gemüse und Käse gefüllte Teigtasche überreichte, in die sie glücklich biss. “Danke.” konnte man mit gutem Willen aus dem Kauen des Mädchens heraus hören.

Linnart stand etwas abseits des Geschehens und war in Gedanken versunken. Auf seinen Zügen zeigte sich ein leicht dämliches, aber friedliches Grinsen. Er atmete tief durch und schloss kurz seine Augen. Was für ein Tag. Der Ritter hatte das Gefühl, dass all das was ihm heute schon vergönnt war zu erleben, sonst wohl einen ganzen Götterlauf nicht füllen konnte. Sein Blick schweifte über die Gästeschar. Ja, er würde sich noch ein paar Momente lang Zeit nehmen bevor er sich unter die anderen Gäste mischte. Sein Ruf war seit dem Kuss ja sowieso nicht mehr der beste und er war froh wenn er den Tag überstand, ohne von einem der hier Anwesenden Satisfaktion fordern zu müssen. Der anmaßende, aber edel gekleidete Knappe von vorhin, welcher Linnart zur Rede gestellt hatte, war ihm schon zuviel der Zeitverschwendung gewesen, doch Praios sei Dank beruhigte sich der kleine Mann wieder, ohne dass Linnart nachhelfen musste.

Eine schmale Hand auf seiner Schulter ließ ihn aus seinen Gedanken hochschrecken und beförderte ihn zurück ins Hier und Jetzt. "Was tust du hier alleine, Bruder ...", kam es von der Seite und er erkannte die liebliche Stimme seiner Schwester Rahjalind, "... was hast du denn nun schon wieder angestellt ...", ihr Ton wurde anklagender, "... erst dieser Kuss und jetzt?" Sie ließ ihm keine Zeit zu antworten. "Hast du ihr etwa an den Hintern gefasst?" Der Ritter rollte mit seinen Augen und maß sie mit einem gespielt säuerlichen Gesicht. "Nein, nichts dergleichen. Wir haben uns gegenseitig etwas Platz und Zeit eingeräumt um mit den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen."

Rahjalind gab ein leichtes Seufzen von sich. "Du hast sie also gehen lassen? Bruder ... Bruder ... du bist ein hoffnungsloser Fall." "Ja ...", nickte er bestätigend, "... aber nicht so wie du denkst. Es ist eher nur vorübergehend. Wir wissen beide, dass wir uns hier auch wie die Gäste einer Brautschau verhalten sollten." "Dann lief es also gut?" Fragte sie erfreut. "Ja", bestätigte er nickend. Die junge Rahjadienerin klatschte erfreut in ihre Hände. "Dann stellt sich mir erst recht die Frage warum du hier alleine rumstehst und Maulaffen feilbietest. Solltest du ... ihr nicht an einem ruhigen Plätzchen sein und ... nun du weißt schon." Sie ließ ihre Augenbrauen nach oben wandern und stupste ihn schief lächelnd mit dem Ellenbogen in die Seite. "Hmpf ...", grunzte Linnart auf das Verhalten seiner Schwester hin, "... erstens hab ich dir ja gerade eben gesagt, dass es unziemlich wäre die Feier so früh zu verlassen und zweitens lassen wir es wohl auch etwas ruhiger angehen." Etwas, das ihm bei anderen Frauen egal gewesen wäre, wollte er bei Andesine erst gar nicht aufkommen lassen. Sie sollte nicht meinen, er sei nur auf ihren Körper aus - nein, die Sache würde nach ihrem gewählten Tempo ablaufen. "Ruhiger ...", lachte die junge Frau auf, legte ihm ihre Hände an die Wangen und blickte ihm eindringlich in die eisblauen Augen, "... wer bist du und was hast du mit meinem Bruder gemacht?"

Der junge Bannstrahler entgegnete ihr mit einem Lächeln. "Lass das, Schwester." "Na ist doch wahr ...", gab Rahjalind keck zu bedenken, "... langsam angehen und Frauen. Das kenne ich von dir gar nicht. Normalerweise geht das bei dir so schnell, dass du die Dumpfbacken, mit denen du dich sonst rumtreibst, abschießt noch bevor ich mich mit ihnen unterhalten, geschweige denn mich an sie gewöhnen konnte." "Nun ist es anders ...", er reckte trotzig sein Kinn, "... und Andesine ist keine ... Dumpfbacke." "Ja, das habe ich auch nicht gesagt und bereits gemerkt." Sie knuffte ihn in seine Wangen. "So wie sie meinem großen Bruder, dem Unzähmbaren, seinen Kopf verdreht hat. Ich freue mich für dich. Wie seid ihr verblieben?"

"Sie will mich ihrer Familie vorstellen und ich sie der unseren", antwortete Linnart. "Hast du sie darauf vorbereitet?" Rahjalind legte ihre Stirn in Falten. "Was meinst du damit?" "Nun ja ... auf unseren Lebensstil. Oder wird sie Reißaus nehmen wenn sie Vaters Statuen im Garten sieht, oder das nervige Geschrei von Mutters Paradiesvögeln hört? Sie wirkt ja doch recht ... züchtig." Der Ritter schluckte. Hierbei konnte er nur das Beste hoffen. "Nein, dafür sorgt sie sich welches Bild ihr Onkel von mir haben wird und ob ich mit seiner wahrscheinlichen Ablehnung umgehen kann." Rahjalind ließ daraufhin ein unangebrachtes Kichern folgen. "Als wären wir verstörte Blicke nicht gewohnt." Auch auf den Lippen des Bannstrahlers zeigte sich ein schmales Lächeln. "Ja, ich sehe das nicht als Problem. Solange Andesine und ich uns gegenseitig den Rücken stärken, werden wir die Familie des jeweils anderen gut überstehen." Die junge Novizin küsste die Wange ihres Bruders. "Mach das beste daraus, mein Lieber. Ich freue mich für euch. Vielleicht werde ich mit meiner zukünftigen Schwägerin heute noch das Gespräch suchen - so von Frau zu Frau." Sie zwinkerte ihm zu und rauschte von dannen.

Als die junge Lilienhainerin mit dem Schälchen auf den Knappen Folcrad zu kam, rollte die Wurst aus der Schale und landete auf dem Boden direkt vor seinen Füßen. Mit feuerroten Kopf schaute sie ihn an. “Oh … verzeiht ..” Folcrad hatte Hunger. Er war heute besonders früh aufgestanden, um erst seinem Schwertvater und später dem Baron von Eisenstein zu Diensten zu sein. Während dieser Feierlichkeiten war er Knappe zweier Herren. Es war anstrengend, doch würde es sich hoffentlich eines Tages auszahlen. Als er den Duft von würzigem Mostrich auf heißer Wurst in sich aufsog, lief ihm das Wasser im Munde zusammen, doch nun lag diese Köstlichkeit zum Greifen nahe… im Dreck. Konnte es noch schlimmer kommen? Zuerst stieg Zorn in ihm auf, doch dank der Müdigkeit des langen Tages verwandelte er sich in Resignation. Sein Blick ging von der Wurst hoch zum Gesicht des Mädchens. Er sah ihre Rundungen, die durch die Schürze auf dem Kleid noch in Szene gesetzt wurden. Er sah ihr Gesicht, das rote Haar, in dem eine Rose steckte und sah, wie erschrocken sie über dieses Missgeschick war. Der Hunger quälte ihn immer noch, aber er wollte nicht, dass dieses Geschöpf Rahjas Unglücklich war, also lächelte er:”Das macht doch nichts. Es gibt doch bestimmt noch mehr davon.” Er ging in die Hocke und hob die Wurst auf. “Hab ihr Hunde hier?”, fragte er. “Die freuen sich bestimmt darüber.”

Fecundaque bückte sich sogleich nach der Wurst, das dem Knappen einen tiefen Einblick in ihr schon übermäßig entwickeltes Dekoltee bot. “Oh ...ja..also wir haben einen Hund. Aber macht euch keine Sorgen, ich hole gleich eine Neue. Ich werde auch mehr Mostrich drauf tun. Herr?”. Offensichtlich suchte sie nach einen Namen. “Folcrad”, stammelte er und musste sich schwer konzentrieren den Blick von ihrer Offenherzigkeit wieder in ihr Gesicht zu lenken. Seine Hose wurde plötzlich ganz eng. “Folcrad von Baldurstolz.” Langsam erhob sie sich mit der Wurst in der Hand. Diesmal lächelte sie ihn an, die kleine Grübchen auf ihren Wangen offenbarte. “Angenehm. Ich bin Fecundaque. Es freut mich, euch kennen zu lernen, hoher Herr?” Wieder schlich sich Unsicherheit in ihre Frage. “Und ihr seid ein … Junker?”

“Ein Junker?”, er war irritiert. “Was? Nein.” Nun musste er lachen. Es war ein befreiendes und ansteckendes Lachen und Fecundaque merkte, dass er sie nicht auslachte. Es schien eher so, als wäre ein Knoten geplatzt und hätte die Fesseln von seinen Emotionen genommen, ganz so wie es der Herrin Rahja gefiel. “Nein, ich bin ein Knappe und werde dereinst ein Ritter. Wenn ich mich gut mache, könnte ich vielleicht eines Tages etwas Land besitzen und den Titel eines Edlen erhalten, so wie mein Schwertvater.” Erst schaute sie erstaunt, ließ sich dann aber von dem heiteren Lachen anstecken. “Verzeiht … Folcrad. Du … ihr ... seht ja schon wie ein Edler aus. Wer ist denn euer Schwertvater?” fragte sie neugierig, hielt noch immer die Wurst fest in ihrer Hand, während der Mostrich zwischen ihren Finger quillte.

Folcrad starrte auf die Wurst, die, heiß und prall, fest umklammert in Fecundaques Hand lag. Er sah die Crème, obgleich von falscher Farbe, zwischen ihren Fingern hervorquellen. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und er hatte das Gefühl, dass seine Hose jeden augenblick zerspringen müsste. Er konnte jeden seiner Herzschläge deutlich zwischen seinen Beinen spüren. “Ich… äh,” stammelte er. “Vitold. Er heißt Vitold. Vitold von Baldurstolz. Er sitzt da vorne.”, sprudelte es dann aus ihm heraus. Dabei deutete er in Richtung seines Schwertvaters. “Es ist der stattliche Herr in Schwarz und Silber, neben dem Blonden in Rot und Gold.” Fecundaque schaute in die Richtung des Pavillon der Niederadligen. Als sie sich wieder zu Folcrad umdrehte, blickte sie nach unten und stöhnte erschrocken auf. “Ach herrje, ein Fleck!” Bevor der Knappe verstand, zog sie ein Tüchlein aus ihrer Schürze und zielte sein rechtes Bein an, noch immer die Wurst fest umschlossen in ihrer Linken.

“Bitte nicht, ich…”, er zog das Bein zurück und schaute Fecundaque mit einer MIschung aus Qual und Flehen an. Was sollte er denn jetzt sagen? Es war ihm so peinlich und es gab keinen Ausweg, ohne ihn zu blamieren. “Ich, also…”, ihm wurde heiß und kalt. Vor ihm kniete diese Göttin und war kurz davor seine Scham zu berühren und eigentlich gab es derzeit nichts, was er sich sehnlicher wünschte, aber er kannte sie nicht und vermutlich würde sie aufschreien, wenn ihr sein Zustand klar wurde. “Du solltest das nicht tun, also… ich meine… nicht jetzt. Ich äh... ich kann das selbst.” Zweifellos musste ihr früher oder später auffallen, dass seine Hose inzwischen eine große Beule aufwies. Er versuchte das Wams weiter herunter zu ziehen. Etwas verwirrte schaute sie ihn an, während sie noch in der Hocke war. “Aber, Folcrad … das ist wirklich kein Problem …. Oh!” Ihr Blick fiel genau auf die Stelle, die der Knappe verbergen wollte. Röte stieg ihr wieder ins Gesicht. “Ich glaube …. Eure … Schamkapsel ist verrutscht.” Eine kräftige Hand ergriff ihren Arm und half ihr sanft auf. Der große Ritter Dorcas von Paggenfeld grinste sie an. “Das mein Schätzchen ist keine Schamkapsel. Der Herr von Baldurstolz gehört zu den ´großen Jungs´”. Ein lautes, schallendes Lachen folgte.

Fecundaque riss ihre Augen weit auf und ihr Gesicht brannte regelrecht. “Ich … ich … hole die Wurst … und hier!”, sie drückte dem Knappen das Tüchlein entgegen und machte sich geschwind auf zum Küchenzelt. Noch immer lachend, legte der Ritter seinen Arm um Folcrad. Der Knappe lief knallrot an und blickte irritiert auf das Tüchlein in seiner Hand. Was war hier gerade passiert? Er sah dem Ritter ins Gesicht:”Ähm, also...Danke?” Mehr brachte er nicht hervor. Die “Schwellung” plagte ihn immer noch. “Nicht dafür. Ein junger Mann muss sich ordentlich die Hörner abstoßen. Und bei der schönen Maid, kann man es dir nicht übelnehmen. Allerdings ein längerer Wams wäre heute angebracht.” Der Ritter grinste noch immer. Er griff nach zwei Weinkehlchen und reichte einen Folcrad. “Auf Rahja und ihre schönen Stuten!” Dorcas prostete ihm zu. “Ich bin im übrigens Dorcas von Paggenfeld, Hausritter der Baronin von Schweinsfold.”

“Auf Rahja und ihre Freuden”, prostete der Knappe zurück. “Freut mich Euch kennen zu lernen. Ich bin Folcrad von Baldurstolz, Knappe des Ritters Vitold von Baldurstolz, Edler zu Hinterwald. Er dient dem Baron von Eisenstein.” Folcrad versuchte das Grinsen des Ritters einzuordnen. “Darf ich Euch eine persönliche Frage stellen?” Der zwei Schritt große, blonde Mann schaute ihn aus seinen sanft braunen Augen an. Eine Narbe auf der Stirn teilte seine linke Augenbraue. “Nur zu , Folcrad. Ich bin ganz Ohr.” Der Knappe flüsterte mehr, als er sprach:”Was macht Ihr denn in einer solchen Situation? Muss ich denn jetzt immer ein langes Wams tragen?” “Hmmm.” Dorcas machte ein nachdenkliches Gesicht und flüsterte dann zurück. “Das hilft auf jeden fall und ist wohl die beste Lösung. Oder du stehst deinen Mann. Mann hat was Mann hat.” Dann kam ihm eine Idee. “Fragen wir doch einfach mal die Fachleute.” Sanft schob er den Knappen in Richtung einer jungen Frau. Dann sprach er sie selbstbewusst an. “Verzeiht, edle Dame vom Traurigen Stein. Der Knappe von Baldurstolz hätte da eine Frage, die ihr vielleicht beantworten könnt.” Das Grinsen kehrte wieder auf das Gesicht des Ritters.

`Oh Götter wie peinlich`, dachte der Knappe und schaffte es noch mehr Farbe im Gesicht anzusammeln. Er sah auf den Becher in seiner Hand und kippte den Inhalt in nur einem Zug seine Kehle hinunter. Dann lächelte er zaghaft die junge Frau an. Rahjalind musterte die beiden Männer neugierig und begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. "Wie kann ich Euch helfen, junger Herr?", wandte sie sich dem Jüngeren zu. “Ich, ähm… ich glaube ich habe gerade ein Mädchen verschreckt, weil ...äh”, unbeholfen druckste er vor der Novizin herum. Gestik, Mimik und nicht zuletzt sein verschämter Blick ließ Rahjalind eine vage Vorstellung von dem bekommen, was wohl genau sein Problem war. ​Rahjalind verstand und konnte sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen. "Und Ihr möchtet, dass ich ... deswegen ... mit dem Mädchen rede?", fragte sie dann und blickte dabei zwischen den beiden Männern hin und her. “Es ging eher darum, ob es schicklicher ist einen längeren Wams zu tragen, in prekären Situationen, nicht war?” stupste Dorcas den Knappen an. Der Knappe wünschte sich gerade nichts sehnlicher, als das sich die Erde unter seinen Füßen auftat und Sumu selbst ihn verschlucken würde. Doch es geschah… nichts! Die Beule war immer noch da, das schöne Mädchen immer noch verschreckt und zwei nette, aber fremde Menschen unterhielten sich gerade mit wachsendem Interesse über seine Scham. Was würde nur sein Schwertvater von ihm denken, wenn er hiervon erführe? Beim Gedanken an Vitold schluckte er unwillkürlich, doch dann reckte er das Kinn und entschloss sich für die Flucht nach vorn. “Nun äh… also, ja. Ja, das stimmt. Aber, wenn Ihr so freundlich wärt ihr zu erklären, dass es nicht meine Absicht war…”, mit flehendem Hundeblick schaute er Rahjalind an.

Das Grinsen der jungen Novizin war immer noch nicht verschwunden. "Grämt Euch nicht, junger Herr. Es ist etwas ganz Natürliches. Etwas, das mit zunehmender Erfahrung einfacher zu kontrollieren sein wird. Sagt, habt Ihr denn schon einmal die Wärme einer Frau gespürt?" Bevor dieser antworten konnte, stand die Magd Fecundaque neben ihn und hielt ihm eine Wurst mit extra viel Mostrich hin. “Mein Herr, eure Wurst. Die Dickste die ich finden konnte. “, und lächelte etwas unsicher. Hatte sie das gerade wirklich gefragt? In aller Öffentlichkeit? Und auch noch in Hörweite von Fecundaque? Folcrad klopfte das Herz bis zum Hals, der immer enger zu werden schien. Das war zuviel für ihn. Beschämt senkte er den Kopf und schaute auf seine Stiefel. “Nein, das habe ich noch nicht”, murmelte er kleinlaut. Dann hob er seinen Kopf etwas, aber nur soweit, dass er unter seinen langen Wimpern hindurch gerade eben Fecundaque erkennen konnte, griff nach der Wurst und antwortete ihr:”Danke für deine Mühe.” Auch er lächelte nun unsicher, wagte es aber immer noch nicht Fecundaque in die Augen zu schauen.

Rahjalind machte eine abwinkende Handbewegung. "Ach, da ist doch nichts dabei. Ihr seid ja noch jung und werdet sehen, dass der Tag kommt, an dem Ihr Euch vor Verehrerinnen nicht mehr erretten könnt." Sie zwinkerte und schenkte ihm ein Lächeln. Verschämt, doch auch neugierig blickte er nun Fecundaque an. Ganz langsam wurde sein Lächeln immer breiter.

Die junge Magd war schnell gefasst und lachte glucksend. Anscheinend ist ihr das Thema nicht so unangenehm, wie ein mancher dachte. “Wenn ihr noch was möchtet …. fragt nach mir!” ein schelmischer Blick wanderte zu seinen Lenden, dann wieder zu seinem Blick. Lachend lief sie zum Küchenzelt. Doch ganz konnte der Knappe den Gang der Magd nicht verfolgen, den plötzlich stand ihr Großvater Rahjagoras im Weg. “Auf ein Wort, Herr Knappe.”,sagte dieser und nahm ihn zur Seite. “Ich hatte mich gefragt, ob ihr Lust zu einer kleinen Reise mit anderen Gästen in den Park hättet? Das Werben beginnt und falls ihr daran nicht teilnehmen werdet, könntet ihr mitkommen.” Eindringlich, aber freundlich schaute der alte Mann ihn an. Folcrad schluckte:”Ich ähm also, nein, ich gehöre nicht zu den Werbern, also könnte ich wohl … mitgehen?” “Gut. Dann trefft mich bei dem Zelt der Gaukler.” Der Gärtner machte sich auf in die Richtung des Pavillons der Altenbergers. Folcrad blickte ihm hinterher.`Was war das denn?`,dachte er bei sich. Dann sah er Rahjalind und Dorcas an:”Möchtet ihr mitkommen, oder gehört ihr beide zu den Werbern?” "Geht nur junger Herr ...", meinte die Novizin lächelnd, "... der Herr von Paggenfeld und ich gehören beide zu den Werbern. Möge die Liebliche Euch heute gewogen sein."


Lucasta von Leihenhof schaute ihrem Vetter Roklan, dem Oberhaupt ihres Hauses, hinterher und wartete bis dieser im Pavillon des Hochadels verschwand. Zu lang und zu oft hatte dieser mit seiner impertinenten Art ihr und ihrem Bruder Ingeras Vorschriften gemacht. Sie konnte es nicht ausstehen von Anderen gesagt zu bekommen, was sie zu tun und zu lassen hatte. Erst sträubte sie sich gegen den Gedanken an der Brautschau teilnehmen zu müssen, doch nun erkannte sie die Gelegenheit mit einem richtigen Ehegatten, das langweilige Landleben bei ihren Eltern entfliehen zu können. Der Einzige der sie dauerte war ihr älterer Bruder Ingeras. Ihre Mutter Raxia schikanierte ihn, bestimmte jeden seiner Schritte und … er ließ sich alles gefallen. Sie betet inbrünstig zu Travia und Rahja, dass diese Brautschau ihr Leben verändern würde.

Sie griff ihren Bruder bei der Hand und lief mit schnellen Schritten zum Sonnenschutz. Die Gäste die schon dabei waren sich an den köstlichen Würstchen zu laben, bemerkten die Ankunft der Geschwister kaum. Die Wenigen die es doch taten, sahen ein interessantes Pärchen. Die sechzehnjährige Lucasta hatte eine schlanke Taille, doch Hüfte und Schultern waren eher breit, genauso wie ihre Kieferkontur und ihre Wangenknochen. Das strohblonde Haar war streng und praktisch zu einem rückenlangen Zopf geflochten. Das weinrote Kleid war nicht aus der neuesten höfischen Mode und gehörte ihrer Mutter. Ingeras von Leihenhof war älter als seine Schwester, doch sein zartes Gesicht, die schlanke hochgewachsene Statur ließ ihn gleichaltrig und zerbrechlich wirken. Viel hatten die Geschwister nicht gemeinsam, bis auf das strohblonde Haar und die dunkelgrünen, leicht schräg stehenden Augen. Ein blaues, seidenes Hemd und die dunkelgrüne, halblange Samthose ließen ihn noch leichter wirken. Für den Unkundigen hätte er von weitem mit einem Elf verwechselt werden können. Nur einige Schritte hinter ihnen lief Adamar von Firnholz, der Knappe von Baron Roklan von Leihenhof und Sohn der Baronin Fedora von Firnholz. Den letzten den Lucasta bei sich haben wollte war Adamar. Noch jemand, der sie für ihren Vetter kontrollieren wollte. Mit geschickter Ellenbogenarbeit drängelte sie sich mit ihrem Bruder zwischen die Gäste, in der Hoffnung aus der Sichtweite des Knappen zu gelangen. Als sie noch einen Blick nach hinten wagte, bemerkte sie nicht den jungen Mann der ihr im Weg stand und rannte in ihn hinein.

Der kräftige Krieger hatte sich für den Anlass fein gemacht. Es war nicht die Mode aus der Herzogenmetropole die er auftrug, sondern das Neuste was die weit gerühmten Schneider der Stadt Vairningen zu bieten hatten. Dabei hatte der kunstfertige Handwerker großes Geschick offenbart, harmonierten die Farben von Hose, Hemd, Wams und fein geschnitzten Knöpfen doch ausgezeichnet. “Vorsicht, Vorsicht!” Mahnte er und drehte sich um, um zu sehen wer ihn dort versucht hatte umzurennen.

Die sechzehnjährige schaute den kräftigen Krieger an. “Oh verzeiht, hoher Herr. Ich wurde … gestoßen.” log sie. Sie machte einen kurzen Knicks. “Ich bin die hohe Dame Lucasta von Leihenhof und das … ist mein Bruder Ingeras von Leihenhof.” Sie deutete auf den elfengleichen Jüngling. Nun schaute sie sich den Edelmann genauer an … und war angetan. Sie strich sich eine gelöste Strähne zurück und lächelte. Den Geboten der Höflichkeit folgend, erwiderte der Krieger den Knicks der Dame mit einer knappen Verbeugung eh er sich selbst kurz Vorstellte. “Arsan Thomundson, erfreut Eure Bekanntschaft zu machen.” Dabei verzichtete er lieber auf eine Anrede, war er sich doch nicht sicher wo im Hause Leihenhof diese beiden zu verorten waren. Waren sie womöglich eng genug mit dem Baron verwandt, stand ihnen womöglich noch eine andere Anrede zu als er sie gewählt hätte. “Darf ich Fragen was Euch und Euren Bruder hierher führt?” “Wir sind hier um jemanden für einen möglichen Ehebund zu finden. Mein Vetter der Baron Roklan ist der Meinung, dass es für uns an der Zeit wäre. Und ihr?” Mit funkelnden Augen ließ sie ihre Augen auf und nieder dem Knappen fahren.

“Dann scheint es mir, dass uns das Schicksal aus den gleichen Gründen hierher geführt hat.” Zumal Arsan mit seinen dreißig Sommern nach Ansicht seines Bruders längst unter die Haube gehörte. Arsan würde sie im Auge behalten. “Vielleicht könntet ihr mich später zum lustwandel ausführen?!” sagte sie gelassen. “Es wäre mir eine Ehre.”

´Typisch Lucasta` dachte Adamar bei sich, als er den Zusammenstoß von ihr mit dem jungen Mann beobachtete. Auch dass sie ihren Bruder mitzog, war ganz typisch für das Mädchen, als ob der Junge nicht schon genug mit den Weisungen und Geheißen der Mutter zu tun hatte, er konnte keinen Schritt ohne eine der Damen tun. Aber Adamar wusste auch, dass er Ingeras Unrecht tat, mitunter war es einfach leichter, sich zu fügen und Adamar hatte dies ebenfalls lernen müssen. Aber er hatte nunmal als Knappe des Barons von Galebquell ihm gegenüber auch die Pflicht, seine Weisungen und Wünsche umzusetzen, und dazu gehörte es, ein Auge auf die beiden Geschwister zu haben. “Lucasta!” gemahnte er die Junge Dame, nicht so stürmisch zu sein, mit lauter Stimme, er wurde seinem Knappenvater immer ähnlicher! Dabei bemerkte er auch die anderen jungen Damen, die anwesend waren. Er wusste, dass es auch an der Zeit für ihn war, sich nach einer Frau umzusehen. Wenn er bald den Ritterschlag empfangen sollte, war es auch nicht mehr lang hin, bis zu einer Traviafeier…

Schließlich vernahm Adamar aber hinter ihm eine ihm wohlvertraute, aber lange nicht mehr vornommene, Stimme. Seine Mutter: “Mein Sohn, schön, dass Ihr hier seid, lasst Euch ansehen!” sprach Fedora ihn an, nachdem sie sich von Roklan nach der Begrüßung und einem ersten Smalltalk kurz verabschiedet hatte, da sie nun wusste, dass auch ihr Sohn anwesend sein würde. So war sie zum Sonnenschutz gekommen, um ihn zu begrüßen. Adamar drehte sich um, und ein Lächeln trat auf sein Gesicht, denn er freute sich tatsächlich seine Mutter zu sehen. “Mama, freut mich Euch zu sehen! Erlaubt mir die Bemerkung, dass Ihr keinen Tag gealtert zu sein scheint!” begrüßte er sie freudig, wobei er das Wort Mama mit soviel Ehrfurcht und Ehrerbietung im Tonfall aussprach, dass es auf eine angemessene Anrede hin schließen ließ.

Fedora entgegnete: “Du dafür wirst immer größer und stattlicher, jedes Mal wenn ich Dich sehe.” Adamar und Fedora traten danach etwas abseits von den Anwesenden Personen und pflegten einen vertrauteren Umgang, der Wortwechsel war tatsächlich für Außenstehende nicht zu hören. Sie gingen einige Schritte im Garten umher, unterhielten sich angeregt, und tauschten sicher die Neuigkeiten der Familie, die bevorstehenden Gegebenheiten und Einladungen aus, die anstehende Frage nach Adamars Ritterschlag und seiner Bereitschaft auf dieser Feier um eine zukünftige Braut zu werben. Adamar gab sich nach anfänglichem Bedenken aber einverstanden, er war in dem Alter und wenn er erst Ritter war, wurde er mit einem Lehen innerhalb der Baronie seiner Mutter belehnt, und hatte eine Familie zu gründen. Dies war am Ende aber nicht nur der Wunsch Fedora´s - sondern durchaus auch sein eigener! Auf dieser Brautschau hätte er wenigstens die Gelegenheit selbst seine Zukünftige kennenzulernen, und diese nicht durch Beschluss und Entscheid vor die Nase gesetzt zu bekommen. Sollte er kein Glück haben, wäre die Wahl seiner Mutter ja immer noch eine Option…. So willigte er ein, um eine Braut zu werben.

Bevor die Baronin von Firnholz, zurück in den Pavillon gehen konnte, fing sie der Gartenmeister Rahjagoras ab. “Eure Hochgeboren, schön euch zu sehen. Ich hätte da eine Frage an euch. Alsbald wird das Werben beginnen. Und ich hatte mir überlegt, die anderen Gäste, die nicht werben möchten, zu einer Reise in den Park zu laden. Auch dort können die Wunder der Holden bewundert werden. Wenn ich mich recht erinnere habt ihr Knappe und Page. Die können sich gerne anschließen, was meint ihr?” Abwartend schaute er die Adlige an.

“Nun, ein wirklich reizendes Angebot, habt Dank, dass ihr an mich gedacht habt. Aber ich muss Euch sagen, dass ich auf diesem Fest anwesend bin, um geeignete Kandidaten für meinen Sohn und meine Tochter zu finden. Daher wäre es mir natürlich ein Anliegen, bei den Werbern dabei zu sein, um zu sehen, ob sich nicht die Gelegenheit für ein Gespräch findet, wenn es um die Zukunft des Hauses Firnholz geht. Sicherlich sind aber die übrigen Angebote etwas für Liobha und Aureus, ich werde Ihnen sagen, dass Ihr Euch im Park aufhaltet. Habt Dank für die Einladung.” beschied sie dem Gartenmeister eine freundliche Absage. Fedora hatte zudem noch etwas anderes im Sinn, aber das musste Rahjagoras ja nicht gleich wissen... “Sehr gerne, dann schickt die beiden zum Zelt der Gaukler, ich hole sie dort ab.” Mit einer Verbeugung zog er sich zurück. “Das werde ich sogleich tun, habt Dank.” Fedora deutete ebenfalls einen Gruß an, bevor sie direkt auf ihre beiden Schützlinge zu steuerte, die sich unter dem Sonnenschutz aufhielten.

Im Pavillon der Altenberger

Maura von Altenberg stieg die knarrenden Treppen des Pavillons hinunter und lief direkt auf die Musikanten zu. Ihr seidenes, grünes Kleid rauschte bei jedem Schritt und war aus allen Pavillonen aus gut zu sehen. Ihre Suche galt der Gauklerin, die sie auch fand. Schon von weitem winkte sie ihr zu, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. “Doratrava! Das war eine schöne Vorstellung. Genau deshalb solltest du auch hier sein. Ich habe aber eine Frage an dich. Hast du Lust mit seiner Gnaden Rondradin an unsere Tafel zu sitzen? Elvan und Gelda würden sich freuen.”, fragte sie freundlich.

Erfreut wandte sich Doratrava der Doctora zu und verbeugte sich nochmals andeutungsweise vor ihr, als diese das Lob aussprach. “Gerne”, antwortete sie sichtlich geschmeichelt. Die Aussicht, mit Rondradin und Gelda zusammen an der Altenberger Tafel zu sitzen, löste ein seltsames Gefühl in ihr aus, irgend etwas zwischen Hochstimmung und Lampenfieber, war sie es doch nicht gewohnt, von Adligen fast wie eine Gleichrangige behandelt zu werden. Wobei sie ihr grundsätzliches Misstrauen vor zu viel Glück auf einmal nicht abgelegt hatte, was ihr half, den Boden der Tatsachen nicht zu verlassen. Während die Doctora zur Gauklerin eilte, lief einer der Diener zum Pavillion der Niederadligen, um den Geweihten der Rondra ebenfalls zur Altenberger Tafel zu laden. Dieser verabschiedete sich von den anderen Adligen, bei denen er gerade noch gesessen hatte und ging dann in Richtung der Tafel. Er atmete tief durch. Dies würde nicht leicht für ihn werden. Ja, er freute sich darüber, eingeladen worden zu sein und auf ein Wiedersehen mit Elvan, Sabea und… Gelda. Aber gleichzeitig wusste er auch, dass die Begegnung mit letzterer einen tiefen Stich in sein Herz bedeuten würde. Ein letztes Stoßgebet an seine Herrin, sie möge ihre Schwester Rahja im Zaum halten, dann betrat er den Pavillon.

An der Tafel angekommen erwartete dem neuen Gast ein ordentliches Geschnatter der Altenberger Familie. Vierzehn Leute saßen hier versammelt. Es gab Gelächter, Gezanke, neugierige und misstrauische Blicke. Die erste Person die Doratrava klar wahrnahm, war der schöne Edelmann. Edle Gesichtszüge, ein akkurat gestutzter Bart, gekleidet in einem teuren Gewand hatte er sie anvisiert. Seine grünen Augen hatten etwas unergründliches. Sein fein geschwungener Mund schmunzelte. Doch gleich wurde sie aus seinem Bann gerissen, als sie dem eiskalten Blick der älteren Frau neben ihm sah. Die hagere Frau mit der grau-braunen Kurzhaarfrisur und goldener Brille, war züchtig in den Farben weiß-rot gekleidet und schaute die Gauklerin abschätzig an. “Blümchen!!”, erschallte es und die große Sabea stieß ihren Stuhl um und kam direkt auf sie zu.

Noch etwas verwirrt erst von den forschenden Blicken des Edelmanns, dann von der offen zur Schau getragenen Ablehnung der verkniffen wirkenden Frau mit der Brille, welche ihr einen Schauder den Rücken hinunter sandte, wandte Doratrava sich bei dem Ausruf Sabeas fast etwas zögernd in deren Richtung. Fast zu spät stählte sie sich gegen die Lawine, welche da auf sie zu brauste, doch gleichzeitig breitete sich ein warmes Gefühl in ihrem Magen aus. Sabea hatte sie noch kaum gekannt, als sie in Twergenhausen angekommen waren, war doch wegen des Verbots des Familienoberhaupts der Altenbergs, miteinander zu sprechen, gar keine Gelegenheit gewesen, diesen Umstand zu ändern, und doch hatte Sabea sich kompromisslos und handfest auf ihre Seite gestellt, als es gegen den schmierigen Händler Wertlinger ging, der ihr Kopfgeldjäger auf den Hals geschickt hatte. Zum Glück war das ‘Blümchen’ berufsbedingt nicht ganz so zart, wie es auf den ersten Blick den Anschein hatte, so rechnete die Gauklerin sich Chancen aus, die sogleich erwartete Umarmung zu überleben. Doratrava war überrascht, das Sabeas Umarmung weniger hart war, höchstwahrscheinlich waren ihre gewaltigen Brüste, in der sie kurz warm und weich verschwand, ein Faktor dabei. Als sie wieder aus der Umarmung entlassen wurde war sie auch nicht mehr alleine mit ihr. Elvan und Rondradin standen neben ihr. Doratrava revanchierte sich für die Umarmung mit einem scherzhaften, aber nicht zu laschen Ellenbogenhieb in Sabeas Seite und winkte dann auch Elvan zur Begrüßung.

Als der Geweihte der Rondra eintraf, sah er wie die Gauklerin lauthals von der breitschultrigen Sabea begrüßt wurde. Er selbst wurde von dem jungen Elvan von Altenberg abgefangen. “Euer Gnaden Rondradin, wie schön das ihr gekommen seid!” Respektvoll hielt er diesem seine Hand hin. Ihm unterdessen entging nicht der laszive Blick, die ihm eine äußerst attraktive Edeldame zu warf. Diese war definitiv nicht Gelda. ‘Blümchen’ Bei diesem Ausruf Sabeas konnte Rondradin ein Grinsen nicht unterdrücken und kurz musste er an den Trollpforzer denken. Ja, diese beiden würden perfekt zusammenpassen. Er ergriff die Hand Elvans und lächelte ihn an. “Wie hätte ich eine solche Einladung ablehnen können? Es ist schön, endlich wieder mit Euch sprechen zu dürfen.” Erklärte er im Rückblick auf das Gesprächverbot während der Anreise. Höflich nickte er der Edeldame zu, darauf bedacht ihre Blicke zu ignorieren. Stattdessen ließ er den Blick wandern, auf der Suche nach Gelda.

Diese saß am Ende der langen Tafel und schaute zu ihm rüber. Sie war gänzlich in ein hellblau-weißes Kleid gehüllt, einen Hut mit einem Schleier hatte dieselbe Farbe. Umsomehr kammen die wenigen Strähnen ihres roten Haares zur geltung. Sie winkte ihm zu. Lächelnd erwiderte er ihr Winken, aber da erklang auch schon die tiefe Stimme Sabeas neben ihm. “Rondra zum Gruße, euer Gnaden. Schön das ihr kommen konntet.” “Rondra zum Gruße, Sabea.” Seine Stimme wurde etwas leiser und er beugte sich in ihre Richtung. “Ich habe gerade eben noch mit einem Bewunderer von Euch gesprochen.” Der Geweithe wandte sich um, in Erwartung Sabeas Anlitz betrachten zu können. Aber stattdessen trafen sich seine und Doratravas Augen. Wie schon oft zogen diese ihn in ihren Bann. Rondradin riss sich von diesen heute haselnussbraunen Augen los.. “Doratrava. Dein Tanz vorhin war wunderschön anzusehen.”

Auch Doratrava hatte Geldas Winken freudig lächelnd erwidert und sah sich dann direkt mit Rondradin konfrontiert. “Vielen Dank, Euer Gnaden”, sie knickste spielerisch mit einem schelmischen Gesichtsausdruck, “wie läuft die Jagd?” Das konnte sie sich jetzt nicht verkneifen, auch wenn es vielleicht ein klitzekleines Bisschen gemein war. “Sie läuft ganz gut, bisher konnte ich allen Jägern entkommen.” Meinte Rondradin daraufhin. “Und bei dir?” Setzte er nach. “Warum fragst du - sehe ich aus, als wäre ich auf der Jagd?” erwiderte Doratrava, ohne ihr schelmisches Lächeln dabei zu verlieren. “Nicht als Jäger, aber als Beute vielleicht.” Rondradins Blick richtete auf ihr Tanzkleid. Augenzwinkernd fügte er hinzu. “Aber keine Sorge, Sabea oder ich würden dich retten.” “Ich bin schneller”, gab die Gauklerin leicht übertrieben im Brustton der Überzeugung zurück und zwinkerte zurück. “Aber danke für den in Aussicht gestellten Beistand - jetzt müsst ihr mich nur noch auf Schritt und Tritt überwachen, damit auch wirklich nichts passiert.”

“Das ist zwar verlockend, aber ich denke es wird ausreichen, wenn du - schnell wie du bist - einfach zu uns kommst und dich hinter uns versteckst.” schmunzelte Rondradin. “Auch eine Möglichkeit”, gab Doratrava spielerisch lächelnd zurück. Dann wandte sie sich wieder Sabea zu, während sie sich gleichzeitig bei Rondradin unterhakte: “Sabea! Wo dürfen wir uns setzen?” Dabei blickte sie sehr auffällig in Geldas Richtung.

“Kommt zu uns. Dann stelle ich euch gleich meine Eltern vor.” Die Hünin ging voran, während Diener eilig zwei Stühle brachten. Offensichtlich sollten die beiden Besucher bei Maura und ihren Kindern sitzen, doch die resoluten Anweisung Sabeas zufolge, hatte selbst der verständnislose Blick der Doctora keine Chance. Neben Gelda, saß ein jüngerer Mann, der schon recht groß gewachsen war, aber der erste Flaum auf Kinn und Oberlippen, deutete darauf hin, das er die zwanzig Sommer noch nicht erreicht hatte. Er hatte die selben mandelförmigen, grünen Augen wie Gelda und Sabea und trug seine dunkelbraunen Haare kurz. Die Nase wies einen ordentlichen Bogen auf und seine buschigen Augenbrauen verliehen ihm etwas strenges. Der Jüngling trug eine weiße Gelehrtenrobe, deren Kragen und Säume rot waren und mit Goldfäden aufgestickte Sonnen und Greifensymboliken aufwies. Das ältere Pärchen daneben mußten die Eltern der drei Geschwister sein. Der Vater erhob sich von seinem Stuhl und verbeugte sich vor den neuen Gästen. Er war über 90 Halbfinger groß, hager und sein Rücken war leicht gekrümmt. Sein lockiges, graues haar war unter einem blauen Hut verborgen. Seine lange, sehr gekrümmt Nase lug aus dem faltigen, gebräunten Gesicht hervor. Zusammen mit den dunklen Augenringen erinnerte er an einen Geier. Er trug ein schlichtes, blaues Gewand, das aber aus hochwertigen Stoff geschneidert war. Die Mutter hingegen war eine rüstige, leicht stämmige Frau, mit breiten Schultern . Ihr langes, dunkles Haar trug sie offen, dass trotz des Alters, keine graue Strähne aufwies. Es war eindeutig das alle Kinder ihre mandelförmigen Augen geerbt hatten und freundlich schaute sie die Ankommenden an. Sie selbst hatte ein aufwendiges blaues Kleid an, das in einem weißen Schulterschluss endete. Zwischen den Geschwistern und den Eltern standen die drei freien Stühle. Sabea baute sich kurz auf. “Darf ich euch unsere Eltern Vorstellen: Die hier ist mein Vater, Hamar von Altenberg, erster Kammerdiener der Kanzley für Steuern und Zölle und meine Mutter, Rondela von Altenberg, Amtsdienerin im herzoglichen Gestüt in Elenvina.” Sie machte eine kurze Pause und ihre Stimme wirkte etwas weniger begeistert.”Und mein Bruder, Talfano von Altenberg.” Die Familie schaute sie erwartend an.

Rondradin verbeugte sich. “Es ist uns eine Freude.” Wieder aufgerichtet deutete er auf die junge Frau, die gerade noch an seinem Arm gegangen war. “Wenn ich vorstellen darf, dies ist Doratrava, die wohl begabteste Gauklerin, die zu kennen mir vergönnt ist. Ich bin Rondradin Wasir al’Kam’wahti von Wasserthal zu Wolfstrutz, ein einfacher Diener der Herrin Rondra und der Edle von Wolfstrutz.” Ein gewinnendes Lächeln umspielte seine Lippen.

Doratrava setzte ihr strahlendes Bühnenlächeln auf, als Rondradin sie derart anpries, allerdings nicht zuletzt, um ihre Unsicherheit ob der vielen adligen Blicke, die nun auf ihr ruhten, zu überspielen, denn nicht alle waren wohlwollend, wenn sie das richtig einschätzte. Dann knickste sie tief und mit niedergeschlagenen Augen, aber sie warf dabei Gelda verstohlen ein echtes Lächeln zu. Da Rondradin in seiner Begrüßung sie schon eingeschlossen hatte, schwieg sie allerdings für den Moment, abwartend.

Der ´Geier´, wie der erste Kammerdiener hinter seinem Rücken in Elenvina genannt wurde, hielt sich recht teilnahmslos zurück, obwohl der Gauklerin der kurze, sehr abschätzende Blick nicht entgangen war. Es war die Mutter der drei, Rondela, die forsch die beiden begrüßte. “Rondra zum Gruß, euer Gnaden. Setzt euch. Ich bin so froh, dass wir endlich sprechen können. Mein Schwager reißt gerne die Aufmerksamkeit auf sich.” Sie zwinkerte beide verschwörerisch zu. Rondela ergriff die Hand Rondradins und schüttelte sie kräftig. Solch einen festen Griff kannte er nur von Rittern und Kriegern, nicht aber von einer Amtsdienerin. Auch schüttelte sie die Hand der Gauklerin, die auch von der Kraft der Hand überrascht wurde. “Meine Jagdkönigin hier”,ein stolzer Blick huschte über ihr Gesicht, ”hat viel von euch beiden erzählt. “Übrings eine tolle Vorstellung. Was ihr alles so mit euren Körper so anfang könnt. Ihr solltet mir Unterricht geben!” Ein rauchiges, herzliches Lachen folgte. Gelda schaute eher scheu zu den Beiden. Der Blick den Rondradin streifte zeugte von Sehnsucht.

“Ich hoffe, nur Gutes.”, meinte der Geweihte, während er für Sabea und Doratrava ihre Stühle zurechtrückte. Eine willkommene Ablenkung, die es ihm erlaubte seine Gefühle zu ordnen, denn der Blick Geldas war von ihm nicht unbemerkt geblieben. Einen winzigen Augenblick hatten sich ihre Blicke getroffen und Gelda hatte in Rondradins dieselbe Sehnsucht lesen können, welche sie selbst empfand. Schließlich nahm er selbst neben Gelda Platz. Auch Doratrava nahm den angebotenen Platz ein und stellte jetzt erst fest, dass sie noch immer barfuß war, hatte sie doch ihre Sandalen für den Tanz im Zelt der Spielleute gelassen. Sie zuckte innerlich die Schultern, denn hier war sie sowieso die Exotin in mehrfacher Hinsicht, da kam es darauf nun wirklich nicht an. Statt dessen lächelte sie Rondela schalkhaft an und meinte halb zu Rondradin gewandt: “Aber sicher nur Gutes, sonst würden wir jetzt kaum hier sitzen. - Wohlgeboren”, wandte sie sich dann mit einem kleinen Fragezeichen in der Stimme, aber ohne sofort eine Reaktion abzuwarten, an Rondela direkt, “man kann vieles lernen, aber ich weiß nicht, ob ich eine gute Lehrerin wäre - ich habe es noch nie versucht.” Ein wenig Nachdenklichkeit mischte sich in ihr keckes Lächeln. “Aber wenn Ihr es wünscht, stehe ich zur Verfügung.” “Das war nur ein Scherz, meine Liebe. Dieser alte Körper hat keine Elastikkeit mehr. Das überlasse ich lieber euch.”

Die Gauklerin nickte lächelnd. Sie hatte sich das schon gedacht, aber da sie Geldas und Sabeas Mutter nicht kannte, war sie lieber auf der sicheren Seite gewesen. Dann strahlte sie den Rondrageweihten an. “Euer Gnaden, ich muß gestehen, dass wir nicht oft mit der Geweihtenschaft der Rondra zu tun haben. Ihr erinnert mich ein wenig an meinen Lehrmeister Arnulf von Yaquirstieg. Als ich in meiner Knappenzeit war, hatte ich bei ihm Unterricht in Taktik und Kriegskunde. Ich muss gestehen, ich war nicht die einfachste Schülerin!”, wieder erklang das rauchige Lachen. “Ich bin mir sicher, Ihr habt trotzdem alles Wichtige gelernt. War Arnulf von Yaquirstieg ebenfalls ein Diener der Sturmleuin?” Frage Rondradin neugierig nach. “Wir sind dieser Tage nur noch wenige, gerade außerhalb Tobriens. Aber das wird sich wieder bessern. Demnächst werde auch ich als Lehrmeister tätig werden. Man will mir einen Novizen an die Hand geben, den ich zum vollwertigen Geweihten ausbilden soll.”

“Das war eine tolle Vorstellung, Doratrava. Ich hoffe wir werden noch mehr von dir zu sehen bekommen. Und konntest du schon dir die Besucher ansehen? Wir suchen nämlich eine junge Braut für meinen Bruder!”, sagte Gelda mit belustigter Stimme. Der junge Talfano lief rot an. “Ich … also”, stammelte er. “Ich hab sie schon gesehen” feixte Sabea. “Die ist wenigstens deinem Alter entsprechend.” Sie deutete zum Pavillion der Niederadligen, genau genommen auf die Pagin des Ritter von Mersingen. Der giftige Blick dem er seiner älteren Schwester zuwarf, sprach Bände.

Doratrava verfolgte den Schlagabtausch belustigt, wenn sich auch gleich ein wenig Mitleid regte für den Jungen, hatte er doch vermutlich seinen Schwestern wenig entgegenzusetzen. Sie erhob die Stimme, um ihm ein wenig zu entlasten. “Vielen Dank. Ihr habt mich ja eingeladen, um euch zu verzaubern, also werde ich das auch tun. Was die anderen Gäste angeht, hatte ich allerdings noch kaum Gelegenheit, mich allzu ausgiebig umzusehen, insofern kann ich noch keinen Ratschlag abgeben.” Ihr Blick fiel auf Talfano. Soviel zu ihrer Absicht, ihm Erleichterung zu verschaffen, jetzt hatte ihr vorlautes Mundwerk beschlossen, in die gleiche Kerbe wie seine Schwestern zu schlagen. Rondradin unterbrach kurz das Gespräch mit Rondela um Talfano beiszuspringen. Drei gegen Einen waren dann doch zuviel. “Nun Talfano, unter dem Damen wird es gewiss eine geben, deren Herz für Euch höher schlagen wird. Zum Beispiel die große Schwester der jungen Dame, von der Sabea gerade eben sprach.” Der Geweihte sah Sabea an. “Ihr solltet Euch darüber nicht lustig machen, meine Liebe. Schließlich weiß ich ganz genau, dass dort drüben jemand sitzt, dessen Herz nur für Euch schlägt.” ‘So wie es hier einen gibt, dessen Herz dir gehört, Gelda.’, dachte Rondradin bei sich als er Gelda ansah.

Sabea verlor ihr lächeln und schaute Rondradin misstrauisch an. “Ihr macht Scherze oder? Sagt nicht das einer dieser grünen Knilche es wagt, mich umwerben zu wollen? Ich kann niemanden gebrauchen, der schon bei einen Handschlag zerbricht!“ Während sie nun verschwörerisch grinste, bemerkte Rondradin das er jetzt auch die Aufmerksamkeit des Vaters erlangt hatte. Mit einem hoffnungsvollen Blick lauschte er nun dessen Worte. Der Geweihte schüttelte den Kopf. “Keineswegs. Ich meine das ernst.” Er hob abwehrend die Hand um einen etwaigen Einwurf Sabeas zu stoppen. “Ich kann Euch versprechen, er ist kein ‘Würstchen’, sondern ein Bär von einem Mann.” Rondradin zwinkerte Sabea verschwörerisch zu. “Euren Handschlag wird er gut wegstecken und dabei wahrscheinlich noch lachen. Und ich glaube, seine direkte, ehrliche Art wird Euch ebenfalls gefallen. Wenn Ihr wollt, zeige ich ihn Euch.”

“Ihr müßt diesen gutaussehenden, blonden Ritter dort meinen, der Große da!” Sie deutete auf den Sonnenschutz, genau genommen auf den Ritter von Paggenfeld. “Aber nicht doch, ich meine den großgewachsenen mit den braunen Haaren und dem Vollbart im Pavillon der Niederadligen.” Dabei deutete Rondradin auf Thankred von Trollpforz. Nachdenklich schaute sie zum anderen Pavillon, legte den Kopf schief und schaute nachdenklich. Hamar von Altenberg kam nur ein Wort über die Lippen, auch wenn es fast nur gehaucht war: ”Junker.” Auch er schaute in die Richtung und lächelte nun. “Ha, und ich hatte schon die Hoffnung ihr sprecht von eurer Wenigkeit. Ihr wäret eine hervorragende Wahl für eine meiner Töchter!”, lachte Rondela. Während Gelda rot anlief, schaute Sabea eher kritisch mit hochgezogener Augenbraue den Geweihten an.

Dieser senkte den Kopf, damit niemand den Schmerz in seinem Blick sehen konnte. “Leider ist es mir unmöglich um eine Eurer Töchter zu werben.” Rondradin atmete tief durch und blickte dann auf, versuchte sich gar in einem Lächeln. Da sprang Gelda ein und wechselte das Thema. “Ich hörte eure Schwester ist auf der Brautschau. Erzählt uns doch von ihr.” Sie schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. “Oh ja, erzählt uns von ihr, immerhin haben wir noch einen Sohn.” legte Rondela hinterher. Der dankbare Blick Rondradins streifte Gelda. Erleichtert ob des Themenwechsels erwiderte er ihr Lächeln aus vollem Herzen. “Nun, was kann ich Euch über meine Schwester erzählen? Andesine ist mit ihren 25 Götterläufen die Ältere von uns beiden und auch die Vernünftigere, wie ich leider zugeben muss. Als fahrende Ritterin kam sie allerhand herum, aber seit dem Feldzug ‘39 und ihrer Rückkehr ‘40 ist sie die Vögtin im Edlengut meines Onkels.” Kurz überlegte Rondradin ob er von dem erlittenen Trauma erzählen sollte, entschied sich aber dann dagegen. Das zu erzählen oblag allein seiner Schwester. “Sie ist ein netter, aufrichtiger, hilfsbereiter Mensch, der das Wohl ihres Umfelds am Herzen liegt. Allerdings sollte man meine Schwester auch nicht unterschätzen. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann kämpft sie auch darum.”

“Eure Schwester gefällt mir.” bestätigte Sabea kurz und knapp. “Sagt euer Gnaden, kennt ihr jemanden unter den Gästen, den ihr mir für meine Töchter und meinem Sohn empfehlen würdet?”, fragte Rondela direkt. Der Geweihte schüttelte den Kopf. “Nein, ich habe keine Empfehlungen. Aber wenn Ihr einen Rat von mir annehmen wollt. Vertraut auf die Entscheidungen eurer Kinder.” “Das hatte ich befürchtet …” flüsterte Hamar von Altenberg vor sich hin. Rondela tätschelte Rondradins Hand. “Ihr habt recht. Ich habe alle meine Kinder dazu erzogen, eigene Entscheidungen zu treffen.” Ihre Linke schnellte mit erhoben Zeigefinger hoch, gerade rechtzeitig, um Gelda vor dem protestieren abzuhalten. “Nun, in fast allen Belangen.,” korrigierte sie sich. “Die Familie meines Mannes schätzt das Handwerk am Schwert nicht sehr. Unter anderen Umständen, wären sie wahrscheinlich ruhmreiche Ritter und Krieger geworden. Nicht so wie ihre Mutter.” Ein leichtes Bedauern huschte über Rondelas Gesicht.

“Auch wenn sie keine Rüstung oder ein Schwert tragen, so haben es Eure Töchter doch für Aufsehen gesorgt. Nehmt nur Gelda. Ist sie nicht mit ihrer Gruppe zur Jagdkönigin von Nilsitz gekürt worden? Hat das Auftreten von Sabea in Elenvina nicht dafür gesorgt, dass ein Junker nur wegen Ihr hier erschienen ist? Leider habe ich Euren Sohn erst jetzt kennengelernt, ansonsten wüsste ich mit Sicherheit auch etwas Gutes über ihn zu berichten. ” Rondradin hatte seine Hand in einer väterlichen Geste auf Rondelas Hand gelegt. “Habt Ihr Eure Klinge aus Furcht fortgeworfen oder die Lehren der Leuin mit Füßen getreten? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ihr habt das Schwert fortgelegt um eine Familie zu gründen und Leben zu schenken. Gibt es etwas Mutigeres?” Der Geweihte, nun ganz in seinem Element, lächelte Rondela aufmunternd an.

“Ihr habt die richtigen Worte, euer Gnaden. Ihr habt recht. Aber ich muss gestehen, ich war nie gut am Schwert. Es wurde von mir erwartet, diesen Pfad zu folgen. Was nicht heissen sollte, das ich nicht noch immer das Schwert heben könnte, wenn es von mir verlangt würde.” Sie griff nach einer Karaffe. “Wollt ihr noch etwas Wein? Ich brauche etwas für meine Nerven. Das Brautwerben geht ja bald los.” Rondradin schüttelte den Kopf. “Danke, aber ich benötige heute einen klaren Kopf.” Er hatte die Hand auf seinen Becher gelegt, als einer der Bediensteten herantrat um diesen aufzufüllen. Zu gerne hätte er in Ruhe mit Gelda gesprochen, aber dies war unmöglich, solange ihre Mutter ihn mit Beschlag belegte. Als ob die junge Dame seine Gedanken gelesen hatte, schaute sie zu ihm rüber. Ihre Mutter wiederum, setzte ihren Kelch wieder ab. “Ihr habt recht. Ein klarer Kopf wäre angebracht. Und du mein Schatz”, sie drehte sich zu Gelda” kannst ja schonmal dein Blick auf die Männer richten. Ich hoffe mir inbrünstig, dass wir wenigstens eine von euch unter die Haube bringen können.” Gelda nickte nur und nahm nun einen Schluck Wein aus ihren Kelch. “Ich hoffe … wir können beim Fest miteinander feiern.” Sie pausierte kurz.” Natürlich mit Dora und Nivi”, setzte die Jagdkönigin hinterher.

“Sehr gerne, Gelda.” In seinen Augen konnte Gelda aber auch sehen, dass er sich eine traute Zweisamkeit wünschte. Der Moment verstrich und sein Blick klärte sich. “Ich würde euch auch gerne meine Schwester vorstellen, sie ist heute ebenfalls hier. Nivard und Doratrava kennen sie ja auch noch nicht.” Rondradin warf einen Blick auf die versammelte Meute an Junggesellen in den Pavillons und unter dem Sonnensegel. Dann beugte er sich zu Gelda hinüber und flüsterte ihr ins Ohr. “Was gäbe ich dafür, alleine mit dir sein zu können.” Wieder blitzten Sehnsucht und Schmerz in seinen Augen auf, als er flüchtig ihre Hand mit der seinen streifte. “Das werden wir hinbekommen.”, flüsterte sie mit selbstsicheren Ton zurück.

Talfano der sich möglichst aus dem Gespräch heraus hielt, rückte Doratrava etwas näher. “Gelda hat erzählt ihr seit auch Jagdkönigin. Aus welchem Haus stammt ihr?”,fragte er unwissend. Überrascht sah Doratrava den jungen Mann an, ihre Miene wechselte schnell nacheinander durch mehrere Ausdrücke: Bestürzung, Angst, Trotz, Spott, Schalk. Doch kein Ausdruck verweilte lange genug auf ihrem Gesicht, dass Talfano ihn bewusst wahrnehmen konnte. "Ähm ...", begann die Gauklerin etwas stammelnd, "ja, ich bin auch Jagdkönigin geworden. Aber hat Euch Gelda nichts über mich erzählt? Habt Ihr mich nicht gerade tanzen sehen? Ich bin Doratrava aus dem Hause der Gaukler!" Am Ende hatte sie sich intuitiv für den Schalk entschieden, und sie verbeugte sich im Sitzen leicht theatralisch vor dem jungen Altenberger. Aber ihr Gesicht strahlte nun ein warmes Lächeln aus, in ihren rehbrauen Augen glomm der Funke der Leidenschaft auf, wie immer vor - oder während, oder nach - einer guten Vorführung.

Der junge Mann in seiner weißen Robe lief rot an. Offensichtlich wusste er nicht wie er reagieren sollte. “Oh … ach … das Haus ist mir leider nicht geläufig. Stammt es aus Südnordmarken?”stammelte er. Ein herzliches Lachen zog Doratravas Aufmerksamkeit auf den anderen jungen Mann der sich dazu gesellte. Er trug sein dunkelbraunes und gewelltes Haar schulterlang, hatte einen gepflegten Bart und seine sanften grünen Augen strahlten Ruhe aus. Er trug eine bestickte, grüne Tunika, der es nicht gelang, sein Schmerbäuchlein zu verbergen. Um den Hals trug er ein Amulett in Form einer Eidechse, die in allen Farben des Regenbogen schimmerte. Der Edelmann verbeugte sich ebenfalls in einer theatralischen Verbeugung vor Doratrava und gab dann Talfano einen Klaps auf den Hinterkopf. “Was für ein Tropf du bist Vetter. Muhme Prianna sollte dich nochmals in die Stunden von Meister Adelmo schicken. Deine Adelskunde lässt zu wünschen übrig. Jeder weiß doch das Doratrava vom Haus der Gaukler aus dem Kosch stammt!” Der Gutaussehende zwinkerte ihr zu. “Das passiert mir immer wieder, dass Leute mein Haus nicht kennen”, ließ Doratrava sich auf das Spiel ein. “Dem guten Talfano würde ich da keinen Vorwurf machen, eher seiner Schwester Gelda, dass sie ihn nicht vollständig ins Bild gesetzt hat.” Die Gauklerin zwinkerte ihrerseits Talfano und auch Gelda zu, wollte sie doch nicht zuviel Scherze auf Kosten des jungen Manns treiben. “Aber ich wundere mich, wie gut Ihr über mich informiert zu sein scheint?” wandte sie sich wieder an den Edelmann. “Mit wem habe ich die Ehre?” Die Eidechse fiel ihr auf, sofort musste sie an Glöckchen denken, die quirlige Tsa-Geweihte, die ihr schon mehrmals - und erst kürzlich wieder - über den Weg gelaufen war.

Langsam verstand Talfano, das beide einen Scherz machten. “Ha,ha, sehr lustig.”,sagte er ein wenig eingeschnappt. Sein ältere Vetter drückte seine Schulter. “Ach, sei nicht so, Talfo. Du hast es uns auch sehr leicht gemacht.” Die Worte ließ dem jungen Mann wieder Schmunzel. “Und ich, liebste Doratrava, bin Amiel von Altenberg. Meines Zeichens Rechtsgelehrter aus Elenvina. Gelda hat mir von der ganzen Jagdveranstaltung von Nilsitz erzählt.” Talfano entspannte sich wieder, anscheinend war es ihm lieber, nicht im Mittelpunkt einer Konversation zu stehen. Doratrava warf Talfano einen treuherzig-entschuldigenden Blick zu und wandte sich dann wieder an Amiel. “Sehr erfreut, mein Herr. Darf ich ‘du’ zu Euch sagen? - Und für einen Rechtsgelehrten bist du recht lustig. Was hat denn Gelda so alles zum Besten gegeben?” Die Gauklerin lachte auf, als ihr selber bewusst wurde, wie sprunghaft ihre Ansprache klang, aber es störte sie nicht. So langsam begann sie, sich bei den Altenbergern wohl zu fühlen. “Ich bitte drum. Ich stehe im Dienste von meinem Oheim Vater Winrich im Gänsetempel zu Elenvina. Ich stehe ihm bei Rechtsangelegenheiten zur Seite. Aber meistens helfe ich in der Armenspeisung und in der Kinderbetreuung aus. Da achten wir weniger auf Höflichkeitsfloskeln. Gelda hat von euren lustigen Schubkarrenübungen vor der Jagd erzählt. Das hätte ich gerne gesehen. Und von diesem Nivard.”

Über Doratravas Miene huschte ein kaum sichtbarer Schatten, als sie erkannte, dass ihr Gegenüber wohl ziemlich viel mit dem Elenviner Travia-Tempel zu schaffen hatte, was ihn gleich ein kleines Bisschen weniger attraktiv machte, auch wenn er ihr gar nicht so steif und verbissen daherkam, wie sich die Geweihten dieser Göttin in ihren Augen oft präsentierten. Aber sie hatte sich schnell wieder im Griff und lächelte gleich wieder fröhlich, als Amiel die Sache mit dem Schubkarren erwähnte. “Tja, wenn wir hier einen Schubkarren hätten, könnte ich das vielleicht einrichten - wenn ich einen Speer bekomme und du den Schubkarren fährst.” Nun grinste Doratrava schon fast zu keck. Sich dessen bewusst werdend, lenkte sie schnell ab: “Und Nivard ist doch auch hier auf der Brautschau, wenn ich ihn gerade auch nirgends sehen kann. Du hast also Gelegenheit, dir selbst ein Bild von ihm zu machen.” Amiel grinste noch immer. “Keine Sorge, ich konnte mir ein gutes Bild machen. Gelda kann sehr lebhaft in ihren Erzählungen sein. Er scheint ein guter Mann zu sein. Ich meinte ihn auch singen gehört zu haben, bei unsere Reise nach Herzogenfurt. Könnt ich auch singen?” Beide Männer schauten sie neugierig an.

“Ich? Singen?? Ich glaube, das wollt ihr nicht hören!” Doratrava wedelte abwehrend mit der Hand in Richtung der beiden Männer. “Nivard kann das viel besser, und dichten kann er auch. Für Musik sind andere zuständig, ich verwandele diese dann in Bewegung - mal sehen, was ich euch diesbezüglich noch anbieten kann auf dieser Feier.” Die Gauklerin lächelte fast ein wenig herausfordernd. “Meine Neugierde ist herausgefordert und warte sehnlichst deinen Auftritt, Doratrava.” Amiel schaute sich freudig an. Talfano lächelte auch, nickte aber nur. “Na dann will ich euch beide nicht enttäuschen - nachher”, versprach Doratrava und vollführte im Sitzen eine leicht übertriebene Verbeugung, bevor sie nun endlich der einen oder anderen Leckerei zusprach.

Nach einer Weile betrat der Gartenmeister, Rahjagoras vom Lilienhain, den Pavillon und kam direkt zu dem Tisch der Jagdkönigin. “Die Holde läutet so langsam die fröhliche Schau ein. Mit anderen Worten, wir werden gleich beginnen.” Mit einem erfrischenden Lächeln legte der alte Mann seine Hand beruhigend auf Rondelas Schulter. Dann sprach er die beiden Gäste an. “Während die Junggesellinnen und Junggesellen sich vorstellen, habe ich mir überlegt die anderen Gäste auf eine kleine Reise durch den Park mitzunehmen, um ihnen die Wunder der Lieblichen zu offenbaren. Kann ich euch dazu gewinnen, euer Gnaden? Doratrava?” Einladend schaute er die beiden an. “Gern”, antwortete Doratrava mit einem erfreuten Lächeln auf den Lippen. “Oder?” Sie sah Rondradin an. Dieser erwiderte ihren Blick, schüttelte dann aber den Kopf. “Das Angebot ist verlockend, aber ich muss ablehnen. Meine Schwester tritt hier als Werberin auf und ich will mir die Werber ansehen.” Doratrava hob neckend eine Augenbraue. “Oh, der große Bruder muss auf seine kleine Schwester aufpassen?” Dann lachte sie auf, um dem leisen Spott die Schärfe zu nehmen. “Geh nur, dann vergnüge ich mich eben allein mit Rahjagoras.” Sie zwinkerte, aber keiner der beiden Männer konnte sagen, wer genau gemeint war.

Sichtlich enttäuscht räusperte er sich. “Wie euch genehm, euer Gnaden. Ich bin sicher, ihr könnt auch später den Lilienpark und den Schrein der Lieblichen erkunden. Doratrava, trefft mich am Zelt der Gaukler.” Rahjagoras machte sich auf, den Pavillon zu verlassen.

Bei den Geweihten

Ademar von Leihenhof genoss diesen warmen Sonnentag. Aber dennoch, dieser Morgen begann merkwürdig. Letzte Nacht träumte er von einem Sternenfall. Und Tanzschuhe. An mehr konnte er sich nicht erinnern. Aufgeweckt wurde er dann von der Lieblingskatze der Baronin von Schweinsfold, dass ihm das Gesicht leckte. Die goldgelben Augen die ihn anstarrten, als er seine öffnete, ließ ihn mit einem Schrecken erwachen. Immerhin schaute der Herr Praios mit einem milden Auge auf diese Festlichkeit herab. Ein Diener reichte ihm einen Kelch mit Wein. Genüsslich nahm er einen Schluck und schlenderte zur Mitte der Festwiese, wo die farbigen Stäbe in den Boden gerammt worden. Er genoß die Pause die er von seinem Glaubensbruder Winrich hatte. Bei Praios, dieser Mann konnte reden! Ademar genoss seine Zeit alleine und die wortlosen Zeichen seines Herren zu deuten. Große Predigten waren etwas für die anderen. Allerdings konnte er sich nicht den Charme der Doctora Maura von Altenberg entziehen. Ihre Tochter war Geweihte im selben Tempel wie er. Praiona war eher unauffällig und wurde oft von seinen Mitbrüdern und -schwestern übersehen. Aber im Grunde war sie eine herzliche Person. Nun, er stimmt ein, diese Brautschau zu segnen. Und einmal die Mauern der Wehrhalle zu Elenvina zu entfliehen und den Herr Praios direkt unter seinem warmen Auge zu genießen, war herzlichst willkommen. Vorsichtig strich er über das goldgelb angestrichene Holz der Stange die für den Götterfürsten stand. Ein Schatten ließ ihn aufblicken. Schon wieder dieser Rabe. Ademar grübelte. Der schwarze Vogel war ihm schon vorher aufgefallen. War das ein Zeichen? Wollte Boron etwas mitteilen?

Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als Fedora Madalin vom Firnholz, die Baronin an ihn herantrat: “Die Götter zum Gruße, Euer Ehrwürden. Eine schöne Begrüßung. Verzeiht wenn ich Euch aus Euren Gedanken reiße, aber ich habe Euren Namen vernommen und mich interessiert welchem Teile der Familie Leihenhof ihr entstammt. Sagt, habt ihr bereits Roklan von Leihenhof schon gesehen? Ich dachte, er wäre ebenfalls als Gast anwesend…” fragte sie den Geweihten. Natürlich hatte sie gehofft, im Gefolge von Roklan von Leihenhof auch Adamar, ihren Sohn zu sehen. Immerhin war sie auch seinetwegen hier!

Lares hatte in dem ganzen Trubel seinen Dozenten aus Elenvina bisher nicht erkannt. Ademar war auch nicht sonderlich bekannt dafür, aufzufallen. So war dem jungen Ritter bisher vollends entgangen, dass der Praiot auch auf dem Fest zugange war. Was ihn wohl hierher verschlug? Die Vorstellung, dass der sittsame Priester auf der Suche nach einer FRAU war, das kam Lares beim besten Willen nicht in den Sinn. Er wollte den unscheinbaren Mann - schon um der ‘guten alten Zeiten’ willen, die noch gar nicht all zu lange her waren - grüßen, doch da trat die Baronin von Firnholz an den Praioten heran. Überraschend. Sonst war er ja nicht wirklich der Publikumsmagnet gewesen. Die streitbare Baronin kannte Lares zur Genüge, sodass er respektvoll Abstand hielt, bis die beiden ihr Gespräch beendeten.

Aus seinen Gedanken gerissen, betrachtet Ademar die ältere Frau kurz und versuchte sich an einem Lächeln. “Erfreut. Nun, der Baron Roklan ist mein Vetter. Hoffentlich schafft er es noch zur Brautschau. Und ihr seid?”, fragend schaute er sie aus unergründlichen, dunkelgrünen Augen an. Den Junker hinter ihr nahm er durchaus war. “Fedora Madalin von Firnholz zum Firnholz, mein Name. Mein Sohn ist bei Roklan von Leihenhof in Knappschaft, ich hatte gehofft auch ihn hier zu sehen, immerhin empfängt er demnächst den Ritterschlag und es ist Zeit für ihn eine Frau zu finden und eine Familie zu gründen. Und dies hier scheint mir die beste Gelegenheit dazu zu sein, nicht wahr?” “Da habt ihr recht, Hochgeboren. Die Zeit ist genau die richtige. Und ich glaube mich an den Namen des Knappen zu erinnern.” Er erlaubte sich ein kurzes Grinsen. “Adamar. So ähnlich wie mein eigener, richtig? Nun mein Vetter, der Baron, sollte eigentlich schon lange hier sein. “ Bevor die Baronin weitersprechen konnte, fiel dem Praiosgeweihten auf, das der Baron Roklan gerade zum Pavillon des Hochadels hinaufstieg. “Seht euer Hochgeboren, da ist der Gesuchte.” Er deutete in die Richtung.

"Ihr habt Recht, und Adamar ist bei ihm, wie ich erkennen kann. Habt Dank, ich werde die beiden gleich begrüßen gehen. Wollt ihr mich begleiten?" “Wie es scheint ist euer Sohn beim Sonnenschutz. Ihr müßt mich leider entschuldigen, euer Hochgeboren von Firnholz, wie ich sehe möchte noch ein anderer Gast mir seine Aufwartung machen. Falls ihr aber meinen spirituellen Rat braucht, kommt jederzeit zu mir.”, antwortete er gelassen. Fedora verbeugte sich und grüßte den Geweihten ehrerbietig. Doch bevor die Baronin zum Pavillon zurückkehrte, begrüßte sie den Junker Lares von Mersingen, den sie von früheren Unternehmungen kannte, als sie seiner in der Nähe gewahr wurde: “Lares, Travia und Rahja zum Gruße. Es freut mich Euch wiederzusehen, ihr seht prächtig aus. Seid ihr ebenfalls auf Freiersfüßen unterwegs?”

Lares deutete eine knappe Verbeugung an. “Baronin Fedora, auch Euch seien die Göttinnen hold. Ja tatsächlich, das bin ich. Wird auch Zeit, nicht wahr?” Der Gesichtsausdruck des Mersingers wirkte für einen Augenblick wehleidiger als er sein sollte. “Ihr habt nicht zufällig eine Dame, die ihr mir dringend ans Herz legen wollt? Euer Rat war mir noch immer willkommen. Oder haltet Ihr über einen der anderen im Garten eure Fittiche?” Dabei dachte er an die vielen Male, die die Baronin ihm den Allerwertesten gerettet hatte. Ja, wenn der Rat einer Frau wirklich half, dann derjenige der Baronin von Firnholz. “Nun, tatsächlich hoffte ich ebenfalls eine junge Dame für meinen eigenen Sohn als potentielle Gemahlin zu finden, ebenso wie ich auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten für meine Tochter bin. Außerdem habe ich tatsächlich meine junge Pagin aus dem Hause Leihenhof und einen Knappen aus dem Hause Moosgrund mit zu diesem Fest gebracht, es wird sich zeigen, ob diese beiden bei dieser Gelegenheit Kontakte für das weitere Leben knüpfen und mit welchen Ergebnissen. Aber ich will Euch für den Moment nicht aufhalten, wir werden sicher später noch die Gelegenheit haben, auf unser Wiedersehen anzustoßen. Ihr müsst mir berichten, wie es Euch in der Zwischenzeit ergangen ist. Bis später.”

Nachdem die Baronin fertig mit ihren Fragen war und zum Pavillon zurückkehrte, ging Ademar auf den Junker zu. “Praios zum Gruße, euer Gesicht kommt mir bekannt vor.”, begrüßte er diesen. “Das will ich doch hoffen, Euer Gnaden Ademar. Oder soll ich lieber sagen Herr Scholar der jurisprudencia Ademar? Ich für meinen Teil habe den Unterricht bei Euch immer genossen. Besonders die Vorlesungseinheit über die Thronfolgefragen in den Kaiserlosen Zeiten und die interessante Übertragung der Lehren auf den Erbfolgekonflikt rund um seine Majestäten Rohaja und Selindian Hal hatte Witz.” Witz, das konnte man schon so sagen. Die Vorlesung war tröge und inhaltlich beileibe nicht das, wofür sein Vater ihn an die Wehrhalle geschickt hatte. Aber dennoch war kein Wort gelogen: Der junge Geweihte, damals gerade selbst kaum aus dem Noviziat entlassen, war bei seinen discipuli der wohl beliebteste Lehrer. Über keinen anderen hatte man sich besser lustig machen können, denn kaum einer ging so in seinem vollkommen unspannenden Lehrfach auf wie Ademar. Die Stunde rund um Erbfolgekonflikte war die Krönung gewesen: Kein anderer hatte so enthusiastisch von der immensen Bedeutung der Reichsinsignien für Legitimität docieren können. Damals hatte der junge Mersinger nicht gedacht, dass er jemals eine in der Hand halten würde und doch musste er vor Kurzem das Reichsrichtschwert selbst tragen. Der schwarzhaarige Ritter musste sich zusammenreißen, um nicht in diesen Erinnerungen abzuschweifen und seine Maske zu wahren. Und sich womöglich am Ende doch zu verhaspeln. Schließlich war ihm das Gebot des Sonnengottes wirklich heilig - und der verbat nun einmal, zu lügen.

Der Junker zauberte ein Lächeln in Ademars Gesicht. “Ehrwürden Ademar reicht. Ich bin froh das ihr unseren Unterricht genossen habt, ich zu meinen Teil habe das genauso in Erinnerung. Es freut mich euch hier zu sehen, Wohlgeboren. Eure Anwesenheit zeigt vom Wille den gerechten Weg zu beschreiten, um die praiosgewollte Ordnung einhalten zu wollen. Nichts ist wichtiger, genau diese zu erhalten. Ich werde euch mit Wort und Tat beratend zur Seite stehen, Lares.” Ein Funkeln in seinen unergründlich grünen Augen nahm der Junker wahr, das er nie zuvor bei seinem alten Mentor gesehen hatte. Die Begeisterung Ademars überraschte Lares positiv. “Danke Euch! Hauptsächlich bin ich auf der Suche nach einer klugen und göttergefälligen Frau. Dahingehend könnte ich eine Erleuchtung wahrhaft gebrauchen.” In dieser Sache war der Junker noch nicht wirklich vorangekommen. “Ach. Wie steht es eigentlich um Euch? Habt Ihr vor, vor dem Gleißenden und seinen Geschwistern einen Ehebund einzugehen?”

Etwas überrascht über die frage des Junkers, wurde er etwas verlegen. “Deswegen bin ich nicht hier. Praios gehört mein Leben. Und dahin gehört auch mein Platz.” Er legte behutsam seine rechte Hand auf des Junkers Oberarm. “Die Götter haben gefügt, dass sich ehewillige Damen und Herren heute hier versammelt haben. Ich bin mir sicher, dass ihr eine Frau finden könntet, dessen Platz an eurer Seite bestimmt ist. Nach der Vorstellung der Junggesellen wird es zu einer Götterprüfung kommen, um sich besser kennenzulernen. Kommt dann einfach zu mir. Praios wirds euch weisen.” “Einen strahlenden Fingerzeig kann ich allemal gebrauchen. Verratet Ihr mir, wie diese Prüfung aussehen wird? Am Besten ist man auf eine Prüfung ordentlich vorbereitet - habt Ihr jedenfalls immer gesagt.” Lares kicherte ein wenig und fühlte sich in das Rechtsseminar zurückversetzt. Da hatte man ihm beigebracht, seinen Gegner mit den eigenen Waffen zu schlagen. Ademar schaute seinen ehemaligen Studioso prüfend an. “Geht in euch. Fragt euch, warum der Götterfürst euch wichtig ist, bei der Wahl einer Braut. Und habt keine Furcht. Diese Prüfung ist nur eine für euch selbst. Niemand wird darüber urteilen.” Lares wurde schlagartig wieder ernst. Er würde tatsächlich in sich gehen und darüber nachdenken. Ademar hatte ihm in das Gewissen geredet, und das so erfolgreich, wie ein Praiot es eben konnte. “Ich danke Euch.”

“Und noch etwas. Praios wird es euch nicht übelnehmen, falls ihr euch doch lieber Travia oder Rahja in diesem Belangen anvertrauen und euch prüfen möchtet. Er und allen seinen Geschwistern ist es ein Anliegen den Lebensbund zueinander zu segnen.Hört auf das Licht in euren Herzen und entscheidet.” Mit diesen Worten lief Ademar ihn ziehen und spazierte weiter auf der Wiese entlang.

Selig lächelnd wanderte die junge Ritterin unter dem Sonnensegel umher. Gerade spülte sie den letzten Rest einer Tannwalder mit einem Schluck Weißweins hinunter. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie hungrig sie inzwischen war. Erst mit der räumlichen Trennung von Linnart machte sich der Hunger bemerkbar. Hm, Linnart vom Traurigen Stein, bei dem Gedanken an ihn durchfuhr sie ein wohliger Schauer. Wieso fühlte sie sich derart zu ihm hingezogen? Es schien Andesine beinahe so als ob sie sich in einer der Liebesgeschichten befinden würde, die sie als Knappin so gerne gelesen hatte. Hm, war noch der Titel der letzten Geschichte gewesen? Windhagmelodie? Die Geschichte zweier Liebender im Grenzgebiet zwischen den Nordmarken und Albernia. Zu gerne hätte sie mit Rondradin gesprochen, aber dieser befand sich im Pavillon der Gastgeber und war damit unerreichbar. Etwas entfernt, bei den Geweihten sah sie den jungen Mann, der für sie eingetreten war und ein Gedanke reifte in ihr. Warum eigentlich nicht? Sie wollte sich eh bei ihm bedanken. Als Andesine sah, wie sich der Junker von dem Praiosgeweihten verabschiedete, ging sie auf ihn zu. “Rahja und Travia zum Gruß. Ich bin Andesine von Wasserthal und möchte mich dafür bedanken, dass Ihr vorhin für meine Ehre eingetreten seid. Darf ich nach Eurem Namen fragen?” Der Mersinger betrachtete die Dame einen Augenblick lang bedächtig, aber unauffällig. Ihre ansprechende Erscheinung war womöglich tatsächlich eine Szene wert. Noch angenehmer war, dass sie sich bedankte - das zeugte von einem anständigen Charakter. Doch der verträumte Blick zeigte, dass sie mit den Gedanken eigentlich woanders war. Hatte sie der Wüstling so verunsichert? “Selbstverständlich! Lares von Mersingen. Älteres Haus. Auch auf Euch mögen die Götter mit Wohlgefallen herabblicken. Habt Ihr Euch von Eurem Schrecken erholen können?”

“Ich freue mich, Eure Bekanntschaft zu machen.” Andesine knickste vor dem jüngeren Mersinger. “Der kleine Zwischenfall von vorhin ist mir etwas peinlich, da ich überreagiert habe. Trotzdem hat sich der Hohe Herr vom Traurigen Stein bei mir entschuldigt.” Da nickte Lares zufrieden. Die Wangen der Ritterin hatten sich zwischenzeitlich rot gefärbt. Um davon abzulenken, versuchte Andesine das Thema zu wechseln. “Ihr gehört also dem Haus Mersingen an. Kommt Ihr aus Weidleth?” “Nein. Mein Onkel ist der Pfalzgraf und ich bin dort hin und wieder zu Gast, aber zuhause bin ich in Rosenhain. Das ist ein kleines Edlengut in Rodaschquell. Unsere Lande sind jedoch einen Ausflug wert: Bei uns wachsen die schönsten Rosen. Und Rosenöl ist für uns ein bedeutendes Handelsgut. Woher stammt Ihr?” "Geboren wurde ich in Wirselbach, das liegt in Riedenburg. Derzeit lebe ich aber als Vögtin meines Onkels auf dem Edlengut Pappeln in Meilingen, dem Stammsitz meines Hauses." Die Vögtin bedachte Lares mit einem Lächeln. “Ihr kommt also aus Rosenhain. Darf ich fragen, wie es ist, eine Elfe als Baronin zu haben? Mein Bruder hält große Stücke auf sie, mir blieb bisher eine Begegnung mit der Dame Morgenrot leider verwehrt.”

“Oh! Ihr seid gut informiert, alle Achtung!”, meinte Lares aufrichtig überrascht. “Nunja, es ist etwas - anders. Sie schenkt Dingen Beachtung, die jedenfalls nicht des Herzogs vordringliche Priorität sind. Anderen Aspekten misst sie dann weit weniger Bedeutung zu. Für uns bedeutet das allerdings relativ große Freiheit und das ist wirklich wohltuend.” Lares Gesichtsausdruck verdüsterte sich etwas. “Allerdings wäre es gut, würde sie manchmal darauf Acht geben, welche Auswirkungen das Handeln Ihres Vogts hat.” Die Wasserthalerin grübelte nach dem Namen des rodaschqueller Vogts. “Ihr habt Probleme mit dem Vogt … wie hieß er noch? Knurringer, oder so ähnlich?” Lares nickte verdrossen. Dann nahm sie seinen düsteren Gesichtsaudruck wahr. “Bitte verzeiht, dass ich Euch an diesem wunderschönen Tag zu diesem wunderbaren Anlass mit Politik quäle.” Andesine blickte Lares aufmunternd an. “Wollen wir uns über etwas anderes unterhalten, zum Beispiel, ob Ihr schon eine Dame ins Auge gefasst habt?”

Der junge Ritter konnte verstehen, warum sich der Rüpel vorher an der Dame vergriffen hatte. Nich nur sah sie gut aus, sie war auch noch freundlich und feinfühlig. “Nein, das kann ich so nicht behaupten.” Lares warf einen Blick nach seiner Pagin. Er hoffte, sie würde nicht allzu großen Ärger verursachen, wenn er sich hier unterhielt. “Ich hatte auch noch nicht wirklich die Gelegenheit dazu, mich wirklich umzusehen. Unser Tisch war für den Sinn der Veranstaltung auch nicht wirklich gut geeignet: So viele Männer.” Lares zog seine rechte Augenbraue hoch und verdrehte etwas die Augen. Andesine schmunzelte. “Darüber hinaus muss ich auch noch auf meine Pagin achten. Deren Familie ist auch hier. Ihre Schwester sucht auch einen Bräutigam - und das heißt, sie machte nicht nur mir, sondern auch ihrer Familie Schande, wenn sie sich heute nicht zu benehmen wüsste. Das würde mir der Baron nie verzeihen.” Mitfühlend sah Andesine Lares an. “Das gibt Euch nicht gerade den nötigen Raum, den ihr bräuchtet.” Nachdenklich kaute sie auf ihrer Unterlippe. Dann sah sie plötzlich den Mersinger mit strahlenden Augen an. “Wisst Ihr was, ich möchte Euch helfen. Warum seht Ihr Euch nicht etwas bei der Gruppe unter dem Sonnensegel um, während ich auf Eure Pagin Acht gebe? Wollt Ihr uns einander vorstellen?” Erwartungsvoll blickte die Ritterin den Junker an.

“Ihr würdet...ähm”, stotterte der Junker. Verdammt, diese Dame wurde ihm immer sympathischer. Dieses Angebot hatte er nun wirklich nicht erwartet. Eigentlich wollte er das Angebot sehr gerne annehmen. Das würde ihm tatsächlich etwas Zeit verschaffen, sich in Ruhe umzusehen. Aber die Verantwortung für Lissa lag bei ihm. “Euer Angebot ehrt Euch. Ich habe offensichtlich die Ehre der rechten Dame verteidigt. Ich danke Euch dafür. Aber ich habe die Verantwortung für Basilissa übernommen und werde sie tragen. Und ich trage sie gerne, denn ich habe geschworen, sie zu schützen und zu einer aufrechten Ritterin zu machen.” Lares lächelte ein kleines, aber müdes Lächeln. “Doch selbstverständlich möchte ich sie euch vorstellen. Sicherlich könnte sie von Euch einiges lernen, was sie von mir nicht lernen kann. Zum Beispiel, wie man eine gute RitterIN wird.”

Das Lächeln der Ritterin wurde breiter. Bevor sie zu einer Antwort ansetzte, suchte sie den Augenkontakt mit Lares. Seine Einstellung gefiel Andesine. Nicht wenige hätten ihr Angebot angenommen, da war sie sich sicher. “Eure Pagin kann sich glücklich schätzen, Euch als Schwertvater zu haben. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass Ihr aus der jungen Dame eine hervorragende Ritterin formen werdet. Auf das Gespräch mit Basilissa freue ich mich. Wie alt ist sie denn?” “Sie ist acht Götterläufe alt und erst seit Kurzem in meiner Obhut. Ihr Vater wollte zuerst nicht, dass sie im Kriegshandwerk ausgebildet wird. Aber ihr tapferes und wildes Wesen haben ihn schließlich umgestimmt. Ihr werdet sehen, wie sehr die Leuin ihr Herz berührt hat. Wenn sie nur etwas Disziplin erlernt, dann bin ich mir si...” Lares stockte plötzlich mitten im Satz. Seine Augen quollen aus den Höhlen, sein Gesicht wurde leichenblass und er schlug die Hände über dem Kopf zusammen. “Wo, wo...oh Herr PRAios, womit habe ich das…” Er sah sich überallhin um, doch konnte er die kleine Dame nicht erkennen. Da drehte er sich zu Andesine. “Sie ist weg! Was habe ich Euch gesagt? Da passt man einen kurzen Moment nicht auf und schon ist der kleine Wirbelwind auf und davon!”

Andesine schmunzelte hinter vorgehaltener Hand. “Dann sollten wir sie suchen gehen, findet Ihr nicht?” Die Ritterin sah sich nun selbst um, aber auch sie konnte keine Achtjährige entdecken. “Wo wollen wir beginnen? Im Pavillon oder bei ihrer Schwester? Vielleicht ist sie auch nur dem Ruf der Natur gefolgt.” Aufmunternd sah Andesine ihr Gegenüber an. “Wir werden sie finden.” “PRAios bewahre! Nicht bei ihrer Schwester! Das hieße doch bei ihrem Vater!” Lares seufzte laut und versuchte sich zu sammeln. “Danke für Eure Hilfe. Ich denke, wir sollten dort anfangen, wo sie zuletzt gewesen ist. Also beim Pavillon. Vielleicht weiß ja jemand, wohin sie abgehauen ist. Kommt.” Zielstrebig stapfte Lares los, wandte sich aber um, um sicherzugehen, dass Andesine ihm folgte.

Die Ritterin hielt sich einen Schritt hinter dem Junker und wäre beinahe in ihn hineingelaufen als er sich zu ihr umdrehte. Sie schloß zu ihm auf und hakte sich bei Lares unter. “So und jetzt auf ins Gefecht.” Ermunterte Andesine den jungen Mann, während sie mit dem Kopf in Richtung des Pavillons nickte.

Rahjel von Altenberg schritt die Pavillons ab. Ein Kelch Wein in der Hand, in der Anderen einen Schweinsfolder Taler. Ja, Rahja war heute präsent. Genüsslich biss er in die mit Speck ummantelte Pflaume. Er beobachtete Rahjagoras Familie, wie sie fleißig die Gäste der Altenberger bedienten. Die Köchin Victualia war wirklich eine Meisterin ihre Faches. Ihre Speisen waren immer ein Genuss. Der Rahjageweihte schloss kurz die Augen und sog die Eindrücke der Festlichkeit ein. Das Wispern der Gespräche, das Gelächter, die Musik der Spielleute und der Duft der Speisen und Lilien in der Luft. Herrlich! Zufrieden schlenderte er weiter als … Rahjalind war mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen durch die Feiernden gewandert. Wie die Doctora von Altenberg zuvor gemeint hatte, wollte sie das Gespräch mit dem anwesenden Rahjageweihten suchen. Es war nicht schwer den Mann an seiner Aufmachung zu erkennen. "Rahja zum Gruße, Bruder ...", begrüßte sie ihn und bemerkte erst jetzt, dass er gerade dabei war zu essen - mit geschlossenen Augen. Frech wie die Novizin war ließ sie sich davon jedoch nicht abschrecken. Sie schenkte Rahjel eine Umarmung und einen sanften Kuss zur Begrüßung. "Was für ein wunderbares Fest. Ich wollte dich fragen ob ich dir mit irgendetwas behilflich sein kann." Mit überraschten Lachen öffnete Rahjel die Augen. Mit einem letzten Biss schluckte er die Köstlichkeit hinunter. “Dich hat die Holde geschickt!” Nun nahm er die Novizin in den Arm und drückte sie herzlich. Dann nahm er einen Schritt zurück. “Lass dich anschauen, was für eine Bastrasunya, was für eine Schülerin der Leidenschaft, sie geschickt hat.” Bewundernd musterte er Rahjalind. “Tatsächlich kann ich hier deine Unterstützung gebrauchen”, schaute er sie aus seinen blauen Augen an, in dem ein verborgenes Feuer lauerte. Freudestrahlend und erwartungsvoll sah sie ihm in die Augen. "Das freut mich. Wie kann ich dir helfen?"

Rahjel hakte sich bei ihr ein und lief weiter die Pavillone ab. “Wie dir schon aufgefallen ist, ist die Brautschau ein wenig … steif. Nun mir fehlt noch ein wenig der Zauber unsere Herrin. Nun, unsere beiden Mitbrüder hier”, er deutete auf Ademar und Winrich, “ sehen die Sache ein wenig … zu praktisch.” Rahjel winkte einen Diener heran und ließ der Novizin einen Kelch Wein reichen. “Wie das so im Adel ist, nicht viele sehen das Liebe ein Schlüssel ist für eine starke Partnerschaft. Und ich vermute, dass nicht jeder echten Absichten hat die hier teilnehmen. Es liegt an mir, ihre Herzen anzuregen, damit Suchende sich finden können. Und ich meine nicht nur die, die sich offiziell als Werbe angekündigt haben. “Nun zwinkerte er ihr verschwörerisch zu. “Würdest du mich dabei unterstützen?”

Rahjalind blickte einen Moment schweigend auf die Pavillons. Sie schmunzelte. "Ich verstehe was du meinst. Dieses Fest ... es ist so anders wie alles das ich kenne ... so ... ja ... steif ...", die Novizin kicherte. Als Linnartsteinerin und Dienerin der Herrin Rahja war sie auf Festen ganz andere Intensitäten gewohnt. Sie kannte und mochte es wenn die Menschen ausgelassen waren und sich ihres Lebens und ihrer Körper erfreuten. Hier wurden bisher nur ernste Gespräche geführt und Alkohol getrunken. Wie sollten denn hier Verbindungen zustande kommen, die nicht nur aus Familienräson oder Politik geschlossen werden, sondern auch aus Liebe und Leidenschaft? "Mein Bruder ging zuvor mit ... ähm ... gutem Beispiel voran und suchte die Nähe eines anderen Gastes.” Sie winkte ab. “Ein Kuss … ganz harmlos und inzwischen weiß ich auch, dass er ihre Signale wohl richtig gedeutet hat. Dennoch wurde ihm daraus beinahe ein Strick gedreht. Das ist ein Problem." Abermals ließ Rahjalind ein Schmunzeln folgen. "Ich helfe dir sehr gerne, wie willst du es angehen?"

“Den einzigen Weg den ich sehe, ist es sich unter die Gäste zu mischen, um Rahjas Herrlichkeit ihnen Näher zu bringen. Wie wäre es wenn du dir den Pavillon der Niederadligen vornimmst und ich den der Hochadligen. Was meinst du?” flüsterte ihr der gutaussehende Priester zu. Ihr Lächeln zeigte deutlich, dass Rahjalind von der Idee begeistert war, doch trotzdem ging sie vorerst nicht auf die Frage des Geweihten ein. "Wessen Idee war es eigentlich, die Festgemeinschaft so zu zerteilen", fragte die junge Novizin stattdessen, "Die niederadelige Familie von Altenberg lädt zu einer Brautschau. Wenn der Hochadel nicht mit dem Niederadel an einem gemeinsamen Tisch sitzen will - warum kommt er dann überhaupt hierher?" Sie hob ratlos ihre Schultern, fuhr dann aber fort ohne eine Antwort abzuwarten. "Wenn sie mich denn überhaupt in den Pavillon vorlassen werde ich es gerne versuchen, Bruder." Sie schloss mit einem strahlenden Lächeln und blickte vorfreudig auf den Pavillon der Junker und Edlen. Er seufzte kurz. “Das war die Idee von Vater Winrich und Bruder Ademar. Man möchte ja die göttergewollte Ordnung nicht durcheinander bringen. Der Hochadel ist auch nur zur Freundlichkeit hier oder suchen für einige Schützlinge. So sie dachten. Aber auch diese armen Seelen, dürstet es nach Liebe, da bin ich mir sicher!” Nun musste er nochmals lachen. “Mach dir keine Sorgen, uns Geweihte und Novizen wird der Weg zu den Gläubigen nicht verwehrt werden. Wir sind immerhin da, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Rahja sei dank, hat man uns hierzu eingeladen!”

Rahjalind verzog ihre Mundwinkel zu einer seltsamen Grimasse. "Aber hätten nicht getrennte Tafeln gereicht und warum teilte man die Niederadeligen noch einmal auf ...", sie ließ das Thema allem Anschein nach noch nicht los, "... du siehst es ja selbst. In einem Pavillon sitzen bloß ältere, bereits verheiratete Männer und Frauen, im nächsten nur Männer und keine Frauen, während der Dritte überquillt vor jungen Menschen." Die Novizin wedelte mit ihrer freien Rechten. "Es wird eine Herausforderung dem Ganzen etwas Leben einzuhauchen ...", sie lächelte, "... eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen, hab ich nicht recht?" “Das wiederum sollte den Altenbergern helfen zu sehen, wer vielversprechender ist als andere Werber. Wer würden nicht einen Junker bevorzugen, als ein Land- und Erblosen zu ehelichen? Nun, uns sollte das aber egal sein, die Liebesgöttin kennt keine Stände. Du hast recht, die Herausforderung gehört uns!” Er zwinkerte ihr nochmals zu und löste sich von ihr. Rahjalind rümpfte ob der Argumentation ihres Glaubensbruders kurz die Nase. Sie würde ihren Bruder beispielsweise als gute Partie betrachten. Ein hübscher Mann aus wohlhabender Familie, der sich in der Gemeinschaft des Lichts engagiert und Erbe eines überaus ertragreichen Guts ist. Sie wüsste nicht wieso er weniger wert sein sollte als ein armer Gebirgsjunker. Doch sagte sie nichts mehr darauf. Stattdessen nickte sie Rahjel lächelnd zu.


Vater Winrich faltete seine Hände vor den Bauch und schlenderte ebenfalls über die Festwiese. Die Gerüche aus dem Küchenzelt waren einladend. Wie sehr wünschte er sich, selbst hinter den Töpfen zu stehen und zu kochen. Nicht das er die Kochkünste der Köchen Victualia schätzte, doch er war um weiteres besser. Und das können die Elenviner bestätigen! Nun ja, er war wegen anderer Angelegenheit hier. Die Familie brauchte seine und Travias Hilfe und er war nicht umsonst Tempelvater des Gänsetempels zu Elenvina geworden. Es war nun mal seine heilige Pflicht zu helfen! Und sie waren gekommen. Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Winrichs Blick viel auf den Praiosgeweihten, der sich, statt den Gästen zuzuwenden, lieber in die Mitte der Wiese flüchtete. Ausgerechnet diese Schnarchnase Ademar. Ständig wirkte er entrückt, verträumt gar. Und der Gesprächigste war er auch nicht. Als seine Schwägerin Maura ihm erzählte, dass ein Praiosgeweihter aus der Wehrhalle teilnehmen wird, war er höchst erfreut. Winrich konnte schon regelrecht die feurigen Reden hören, die der Priester schwingen würde, um den Adel klar zu machen, wie wichtig Familienbande waren. Nun, die Enttäuschung war groß. Und dann war da noch der Geweihte der Lieblichen. Anfänglich war er gänzlich dagegen. Das Fest sollte keine Einladung zu kurzen Romanzen werden, sondern ordentlich und sittsam. Aber Maura überzeugte ihn, als sie den entfernten Verwandten in den Tempel brachte. Wortgewandt war er, dass musste er ihm lassen. `Bei Travia, hoffentlich bereue ich diese Entscheidung nicht.´ Gemächlich lenkte er seine Schritte zu den Gästen. Vater Winrich war entschlossen und ging direkt auf Linnart zu.

Der junge Bannstrahler stand immer noch etwas abseits des Geschehens und war mit sich und seinen Gedanken beschäftigt. Entspannt lehnte er an einer Vorrichtung und spielte mit dem ihm verbliebenen Ring an seiner linken Hand. Es sollte somit etwas dauern bis er den herannahenden Winrich bemerkte. Der Ritter straffte sich bei dessen Anblick jedoch sogleich und begegnete dem alten Geweihten mit einem freundlichen Lächeln. "Travia zum Gruße, Hochwürden ...", Linnart konnte sich denken, dass er nicht zufällig zu der Ehre kam, "... wie kann ich Euch helfen?" Der alte Mann legte ein wissendes Lächeln auf. “Praios zum Gruße, hoher Herr vom Traurigen Stein!” Väterlich legte er kurz seine rechte Hand auf Linnarts Oberarm. “Doch die Frage war nicht ganz richtig, mein Sohn. Ich bin hier, um euch zu helfen. Ein Diener im Namen des Sonnengottes der Travias Ruf vernommen hat. In diesen unruhigen Zeiten und den strengen Diensten die zu leisten sind, liegt es in der Natur der Dinge, sich nach einer Familie, nach einer eigenen Familie zu sehnen. Und sei es erst einmal nur mit einem Partner an seiner Seite. Nun sag mir, Linnart, was genau wünscht du dir in deiner zukünftigen Braut?” Mit eine Handgeste gab er den Bannstrahler zu verstehen mit ihm ein Stück zu gehen.

Bereitwillig setzte sich der junge Ritter in Bewegung, während seine Lippen ein Lächeln zierte. "Ich bin ehrlich mit Euch, Hochwürden, ganz so wie es mein Herr von mir und allen Rechtgläubigen verlangt. Es war nicht der Ruf der Herrin Travia, der mich hierher geführt hat. Es war der Wunsch meiner Mutter, aber auch ihre Intention war es wohl nicht, dass ich hier ein gutes Eheweib finde ...", Linnart musste schmunzeln, wer wusste schon was Adda dachte, "... aber dennoch hat mich der Zauber dieser Veranstaltung eingefangen und die Herrinnen Travia und Rahja haben mein Herz dazu gerührt, dass ich es mir inzwischen vorstellen kann." Er musste unwillkürlich an Andesine denken, an das was er in ihrer Gegenwart fühlt und auch an das Versprechen, das er ihr gab. "An meine Braut sollte mich nicht nur der Travia wohlgefällige Treue und Loyalität binden, sondern auch der Rahja gefällige Liebe und Leidenschaft."

Vater Winrich nickte verständig. “Sicherlich sollte man die Holde nicht außer Acht lassen. Und hier spricht auch deine Jugend aus dir. Der Ehebund ist allerdings mehr als die rahjagefällige Liebe und Leidenschaft. Ohne das es dir gewahr ist, hat sogar der Göttervater Praios sein dazutun in deinem kommen. Der Adel hat Verpflichtungen, um die praiosgegebene Ordnung zu erhalten. Nun”, er ließ sich einen weiteren Kelch Wein von einem Diener geben und reichte ihn an Linnart weiter, “gehe in dich und prüfe dich. Die Holde hat ein sprunghaftes und schnelles Wesen. Aber solch ein Ehebund ist bis zu den Tagen, an dem Boron dich zu ihm ruft. Ich möchte dich also fragen: was passiert wenn die Zeit kommt, wo die rahjagefällige Liebe und Leidenschaft nur noch eine Erinnerung ist. Je älter wir werden, desto stärker wird die traviagefällige Liebe. Den ihre ist das Fundament der Familie.” Er fing an zu lächeln und suchte Linnards Blick. “Es freut mich, dass sich deine Meinung schon geändert hat, mein Sohn. Schau dir jede Braut an. Wer würde bis ans Ende deiner Tage an deiner Seite stehen und dich aufrichtig Lieben? Es wird nach der offiziellen Vorstellung der Werber eine Götterprüfung geben.” Der Geweihte blieb kurz stehen.”Keine Sorge, es ist eher eine Prüfung an dich selbst und niemand wird darüber urteilen. Doch die Götter mögen uns ein Zeichen gewähren. Nutze die Zeit und überlege gut, welchen der drei Götter auf diesem Fest du am meisten vertraust in diesem Belange.” Auch wenn die letzten Worte sehr ernst klangen, lächelte Vater Winrich ihn an.

Linnart blickte einen Moment lang wortlos am alternden Geweihten vorbei und sann über dessen Worte nach. Eine ´Götterprüfung´? Der Bannstrahler konnte sich darunter nichts vorstellen. Die Götter prüften sie ständig durch die kleinen Dinge des Lebens und er war sich sicher, dass sie seine Schritte stets lenkten. Es war wohl Praios´ und Travias Wille, dass er heute hier war und Rahja hatte ihm Andesine geschickt. Der Ritter war sich sicher, dass es so etwas wie Zufall nicht gab. "Ich denke, dass ich diesbezüglich Vertrauen in alle Götter haben sollte, Hochwürden. Wenn es soweit ist, möchte ein liebender und loyaler Familienvater sein und werde dabei die Gebote der Herrin Travia in höchsten Ehren halten. Doch wäre ich in höchstem Maße unglücklich wenn nicht auch die Herrin Rahja meines und das Herz meiner Gemahlin in tiefer Liebe entfachen würde." Linnart wandte sich dem Hochgeweihten zu, die Züge auf seinem Antlitz wirkten entschlossen. "Ihr müsst wissen, dass meine Familie Rahjas Ruf besonders laut vernimmt, das lässt sich nicht ausblenden. Dennoch ist es mir ein Anliegen einst ein Ehemann und Vater ganz im Sinne der Gebote der gütigen Herrin Travia zu sein. Ich denke, dass die Gaben der beiden Herrinnen nur noch schöner und erfüllender werden, wenn sie in einer Partnerschaft nebeneinander existieren."

Der Ritter wollte nicht, dass seine Ehe bloß ein Politikum und Mittel zum Zweck sein würde. Er wollte nicht, dass der Traviabund seine Daseinsberechtigung einzig aus der Zeugung und dem Aufziehen von Stammhaltern zog, wie es in so vielen Adelsehen der Fall war. Der junge Bannstrahler lächelte Winrich zu. "Ich werde mir die anderen Werberinnen ansehen, Hochwürden. Das gebietet alleine schon die Höflichkeit, doch habe ich mein Herz heute schon verschenkt." ´Ja, der Grünschnabel hat es fast verstanden´ Vater Winrich blieb stehen. “Es ist gut, wenn du schon jemanden ins Auge gefasst hast. Doch sei nicht allzu überstürzt. Wie ich schon sagte, die Holde kommt schnell, aber Travia bleibt für immer. Wäge also gut aus. Ich bin jederzeit mit Rat und Tat für dich da, Linnart.” Er strich ihn nochmals väterlich über den Arm und ließ den Bannstrahler wieder für sich. Linnart lächelte dem Geweihten freundlich zu und neigte ehrerbietend seinen Kopf. "Habt dank, Hochwürden - für Euren Rat und die Zusicherung, dass ich mich an Euch wenden kann. Ich werde mir Eure Worte zu Herzen nehmen."

Beim Küchenzelt

Das große orangefarbene Zelt war sehr belebt und die Küchenmeisterin Victualia kehrte mit einer Schar von Bediensteten zurück. Alfritz, im Schlepptau der Pagin Basilissa, schlenderte am Zelt vorbei, zu dessen Rückseite und schlüpfte dann unter der Plane ins Innere. Hier standen viele Fasser und Körbe und zwei große Kochstellen waren aufgestellt worden. An den Balken hingen verschiedene Würste und ein deftiger und rauchiger Geruch von Gebratenem erfüllte das Zelt. Der etwas größere Junge flüsterte ihr ins Ohr. “Also wir haben Weichkäse mit Beerensoße, Tannwalder mit Mostrich oder Herzogenfurter im Netz. Mutter hat aber auch süßes Gebäck da.”

“Lässt du mich das alles mal probieren?” fragte das Mädchen mit funkelnden Augen. Alfritz dachte kurz nach. “Aber dann bist du später ganz satt und kannst gar nichts mehr von der Sau probieren” Dann nahm er Basilissa an der Hand und zog sie in die Ecke mit den vielen Fässern.”Warte kurz hier, ich hole was feines.” Dann verschwand er zum anderen Ende des Küchenzeltes. In der Zwischenzeit konnte die Pagin beobachten wie ein kräftiger Kerl mit einer großen Nase einen Holzhammer in einigen Abstand zu ihr einen Holzkeil an einem Fass hielt. Dann rief er laut:”VOOORRRSICHT, ANSTICH!”, und lief den Hammer auf den Keil nieder. Das Mädchen erschreckte sich durch den lauten Schrei und zuckte ein Stück zurück, wodurch die Fässer zu schwanken begannen. Der Hammer sauste nieder, glitt aber ein wenig vom Keil ab. Ein großer Strahl Bier verließ das Fass und erwischte die Pagin. Nein nicht nur die Pagin, sondern auch den jungen Alfritz, der mit einem Holzschälchen Beerensoße zurückkam. Der Bierregen hielt nur kurz an, denn der Stecher hatte jetzt alles wieder im Griff. Die beiden durchnässten Kinder sah er dabei nicht. Lissa sah an sich hinab. Jetzt stank sie nach Bier. Oh nein. Sie sah Alfritz mit zitternder Unterlippe an, musste dann aber doch auflachen, so witzig sah der Junge aus.

Auch Alfritz schaute sie erst mit Schreck erweiterten Augen an, lachte dann aber mit ihr mit. Das Bier ran den beiden den nassen Strähnen herunter und ließ sie wie begossene Hunde aussehen. Eine strenge Stimme unterbrach ihr Lachen. “WAS IST DENN HIER LOS?” Victualia, die Küchenmeisterin und Alfritz Mutter, stand vor ihnen, beide Hände in den stämmigen Hüften und den Blick einer Praiotin im Gesicht. “Ähm.” Lissa sah Alfritz zerknirscht an. “Euer… Sohn hat...hat….” sie wollte nicht, dass Alfritz Ärger bekam. Immerhin war es ja ihre Idee gewesen. Irgendwie. “Ich hatte die Idee, dass es… Naja...ich hielt es für eine gute Idee, hierherzukommen, um zu luren, ob … nein, was es geben würde. Später. Diese...Pflaumen waren so lecker, da bin ich neugierig geworden.” sie sah die Küchenchefin zerknirscht an.

Am Ende des Zeltes, das voller Küchenjungen und eifrigen Mägden war, schlug der junge Mersinger die Plane zur Seite. Dampf und verwirrende Gerüche schlug Ihnen entgegen. De erste Diener drückte sich noch an ihm vorbei, ohne zu bemerken, wen er vor sich hatte. Dabei rempelte er den Ritter an und hätte ihm beinahe eine Ladung Schweineschmalz über die edlen Tuche gegossen. Um ein Haar war der Knecht einigen schmachvollen Tagen am Pranger entgangen. Lares schob den Mann brüsk beiseite, der von der erheblichen Körperkraft des schmächtigen Mersingers baff erstaunt war. Dann realisierte er, dass zwei Adlige das Zelt betraten und verbeugte sich. Das allerdings ging auch an den anderen Bediensteten nicht spurlos vorbei, die nun der Reihe nach den Kochlöffel und die Teller beiseite legten und ihre Arbeit des Zeremoniells wegen unterbrachen. Andesine dagegen wandte sich an die Anwesenden. "Travia zum Gruß! Wir suchen nur eine junge Dame von etwa 8 Götterläufen. Habt ihr sie zufäl…" Aus dem hinteren Teil des Zelts war eine laute Stimme zu vernehmen." Ah, das könnte sie sein. Habt Dank." Lares blickte sich um. Er beachtete all die Menschen nicht weiter. Er suchte allein seine Pagin. Er fand sie am anderen Ende des Zelts. Neben vielen Fässern und bei einer ziemlich wütend aussehenden Frau.

Mit einiger Mühe verkniff es sich Andesine laut aufzulachen. Da saßen die beiden Kinder pudelnass und über ihnen diese wütende Matrone. Sie beugte sich zu Lares hinüber. "Ich nehme an das ist Eure Pagin?", meinte sie leise, einen Hauch Amusements in der Stimme. Mit vor Scham gerötetem Gesicht nickte Lares. “Ja. Ganz offensichtlich.” Der Mersinger durchschritt die Reihen der gaffenden Bediensteten. Doch wollte er abwarten, welche Rechtfertigung seine Pagin vorbrachte. Wenn er ihr eines abgewöhnen würde, dann das Lügen. Das hatte er sich geschworen. Also musste er wissen, wie sie sich der wütenden Frau gegenüber verhielt. Er näherte sich also auf Hörweite und wartete, wie sich Lissa verhalten würde. Sollte es allerdings darum gehen, wie die Kleinen sanktioniert würden, würde er einschreiten - das würde er selbst übernehmen. “Jetzt schaut euch einmal an. Alfritz, warum bist du nicht gleich zu mir gekommen?”, fragte die Küchenmeisterin den Jungen. Dann griff sie nach einem Lappen und reichte ihn der Pagin. “So, du stellst jetzt erstmal die Beerensoße zur …”,weiter kam sie nicht, denn eine Magd machte auf den hohen Besuch aufmerksam. Victualia drehte sich um und stellte ihren runden Leib schützend vor den Kindern. Ihr strenger Gesichtsausdruck wandelt sich zu einem Lächeln. “Oh, Besuch. Was kann ich für euch tun … euer Wohlgeboren?” fragte sie die beiden Adligen.

“Tretet bitte beiseite”, kommandierte Lares und meinte damit sowohl Victualia als auch die umstehenden Mägde und Burschen. Der sonst gebeugte Rücken des kleinen Mannes hatte sich gestrafft. Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt und wirkte dadurch noch größer als eh. Man hatte das Gefühl, er sei um einige Finger gewachsen. Der Mersinger sprach leise, aber für alle deutlich vernehmbar. Er schaute Basilissa direkt ins Gesicht. “Erklär mir das. Aber bei PRAios, die Wahrheit.” Lissa trat nach vorne und blickte auf den Boden. “Ich...ich wollte mir so gerne das Essen anschauen. Und… etwas probieren. Die Pflaumen waren so lecker.” sagte sie leise. “Und außerdem … sage ich die Wahrheit.” Wieso er immer nur unterstellte, dass man ihn anlog? Das verstand sie nicht. “Es war meine Idee, er kann gar nichts dafür.” murmelte sie weiter und deutete auf Alfritz.

“Dann schau mich an, wenn dem so ist. Dann gibt es keinen Grund sich zu schämen, sondern nur einen Grund, aus dem Schlamassel zu lernen”, sagte Lares ruhig. Er wollte, dass seine Pagin verinnerlichte, dass das Eingestehen von Fehlern selbst kein Fehler, sondern die klügstmögliche Entscheidung war. “Und sag Frau Victualia doch auch, dass ihre Pflaumen so lecker sind. Sie hätte sich sicher besonders darüber gefreut, wenn du sie für ihre Speisen gelobt und um ihr feines Essen gebeten hättest.” Wenn der Mersinger jemals zornig auf seine Pagin gewesen war, dann war der Zorn jedenfalls in Sekundenschnelle verraucht. Ein Blick vom Kopf der vor Bier triefenden Baronesse bis zu ihren klebrigen Schühchen entfachte vielmehr die Flamme der heiß glühenden Sorge in dem Ritter. Wie bei allen Niederhöllen sollte er sie jetzt in ein frisches Kleid verpackt bekommen? Sie hatten zwar, durch entsprechende Erfahrungen bestens vorbereitet, ein weiteres Kleidungsstück dabei, doch war es weder geplant, das schon so früh am Tage auszupacken, noch vor dem eigentlichen Beginn der Feier. Jetzt konnte man sich ja kaum ernsthaft davonstehlen! Das kleine Mädchen sah ihn aus ihren tiefdunklen Augen an. “Ich wollte euch keinen Ärger machen. Bestimmt nicht.” Dann sah sie die Küchenchefin an: “Ähm… eure Pflaumen waren sehr lecker. Und da…. Ähm. Tut mir leid.” Sie sah von Alfritz zu seiner Mutter: “Und er kann gar nichts dafür… es war meine Idee….” Sie sah entschuldigend zu Alfritz, der nun bestimmt später Dresche bekommen würde. Immerzu verursachte sie nur Ärger. Sie seufzte, ließ den Kopf hängen und wurde sehr still.

Alfritz atmete kurz durch. “Es war nicht eure Schuld, Wohlgeboren. Ich hätte euch die Pflaumen bringen sollen.” Vorsichtig schaute er seine Mutter an. Victualia seufzte. “Nun, hier ist ja nichts passiert, bis auf den Bierregen, der euch getroffen hat.” Als sie den besorgten Blick des Junkers sah, sprach sie weiter:”Hast du noch was zum umziehen? Ansonsten könnte ich euch das Festkleid meiner Isfrit geben.” Ihr Blick wanderte zwischen Lares und Basilissa.

Entsetzt sah die Kleine die Küchenchefin an: “A...Aber, dann hat sie ja keines mehr!” Sie wollte nicht, dass wegen ihr ein anderer nackt herum laufen musste. “Ich…” Sie sah zu ihrem Schwertvater hinüber: “Habe noch einen… Ersatz dabei.” Dann sah sie wieder nach unten zu ihren Schuhen.

Lares tat es schon unglaublich leid, überhaupt schimpfen zu müssen. Die Kleine hatte sein Herz im Sturm erobert - schon damals im Zwölfgöttergarten, als sie in höchster Selbstaufopferung versuchte, ihren Vater und ihre Schwestern zu retten. Ein wenig Strenge musste sein, aber jetzt war genug. Lares ging in die Knie und legte dem Mädchen einen Finger unter das kleine Kinn. Behutsam richtete er ihren Blick auf, lächelte schief und seufzte. “So, genug. Ich glaube, du hast deine Lektion gelernt. Jetzt schauen wir, dass wir aus Frau Victualias Küche kommen, nicht, dass das Essen noch verdirbt, wenn hier alle besseres zu tun haben, als sich um ihre Arbeit zu kümmern.” Er schmunzelte. “Und du brauchst jetzt dein Wechselkleid. Gut, dass wir das feinere für den Abend aufgehoben haben.”, meinte er beiläufig und verdrehte leicht die Augen, zu Andesine gewandt. “Los komm.”

Victualia lachte laut auf. “Keine Sorge, Frau Pagin. Meine Tochter hat mehr als nur ein Kleid. Aber das schönste hätte sie dir schon geben müssen.” Dann gab sie Alfritz eine Klaps auf den Hinterkopf. “Und du mein lieber, ab zur Arbeit. Die hohen Herrschaften sind durstig.” Der Junge rieb sich den Hinterkopf und griff nach einer Karaffe. Er zwinkerte Basilissa zu. “Und die hier sind für dich” Die Küchenmeisterin steckte der Pagin zwei Pflaumen zu. Aufmerksam hatte Andesine den Umgang des Mersingers mit der Situation beobachtet. Zu Beginn hatte sie noch gedacht, er handle so aus Angst vor dem Vater der kleinen Pagin, aber inzwischen war sie zu dem Schluß gekommen, dass er sich wirklich um das Wohlergehen Basilissas sorgte. Auch die Art wie er mit ihr umgesprungen war, als sie Lissa schließlich fanden, sprach Bände. Dieser Mann würde einen hervorragenden Vater abgeben und wenn es Linnart nicht gäbe, hätte sie sicherlich versucht sich den jungen Lares zu angeln. Trotzdem, den letzten Satz von ihm, konnte sie ihm nicht einfach so durchgehen lassen. Die Arme hinter dem Rücken verschränkt beugte sie sich vor um mit Lares auf Augenhöhe zu sprechen. Der Schalk blitzte in Ihren Augen auf als sie ihn direkt ansah. “Los komm? Sind wir denn jetzt per du, Lares?” “Oh nein, ähm”, das war eindeutig ein Missverständnis, “Ich meinte damit meine Pagin. Aber wenn Ihr, Frau von Wasserthal, das du vorzieht, dann würde ich mich von Euch gerne Lares nennen lassen.” Er lächelte schief. Sie hielt den Augenkontakt noch ein paar Herzschläge aufrecht, wärhrend sie etwas in seinem Blick suchte. Dann begann sie zu strahlen. “Also dann Lares, dann nennst du mich aber auch Andesine.” Die Ritterin wandte sich der Pagin zu. “Und du musst Basilissa sein. Ich bin erfreut deine Bekanntschaft zu machen.”

Das Mädchen nickte noch immer etwas geknickt. “Danke, ähm, Wohlgeboren.” murmelte sie “Gleichfalls erfreut.” Sie sah beschämt zu Boden. Eine Ritterin. Eine echte Ritterin. Und was sollte die nun von ihr denken? Mit hängendem Kopf folgte sie den Erwachsenen aus dem Zelt. “Hohe Dame reicht völlig, meine junge Dame.” erwiderte Andesine gutmütig als sie durch den Zeltausgang trat und wandte den Kopf der Pagin zu. Als die Ritterin sah, wie diese den Kopf hängen ließ, blieb sie stehen. “Was ist denn los? Warum lässt du den Kopf so hängen?” fragte sie sanft. Immerzu machte sie Dinge falsch. “Ich glaube, ich mache jedem nur Ärger.” sagte sie leise. “Dabei… mache ich das ja nicht absichtlich. Es passiert einfach.” Wenn nun ihr Schwertvater sie zurück schicken würde? Ihr Vater war ja nun schon hier. “Irgendwie.” Die Ritterin ging in die Knie und strich Basilissa ein paar verklebte Haare aus dem Gesicht. “Das kommt dir jetzt nur so vor. Du bist noch so jung und hast noch viel zu lernen.” Sie zwinkerte der kleinen Pagin aufmunternd zu. “Zum Beispiel, dass du hinter demjenigen stehen solltest, der das Bierfass ansticht. Dann bekommt er das Bier ab und nicht du. Sieh’ das hier als wertvolle Lektion. Außerdem hast du den Jungen - wie war noch sein Name? - verteidigt und bist für ihn eingestanden, anstatt ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben. Das hast du gut gemacht.” Die tiefblauen Augen der Ritterin bedachten Basilissa mit einem warmen, sanften Blick. Dann sah Andesine hilfesuchend zu Lares auf.

Lares lächelte. Innerlich scholt er sich, so hart und grausam gewesen zu sein, aber äußerlich, da lächelte er. Und er schüttelte den Kopf. “Andesine hat vollkommen Recht. Du warst tapfer und mutig. Und ehrlich! Du hättest mich anschwindeln können - du hattest allen Grund dazu. Du hättest den jungen Mann dort, Alfritz, nicht wahr?” Lares wandte sich einen Moment nach dem Küchenjungen um, doch seine Aufmerksamkeit galt nur Basilissa. “Ans Messer liefern und dich entlasten können. Zumal er nicht von Stand ist, also schwach und für manche unbedeutend. Wärst du herzlos und falsch, dann hätte es dir nichts bedeutet, Alfritz meinem Zorn auszuliefern. Aber das warst du nicht. Du hast das gemacht, was jede aufrichtige Ritterin tun würde: Du hast dich vor den Schwachen gestellt und Verantwortung übernommen. Das würdest du nicht anders machen, oder Andesine?” Diese nickte bestätigend. Er ließ seine Worte kurz wirken, dann ging er in die Knie und hockte sich neben Andesine und seine Pagin. Behutsam strich er ihr über den Kopf. “Jeder macht Fehler. Ich auch, zur Genüge. Und glaub mir, ich ärgere mich dann auch über mich selbst. Wir sind nur Menschen. Nur die Götter sind unfehlbar. Wir müssen einfach jeden Tag ein bisschen schlauer, stärker, mutiger und sicherer werden, bis wir irgendwann unserer Aufgabe in der Zwölfe großem Plan gerecht werden. Und bis dahin heißt es: Kopf hoch!” Ein warmer, väterlicher Blick ruhte dabei auf der betröppelten Pagin.

Die Kleine nickte nur und zog ein wenig die hängenden Mundwinkel nach oben. “Dann… sind Fehler also.. In Ordnung?” fragte sie zögerlich und mit erwartender Haltung. Schon frech, die Kleine, dachte sich der Ritter. “Es ist in Ordnung, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Je mehr du aus einem Fehler lernst, desto eher kannst du ihn wiedergutmachen. Aber wir beide bemühen uns, einfach weniger Fehler zu machen, oder?”, fragte er aufmunternd. Sie nickte mit hängendem Kopf, kam aber ein Stückchen näher an ihn heran und flüsterte, so leise, dass nur er und Andesine es hören konnten: “Was… ist mit Fehlern…. Die man nicht mehr gutmachen kann?” Sie schluckte. Biss sich auf die Lippen. Sie wollte nicht schwach sein. Oder weinen. Er sollte keinen Grund haben sie zurück zu schicken. Sie würde Ritterin werden! Und die mussten stark sein. Also sagte sie, wieder etwas lauter: “Wie der Tsageweihte mit der Armbrust. Wenn er nun … getroffen hätte. Dann hätte er es nicht wieder gut machen können, oder? Was… dann?”

“Diese Fehler lernen wir von Kleinauf, nicht zu begehen. Was der Mann tun wollte, das ist kein Fehler, das ist ein Verbrechen. Der lässt sich nicht einfach wieder wettmachen, das hast du richtig verstanden. Dann muss ein Gericht eine Strafe finden und die Schuld mit Strafe aufwiegen. Nicht der Täter macht also das Verbrechen wieder gut, sondern das Gericht. Eine unserer wichtigsten Aufgaben als Adelige ist es, zu Gericht zu sitzen und gerecht, aber mit der gebührenden Härte, solche Verbrechen zu bestrafen. Wenn du so willst, ist es also Teil unserer Verantwortung, die schweren Fehler anderer wiedergutzumachen.” Worauf wollte die Kleine hinaus? Was machte sie so traurig? “Andesine, musstest du schon mal zu Gericht sitzen?”, fragte der Mersinger etwas verzweifelt. Höchstwahrscheinlich ja nicht, war Andesine nur Vögtin. “Nein, ich saß nie einer Gerichtsverhandlung vor.” Die Ritterin schüttelte den Kopf. Als sie wieder aufsah, heftete sich ihr fragender Blick an Lares. Was war mit Basilissa los? Nach einem kurzen Augenblick wandte sie sich der Pagin zu. Am liebsten hätte sie die Kleine einfach in den Arm genommen. “Was ist denn los? Gibt es etwas das du deinem Schwertvater berichten möchtest? Dann ziehe ich mich zurück. Oder ist es etwas das du lieber mit einer Frau besprechen willst? Dann höre ich dir gerne zu.” Sie warf Lares einen fragenden Blick zu, bat um seine Zustimmung, der lächelte und nickte. Sie sah von Andesine zu Lares und wurde ein wenig rot. Dann sah sie zu Boden und zuckte mit den Achseln. Lares wiederum sah Andesine an. So verschämt und verschlossen hatte er seine Pagin noch nicht erlebt. Das musste ein echt dickes Problem sein. Lares neigte den Kopf und meinte: “Ich glaube, ihr zwei sprecht jetzt ne kurze Runde miteinander. So von Frau zu Frau. Wenn ihr mich braucht, ich warte vor dem Zelt, ja?” Dann machte er sich auf zu gehen, sah aber über die Schulter, ob sich gleich großer Protest in einer kleinen Ritterin regte. Die große Ritterin nickte Lares zu, bevor sie sich wieder Lissa zuwandte. Doch die Kleine sah zunächst nur auf den Boden, blickte nur ein wenig hoch um ihm nachzusehen. Und sah weiter nach unten, auch nachdem Lares außer Hörweite war. Aufmunternd fuhr Andesine der Pagin durch die Haare. “Du kannst mir alles erzählen, egal was es ist. Ich werde auch nicht schimpfen, das verspreche ich.” Ihre Worte unterstrich sie mit einem ermutigenden Lächeln.

“Was… was, wenn ich Fehler mache, die ich … nicht wiedergut machen kann. Aber…. Aber jemand anderes dafür bestraft worden ist?” Sie schluckte. “Der Herr von Mersingen wird mich dann sicher nicht mehr haben wollen. Und…. mich zurück schicken. Und… das will ich doch nicht. Aber… ich kann aber… nichts tun um den Fehler wieder gut zu machen.” stammelte die Kleine ein wenig. “Warum erzählst du mir nicht um was es konkret geht? Ich glaube der Herr von Mersingen wäre wütender auf dich, wenn du es ihm verschweigen würdest, anstatt es dir von der Seele zu reden und ihm zu beichten. Sicherlich, er wird trotzdem wütend sein und gewiss wirst du auch eine Strafe erhalten, aber dich wegschicken? Nein, das glaube ich nicht.” Andesine musterte Lissa intensiv. “Ist es das wovor du soviel Angst hast, dass er dich zurück schickt?” Die Kleine nickte scheu. “Du magst ihn sehr, nicht wahr?” Das war eher eine Feststellung als eine Frage. Leider kannte Andesine die Hintergründe nicht, welche Basilissa und Lares zusammengeführt hatten. “Erzähl mir was du dich nicht traust deinem Schwertvater anzuvertrauen. Dann überlegen wir uns, was wir machen. Du hast mein Wort, dass ich nichts davon ohne deine Erlaubnis weitererzählen werde. Die kleine Pagin mit dem strohblonden Haar sah sich kurz um. Niemand hörte ihnen zu. Alle waren anderen Beschäftigungen nachgegangen. “Ich… träume manchmal schlecht. Seitdem ich… beim hohen Herrn von Mersingen bin.” Sie schluckte. “Er...glaubt… ich habe _Heimweh… aber...so ist es gar nicht.” Sie sah immer noch auf den Boden: “Ich träume… von Regibald. Er sagt mir… dass ich es ….gar nicht verdiene…. Ritterin zu werden…. Weil….weil….” Basilissas Worte wurden immer leiser während sie sprach bis selbst Andesine sie nicht mehr verstehen konnte. Irgendwann war Lissa verstummt und blickte nur noch zu Boden. “Was wirft dir dieser Regibald vor? Und wer ist das überhaupt?” hakte Andesine mit sanfter Stimme nach. “Er...war...war...mein Bruder. Mein Zwillingsbruder. Und ...ich...ich...habe ihn...umgebracht.” Tränen traten in die Augen der Eisensteinerin, die sie versuchte wegzublinzeln. Ungläubig starrte Andesine das kleine Häuflein Elend vor sich an. “Was ist passiert?” Fragte sie mit ruhiger Stimme und wischte mit einer sanften Bewegung ihrer Finger die Tränen aus den Augenwinkeln Lissas.

“Er...wollte gar nicht mit. Er ist nur mit, weil..ich….ihn..überredet hatte.” stotterte die mittlerweile leise weinende Baroness. Sie hatte das noch nie jemanden erzählt ausser… Tsalinde. Sie schniefte, als sie an ihr früheres Kindermädchen denken musste. “Und das…. War falsch… und ich kann es nie mehr, nie mehr, nie mehr wieder gut machen. Und deshalb besucht er mich nun in meinen Träumen, um mir zu sagen, dass ich es gar nicht verdiene Ritterin zu werden…. Der hohe Herr von Mersingen … er hat schon… ein paar Mal gefragt, warum….warum… ich nachts ….. Aber wenn ich die Wahrheit sagen würde, … dann…. Ich kann den Fehler doch nie … mals wieder gut machen.” stammelte das Mädchen. “Und dann müsste ich vor Gericht. Und dann würde ich vorher im Kerker sitzen…. Und… und …dort sterben. So wie Tsalinde.” “Ich weiss es schmerzt, das zu erzählen, aber was ist deinem Bruder widerfahren? War es ein Unfall?” Es tat ihr leid das Kind so zu quälen, aber es war nur zu ihrem Besten. Langsam formte sich ein Bild und es schmerzte die Ritterin, dass diese Last auf so jungen Schultern lag. “Ich….Wir…” begann Lissa leise, “hatten zu unserem Tsatag zwei Po Ponies bekommen. Und wir haben schnell reiten gelernt…. Also...also dachte ich… wir könnten .. auch .. auch mal alleine in die Wälder reiten. Und… wir… ich… Regibald sagte, das sei eine dumme Idee, aber er…. Ich habe gesagt, er soll nicht so feige sein. Und dann sind wir weggeschlichen. Tsalinde hat schon geschlafen und…. Und wir sind in den Stall. Alles hat gut geklappt. Aber dann….dann war es im Wald so dunkel… viel viel dunkler als wir gedacht hatten und … dann ist Regibalds Pferd durchgegangen und…. Er … er ist hinunter gefallen…. Er hat sich… gar nicht mehr bewegt… und ich… konnte ihn nicht tragen… und dann bin ich schnell nach Hause geritten, um Hilfe zu holen. Aber…. Es war nacht und dunkel und es hat soo lange gedauert, bis wir ihn gefunden haben. Und dann… sie haben gesagt… dass es zu spät war… Und… er wollte doch gar nicht mit… Er ist nur mit, weil er mir eine Freude machen wollte.” nun sprudelte es förmlich aus dem kleinen Mündchen heraus. “Vater...Vater…war so wütend. Sooo wütend. Ich habe noch nie sonst jemanden gesehen, der soooo wütend war. Und dann… dann hat er Tsalinde die Schuld gegeben, obwohl es doch meine Schuld gewesen ist. Aber er war so wütend, dass ich Angst vor ihm hatte. Und ich hab mich nicht getraut, es ihm zu sagen. Und alle waren so traurig und ich auch. Und Tsalinde auch. Sie hat gesagt, es sei nicht meine Schuld gewesen. Und…. ich hab ihr das geglaubt, aber vielleicht… vielleicht stimmt das ja gar nicht. Denn… es war doch meine Schuld. Tsalinde… Tsalinde ist dann im Kerker…. Ich meine, es gab also keine Gerichtsverhandlung. Und der hohe Herr von Mersingen sagt doch, dass eine Gerichtsverhandlung den bestraft, der Schuld hat, die er nicht wieder gut machen kann. Und es gab keine Gerichtsverhandlung.” Tränen liefen aus den Augen des Kindes. All die Furcht und Trauer, die sie in sich verborgen hatte, die nur manchmal an die Oberfläche kam, brach sich Bahn. “Und, wenn… wenn… es alle wüssten, dann … der hohe Herr würde mich zurück schicken und dann müsste ich wieder nach Hause.” Sie schniefte noch immer ein wenig, fühlte sich aber überraschenderweise erleichtert.

Zu Beginn hatte Andesine der Beichte Basilissas ruhig gelauscht, aber als die Kleine wirklich in Tränen ausbrach, konnte sie nicht anders und nahm Lissa tröstend in den Arm. Als die Baroness geendet hatte sah Andesine ihr in die Augen und lächelte aufmunternd. “Das hast du gerade sehr gut gemacht. Was deinem Bruder widerfahren ist, ist wahrlich eine Tragödie, aber es war ein Unfall. Das war nicht deine Schuld.” Einen Moment verstummte die Ritterin und ließ die Worte sacken, bevor sie weitersprach. “Was Tsalinde widerfahren ist, ist nicht Recht. Sie hätte eine Verhandlung haben müssen. Aber auch das ist nicht deine Schuld.” Tröstend fuhr sie Lissa durchs Haar. “Du solltest es deinem Schwertvater erzählen. Er ist ein guter Mensch und wird dich sicher nicht zurückschicken. Außerdem solltest du ihm von deinen Alpträumen erzählen. Ich glaube, du trägst hier”, die Ritterin tippte auf die Brust Lissas, “eine tiefe Wunde, die geheilt werden muss. Wenn du willst, stelle ich euch meinem Bruder vor. Der kennt sich mit solchen Verletzungen aus.” Die Kleine nickte ernst. “Ja. Da tut es manchmal weh. Meint ihr… ich sollte es ihm direkt erzählen?”

Darüber musste Andesine erst nachdenken. Wahrscheinlich würde die Geschichte Lares gehörig von der Brautschau ablenken, auf der anderen Seite machte er sich Sorgen um Lissa und ihre Geschichte würde zumindest einiges erklären. “Ich würde es ihm erzählen, wenn ihr unter euch seid. Nicht hier auf der Festwiese, aber ihr wolltet doch eh dein Kleid wechseln.” Andesine sah an sich herunter und lachte. “Was ich jetzt ebenfalls machen werde. Vielleicht etwas Gewagteres. Oder willst du, dass ich dabei bin wenn du es ihm erzählst?” Sie schaute betreten auf den Boden. “Nein…” sagte sie langsam, aber es klang so, als sei sich das Kind nicht sicher, was ihr lieber wäre. “Habt Dank.” sagte sie nach kurzem Zögern. “Kopf hoch. Du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn etwas ist.” Andesine besah sich Basilissa und meinte dann. “Jetzt machen wir dich wieder präsentabel und dann gehen wir zu dem Herrn von Mersingen.” Damit begann sie das Gesicht Lissas von Tränen und Rotz zu befreien. Das Kind nickte und liess zu, dass Andesine ihr Gesicht provisorisch säuberte, bevor beide nach draussen traten.

Während beiden das Küchenzelt verließen und zu Lares aufschlossen, kam der Gartenmeister Rahjagoras, Vater der Küchenmeisterin, auf sie zu. “Verzeiht die kurze Störung, euer Wohlgeboren. Da das Werben demnächst beginnt, bin ich dabei den anderen Gästen, die nicht am Werben teilnehmen, zu einer kleinen Reise durch den Park zu laden, um die Wunder der Holden zu schauen. Wenn es genehm ist, würde ich eure Pagin dazu laden. Was sagt ihr?” Lächelnd schaute der alte Mann den Junker an. Der Mersinger war ersichtlich in Eile. Der kleinen Pagin sah man ebenfalls an, dass sie eigentlich mental schon ganz wo anders war. “Rahjagoras, richtig? Seht Ihr nicht, dass wir es gerade ziemlich eilig haben?”, japste der Ritter, schon fast am Gartenmeistert vorbeigeeilt. Dann aber sackten die Worte des Mannes in seinen Verstand. “Ähm. Also, wir müssen die junge Dame hier wieder schick machen. Dann jedenfalls habe ich keine Einwände, wenn Ihr gut auf sie Acht gebt. Ihr Wohlergehen liegt ihrem Vater und mir am Herzen.”, meinte der Schwarzhaarige eindringlich. “Basilissa, möchtest du einen Rundgang durch den Garten wagen oder lieber die Werber anschauen? Für deine Schwester selbstverständlich.”

Die Kleine nickte nur. Ja, sie wollte lieber die Werber anschauen. Denn Luzi brauchte doch ihre Hilfe. Und im Garten würde sie womöglich nur ihrem Vater begegnen. "Ich möchte lieber bei euch bleiben, wenn ihr das gestattet." “Na sicherlich. Aber zuerst umziehen, nicht wahr?” Sie eilten in die Herberge zurück und kleideten das Kind um, so schnell es möglich war. Bevor sie allerdings wieder zurück hetzen konnten, stand Lissa mit einem Mal vor ihm und biss sich nervös auf die Lippen. “Die Ritterin hat mir gesagt, ich möge mit euch sprechen. Ich…” und da platzte es aus der Kleinen heraus. “Ich.. hab geschwindelt als Ihr mich gefragt habt, warum ich .. manchmal so schlecht schlafe.” Das war eine kleine Untertreibung. Seitdem sie bei ihm war, hatte Lares sie oft nachts weinen hören, oder war selber aus dem Schlaf aufgeschreckt, weil sie einen Albtraum hatte. “Ich habe kein Heimweh… Ich träume von… von meinem Bruder.” Lares erinnerte sich an die Verwirrungen, in denen er damals das Mädchen kennenlernte. Sie hatte eigenmächtig einen Mann verfolgt, der ihren Vater niedergeschossen hatte. Nach langer Suche hatten sie ihn damals gefunden und er hatte die Tat gestanden. Rachsucht war es gewesen, die ihn angetrieben hatte. Weil man Jahre zuvor die Tochter des Mannes für den Unfall von Lissas Bruder verantwortlich gemacht hatte. Die junge Frau war noch vor dem Gerichtsverfahren ums Leben gekommen, so dass sie ihre vermeintliche Unschuld nicht mehr hatte beweisen können. Lissa schluckte. So weit war es die Wahrheit. Aber sie wollte ihm das Fest nicht verderben. “Bitte, bitte, schickt mich nicht weg, weil ich geschwindelt habe. Ich verspreche euch auch, nicht mehr zu schwindeln.” ihre Stimme überschlug sich ein wenig. “Und ich sage euch nach dem Fest die ganze Wahrheit. Alles. Ich erzähle euch alles. Und dann… könnt ihr entscheiden, ob ich bei euch bleiben darf, auch wenn ich geschwindelt hab, wegen der Albträume.”

Der Ritter seufzte kurz. Er konnte Lügen nicht ausstehen, aber das als Lüge zu bezeichnen war schon ein großes Wort. Heimweh oder der vermisste verstorbene Bruder, beides war verständlich und ehrlich gesagt: Dass sie von dem Verlust träumte, war nur erwartbar. Viel mehr Sorgen bereitete ihm allerdings, dass sie wohl ein größeres Geheimnis verbarg. Eines, das so schwierig und bedeutungsschwanger war, dass sie zu viel Angst hatte, um es jetzt zu erzählen. Jetzt hieß es erst einmal: Schaden begrenzen. “Dich wegschicken? Damit du woanders lernst, noch mehr zu schwindeln? Nein, sicher nicht. Du bist zu mir gekommen, weil du eine Ritterin werden willst. Da muss man sich seinen Ängsten stellen. Zuerst den inneren, dann den Äußeren. Andesine ist eine gute Ritterin - ihr Rat war richtig. Und ich bin stolz auch dich, dass du dem Rat gefolgt bist. Du kannst mir alles erzählen. Ich bin mir sicher, wir finden einen Weg, deine Albträume zu vertreiben.” Dann sah er an ihr runter. Die bibbernde Unterlippe sah herzzerreißend aus. “Und jetzt verhältst du dich wieder wie eine Ritterin, beißt die Zähne zusammen und machst deinen Vater, deine Schwester und mich stolz, oder?” Sie nickte, zwinkerte die Träne weg, die sich aus ihrem Auge stehlen wollte, und rückte ihren Rücken gerade. “Wir müssen uns beeilen. Wegen mir seid Ihr schon viel zu spät dran.” Er lächelte ein breites, herzliches Lächeln. “Da bin ich schon auch selbst dran schuld, dass ich dich aus den Augen gelassen habe. Komm, deine Schwester wartet.”