Auftritt der Gänseschar - die Altenberger kommen!: Unterschied zwischen den Versionen

Zeile 292: Zeile 292:
  
 
“Was, nein, wo denkt Ihr hin!”, zischte er. Das hatte der Mersinger wirklich nicht befürchtet. Aber die Standpauke half. Lares schnaubte einmal tief durch, dann meinte er nur knapp: “Ihr habt Recht. Das letzte, was wir jetzt brauchen, ist eine Szene.” Er strich sein Wams zurecht, das, wie er plötzlich bemerkte, fast denselben Farbton aufwies wie das lange Kleid der Ritterin. Neben der großgewachsenen Schönheit fühlte er sich plötzlich winzig. Und wirklich fehl am Platz. Einen irritierenden Moment lang starrte er aus fast schwarzen Augen zu ihr hinauf. Dann nickte er entschlossen und ging gemessenen, dennoch zügigen Schrittes Richtung Küchenzelt.
 
“Was, nein, wo denkt Ihr hin!”, zischte er. Das hatte der Mersinger wirklich nicht befürchtet. Aber die Standpauke half. Lares schnaubte einmal tief durch, dann meinte er nur knapp: “Ihr habt Recht. Das letzte, was wir jetzt brauchen, ist eine Szene.” Er strich sein Wams zurecht, das, wie er plötzlich bemerkte, fast denselben Farbton aufwies wie das lange Kleid der Ritterin. Neben der großgewachsenen Schönheit fühlte er sich plötzlich winzig. Und wirklich fehl am Platz. Einen irritierenden Moment lang starrte er aus fast schwarzen Augen zu ihr hinauf. Dann nickte er entschlossen und ging gemessenen, dennoch zügigen Schrittes Richtung Küchenzelt.
 +
 +
= Unter dem Sonnenschutz (mitte)=
 +
 +
Ein lautes Klopfen auf der Tischplatte ließ die Gäste kurz aufschrecken, aber das laute, kernige Lachen das folgte, nahm den Schrecken. Rahjagoras vom Lilienhain, der in seinen Sechzigern war, hatte eine breite Brust mit kräftigen Armen und großen Händen. Sein weißes Haar trug er im Wehrheimer Bürstenhaarschnitt und hatte sein Kinn glatt geschabt. Die feinen Linien auf Stirn, um den Augen, der Nase und Mund ließen ihn im Zusammenspiel mit seinen wachen, grünen Augen jünger erscheinen. Das er Zeit seines Lebens mehr draußen als drinnen verbrachte hatte, war deutlich an seiner sonnengebräunten Haut zu erkennen. Gekleidet war der Gärtner mit einer ärmelfreien, weinroten Tunika, die mit Ornamenten aus Lilien und Rosen geziert war. “Rahja mit euch, werte Gäste! Während wir uns auf die Brautschau einstimmen, hat meine Tochter Victualia etwas besonderes aus der Küche für euch schicken lassen.” Der Alte winkte eine dralle Maid heran. “Das hier ist meine Enkeltochter Fecundaque. Sie wird euch allen für die Brautschau zur Verfügung stehen. Und deshalb fangen wir doch gleich an!” Die etwa Fünfzehnjährige hatte recht weibliche Rundungen und schulterlanges ,rotbraunes Haar, das sie offen trug. Eine rote Rose hatte sie sich ins Haar gesteckt und trug dazu ein rotes Leinenkleid mit einer grünen Schürze. Anscheinend war sie es nicht gewohnt vor so vielen Leuten zu sprechen. Mit leichter Röte im Gesicht hielt sie ein Tablett mit Schälchen vor sich. “Ja … also … ich habe hier Tannwalder im gelben Rock. Das ist eine Wurst mit Mostrich.” Dann pfiff er weitere Helfer heran, die mit Karaffen ausgestattet waren. “Und Wein und Wasser”, fügte er an. Sogleich fing Fecundaque an die Schälchen zu verteilen. Rahjagoras griff selbst zwei Schälchen. “Also, wer möchte?”
 +
***
 +
Nur selten hatte Angrond die Gelegenheit sich derart frei zu bewegen, immerhin war er eigentlich noch Knappe und hätte eigentlich seinem Herrn aufwarten müssen. Sein Herr jedoch weilte nicht mit auf diesem Fest, stattdessen hatte er auf Geheiß seiner Mutter die vairninger Arsan Thomundson und Runegard vom Schwarzen Quell begleitet um selbst auf Brautschau zu gehen. Allerdings hatte er zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich noch überhaupt kein Interesse daran verheiratet zu werden, viel lieber wollte er erst einmal Ritter werden und auf Aventurie gehen. Wollte seine Mutter ihm dies etwas verwehren?
 +
Jetzt aber gönnte er sich einer der angepriesenen Tannwalder mit Mostrich, der Name der Würste war ihm dabei einerlei viel wichtiger war etwas deftiges und sättigendes im Magen zu haben.
 +
 +
Weder Auriane noch Lechdane waren von zu Hause großen Komfort oder gar Luxus gewöhnt. Das Haus Ahnwacht verfügte durchaus über Mittel, war schließlich es bei seiner Entstehung durch das Herzogenhaus mit Häusern in Albenhus, Elenvina, Gratenfels und Isnalosch, sowie einigen Regalien um ihr Auskommen zu finanzieren ausgestattet worden Die Häuser waren noch heute die Verwaltungsstützpunkte in den Grafschaften, wobei Elenvina zugleich auch das zentrale Archiv barg, während die Einnahmequellen großzügig das notwendige Kleingeld in die Schatullen des Hauses spülen. Das Leben der Familienmitglieder war jedoch das eines Verwaltungsbeamten. Ihnen oblag es Änderungen in den Stammbäumen der nordmärkischen Geschlechter zu erfassen, jene die Offiziell an sie gemeldet wurden, aber auch jene die ihr weit reichendes, teils mehrere Generationen bestehendes, Netz an Spitzeln und Informanten lieferten. Abgesehen vom Familienoberhaupt und der Erbin des Hauses, was beide nicht waren, wurde angestrebt das alle Mitglieder Ehen eingingen die die Verbundenheit des Hauses mit dem Adel des Herzogtums festigte, egal ob Niederadel oder Hochadel ein von Ahnwacht stellte nunmal eine gute Partie dar.
 +
Nur langsam ihren Tannwalder im gelben Rock verzehrend, zogen die beiden Damen es vor lieber bedächtig an ihrem Wein zu nippen.
 +
***
 +
Dorcas hob den Arm und sagte:” Ich nehme eine.” Er drehte sich zu seinen neuen Freunden und fragte:” Wollt Ihr auch eine Tannwalder?” Nebenbei sah er rüber zu seinem Vetter Belfionn rüber, der immer noch im Gespräch mit dieser jungen Frau war.
 +
“Wie könnte ich als eine Tannenfels eine Tannwalder ausschlagen?” antwortete Ringard. “Ich nehme auch eine! Für Dich auch, Nivard?” Dieser schien jedoch nicht bei der Sache. Sein Blick war noch immer in Richtung der Altenberger gerichtet, und versuchte dort eine zarte Gestalt mit roten Haaren auszumachen. Hoffte, dass sich ihre grünen Augen und die seinen - selbst auf diese Distanz - treffen mochten. “Nivard?” Ringard versuchte seinem Blick zu folgen, während sie Dorcas verschwörerisch zugrinste.
 +
 +
“Rahja ist voll im Gange”. Dorcas zwinkerte Ringard zurück. “Ihr solltet euch vielleicht auch umschauen. Wie wäre es mit einem dieser Knappen?” Der Hüne deutete auf den Knappen Angrond und Folcrad. “Wenn ihr wollt, könnte ich euch vorstellen?”
 +
“Das glaube ich auch.” Zu gerne hätte sie bereits jetzt einen Blick auf diese Dame erheischt, doch sie zügelte ihre Neugier, schickte der Tag doch so langsam an, auch in eigener Sache interessant zu werden. Für sie hätte die Unterhaltung mit Dorcas alleine (Nivard war ja gerade allenfalls leiblich bei ihnen) gerne noch länger andauern können, doch ging sie zunächst dennoch auf dessen Angebot ein: “Sehr gerne. Sind sie in Knappschaft am Hofe der hiesigen Baronin?”
 +
Noch bevor Dorcas antworten konnte, ergriff Nivard von der Seite das Wort: “Ihr beiden entschuldigt mich bitte. Wir sehen uns später…”
 +
 +
Verwundert schaute der Ritter Nivard hinterher. “Nun hat er es aber eilig.” Dann drehte er sich wieder zur Ringard. “So genau weiß ich das gar nicht, aber das werdet ihr schon herausfinden. Er legte sanft seinen Arm um die junge Frau und führte sie zu den jungen Knappen. “In Rahjas Namen, verzeiht die Herren. Ich würde euch gerne diese junge Rose vorstellen wollen: Ringard von Tannefels!” Dann schob er sie ein wenig vor.
 +
Der junge Baldurstolz erhob sich von seiner Bank, lächelte und verneigte sich:”Angenehm, Folcrad von Baldurstolz, Knappe des Edlen zu Hinterwald, Ritter Vitold von Baldurstolz. Möchtet Ihr Euch setzen?” Er bot ihr seinen Sitzplatz an und trat einen Schritt zur Seite. Bereit ihr die Hand zu reichen, sollte sie das Angebot annehmen.
 +
 +
Angenehm berührt, in Dorcas Arm geleitet zu werden, und sichtlich geschmeichelt ob der Vorstellung als junge Rose, strahlte Ringard zunächst den Ritter der hiesigen Baronin an, um dann lächelnd in Richtung Folcrad zurückzuknicksen: "Sehr erfreut! Ringard von Tannenfels, wie Ihr bereits vernahmt, vom Hofe ihrer Hochgeboren Wunnemine von Fadersberg zu Ambelmund." Der junge Knappe mochte kaum älter sein als sie selbst, wenn überhaupt. Er strahlte vielleicht nicht die gefestigte Reife von Dorcas aus, die sie als sehr anziehend empfand, doch war sie hier, um sich umzuschauen, und Folcrads offene und zuvorkommende Art bewegten sie dazu, die Einladung anzunehmen. "Gerne möchte ich mich zu Euch setzen." ergriff sie die gereichte Hand, und ließ sich nieder. "Mit wem habe ich in Euch die Ehre?" richtete sie zunächst das Wort an Angrond von Fuchsberg, der ihr ebenfalls unbekannt war."
 +
 +
“Angrond von Fuchsberg, meine Familie lebt auf einem Rittergut in Vairningen.” Gab dieser etwas schüchtern zurück. Dabei war es nicht so das er nicht mit Menschen konnte, er brauchte lediglich ein wenig um mit ihnen warm zu werden. Womöglich fehlte es ihm dabei lediglich ein wenig an Selbstvertrauen.
 +
"Wo genau denn in Vairningen?" fragte Ringard neugierig. Vielleicht stammten sie sogar aus unmittelbarer Nähe. Beim Gedanken daran stellte fest, wie wenig sie sich in der Nachbarbaronie ihrer Heimat auskannte.
 +
 +
“Waldenberg liegt im Südosten der Baronie.” Versuchte er die Lage schon einmal grob zu Beschreiben, eh er näher ins Detail ging. “Von der Reichsstraße nahe Kefberg durch die Furt nach Effertingen und dann noch ein Stück weiter gen Firun bis das offene Land am Fluss den Wäldern von Nordgratenfels weicht.” Somit lag für die Verhältnisse in Nordgratenfels das kleine Rittergut noch sehr verkehrsgünstig, aber eigentlich waren die meisten Bewohner sehr glücklich damit dass alles seinen gewohnten Gang ging und nur selten Reisende für unruhe sorgten.  Damit lag seine Heimat am genau entgegengesetzten Ende Vairningens, wäre er hingegen aus Avesstein oder Kranickau hätte das hingegen ganz anders ausgesehen.
 +
 +
Angrond wirkte trotz oder vielleicht auch gerade seiner Schüchternheit wegen durchaus nett auf Ringard. Allerdings war der Südosten von Vairningen nicht die räumliche Errettung, die sie sich heute insgeheim erträumte. Noch wirkte der junge Knappe gerade wie der strahlende Retter... “Und welche Ländereien müsste ich durchreisen, wollte ich Hinterwald besehen?” versuchte sie herauszufinden, wo die Heimat Folcrads lag.
 +
“Das kommt ganz darauf an, von wo ihr anreisen wollt. Das Edlengut Hinterwald befindet sich in der äußersten nordwestlichen Ecke der Baronie Eisenstein.”
 +
“Noch käme ich aus Ambelmund, da wäre die Anreise sicherlich beschwerlich. Doch von Elenvina aus dürfte es nicht allzuweit sein, oder?” bemühte Ringard ihre recht rudimentären Kenntnisse der Geographie der Nordmarken. Ihre Stimme vermittelte echte Neugier, und in der Tat handelte es sich bei ihrer Frage keineswegs um Geplänkel…
 +
“Mmmmh...Ambelmund ist in der Tat recht weit. In die Richtung hat mich mein Schwertvater noch nicht geführt. Also gut, dann Elenvina. Am besten fahrt Ihr auf dem Großen Fluss bis Altenfurt. Von dort gehts firunwärts bis zum Rickenbach, aber quert ihn nicht, sondern reitet rechter Hand weiter bis zur nächsten Brücke, diese müsst Ihr nehmen. Reitet weiter zum Ort Rickenbach und dann vorbei an der Hyndanburg, bis zur nächsten Weggabelung. Dort müsst Ihr den linken Pfad wählen, der Euch durch den Breewald führt, bis zum gleichnamigen Ort. Immer weiter dem Weg folgend, werdet Ihr eine Kreuzung erreichen. Linker Hand werdet Ihr zur Baronie Eisenhuett gelangen, rechter Hand geht´s zur Einöde, an dessen Rand Tuhnich - Guhds Schloss liegt. Es war die Feste eines üblen Schwarzmagiers. Angeblich haust seine Tochter dort immer noch. Reitet nicht dorthin. Geradeaus werdet ihr auf direktem Wege den Ort Hinterwald erreichen, wo ich derzeit Zuhause bin. Alles in Allem braucht man zwischen drei und fünf Tagen für diesen Weg.”
 +
 +
‘Drei bis fünf Tage bis Elenvina - naja, von Tannenfels oder Ambelmund aus ist es viel weiter bis in eine richtige Stadt…’ Und die Art, in der Folcrad von seiner Heimat erzählte, gefiel ihr. Mit einem leichten Zucken in den Mundwinkeln fragte sie neugierig nach: “Tuhnich - Guhd? Ein übler Schwarzmagier? Hat ihm denn jemand das Handwerk gelegt? Oder musste es seine Tochter selbst richten, natürlich nur, um seine Macht an sich zu reißen? Es scheint gefährlich zuzugehen in Eurer Heimat… sicher werden dort Helden gemacht! Und bei Euch, Angrond, ist es dort genauso abenteuerlich?”
 +
 +
“Soweit ich weiß haben wir mit Zauberkundigen eher selten Probleme.” Klärte Angrond diese Unart direkt als erstes auf. Die Baronin hatte ihre Hofmaga und die Thomundson war im Volk recht beliebt, da sie ihre, am Anatomischen Institut in Vinsalt erworbenen, Kenntnisse großzügig auch zum Wohle des einfachen Volkes einsetzte. Ansonsten hatten sie noch Naturzauberer, aber wenn man die nicht verärgerte, dann taten die einem auch nichts.
 +
“Es gibt Wölfe und Bären, aber die machen eigentlich einen weiten Bogen um die Siedlungen - also zumindest solange das Futter nicht knapp wird. Für Rot- und Schwarzpelze gilt eigentlich das Gleiche, wenn es dann aber soweit kommt sind sie gefährlicher. Die größte Gefahr sind deshalb vermutlich die Schergen der Rauestahls. Eine Familie von Raubrittern die sich sämtliche Konkurrenz in der Umgebung einverleibt oder alle umgebracht hat. Meist überfallen sie Reisende auf der Reichsstraße, aber auch Höfe in Vairningen sind bereits von ihnen geplündert worden. Die Position ihres Lagers konnte leider noch nicht festgestellt werden und so können sie seit Götterläufen ihr schändliches Unwesen treiben.”
 +
 +
“Ich müsste da meinen Schwertvater fragen. Der Zauberer trieb sein Unwesen vor zwanzig Götterläufen zur Zeit der Borbarad - Krise. Er soll wohl auch dessen Kult gefolgt sein. Räuber haben wir zur Zeit glücklicherweise nicht. Unternimmt Euer Schwertvater was dagegen und dürft Ihr ihn dabei begleiten?”, Folcrad stellte sich gerade vor, wie Angrond zusammen mit anderen den Räubern den Garaus machte.
 +
‘So langsam taute Angrond also auf’, stellte Ringard insgeheim fest. Die Berichte der beiden Knappen waren kurzweilig - und aufschlussreich. Ihr Bild vom Leben im Südosten Vairningens erhärtete sich - es schien dort in vielerlei Hinsicht gar nicht so anders zuzugehen als im heimischen Tann, auch wenn sie in Ringards Heimat offensichtlich weniger Ärger mit  Raubrittern hatten. Sie mochte die beiden Knappen, musste sie feststellen. Aber wie mögliche Ehemänner kamen sie ihr gerade nicht vor.
 +
 +
***
 +
 +
Wie von magischen Mächten gelenkt zog es Nivard aus dem Obdach des Sonnenschutzes hinaus in Geldas Richtung, darauf hoffend, noch ein Wort mit ihr wechseln zu können, oder wenigstens einen Blick, bevor es "offiziell" weiterging. Doch er musste erkennen, was er insgeheim längst wusste, dass das Protokoll und die Ordnung des Festplatzes genau dies wohl kaum zulassen würden. Wie angewurzelt blieb Nivard daher stehen, wenige Schritt vor dem Sonnenschutz, doch statt sich wieder zurückzuwenden, galt seine Aufmerksamkeit für einen Moment alleine Gelda, die er von hier gut erkennen konnte, suchten seine Augen die ihren, sehnsuchtsvoll bereits, ein weiteres Mal in deren magischem Grün zu versinken.
 +
Aber wie es schien, sah sie ihn nicht, dafür sah er aber Doratrava und Rondradin, wie beide mit ihr an der Altenberger Tafel saßen und redeten.
 +
 +
Neidvoll  sah er zu dem kleinen Kränzchen. Wie gerne wäre er jetzt bei jenen, mit denen er in Nilsitz oder spätestens während der Reise hierher vertraut geworden war. Aber er musste sich gedulden. Heute ging es um mehr als um einen Tag in netter Gesellschaft, mit gutem Essen, Kurzweil und Plauderei. Er stand vor einem Kampf, einem, der nicht mit dem Schwert zu führen und zu gewinnen war. Für den er nicht ausgebildet worden war.  Einem, in dem es für ihn um alles ging. ‘Militat omnis amans.’ Wie recht hatte diese alt-bosparanische Weise.
 +
Sie sahen nicht zu ihm herüber. Auch wenn es ihm schwer fiel, zwang er sich dazu, sich abzuwenden. Er war gerade dabei, als…
 +
Er direkt in die tiefblauen Augen Rondradins blickte. Beinahe entschuldigend lächelnd nickte dieser grüßend Nivard zu. Er sagte etwas zu Gelda und Doratrava, gleichzeitig deutete er unauffällig in Nivards Richtung.
 +
Doratrava sah daraufhin zu Nivard hinüber und winkte erfreut, war aber gerade im Gespräch und wollte auch nicht über den Tisch schreien. So zwinkerte sie dem Krieger nur zu und wandte sich dann wieder ab.
 +
***
 +
“Willst du auch eine Tannwalder?” fragte Corwyn seine Schülerin als er sich eine Schale von Rahjagoras nahm. Doch das Mädchen schüttelte den Kopf. “Gibt es nichts anderes?” fragte es schüchtern?
 +
Der ältere Mann schaute sie nachdenklich an. “Hmmm, nach was gelüstet es dich, junge Dame?”
 +
“Nach etwas ohne Fleisch bitte.” Lininaj lächelte Rahjagoras bittend an. “Da wird mir schon etwas passendes einfallen.” meinte dieser, “Ihr müsstet nur noch etwas warten.” “Das mache ich gerne.” erwiderte sie dankbar und sah dem älteren Mann nach bis dieser verschwunden war. “Die Tannwalder ist aber lecker.” versuchte Corwyn seiner Schülerin die Senfwurst doch noch schmackhaft zu machen. Diese schüttelte aber nur den Kopf und wartete geduldig bis einige Zeit später Rahjagoras zurück kam und ihr eine mit Gemüse und Käse gefüllte Teigtasche überreichte, in die sie glücklich biss. “Danke.” konnte man mit gutem Willen aus dem Kauen des Mädchens heraus hören.
 +
 +
***
 +
Linnart stand etwas abseits des Geschehens und war in Gedanken versunken. Auf seinen Zügen zeigte sich ein leicht dämliches, aber friedliches Grinsen. Er atmete tief durch und schloss kurz seine Augen. Was für ein Tag. Der Ritter hatte das Gefühl, dass all das was ihm heute schon vergönnt war zu erleben, sonst wohl einen ganzen Götterlauf nicht füllen konnte. Sein Blick schweifte über die Gästeschar. Ja, er würde sich noch ein paar Momente lang Zeit nehmen bevor er sich unter die anderen Gäste mischte. Sein Ruf war seit dem Kuss ja sowieso nicht mehr der beste und er war froh wenn er den Tag überstand, ohne von einem der hier Anwesenden Satisfaktion fordern zu müssen. Der anmaßende, aber edel gekleidete Knappe von vorhin, welcher Linnart zur Rede gestellt hatte, war ihm schon zuviel der Zeitverschwendung gewesen, doch Praios sei Dank beruhigte sich der kleine Mann wieder, ohne dass Linnart nachhelfen musste.
 +
 +
Eine schmale Hand auf seiner Schulter ließ ihn aus seinen Gedanken hochschrecken und beförderte ihn zurück ins Hier und Jetzt. "Was tust du hier alleine, Bruder ...", kam es von der Seite und er erkannte die liebliche Stimme seiner Schwester Rahjalind, "... was hast du denn nun schon wieder angestellt ...", ihr Ton wurde anklagender, "... erst dieser Kuss und jetzt?" Sie ließ ihm keine Zeit zu antworten. "Hast du ihr etwa an den Hintern gefasst?"
 +
Der Ritter rollte mit seinen Augen und maß sie mit einem gespielt säuerlichen Gesicht. "Nein, nichts dergleichen. Wir haben uns gegenseitig etwas Platz und Zeit eingeräumt um mit den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen."
 +
 +
Rahjalind gab ein leichtes Seufzen von sich. "Du hast sie also gehen lassen? Bruder ... Bruder ... du bist ein hoffnungsloser Fall."
 +
"Ja ...", nickte er bestätigend, "... aber nicht so wie du denkst. Es ist eher nur vorübergehend. Wir wissen beide, dass wir uns hier auch wie die Gäste einer Brautschau verhalten sollten."
 +
"Dann lief es also gut?" Fragte sie erfreut.
 +
"Ja", bestätigte er nickend.
 +
Die junge Rahjadienerin klatschte erfreut in ihre Hände. "Dann stellt sich mir erst recht die Frage warum du hier alleine rumstehst und Maulaffen feilbietest. Solltest du ... ihr nicht an einem ruhigen Plätzchen sein und ... nun du weißt schon." Sie ließ ihre Augenbrauen nach oben wandern und stupste ihn schief lächelnd mit dem Ellenbogen in die Seite.
 +
"Hmpf ...", grunzte Linnart auf das Verhalten seiner Schwester hin, "... erstens hab ich dir ja gerade eben gesagt, dass es unziemlich wäre die Feier so früh zu verlassen und zweitens lassen wir es wohl auch etwas ruhiger angehen." Etwas, das ihm bei anderen Frauen egal gewesen wäre, wollte er bei Andesine erst gar nicht aufkommen lassen. Sie sollte nicht meinen, er sei nur auf ihren Körper aus - nein, die Sache würde nach ihrem gewählten Tempo ablaufen.
 +
"Ruhiger ...", lachte die junge Frau auf, legte ihm ihre Hände an die Wangen und blickte ihm eindringlich in die eisblauen Augen, "... wer bist du und was hast du mit meinem Bruder gemacht?"
 +
 +
Der junge Bannstrahler entgegnete ihr mit einem Lächeln. "Lass das, Schwester."
 +
"Na ist doch wahr ...", gab Rahjalind keck zu bedenken, "... langsam angehen und Frauen. Das kenne ich von dir gar nicht. Normalerweise geht das bei dir so schnell, dass du die Dumpfbacken, mit denen du dich sonst rumtreibst, abschießt noch bevor ich mich mit ihnen unterhalten, geschweige denn mich an sie gewöhnen konnte."
 +
"Nun ist es anders ...", er reckte trotzig sein Kinn, "... und Andesine ist keine ... Dumpfbacke."
 +
"Ja, das habe ich auch nicht gesagt und bereits gemerkt." Sie knuffte ihn in seine Wangen. "So wie sie meinem großen Bruder, dem Unzähmbaren, seinen Kopf verdreht hat. Ich freue mich für dich. Wie seid ihr verblieben?"
 +
 +
"Sie will mich ihrer Familie vorstellen und ich sie der unseren", antwortete Linnart.
 +
"Hast du sie darauf vorbereitet?" Rahjalind legte ihre Stirn in Falten.
 +
"Was meinst du damit?"
 +
"Nun ja ... auf unseren Lebensstil. Oder wird sie Reißaus nehmen wenn sie Vaters Statuen im Garten sieht, oder das nervige Geschrei von Mutters Paradiesvögeln hört? Sie wirkt ja doch recht ... züchtig."
 +
Der Ritter schluckte. Hierbei konnte er nur das Beste hoffen. "Nein, dafür sorgt sie sich welches Bild ihr Onkel von mir haben wird und ob ich mit seiner wahrscheinlichen Ablehnung umgehen kann."
 +
Rahjalind ließ daraufhin ein unangebrachtes Kichern folgen. "Als wären wir verstörte Blicke nicht gewohnt."
 +
Auch auf den Lippen des Bannstrahlers zeigte sich ein schmales Lächeln. "Ja, ich sehe das nicht als Problem. Solange Andesine und ich uns gegenseitig den Rücken stärken, werden wir die Familie des jeweils anderen gut überstehen."
 +
Die junge Novizin küsste die Wange ihres Bruders. "Mach das beste daraus, mein Lieber. Ich freue mich für euch. Vielleicht werde ich mit meiner zukünftigen Schwägerin heute noch das Gespräch suchen - so von Frau zu Frau." Sie zwinkerte ihm zu und rauschte von dannen.
 +
***
 +
 +
Als die junge Lilienhainerin mit dem Schälchen auf den Knappen Folcrad zu kam, rollte die Wurst aus der Schale und landete auf dem Boden direkt vor seinen Füßen. Mit feuerroten Kopf schaute sie  ihn an. “Oh … verzeiht ..”
 +
Folcrad hatte Hunger. Er war heute besonders früh aufgestanden, um erst seinem Schwertvater und später dem Baron von Eisenstein zu Diensten zu sein. Während dieser Feierlichkeiten war er Knappe zweier Herren. Es war anstrengend, doch würde es sich hoffentlich eines Tages auszahlen. Als er den Duft von würzigem Mostrich auf heißer Wurst in sich aufsog, lief ihm das Wasser im Munde zusammen, doch nun lag diese Köstlichkeit zum Greifen nahe… im Dreck. Konnte es noch schlimmer kommen? Zuerst stieg Zorn in ihm auf, doch dank der Müdigkeit des langen Tages verwandelte er sich in Resignation. Sein Blick ging von der Wurst hoch zum Gesicht des Mädchens. Er sah ihre Rundungen, die durch die Schürze auf dem Kleid noch in Szene gesetzt wurden. Er sah ihr Gesicht, das rote Haar, in dem eine Rose steckte und sah, wie erschrocken sie über dieses Missgeschick war. Der Hunger quälte ihn immer noch, aber er wollte nicht, dass dieses Geschöpf Rahjas Unglücklich war, also lächelte er:”Das macht doch nichts. Es gibt doch bestimmt noch mehr davon.” Er ging in die Hocke und hob die Wurst auf. “Hab ihr Hunde hier?”, fragte er. “Die freuen sich bestimmt darüber.”
 +
 +
Fecundaque bückte sich sogleich nach der Wurst, das dem Knappen einen tiefen Einblick in ihr schon übermäßig entwickeltes Dekoltee bot. “Oh ...ja..also wir haben einen Hund. Aber macht euch keine Sorgen, ich hole gleich eine Neue. Ich werde auch mehr Mostrich drauf tun. Herr?”. Offensichtlich suchte sie nach einen Namen.
 +
“Folcrad”, stammelte er und musste sich schwer konzentrieren den Blick von ihrer Offenherzigkeit wieder in ihr Gesicht zu lenken. Seine Hose wurde plötzlich ganz eng. “Folcrad von Baldurstolz.”
 +
Langsam erhob sie sich mit der Wurst in der Hand. Diesmal lächelte sie ihn an, die kleine Grübchen auf ihren Wangen offenbarte. “Angenehm. Ich bin Fecundaque. Es freut mich, euch kennen zu lernen, hoher Herr?” Wieder schlich sich Unsicherheit in ihre Frage. “Und ihr seid ein … Junker?”
 +
 +
“Ein Junker?”, er war irritiert. “Was? Nein.” Nun musste er lachen. Es war ein befreiendes und ansteckendes Lachen und Fecundaque merkte, dass er sie nicht auslachte. Es schien eher so, als wäre ein Knoten geplatzt und hätte die Fesseln von seinen Emotionen genommen, ganz so wie es der Herrin Rahja gefiel. “Nein, ich bin ein Knappe und werde dereinst ein Ritter. Wenn ich mich gut mache, könnte ich vielleicht eines Tages etwas Land besitzen und den Titel eines Edlen erhalten, so wie mein Schwertvater.”
 +
Erst schaute sie erstaunt, ließ sich dann aber von dem heiteren Lachen anstecken. “Verzeiht … Folcrad. Du … ihr ... seht ja schon wie ein Edler aus. Wer ist denn euer Schwertvater?” fragte sie neugierig, hielt noch immer die Wurst fest in ihrer Hand, während der Mostrich zwischen ihren Finger quillte.
 +
 +
Folcrad starrte auf die Wurst, die, heiß und prall, fest umklammert in  Fecundaques Hand lag. Er sah die Crème, obgleich von falscher Farbe, zwischen ihren Fingern hervorquellen. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und er hatte das Gefühl, dass seine Hose jeden augenblick zerspringen müsste. Er konnte jeden seiner Herzschläge deutlich zwischen seinen Beinen spüren. “Ich… äh,” stammelte er. “Vitold. Er heißt Vitold. Vitold von Baldurstolz. Er sitzt da vorne.”, sprudelte es dann aus ihm heraus. Dabei deutete er in Richtung seines Schwertvaters. “Es ist der stattliche Herr in Schwarz und Silber, neben dem Blonden in Rot und Gold.”
 +
Fecundaque schaute in die Richtung des Pavillon der Niederadligen. Als sie sich wieder zu Folcrad umdrehte, blickte sie nach unten und stöhnte erschrocken auf. “Ach herrje, ein Fleck!” Bevor der Knappe verstand, zog sie ein Tüchlein aus ihrer Schürze und zielte sein rechtes Bein an, noch immer die Wurst fest umschlossen in ihrer Linken.
 +
 +
“Bitte nicht, ich…”, er zog das Bein zurück und schaute Fecundaque mit einer MIschung aus Qual und Flehen an. Was sollte er denn jetzt sagen? Es war ihm so peinlich und es gab keinen Ausweg, ohne ihn zu blamieren. “Ich, also…”, ihm wurde heiß und kalt. Vor ihm kniete diese Göttin und war kurz davor seine Scham zu berühren und eigentlich gab es derzeit nichts, was er sich sehnlicher wünschte, aber er kannte sie nicht und vermutlich würde sie aufschreien, wenn ihr sein Zustand klar wurde. “Du solltest das nicht tun, also… ich meine… nicht jetzt. Ich äh... ich kann das selbst.” Zweifellos musste ihr früher oder später auffallen, dass seine Hose inzwischen eine große Beule aufwies. Er versuchte das Wams weiter herunter zu ziehen.
 +
Etwas verwirrte schaute sie ihn an, während sie noch in der Hocke war. “Aber, Folcrad … das ist wirklich kein Problem …. Oh!” Ihr Blick fiel genau auf die Stelle, die der Knappe verbergen wollte. Röte stieg ihr wieder ins Gesicht. “Ich glaube …. Eure … Schamkapsel ist verrutscht.”
 +
Eine kräftige Hand ergriff ihren Arm und half ihr sanft auf. Der große Ritter Dorcas von Paggenfeld grinste sie an. “Das mein Schätzchen ist keine Schamkapsel. Der Herr von Baldurstolz gehört zu den ´großen Jungs´”. Ein lautes, schallendes Lachen folgte.
 +
 +
Fecundaque riss ihre Augen weit auf und ihr Gesicht brannte regelrecht. “Ich … ich … hole die Wurst … und hier!”, sie drückte dem Knappen das Tüchlein entgegen und machte sich geschwind auf zum Küchenzelt.
 +
Noch immer lachend, legte der Ritter seinen Arm um Folcrad.
 +
Der Knappe lief knallrot an und blickte irritiert auf das Tüchlein in seiner Hand. Was war hier gerade passiert? Er sah dem Ritter ins Gesicht:”Ähm, also...Danke?” Mehr brachte er nicht hervor. Die “Schwellung” plagte ihn immer noch.
 +
“Nicht dafür. Ein junger Mann muss sich ordentlich die Hörner abstoßen. Und bei der schönen Maid, kann man es dir nicht übelnehmen. Allerdings ein längerer Wams wäre heute angebracht.” Der Ritter grinste noch immer. Er griff nach zwei Weinkehlchen und reichte einen Folcrad. “Auf Rahja und ihre schönen Stuten!” Dorcas prostete ihm zu. “Ich bin im übrigens Dorcas von Paggenfeld, Hausritter der Baronin von Schweinsfold.”
 +
 +
“Auf Rahja und ihre Freuden”, prostete der Knappe zurück. “Freut mich Euch kennen zu lernen. Ich bin Folcrad von Baldurstolz, Knappe des Ritters Vitold von Baldurstolz, Edler zu Hinterwald. Er dient dem Baron von Eisenstein.” Folcrad versuchte das Grinsen des Ritters einzuordnen. “Darf ich Euch eine persönliche Frage stellen?”
 +
Der zwei Schritt große, blonde Mann schaute ihn aus seinen sanft braunen Augen an. Eine Narbe auf der Stirn teilte seine linke Augenbraue. “Nur zu , Folcrad. Ich bin ganz Ohr.”
 +
Der Knappe flüsterte mehr, als er sprach:”Was macht Ihr denn in einer solchen Situation? Muss ich denn jetzt immer ein langes Wams tragen?”
 +
“Hmmm.” Dorcas machte ein nachdenkliches Gesicht und flüsterte dann zurück. “Das hilft auf jeden fall und ist wohl die beste Lösung. Oder du stehst deinen Mann. Mann hat was Mann hat.” Dann kam ihm eine Idee. “Fragen wir doch einfach mal die Fachleute.” Sanft schob er den Knappen in Richtung einer jungen Frau. Dann sprach er sie selbstbewusst an. “Verzeiht, edle Dame vom Traurigen Stein. Der Knappe von Baldurstolz hätte da eine Frage, die ihr vielleicht beantworten könnt.” Das Grinsen kehrte wieder auf das Gesicht des Ritters.
 +
 +
`Oh Götter wie peinlich`, dachte der Knappe und schaffte es noch mehr Farbe im Gesicht anzusammeln. Er sah auf den Becher in seiner Hand und kippte den Inhalt in nur einem Zug seine Kehle hinunter. Dann lächelte er zaghaft die junge Frau an.
 +
Rahjalind musterte die beiden Männer neugierig und begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. "Wie kann ich Euch helfen, junger Herr?", wandte sie sich dem Jüngeren zu.
 +
“Ich, ähm… ich glaube ich habe gerade ein Mädchen verschreckt, weil ...äh”, unbeholfen druckste er vor der Novizin herum. Gestik, Mimik und nicht zuletzt sein verschämter Blick ließ Rahjalind eine vage Vorstellung von dem bekommen, was wohl genau sein Problem war.
 +
​Rahjalind verstand und konnte sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen. "Und Ihr möchtet, dass ich ... deswegen ... mit dem Mädchen rede?", fragte sie dann und blickte dabei zwischen den beiden Männern hin und her.
 +
“Es ging eher darum, ob es schicklicher ist einen längeren Wams zu tragen, in prekären Situationen, nicht war?” stupste Dorcas den Knappen an.
 +
Der Knappe wünschte sich gerade nichts sehnlicher, als das sich die Erde unter seinen Füßen auftat und Sumu selbst ihn verschlucken würde. Doch es geschah… nichts! Die Beule war immer noch da, das schöne Mädchen immer noch verschreckt und zwei nette, aber fremde Menschen unterhielten sich gerade mit wachsendem Interesse über seine Scham. Was würde nur sein Schwertvater von ihm denken, wenn er hiervon erführe? Beim Gedanken an Vitold schluckte er unwillkürlich, doch dann reckte er das Kinn und entschloss sich für die Flucht nach vorn. “Nun äh… also, ja. Ja, das stimmt. Aber, wenn Ihr so freundlich wärt ihr zu erklären, dass es nicht meine Absicht war…”, mit flehendem Hundeblick schaute er Rahjalind an.
 +
 +
Das Grinsen der jungen Novizin war immer noch nicht verschwunden. "Grämt Euch nicht, junger Herr. Es ist etwas ganz Natürliches. Etwas, das mit zunehmender Erfahrung einfacher zu kontrollieren sein wird. Sagt, habt Ihr denn schon einmal die Wärme einer Frau gespürt?"
 +
Bevor dieser antworten konnte, stand die Magd Fecundaque neben ihn und hielt ihm eine Wurst mit extra viel Mostrich hin. “Mein Herr, eure Wurst. Die Dickste die ich finden konnte. “, und lächelte  etwas unsicher.
 +
Hatte sie das gerade wirklich gefragt? In aller Öffentlichkeit? Und auch noch in Hörweite von Fecundaque? Folcrad klopfte das Herz bis zum Hals, der immer enger zu werden schien. Das war zuviel für ihn. Beschämt senkte er den Kopf und schaute auf seine Stiefel. “Nein, das habe ich noch nicht”, murmelte er kleinlaut. Dann hob er seinen Kopf etwas, aber nur soweit, dass er unter seinen langen Wimpern hindurch gerade eben Fecundaque erkennen konnte, griff nach der Wurst und antwortete ihr:”Danke für deine Mühe.” Auch er lächelte nun unsicher, wagte es aber immer noch nicht Fecundaque in die Augen zu schauen.
 +
 +
Rahjalind machte eine abwinkende Handbewegung. "Ach, da ist doch nichts dabei. Ihr seid ja noch jung und werdet sehen, dass der Tag kommt, an dem Ihr Euch vor Verehrerinnen nicht mehr erretten könnt." Sie zwinkerte und schenkte ihm ein Lächeln.
 +
Verschämt, doch auch neugierig blickte er nun Fecundaque an. Ganz langsam wurde sein Lächeln immer breiter.
 +
 +
Die junge Magd war schnell gefasst und lachte glucksend. Anscheinend ist ihr das Thema nicht so unangenehm, wie ein mancher dachte. “Wenn ihr noch was möchtet …. fragt nach mir!” ein schelmischer Blick wanderte zu seinen Lenden, dann wieder zu seinem Blick. Lachend lief sie zum Küchenzelt. Doch ganz konnte der Knappe den Gang der Magd nicht verfolgen, den plötzlich stand ihr Großvater Rahjagoras im Weg. “Auf ein Wort, Herr Knappe.”,sagte dieser und nahm ihn zur Seite. “Ich hatte mich gefragt, ob ihr Lust zu einer kleinen Reise mit anderen Gästen in den Park hättet? Das Werben beginnt und falls ihr daran nicht teilnehmen werdet, könntet ihr mitkommen.” Eindringlich, aber freundlich schaute der alte Mann ihn an.
 +
Folcrad schluckte:”Ich ähm also, nein, ich gehöre nicht zu den Werbern, also könnte ich wohl … mitgehen?”
 +
“Gut. Dann trefft mich bei dem Zelt der Gaukler.” Der Gärtner machte sich auf in die Richtung des Pavillons der Altenbergers.
 +
Folcrad blickte ihm hinterher.`Was war das denn?`,dachte er bei sich. Dann sah er Rahjalind und Dorcas an:”Möchtet ihr mitkommen, oder gehört ihr beide zu den Werbern?”
 +
"Geht nur junger Herr ...", meinte die Novizin lächelnd, "... der Herr von Paggenfeld und ich gehören beide zu den Werbern. Möge die Liebliche Euch heute gewogen sein."
 +
 +
 +
***
 +
Lucasta von Leihenhof schaute ihrem Vetter Roklan, dem Oberhaupt ihres Hauses, hinterher und wartete bis dieser im Pavillon des Hochadels verschwand. Zu lang und zu oft hatte dieser mit seiner impertinenten Art ihr und ihrem Bruder Ingeras Vorschriften gemacht. Sie konnte es nicht ausstehen von Anderen gesagt zu bekommen, was sie zu tun und zu lassen hatte. Erst sträubte sie sich gegen den Gedanken an der Brautschau teilnehmen zu müssen, doch nun erkannte sie die Gelegenheit mit einem richtigen Ehegatten, das langweilige Landleben bei ihren Eltern  entfliehen zu können. Der Einzige der sie dauerte war ihr älterer Bruder Ingeras. Ihre Mutter Raxia schikanierte ihn, bestimmte jeden seiner Schritte und … er ließ sich alles gefallen. Sie betet inbrünstig zu Travia und Rahja, dass diese Brautschau ihr Leben verändern würde.
 +
 +
Sie griff ihren Bruder bei der Hand und lief mit schnellen Schritten zum Sonnenschutz. Die Gäste die schon dabei waren sich an den köstlichen Würstchen zu laben, bemerkten die Ankunft der Geschwister kaum. Die Wenigen die es doch taten, sahen ein interessantes Pärchen. Die sechzehnjährige Lucasta hatte eine schlanke Taille, doch Hüfte und Schultern waren eher breit, genauso wie ihre Kieferkontur und  ihre Wangenknochen. Das strohblonde Haar war streng und praktisch zu einem rückenlangen Zopf geflochten. Das weinrote Kleid war nicht aus der neuesten höfischen Mode und gehörte ihrer Mutter. Ingeras von Leihenhof war älter als seine Schwester, doch sein zartes Gesicht, die schlanke hochgewachsene Statur ließ ihn gleichaltrig und zerbrechlich wirken. Viel hatten die Geschwister nicht gemeinsam, bis auf das strohblonde Haar und die dunkelgrünen, leicht schräg stehenden Augen. Ein blaues, seidenes Hemd und die dunkelgrüne, halblange Samthose ließen ihn noch leichter wirken. Für den Unkundigen hätte er von weitem mit einem Elf verwechselt werden können. Nur einige Schritte hinter ihnen lief Adamar von Firnholz, der Knappe von Baron Roklan von Leihenhof und Sohn der Baronin Fedora von Firnholz. Den letzten den Lucasta bei sich haben wollte war Adamar. Noch jemand, der sie für ihren Vetter kontrollieren wollte. Mit geschickter Ellenbogenarbeit drängelte sie sich mit ihrem Bruder zwischen die Gäste, in der Hoffnung aus der Sichtweite des Knappen zu gelangen. Als sie noch einen Blick nach hinten wagte, bemerkte sie nicht den jungen Mann der ihr im Weg stand und rannte in ihn hinein.
 +
 +
Der kräftige Krieger hatte sich für den Anlass fein gemacht. Es war nicht die Mode aus der Herzogenmetropole die er auftrug, sondern das Neuste was die weit gerühmten Schneider der Stadt Vairningen zu bieten hatten. Dabei hatte der kunstfertige Handwerker großes Geschick offenbart, harmonierten die Farben von Hose, Hemd, Wams und fein geschnitzten Knöpfen doch ausgezeichnet. “Vorsicht, Vorsicht!” Mahnte er und drehte sich um, um zu sehen wer ihn dort versucht hatte umzurennen.
 +
 +
Die sechzehnjährige schaute den kräftigen Krieger an. “Oh verzeiht, hoher Herr. Ich wurde  … gestoßen.” log sie. Sie machte einen kurzen Knicks. “Ich bin die hohe Dame Lucasta von Leihenhof und das … ist mein Bruder Ingeras von Leihenhof.” Sie deutete auf den elfengleichen Jüngling. Nun schaute sie sich den Edelmann genauer an … und war angetan. Sie strich sich eine gelöste Strähne zurück und lächelte.
 +
Den Geboten der Höflichkeit folgend, erwiderte der Krieger den Knicks der Dame mit einer knappen Verbeugung eh er sich selbst kurz Vorstellte. “Arsan Thomundson, erfreut Eure Bekanntschaft zu machen.” Dabei verzichtete er lieber auf eine Anrede, war er sich doch nicht sicher wo im Hause Leihenhof diese beiden zu verorten waren. Waren sie womöglich eng genug mit dem Baron verwandt, stand ihnen womöglich noch eine andere Anrede zu als er sie gewählt hätte. “Darf ich Fragen was Euch und Euren Bruder hierher führt?”
 +
“Wir sind hier um jemanden für einen möglichen Ehebund zu finden. Mein Vetter der Baron Roklan ist der Meinung, dass es für uns an der Zeit wäre. Und ihr?” Mit funkelnden Augen ließ sie ihre Augen auf und nieder dem Knappen fahren.
 +
 +
“Dann scheint es mir, dass uns das Schicksal aus den gleichen Gründen hierher geführt hat.” Zumal Arsan mit seinen dreißig Sommern nach Ansicht seines Bruders längst unter die Haube gehörte. 
 +
Arsan würde sie im Auge behalten. “Vielleicht könntet ihr mich später zum lustwandel ausführen?!” sagte sie gelassen.
 +
“Es wäre mir eine Ehre.”
 +
 +
***
 +
´Typisch Lucasta` dachte Adamar bei sich, als er den Zusammenstoß von ihr mit dem jungen Mann beobachtete. Auch dass sie ihren Bruder mitzog, war ganz typisch für das Mädchen, als ob der Junge nicht schon genug mit den Weisungen und Geheißen der Mutter zu tun hatte, er konnte keinen Schritt ohne eine der Damen tun. Aber Adamar wusste auch, dass er Ingeras Unrecht tat, mitunter war es einfach leichter, sich zu fügen und Adamar hatte dies ebenfalls lernen müssen. Aber er hatte nunmal als Knappe des Barons von Galebquell ihm gegenüber auch die Pflicht, seine Weisungen und Wünsche umzusetzen, und dazu gehörte es, ein Auge auf die beiden Geschwister zu haben. “Lucasta!” gemahnte er die Junge Dame, nicht so stürmisch zu sein, mit lauter Stimme, er wurde seinem Knappenvater immer ähnlicher!
 +
Dabei bemerkte er auch die anderen jungen Damen, die anwesend waren. Er wusste, dass es auch an der Zeit für ihn war, sich nach einer Frau umzusehen. Wenn er bald den Ritterschlag empfangen sollte, war es auch nicht mehr lang hin, bis zu einer Traviafeier…
 +
 +
Schließlich vernahm Adamar aber hinter ihm eine ihm wohlvertraute, aber lange nicht mehr vornommene, Stimme. Seine Mutter: “Mein Sohn, schön, dass Ihr hier seid, lasst Euch ansehen!” sprach Fedora ihn an, nachdem sie sich von Roklan nach der Begrüßung und einem ersten Smalltalk kurz verabschiedet hatte, da sie nun wusste, dass auch ihr Sohn anwesend sein würde. So war sie zum Sonnenschutz gekommen, um ihn zu begrüßen. Adamar drehte sich um, und ein Lächeln trat auf sein Gesicht, denn er freute sich tatsächlich seine Mutter zu sehen. “Mama, freut mich Euch zu sehen! Erlaubt mir die Bemerkung, dass Ihr keinen Tag gealtert zu sein scheint!” begrüßte er sie freudig, wobei er das Wort Mama mit soviel Ehrfurcht und Ehrerbietung im Tonfall aussprach, dass es auf eine angemessene Anrede hin schließen ließ.
 +
 +
Fedora entgegnete: “Du dafür wirst immer größer und stattlicher, jedes Mal wenn ich Dich sehe.” Adamar und Fedora traten danach etwas abseits von den Anwesenden Personen und pflegten einen vertrauteren Umgang, der Wortwechsel war tatsächlich für Außenstehende nicht zu hören. Sie gingen einige Schritte im Garten umher, unterhielten sich angeregt, und tauschten sicher die Neuigkeiten der Familie, die bevorstehenden Gegebenheiten und Einladungen aus, die anstehende Frage nach Adamars Ritterschlag und seiner Bereitschaft auf dieser Feier um eine zukünftige Braut zu werben. Adamar gab sich nach anfänglichem Bedenken aber einverstanden, er war in dem Alter und wenn er erst Ritter war, wurde er mit einem Lehen innerhalb der Baronie seiner Mutter belehnt, und hatte eine Familie zu gründen. Dies war am Ende aber nicht nur der Wunsch Fedora´s - sondern durchaus auch sein eigener! Auf dieser Brautschau hätte er wenigstens die Gelegenheit selbst seine Zukünftige kennenzulernen, und diese nicht durch Beschluss und Entscheid vor die Nase gesetzt zu bekommen. Sollte er kein Glück haben, wäre die Wahl seiner Mutter ja immer noch eine Option…. So willigte er ein, um eine Braut zu werben.
 +
 +
Bevor die Baronin von Firnholz, zurück in den Pavillon gehen konnte, fing sie der Gartenmeister Rahjagoras ab. “Eure Hochgeboren, schön euch zu sehen. Ich hätte da eine Frage an euch. Alsbald wird das Werben beginnen. Und ich hatte mir überlegt, die anderen Gäste, die nicht werben möchten, zu einer Reise in den Park zu laden. Auch dort können die Wunder der Holden bewundert werden. Wenn ich mich recht erinnere habt ihr Knappe und Page. Die können sich gerne anschließen, was meint ihr?” Abwartend schaute er die Adlige an.
 +
 +
“Nun, ein wirklich reizendes Angebot, habt Dank, dass ihr an mich gedacht habt. Aber ich muss Euch sagen, dass ich auf diesem Fest anwesend bin, um geeignete Kandidaten für meinen Sohn und meine Tochter zu finden. Daher wäre es mir natürlich ein Anliegen, bei den Werbern dabei zu sein, um zu sehen, ob sich nicht die Gelegenheit für ein Gespräch findet, wenn es um die Zukunft des Hauses Firnholz geht. Sicherlich sind aber die übrigen Angebote etwas für Liobha und Aureus, ich werde Ihnen sagen, dass Ihr Euch im Park aufhaltet. Habt Dank für die Einladung.” beschied sie dem Gartenmeister eine freundliche Absage. Fedora hatte zudem noch etwas anderes im Sinn, aber das musste Rahjagoras ja nicht gleich wissen...
 +
“Sehr gerne, dann schickt die beiden zum Zelt der Gaukler, ich hole sie dort ab.” Mit einer Verbeugung zog er sich zurück.
 +
“Das werde ich sogleich tun, habt Dank.” Fedora deutete ebenfalls einen Gruß an, bevor sie direkt auf ihre beiden Schützlinge zu steuerte, die sich unter dem Sonnenschutz aufhielten.

Version vom 28. Oktober 2022, 14:27 Uhr

Kapitel 4-4: Auftritt der Gänseschar - die Altenberger kommen!

Nachdem die Gäste endlich in ihre Pavillonen Platz genommen und ein wenig Kurzweil betrieben hatten, setzten sich die Gastgeber in Bewegung. In der Zwischenzeit lag es an der Küchenmeisterin Victualia die Besucher bei Laune zu halten und so schlug sie die Fässer mit Wein und Bier an und scheuchte ihre Mägde und Knechte, die wie fleißige Bienen den Wünschen des Adels folge leisteten, hin und her.

Nordrun, die Bardin, ging in das bunte Zelt, wo die Musikanten, Bänkelsänger und Doratrava, die Gauklerin, auf sie warteten. Mit einem kurzen Wink an die Truppe, setzten sich alle in Bewegung und bauten sich vor dem Zelt auf.

Zur selben Zeit ging Rahjel zum Treppenabsatz des Altenberger Pavillons und schaute in die Runde. Wie es schien lief alles nach Zeitplan. Ihm selbst war die Zeit eher unwichtig. Ein Fest sollte mit der Stimmung der Feiernden einhergehen und nicht mit einem starren Ablaufplan. Allerdings mußte er hier ein Kompromiss schließen. Dieses Fest, die Brautschau, stand nicht gänzlich unter dem Segen der Liebesgöttin, sonders musste sich diese mit Travia und Praios teilen und so kamen Züchtigkeit und Ordnung mit ins Spiel. Der Rahjageweihte holte tief Luft und wartete.

Die heiße Mittagssonne schien über Herzogenfurt und nur das Krächzen eines Raben störte diesen Moment der Ruhe. Flora vom Lilienhain, die Tochter Rahjagoras, betrat die Festwiese. Ihre Mutter Nordrun verstand dies als Zeichen und begann mit ihren Musikanten, ´Die Gänsepfeiffer´, das fröhliche Lied vom “ ´Walz der Gänse´ von ´Traviata Schnurrz´ zu spielen.

Doratrava hatte keine Zeit gehabt, sich nochmals umzuziehen. Das rote, knappe Kleid, dass sie trug, war eigentlich kein ausgesprochenes Tanzkostüm, aber es würde nun genügen müssen. Irgendwie verspürte sie tief versteckt in ihrem Inneren eine diebische Freude dabei, dem traviagefälligen Lied eine nicht zu übersehende rahjanische Note zu verleihen. Ihre Sandalen hatte die Gauklerin im bunten Zelt gelassen, denn wann immer es möglich war, tanzte sie barfuß. Nur, wenn sie den Boden unter den Füßen spürte, konnte sie wirklich die Einheit mit ihm bilden, die nötig war, um vollständige Kontrolle über ihre Schritte zu haben, und hier im Gras der Festwiese musste sie wohl auch keine spitzen Steine befürchten. Doratrava ließ die Musiker und Sänger Aufstellung nehmen und hielt sich zunächst ein kleines Stück hinter der Gruppe auf, so dass ihre Anwesenheit im ersten Moment gar nicht jedem auffiel. Doch mit dem ersten Takt nahm sie Anlauf, sprang in einen Handstandüberschlag, der in einem Salto über die Gruppe der Spielleute hinweg führte, so dass sie direkt vor diesen wieder auf dem Boden aufkam. Das war nicht mit diesen abgesprochen gewesen, da ihr das eben spontan eingefallen war, so dass der Flöte Gertas tatsächlich ein falscher Ton entfleuchte, doch zum Glück fingen sich die Musikanten schnell wieder, und Doratrava tanze eine Variation des Tanzes, welchen sie während der Übungen mit denselben entwickelt hatte. Was ihr knappes Kleid an fliegenden Röcken vermissen ließ, machte sie mit der ihr eigenen Exotik, Anmut und Kunstfertigkeit, gepaart mit ihrem strahlenden Publikumslächeln, mehr als wett, und mehr als einem der Zuschauer drängte sich der Vergleich mit einem fröhlich im Sonnenschein von Blüte zu Blüte flatternden Schmetterling auf, wie sie so ihre Kreise und Figuren mal hierhin und mal dorthin drehte, bis das Stück schließlich zu einem Ende kam und Doratravas letzte Schritte in eine schwer atmende Verbeugung mündeten.

Nachdem einige Sekunden absolute Stille geherrscht hatte zog Lininaj Corwyn am Rock und flüsterte ihm zu “warum jubelt denn keiner? Darf man das hier nicht? Die Tänzerin war doch toll!” “Wenn du willst dann darfst du jubeln, aber ich denke das hier ist nicht zu RAHjas Ehren sondern zu TRAvias Ehren gespielt worden.” “Und TRAvia ist nicht so impulsiv wie RAHja.” erwiderte die Schülerin leise, “also ist es besser nicht zu jubeln, richtig?” Mit einem zustimmenden Nicken strich Corwyn ihr über den Kopf. “Richtig. Aber ich denke die Tänzerin und die Musikanten freuen sich trotzdem über ein Lob. Zumindest ein leises.” Dann klatschte er leise und hörte erst auf als Doratrava sich wieder aufgerichtet hatte sein freundlichen Zunicken bemerkt hatte. Lininaj tat es ihm gleich. Für den Moment fühlte Doratrava eine Leere in sich, als sie sich aufrichtete, weil die Gäste kaum Notiz von der Darbietung der Musiker, Sänger und ihrer eigenen zu nehmen schienen. Das war sie nicht gewohnt, selbst auf dem Platz vor der Taverne eines kleinen Dorfes applaudierten die wenigen Menschen, die sich dort manchmal zusammenfanden, wenn die Gauklerin an einem regnerischen Tag ihre Aufwartung machte und die einfachen Leute erfreute - oder sie erschreckten sich vor ihrer ungewöhnlichen Erscheinung, das kam auch gelegentlich vor. Da bemerkte sie einen stattlichen Mann in grün-gelber Gewandung und ein Mädchen in einem grünen Kleid, welche sehr dezent in die Hände klatschten und freundlich den Kopf in ihre Richtung neigten. Das tröstete Doratrava ein wenig über den ungewohnten Mangel an Aufmerksamkeit hinweg und sie winkte ebenso dezent zu den beiden hinüber und zwinkerte ihnen zu. „Darf ich?“ Lininaj wippte unruhig auf den Zehenspitzen. „Oh du Floh. Lauf los und benehme dich wie es ein Barde tut.“ manchmal war der Ritter froh, eine noch so junge Schülerin zu haben, die ihr Herz so offen tragen durfte. Das Mädchen rannte auf die Gauklerin zu. „Ihr seid ein wahrlich rahjagefälliger Anblick im travianisch klingenden Rausch der Musik gewesen“, rief sie laut, wenn auch leicht über die Worte stolpernd über den Platz bevor sie kurz vor Doratrava mit einer theatralischen Geste stehen blieb und die Arme ausbreitete, um anschließend voller Inbrunst auszurufen: „Welch eine wundervolle Darbietung! Welch ein Auge, Ohr und Herz erfreuender Moment!“ Nur Doratrava bemerkte das kurze genervte Augenverdrehen des Mädchens, bevor dieses sich auf ein Knie sinken ließ und „Danke! Euch und euren Musikern!“ rief, während es die Hände wie verzaubert sich ans Herz presste.

Ziemlich überrumpelt starrte Doratrava das junge Mädchen an und wusste erst nicht, ob sie hier gerade Opfer eines Scherzes wurde. Allzu theatralisch wirkte das Gebaren der jungen Dame, doch ein Blick in ihre glänzenden Augen belehrte die Gauklerin eines Besseren. Da ließ sie sich selbst in die Hocke sinken und fasste das Mädchen an den Armen, um es mit hochzuziehen, als sie wieder aufstand. “Hab Dank für deine freundlichen Worte”, sprach Doratrava mit einem herzlichen, leicht verlegenen Lächeln. Wahrscheinlich war das Mädchen auch eine Adlige, aber der Gauklerin wollte das ‘Ihr’ für so ein junges DIng nicht über die Lippen kommen. “Wie heißt du denn - und ist das dein Vater?” Sie deutete auf den grün-gelb gekleideten Mann, der aufmerksam zu ihnen herübersah. “Ich bin Lininaj und das dort ist Corwyn.” der Arm des Mädchen deutete zu dem jungen Ritter am Rand des Rundes. “Mir hat gefallen was du vorgetragen hast. Du hast wie wir RAHja in deinem Herzen ausgewählt. Da ist doch egal wenn alle anderen hier TRAvia viel toller finden. Wer RAHja mag den mag ich. Vielleicht kannst du mir ja zeigen wie du das mit dem Tanzen machst. Das bringt Meister Corwyn mir nämlich nicht bei.” Die junge Dame schien kurz zu überlegen, dann blickte sie über die Musiker der Gänsepfeiffer. “Wenn die Musiker dich nicht mehr brauchen, dann besuche mich und Corwyn doch mal. Wir haben unser Zelt auf dem Zeltplatz. Das gelbgrüne neben dem blauweisen von Vitold.” Nach einer Verbeugung verschwand Lininaj breit grinsend wieder im Publikum bei Corwyn, der kopfschüttelnd, aber zufrieden dem Mädchen über den Kopf strich.

Fedora begann nach der Darbietung der Tänzerin und der Gänsepfeiffer zögerlich zu klatschen, bevor nach und nach auch die anderen Gäste und Anwesenden, sowie die Gastgeber in den Applaus einfielen.

Überrascht schaute Doratrava auf. Sie hatte nicht mehr mit dem Applaus gerechnet, doch plötzlich hatte diese ältere, edel gekleidete Frau begonnen zu klatschen, vielleicht als Reaktion auf die überschäumende Lobpreisung des Mädchens? Das hatte wohl nach und nach die anderen Gäste und sogar die Gastgeber animiert. Erfreut verbeugte sich Doratrava erneut in alle Richtungen und wies in einer weit ausholenden Geste auch auch die Musiker und Sänger, die den Applaus ebenso verdient hatten wie sie.

Rahjalind beobachtete die Gauklerin, mit der sie sich zuvor noch nett unterhalten hatte ganz genau. Die junge Novizin war, was das Tanzen anging, ja quasi vom Fach und dennoch, oder gerade deswegen, bestand Doratrava vor ihrem kritischen Blick und brachte die junge Adelige durch ihre Leistung dazu anerkennend zu nicken.

Schon nach den ersten Takten erschien die Traube von Menschen, angeführt von seiner Hochwürden Winrich von Altenberg - Sturmfels, auf der Festwiese. Der siebzigjährige, untersetzte Hochgeweihte, trug sein voll ergrautes Haar zu einem Almadanerzopf, sein gestutzter Vollbart umrahmte sein freundliches Gesicht und seine orange-braune Robe saß akkurat. Direkt hinter ihm ging seiner Ehrwürden Ademar von Leihenhof, der Praiosgeweihte der Hagrobald vom Großen Fluß zum Herzog krönte. Der junge Mann war hochgewachsen, hatte klare Gesichtszüge und trug seine mittelblonden Haare halblang. Die rotgoldene Robe und halbhohe Filzmütze waren aufwendig geschnitten und die zwei Spährenkugeln am Gürtel blinkten in der Sonne. Mit stolzen Gang und das Lied der Walz auf den Lippen schritt Vater Winrich voran und führte die Schar seiner Familie direkt zum großen Pavillon. Vierzehn Altenberger, neun Heiratskandidaten und ihre Eltern, hatten sich herausgeputzt und nahmen unter den neugierigen Blicken der Gäste an ihrer langen Tafel unter dem Sonnenschutz des Pavillons platz. Der Einen oder dem Anderen gelang es jetzt schon einen kurzen Blick auf die etwas auffälligeren Kandidaten zu erhaschen, wie etwa die recht korpulente Praiosgeweihte, die große, breitschultrige Frau mit dem flammend-roten Haar oder der gutaussehende Höfling im prunkvollen Gewandt.

Der Junker von Trollpforz erhob sich, als er sah, dass die Heiratskandidaten und -kandidatinnen kamen. Mit vor der Brust verschränkten Armen musterte er die Schar derer von Altenberg aufmerksam bis er sie sah, jene Frau wegen der er die lange Reise auf sich genommen hatte- Sabea. Thankreds Augen folgten ihr verzückt, bis sie sich an die lange Tafel setzte. Auch Rondradin verfolgte gespannt den Auftritt der Altenberger. Sein Herz schlug schneller als er Gelda ausmachen konnte. ‘Wie schön sie doch war.’ Wie gebannt folgten die Augen seiner großen - unerreichbaren - Liebe. Er unterdrückte einen Seufzer und zwang sich den Blick etwas anderem zuzuwenden, bevor er doch noch etwas Dummes tat. “Wahrlich liebreizend.” murmelte er leise.

Rahjalind erfreute sich an der Optik des Aufmarsches der Altenberger Kandidaten. Sie waren allesamt hübsch anzusehen und ihre Gewänder und Frisuren waren aufwendig. Dennoch konnte sie diesem Prozedere nicht viel abgewinnen. Wie auf dem Viehmarkt schienen sie der versammelten Gästeschar vorgeführt zu werden, weshalb die Rahjadienerin sich zuvorderst darauf beschränkte in die Gesichter der jungen Männer und Frauen zu blicken. Es war klar, dass einige davon begeisterter waren als andere. Die Novizin schüttelte ihr Haupt. Sie fühlte Mitleid in sich aufsteigen und nahm sich vor mit einzelnen Kandidaten das Gespräch zu suchen. Nicht unbedingt um zu werben, sondern weil sie sich denken konnte, dass einigen zum Reden zumute war.

Andesine hatte die Hände brav vor ihrem Schoß gefaltet und betrachtete nun die vorbeiziehenden Mitglieder der Familie Altenberg. Ihr Hauptaugenmerk lag dabei auf diesen gutaussehenden Höfling. Das musste wohl Elvan von Altenberg sein, von dem Rondradin gesprochen hatte. Nett anzusehen war er ja, aber - sie warf dem neben ihr stehenden Linnart einen raschen Blick zu - was war mit dem Rest? Sie trat näher an den Bannstrahler heran und flüsterte in dessen Ohr. “Na, was meint Ihr zu den Damen derer von Altenberg? Ist da jemand auf den ich eifersüchtig sein müsste?” Linnart schenkte ihr auf diese Frage hin ein vielsagendes Lächeln. Er kannte die Familie Altenberg nicht und hatte sich demnach auch noch kein Bild von den Teilnehmern machen können. Der Ablauf des Aufmarsches sagte ihm jedoch nicht ganz zu, was ein leichtes Zucken seiner Mundwinkel belegte. Das letzte Mal hatte er eine solche Inszenierung am Rossmarkt in Elenvina gesehen, als man die Zuchtstuten vor den potenziellen Käufern im Kreis geführt hatte. Ja, seine Familie war weit weg davon perfekt zu sein oder vom Gros der Adeligen des Herzogtums als wertvolles Mitglied der Adelschaft anerkannt zu werden, doch insgeheim war der Ritter froh darüber, dass ihm solcherlei Dinge erspart blieben. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens, in welcher er die Damen der Familie Altenberg eingehend beäugt hatte, wog Linnart nachdenklich seinen Kopf. In der Tat gab es zwei Frauen, deren Anblick seinem Auge schmeichelten. Eine äußerst attraktive junge Dame mit hellbraunem Haar und einnehmenden Augen, die nach Ärger aussah, was ihn jedoch stets gereizt hatte. Und dann auch noch ein zierliches Mädchen mit kastanienrotem Haar und grünen Augen. Ihre Körpersprache war das komplette Gegenteil der anderen, wirkte sie in erster Linie doch züchtig und freundlich. Wohl eine junge Frau, die sofort reißaus nehmen würde, wenn sie vor seine Mutter trat, während erstere Adda wohl bis aufs Blut ärgern würde. Der Blick des Bannstrahlers ging nun wieder zurück Andesine. Er schenkte ihr ein warmes Lächeln. "Ihr müsst nicht eifersüchtig sein, Andesine. Nirgends lieber wäre in diesem Moment als hier bei Euch." Sein Blick ging noch einmal hinunter zu den Altenbergern. "Was jedoch nicht heißt, dass ich Euch von den anderen Männern abhalten möchte." Linnart wusste, dass er kein Recht dazu hatte eifersüchtig zu sein, obwohl er natürlich nicht glücklich darüber wäre wenn sich die Wasserthalerin auch noch anderweitig umzusehen gedachte.

Als die anderen Gäste wieder ihre Sitzplätze einnahmen, hielt die Wasserthalerin den Bannstrahler zurück. “Bitte wartet.” Sie wirkte ungewöhnlich ernst, als sie Linnart musterte. “Ich werde mich heute noch mit anderen Männern unterhalten und ich erwarte, dass Ihr ebenfalls mit einigen der anwesenden Damen sprechen werdet. Schließlich wird das von uns erwartet.” Um einem Einwand zuvorzukommen, legte sie ihren Finger auf seinen Mund. “Aber seid versichert, keinem wird es gelingen mein Herz zu erobern. Denn wisst ihr?” Plötzlich wirkte sie ein wenig verlegen, aber auch wenn ihre Wangen sich röteten, sie hielt seinem Blick stand und ihre blauen Augen schienen von einem inneren Feuer zu strahlen. “Es wurde mir bereits geraubt. Und sollte dieser Schuft mir heute Abend seines schenken, dann darf er das meine behalten und ich werde ihm erzählen, weshalb ich vor ihm Reißaus nahm.”

Linnart sah sie einige Momente lang wortlos an. Das eben gesagte hatte ihm gewissermaßen die Sprache verschlagen und der sonst so vokale Bannstrahler war bereits zum zweiten Mal an diesem Tage sprachlos. Und beide Male war sein Gegenüber der Grund dafür gewesen. Würde Rahjalind ihn in diesem Moment so sehen, dann hätte er wohl schon längst eine schnippische Bemerkung und ihr glockenhelles Lachen zu hören bekommen. Es war ein besonderer Moment und gerne hätte er die Ritterin an sich herangezogen und geküsst, doch war es richtig was sie sagte. Es wurde von ihnen erwartet, dass sie sich als Gäste der Brautschau auch als solche verhielten. Das gebot alleine schon der Respekt vor den Gastgebern. Andesine konnte in seinem Blick jedoch ganz deutlich erkennen, dass es dem Ritter wohl genauso ging wie ihr. Linnart nickte ihr zu. "Wenn ich es dir noch einmal schenken könnte würde ich das tun", flüsterte er, griff nach ihrer Hand, drückte sie fest mit der seinen und legte sie dann auf seine Brust. “Leider habe ich nur eines und das gehört bereits dir.”

Andesines Herz setzte für einen Moment aus, nur um dann doppelt so schnell zu schlagen. In seinen Augen suchte sie Zeichen dafür, dass Linnart es wirklich ernst meinte und fand diese auch. Ihr Augen - nein ihr ganzes Wesen - schien zu strahlen. “Ich liebe dich.” Sie küsste die Fingerspitzen ihrer Linken und legte sie alsdann auf die Lippen Linnarts. Zu gern hätte die Ritterin den, nein, IHREN Ritter einen intensiven, leidenschaftlichen, nie enden wollenden Kuss geschenkt, aber das verbot sich derzeit noch. “Später.” sagte sie leise, sowohl zu Linnart als auch zu sich selbst. Sie zog sich wieder etwas von ihm zurück, aber ihr Blick versprach, dass sich das Warten lohnen würde. “Komm, lass uns wieder zurück gehen.”

Linnart nickte ihr zu. Es kam ihm nicht ganz ungelegen, dass sich die beiden nun wieder auf ihre Plätze begaben und er so ein paar Momente Zeit hatte um seine Gedanken zu ordnen. So schön es war, was Andesine zu ihm gesagt hatte ... es machte ihm ein bisschen Angst. Der junge Ritter hatte stets Liebschaften. Er war es gewohnt, dass Frauen ihn anhimmelten, doch hielt er sie stets auf Distanz. Er ließ keine davon nahe an sich heran, oder gar in sein Herz. Und jetzt sandte ihm Rahja auf einer Veranstaltung, die er gar nicht besuchen wollte, solch ein wunderbares Geschöpf und all das was er bisher über sich selbst zu wissen gedachte, war in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt. Die Situation verselbständigte sich vor seinen Augen und Linnart schien nicht mehr der Herr über seine Handlungen und Taten zu sein - nein, es fühlte sich ganz so an als hätte sich eine andere Macht seines Herzens bemächtigt und sein Kopf würde sich von nun an mit der Zuschauerrolle zufrieden geben müssen. Als sie sich wieder gesetzt hatten, strahlte der Bannstrahler die Ritterin mit seltsam glänzenden Augen an. Er küsste ihren Handrücken. "Ich ... ich ...", stammelte der sonst so beredte Ritter, "... ich weiß nicht was ich sagen soll." Auch wenn er es nicht sagen konnte, Andesine konnte in diesem Moment seine Gefühle deutlich spüren. "Ich möchte dich meiner Familie vorstellen wenn das hier vorbei ist." Linnart wusste, dass dies noch eine Hürde für eine gemeinsame Zukunft gewesen war. Nicht weil seine Eltern sich dagegen stellen könnten, nein, dahingehend war seine Familie eben nicht so wie viele andere Adelsgeschlechter. Ihm ging es mehr darum, dass Andesine mit den Eindrücken in Linnartstein vielleicht nicht zurecht kommen konnte.

Sie lächelte ob Linnarts Gestammels, das ihn in Andesines Augen noch liebenswerter machte. Liebevoll strichen ihre Fingerspitzen über seine Wange. “Aber natürlich! Ich würde sehr gerne deine Familie kennenlernen. Außerdem möchte ich, dass du auch die meine kennenlernst.” Leise Zweifel begannen an ihr zu nagen. Was würden wohl Linnarts Eltern zu ihr sagen? Ist sie ihnen gut genug für ihren Sohn? Was würde Linnart zu Andesines Familie sagen? Ihre Familie gehörte ebenfalls zum Neuadel und sie waren bei weitem nicht so reich, wie es Familie Linnarts. Und was würde ihre Familie zu Linnart sagen? Ihr Vater wird sich für sie freuen, da war sich Andesine sehr sicher. Beim Familienoberhaupt, Dorcas von Wasserthal lag der Fall schon anders, er wollte die Familie voranbringen. Anders als die Ritterin legte dieser großen Wert auf Familienname, Rang und Titel. Ihre Hand begann leicht zu zittern. Linnart konnte die plötzlich aufkommende Unsicherheit Andesines deutlich fühlen. In seinem Gegenüber lesen zu können war für ihn berufliche Notwendigkeit und es war schwer dies im Privatleben abzustellen. "Was ist los, Liebste ...", flüsterte er ihr zu, "... möchtest du darüber reden?"

Andesine lächelte verlegen. “Es ist nichts.” Versuchte sie abzuwiegeln. “Ich habe mich nur gefragt, was wohl deine Eltern von mir halten werden. Und mein Onkel, unser Familienoberhaupt, von dir.” Ihre Hand suchte die seine, das Zittern war aber immer noch da. Der Angesprochene lächelte ihr aufmunternd zu. "Meine Eltern werden dich mögen ...", sprach der Ritter zuversichtlich, "... Mutter wird wohl ihren Augen nicht trauen können, wenn ich ihr solch einen Goldschatz vorstelle." Seine Familie würde keine Schwierigkeiten machen, da war sich Linnart sicher. "Freie Entscheidungen werden bei uns im Haus hoch gehalten. Nie würden meine Eltern auf die Idee kommen, mich in hübsche Gewänder zu stecken und einer Gruppe von Junggesellinnen vorzuführen." Er sprach es nicht aus, aber Andesine wusste genau, dass er damit die Brautschau hier meinte. "Sie werden dich akzeptieren und mögen, das kann ich dir sogar versprechen." Der junge Bannstrahler ließ abermals ein Lächeln folgen. Eigentlich war es vielmehr die Frage ob denn Andesine seine Eltern mögen würde, doch sprach er diese Bedenken vorerst nicht aus. "Was jedoch deinen Onkel angeht ...", Linnart runzelte seine Stirn, "... meinst du er würde mich nicht als ausreichend gute Partie für dich betrachten?" Eine große Last schien von der Ritterin abzufallen, ihre Miene hellte sichtlich auf und sie schaffte es sogar zu lächeln. “Deine Worte machen mir Mut, Liebster. Nun brenne ich darauf deine Eltern kennenzulernen.” Das Lächeln verblasste ein klein wenig. “Was meinen Onkel angeht, nun ja, er hat klare Vorstellungen davon, wie er die Familie voranbringen kann. Solange du kein Grafensohn oder Baronet bist, wirst du seinen Ansprüchen nicht genügen. Seine Meinung ist aber nicht ausschlaggebend. Mein Vater hingegen wird dich lieben, da bin ich mir sicher. Ihm liegt vor allem daran, dass ich glücklich bin und das ist das Wichtigste. Ich habe nur Angst, dass du dich nach dem Treffen mit meinem Onkel vielleicht von mir abwendest.”

Linnart schüttelte entschieden seinen Kopf, dann stahl sich ein kurzes Lächeln auf seine Lippen. "Sei unbesorgt. Ich ging im Kloster unter meinem Großonkel Adelhelm durch eine harte Schule. Mich schreckt das nicht ab. Wichtig ist, dass du an meiner Seite bist ...", er führte ihre Hand zu seinen Lippen und küsste den Rücken, "... und, dass du mit dem Leben glücklich bist, das ich dir bieten kann." Der Ritter stoppte und sann kurz nach. "Was deinen Onkel angeht sei gesagt, dass ich nicht nur der Sohn meines Vaters bin, der mir den Namen eines jungen, nur lokal bedeutenden Geschlechts vererbt hat, sondern auch jener meiner Mutter, die uraltem Nordmärker Adel abstammt. Es wird dir bei uns an nichts fehlen. Du wirst dich keinem Feldzug anschließen müssen, so du das nicht willst ...", betonte Linnart bezogen auf Andesines böse Erinnerungen an Mendena, "... wir können uns die in der Ochsenbluter Urkunde festgeschriebene Ersatzsteuer leicht leisten. Du wirst edle, schöne Kleider tragen, wenn dir daran gelegen ist und Feste als Gastgeberin ausrichten. Du wirst einen eigenen Haushalt haben und wenn du eine Leibzofe möchtest, bekommst du eine. Das lässt sich alles machen." Der Ritter lächelte sie verträumt an. "Es wird dir jedoch nichts aufgezwungen werden. Freiheit innerhalb der Familie ist uns wichtig und oberstes Gebot." Beinahe schien es als wollte der Linnartsteiner damit enden, als er noch einmal lächelnd nachsetzte. "Doch bei aller Freiheit verspreche ich dir, dass ich stets loyal an deiner Seite stehen werde, genauso wie ich jetzt loyal zum Herrn Praios und dem Orden stehe." Es verlangte Andesine alles ab, Linnart nicht zu küssen. Nicht wegen der schönes Lebens, welches er ihr versprach, sondern einzig und allein deshalb, weil er an ihrer Seite sein wollte. Stattdessen nahm sie seine Hand und schmiegte ihre Wange hinein. “Das einzige was ich brauche bist du, mein Herz.” meinte Andesine, ihre Augen geschlossen, ganz die Wärme und Berührung seiner Hand auf ihrer Haut genießend. Linnart fühlte ihr Verlangen und die gegenseitige Zuneigung in diesem Moment ganz deutlich. Er genoss es, doch es marterte ihn auch zu wissen, dass er in diesem Moment seine Hände und Lippen von ihr lassen musste. Der Ritter blickte sich um. Überall schienen die Gäste damit beschäftigt zu sein Gespräche zu führen, oder von den Häppchen zu kosten. Er biss sich auf seine Unterlippe. "Und jetzt ...", flüsterte er, "... sollen wir uns ... umsehen?" Es schmerzte ihn sie gehen zu lassen, auch wenn es nur für einen kurzen Zeitraum sein sollte, doch sie mussten den Schein wahren - so hatten sie es besprochen.

Schweren Herzens nickte Andesine. Linnart hatte recht, sie sollten sich unter die Leute mischen, so schwer es ihr fallen würde, ihn - vorerst - loszulassen. Auf der anderen Seite fiel es ihr in Linnarts Nähe immer schwerer, ihn nicht zu küssen oder körperliche Nähe zu suchen. Seufzend richtete sie sich auf. “Du hat recht, das sollten wir wohl tun.” Es hatte keinen Sinn noch länger zu verweilen, es würde nicht leichter werden. “Später soll es die Möglichkeit geben frei durch den Park zu schlendern. Treffen wir uns dann beim Rahja-Schrein?” Der Ritter erhob sich aus seinem Stuhl und nickte ihr bitter lächelnd zu. Am Liebsten würde er wohl jetzt schon zum Schrein aufbrechen. "Bevor du gehst ...", hielt Linnart sie noch kurz auf und zog sich einen weißgoldenen Ring von seinem kleinen Finger, "... als Versprechen und damit du mich nicht vergisst." Er nahm Andesines schlanke Hand in die seine und schob ihr das kunstvolle Kleinod sachte auf den Daumen. Es passte. "Rahjaschrein ...", bestätigte der junge Bannstrahler dann, "... ich freue mich darauf." Überrascht starrte Andesine erst Linnart, dann den Ring und schlussendlich wieder Linnart an. “Ich weiß nicht was ich sagen soll. Vielen Dank!” Sie überbrückte die Distanz zwischen ihnen, so dass er den Duft von Lavendel wahrnehmen konnte, der von ihr ausging. und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. “Wie könnte ich dich jemals vergessen?”, flüsterte die Ritterin liebevoll in sein Ohr und biss zärtlich in sein Ohrläppchen. Als sie wegging, warf sie ihm noch einen letzten verliebten Blick zu, dann wurde sie von anderen Gästen verdeckt.

Nachdem wieder Ruhe einkehrte, stellte sich der Hochgeweihte der Travia zusammen mit dem Geweihten des Praios und dem Geweihten der Rahja in die Mitte des Pavillon, so dass alle Gäste sie sehen konnten. Vater Winrich öffnete einladend seine Arme und erhob seine Stimme, so dass alle ihn hören konnten.

“Oh heilige Travia, oh gütige Mutter. Siehe auf uns herab, denn dein Ruf wurde vernommen. Aus allen Teilen des Reiches sind sie angereist, um hier als Gast im Kreise der Familie Altenberg einen Gefährten für den Lebensbund zu finden, um Freundschaften zu schließen und Treue zu schwören. Mit dem Segen des Götterfürsten Praios, der gütigen Mutter Travia und der liebholden Rahja heiße ich euch alle auf dieser Brautschau willkommen.“ Er machte eine Pause, während ein laues Windchen die Planen des Sonnenschutzes der Pavillons kurz zum Aufblähen brachte. “Zur Rondrastunde werden wir mit dem Vorstellen der Junggesellinnen und Junggesellen beginnen. Bis dahin stehen ich und meine Brüder im Glauben, Ehrwürden Ademar von Leihenhof und seiner Gnaden Rahjel von Albenhus, für jeden zur Verfügung, den es um geistigen Beistand bedarf.” Mit zufriedenen Blick gab Vater Winrich der Bardin ein Zeichen und die ´Gänsepfeiffer´ begann wieder an zu spielen. Langsam schritten die drei Geweihte die Holztreppe herunter und warteten in der Mitte des Platzes, ob es jemanden gab, der ihre Nähe suchte.


Der Baron von Galebquell war verärgert. Wenn es etwas gab das er verachtete, war es Unpünktlichkeit. Und ausgerechnet betraf es diesmal ihn uns seine Familie. Unglücklicherweise gab es einen Radbruch der Kutsche die ihn und seine Familienmitglieder nach Herzogenfurt brachte. Eigentlich wollte er zu Pferd kommen, doch seine geliebte Gemahlin Jileia stimmte ihn um, des Anlasses wegen, etwas vornehmes zu wählen. Allerdings war das Kind nun in den Brunnen gefallen und es blieb ihm nichts anderes übrig als diese zur Eile zu ermahnen. Viel Zeit gab er ihnen nicht, sich auf Burg Herzogenfurt einzuleben und herzurichten, die Tore des Garten waren bereits geöffnet. Mit schnellen Schrittes voranschreiten, folgten ihm seine Vetter Lucrann und die Geschwister Lucasta und Ingeras, sowie sein Knappe, der junge Adamar von Firnholz. Am Tor wurden sie dann von einem Diener zur Festwiese geleitet und auf ihre Sitzplätze geleitet. Ein letzter strenger Blick an seine jüngeren Verwandten machten klar: ´Benehmt euch!´

Im Pavillon des Hochadels (linkerhand)

Die Ansprache hatte geendet und das leichte Schnarchen der Traviageweihten war allen Hochadligen gewahr. Doch lange mussten die Gäste ihr nicht lauschen, denn kurze Zeit später betraten weiter Leute den Pavillon des Hochadels. Angeführt wurden sie von einer Frau die dreißig Sommer schon überschritten hatte. Sie war von kleinem Wuchs und hatte eine gedrungende, üppige Figur. Ihr rundliches Gesicht war mit Sommersprossen übersät, die Augenbrauen sanft geschwungen und das Lächeln äußerst freundlich. Eindringlich waren jedoch ihre grünen Augen mit den grauen Einsprengseln, die fast silbrig wirkten. Die Fältchen um diese verrieten, dass sie den Schalk im Nacken trug. Das rotblonde Haar war unter einem braunen Leinenhäubchen verborgen, das in Strähnen hervorlugte. Der kräftige Oberkörper war in einem orangefarbenden Leinenhemd, dessen Ausschnitt großzügig geschnitten war. Ein breiter Gürtel, eine Umhängetasche und ein grüner Leinenrock schloß das ganze ab. Das ihr heiß war, war kaum zu übersehen. Der Schweiß rann ihr die Stirn hinunter und gaben ihren Nacken und Ausschnitt einen Glanz. Gleich hinter ihr stand ein wohl ansehnlicher junger Mann von vielleicht sechzehn Götterläufen. Er trug sein rotbraunes Haar kinnlang, seine strahlenden grünen Augen hoben sich von seiner leicht gebräunten Haut ab und seine Lippen waren voll und sinnlich. Er trug knielange grüne Hosen und ein Leinenhemd mit weiten Ausschnitt, das einen Einblick auf seine athletische Brust gab. In seinen Händen hielt er ein Tablett mit mehreren Schälchen. Weiter Diener warteten mit Krügen in den Händen. “Hohe Herrschaften, ich bin die Küchenmeisterin Victualia vom Lilienhain und zuständig für Leib und Wohl der Gäste am heutigen Tag.” Sie machte kurz einen Knicks. “Ich habe eine Herzogenfurter Köstlichkeit mitgebracht, so wie Wein und Wasser. Mein Neffe Servusian hier”, sie deutete auf den jungen Mann hinter sich,”wird sich um euer Wohl für den Rest des Tages kümmern.” Mit einem Wink ihrerseits begannen die Gehilfen den Gästen Wein oder Wasser einzuschenken. Victualia ergiff zwei der Schälchen “Herzogenfurter Liebling. Ein Weichkäse mit einer Beerensoße. Wer möchte?”, fragte sie mit freundlicher, glucksender Stimme.

Thalissa hatte seit einem recht frühen Frühstück nichts mehr gegessen und nun schon einen halben Schnaps und einen halben Kelch des Weines intus, so dass ihr Magen durchaus so langsam nach einer Grundlage verlangte. Also gab sie der Küchenmeisterin einen zustimmenden Wink. Ein fragender Blick traf Tar’anam, doch der schüttelte fast unmerklich den Kopf und behielt seine Position unverrückbar bei.

Fedora war sich dessen bewusst, dass sie so manches Mal die Einstellung ihres Bruders zu solchen Banketten und Gelagen verachtet hatte, der sich den Bauch voll schlug auf Kosten anderer und immer meinte: “Wenigstens was gutes essen kann man ja, wenn man schon sonst nichts dort erreicht.” - Nun aber dachte sie (schändlicher Weise, wie selbst zugeben musste) fast die gleichen Gedanken, und bestellte sich gerne den Weichkäse. “Habt Dank, das sieht köstlich aus.” (Wenigstens ein Lob an die Küchenchefin musste drin sein.) “Gerne.” Rajodan nahm ebenfalls eines der Schälchen entgegen, während er kurz die Frau musterte, die sie verteilte. “Wundervoll, Vicutalia, wie immer.” Zufrieden nahm Selinde von Schweinsfold ein Schälchen mit dem Käse entgegen. “Ihr müsst wissen, dass Victualia schon seit fast einem Götterläuf die Herrin meiner Küche ist - und sie hat ein außergewöhnliches Gespür für eine wahrhaft feine Küche. Wartet erst, bis sie euch die echten Tannwalder Würste kredenzt, die es heute noch geben wird. Ein wahres Gedicht!” Die rundliche Victualia lief kurz rot an. “Ihr seid zu gütig, euer Hochgeboren. Ich werde weiterhin versuchen die Zungen der hohen Gesellschaft zu beglücken. Nun, ich muss wieder in das Zelt. Gibt es irgendetwas, wendet euch bitte an Servusian.” Sie machte nochmals einen Knicks, nickte dem jungen Diener zu und machte sich auf zum Küchenzelt.

Auch Servusian begann mit dem verteilen und fing mit der jüngsten am Tisch an. Galant schmiss er sein Stirnhaar aus dem Gesicht und strahlte sie mit seinen grünen Augen, die ebenfalls diesen silbrigen Schimmer besaßen, an. “Möchtet ihr den Herzogenfurter Liebling, euer Wohlgeboren?” Das Mädchen wurde ein wenig rot als Servusian sie ansprach. “D..Danke.” sagte sie leise und ergriff das Schälchen, das er ihr hinhielt. Sie bedankte sich mit einem freundlichen Lächeln. Ihre blauen Augen bildeten einen interessanten Kontrast zu ihrem dunklen Haar und der sanften Röte, die auf ihren Wangen lag. Er lächelte und offenbarte eine Reihe, reinweißer Zähne. “Ich stehe zu euren Diensten … Wohlgeboren!” sagte Servusian leise genug, dass nur sie Luzia es hören konnte. Der Lilienhainer nahm einem Diener eine Karaffe aus der Hand. “Wein?”

Noch etwas mehr bezaubernde Röte trat auf die Wangen des jungen Mädchens. “D..Danke.” Still schalt sie sich eine Idiotin. Er war nur ein Küchenjunge. Ein Küchenjunge und sie eine Baroness. Ihren Vater hatte sie heute schon ausreichend gereizt. Und bei ihm den Bogen zu überspannen war in der Regel sehr unangenehm und nicht eben gesund. Sie seufzte und beäugte noch einmal den Jungen von oben bis unten. Er war irgendwie süß und seine Anwesenheit ließ ihr Herz schneller schlagen. “Wein klingt gut.” sagte sie und lächelte ihn an. Sie konnte nicht anders. Ohne zu zögern goß er der jungen Baroness ein. Dabei kam er ihr so nahe, das sie die Wärme seines Körpers spüren konnte. Der Diener roch nach wilden Kräutern und etwas … Anregendem. Dann lächelte er sie nochmals an und stellte sich an den Rand.

Luzia seufzte. Das einzige männliche Wesen hier. Und er war ein Küchenjunge. Sie sah ihm noch einen Moment nach, dann verzog sich ihre Miene wieder zu dem abweisenden, sauren Gesicht einer Heranwachsenden ohne Wunsch, positiv aufzufallen. Einige Momente nachdem die Baronin von Firnholz den Pavillon verlassen hatte, kam ein neuer Besucher hinzu. Noch etwas schnell atmend und mit glänzender Stirn betrat der junge Baron von Galebquell den Pavillon der Hochadligen. Er schaute sich kurz um. Alle waren beim Essen, aber die neugierigen Blicke trafen ihn. Gerade die dreißig Götterläufe überschritten trug er sein volles, braunes Haar kurz, auf dem die Baronskrone ruhte und seine Wangen waren frisch geschabt. Die klaren, braunen Augen, die etwas längliche, gerade Nase und das ausgeprägte Kinn gaben ihm etwas aristokratisches. Um den Hals trug er ein Schlangenhalsband aus Messing, das ihn als Consor der Hesinde-Kirche auswies. Sein teurer Brokatwams war in Grün- und Blautönen und das Wappen Galebquells, ein goldener, rechts stehender Widder auf blauen Grund, zierte auf seiner Herzseite. Wer den Baron kannte, wusste, dass er vermögend und einflussreich war. Aufgrund seiner Position als Niederadliger Kammerrichter mangelte es nicht an Einfluß bei Hofe. “Travia zum Gruße, verzeiht mein spätes Eintreffen zu diesem besonderen Fest. Ich bin Roklan Boromar von Leihenhof, Baron von Galebquell. Ich danke euch für diese Einladung!”, sagte er laut und höflich, die Worte an die Traviageweihte gerichtet. Mutter Elva schaute erst ernst, doch dann lächelte sie. “Wir sind froh, dass ihr es schaffen konntet, euer Hochgeboren. Nehmt Platz und fühlt euch in Travias Namen willkommen!” Mit einem Wink gab sie dem jungen Servusian zu verstehen, Roklan und seinem Gefolge etwas zu essen und zu trinken zu servieren. Roklan derweil suchte sich seinen Platz und nickte seinen Standeskollegen zu.

Ah endlich ein Mann. Doch auch dieser war verheiratet. Es war ein Jammer. “Und für wen sucht ihr hier die Augen offenzuhalten?” fragte Rajodan den Neuankömmling. Nachdem er einen Schluck vom Kelch nahm, beugte Roklan sich etwas vor, um den Baron etwas näher zu betrachten. Natürlich kannte er den Baron von Eisenstein, nicht persönlich, aber er wußte um ihn und seinen Ruf. Auch dass er nicht ganz grün mit dem Rabensteiner Baron war. “Ich vertrete die Interessen meiner Familie. Mein Vetter, der Junker Lucrann von Leihenhof, sowie wie die Kinder der Erbvögtin von Niedergalebra, Lucasta und Ingeras. Sein Blick wanderte vom Baron zu dessen Tochter. Von seiner Mädchenschar hatte er auch gehört. Roklan war allerdings auch an den beiden Baroninnen interessiert. Von beiden wußte er das sie neu im Amt waren … und ledig. Er prostete allen zu. “Ich nehme an, ihr schaut euch die Junggesellen etwas näher an?” wobei nicht klar war, an wen die Frage wirklich gerichtet war.

“Das hängt unbedingt damit zusammen, was es zu sehen gibt.” Selinde lachte auf die direkten Worte des doch ganz ansehnlichen jungen Mannes. “Und Ihr? Ihr habt ein Auge auf die mögliche Wahl eurer Verwandten? Haben diese denn bereits eine Entscheidung getroffen, mit der Ihr zufrieden sein könnt?” Ihre schlanken Hände strichen über das glatte, seidige Fell ihres Katers, der es sich auf ihrem Schoß gemütlich gemacht hatte und die Welt um ihn herum aus schmalen, goldenen Augenschlitzen höchst aufmerksam beobachtete. Thalissa hatte den Neuankömmling etikettegemäß begrüßt. Da sie schon mehrfach mit seiner Tante Ivetta von Leihenhof unterwegs gewesen war, kannte sie Roklan vom Hörensagen und war entsprechend gespannt, ihn einmal persönlich kennenzulernen. Für den Moment beschränkte die Baronin sich allerdings auf die Rolle der Zuhörerin. Ihr Blick kreuzte sich mit dem des Katers. Irgend etwas an dem Tier irritierte sie, aber sie konnte das Gefühl nicht greifen und wandte ärgerlich den Blick ab von den goldenen Augen des Katers, um sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.

“Leider bin ich dazu noch nicht gekommen, meine Werte. Einige Namen wurden mir allerdings schon zu geflüstert.” Ein leichtes Schmunzel offenbarte sich in seinem Gesicht. “Einige Junker sind recht vielversprechend, allerdings bei den Damen nur wenige.” Roklans Blick wanderte zur Baronin Thalissa. “Auch wenn ihr nicht suchen möget, aber die Junker sind recht interessant.” Nun wanderte der Blick zur Baronin Selinde. “Und mache Baronien könnten auch starke Bündnisse gebrauchen.” Wieder betonte er die Worte so, dass niemand wußte, wen er meinte. “Nun. Dann teilt doch euer Wissen, anstatt um den heissen Brei herum zu reden.” Rajodan grinste den anderen an, während seine Tochter betont uninteressiert an ihrem Kelch nippte. “Allerdings”, stimmte Thalissa ihrem Standesgenossen zu und veränderte ihre Sitzposition. Und wieder fehlte ihr der Fächer und sie musste ebenfalls beim Weinkelch Zuflucht suchen.

“Gemach, gemach. Ich wollte nicht geheimniskrämerisch sein. Ich sage nur, wir sollten uns die Bewerber genauer anschauen. Einer der Junggesellen mit einer gutsituierten Junkerei kommt sogar aus meiner Familie, daher für mich eher uninteressant. Selbst bei den Altenberger gibt es ein … zwei Kandidaten, die zwar kein Land, aber durchaus ambitioniert genug sind, um das Ansehen anderen Häusern im Reiche zu stärken.” Roklan lächelte. Ein kurzes Husten erinnerte die Barone, dass die Traviageweihte Elva anscheinend wieder erwacht war. “Möge Travia liebende Familien zusammenführen.”, kommentierte sie das Gespräch und lächelte dabei Luzia an. “Habt Ihr auch Namen, Hochgeboren?” fragte Thalissa direkt, ohne die Traviageweihte für den Moment zu beachten.

“Sicherlich. Milian von Altenberg ist ein Höfling vom Hofe in Gratenfels. Seine Mutter ist die Rektorin der Rechtsschule dort. Und hat somit gute Kontakte zur Praiosgeweihtenschaft. Und die junge Durinja von Altenberg ist jetzt schon eine Adlige die sicher ist auf dem höfischen Parkett. Zum Beispiel.” Sein Blick wanderte zur Baronin von Schweinsfold. Das der junge Milian auch mit dem Hause Schweinsfold verwandt war, ließ er aus. “Hm.” Mehr gab Thalissa nicht von sich, es klang ein wenig abwartend, vielleicht auch auffordernd. “Nun ja.” Stimmte Selinde zu. Sie erwiderte den Blick des Leihenhofers und hob eine Augenbraue. “Ihr sprecht, als hättet ihr jemanden bestimmtes im Auge?`” Roklan lächelte freundlich zurück. “Ganz sicher bin ich mir noch nicht. Ich warte erstmal die Vorstellung ab.” Sein Blick wanderte zur Zofe Melisande, dann zu Thalissa. “Eure Zofe stammt auch aus gehobenen Hause?” fragte er direkt. Etwas überrascht über die Wendung des Gesprächs warf Thalissa ihrer dunkelhäutigen Zofe einen Blick zu, den diese genauso überrascht zurückgab. “Durchaus”, wandte die Baronin sich wieder Roklan zu, “sie stammt aus einer angesehenen Neethaner Familie und verdient deshalb die Anrede ‘Signora’”. Sie machte eine kurze Pause, als würde sie überlegen. “Warum fragt Ihr?” “Reine Interesse. Wenn sie noch unvermählt ist, wäre sie ja auch eine gute Partie für den ein oder anderen Junker, Edlen oder Ritter. Bündnisse die einem zu gute kommen könnten, wenn man selbst schon gebunden oder noch nicht bündniswillig ist, denkt ihr nicht?” Mit einem schmunzeln, nahm er ein Schluck vom Wein. Thalissa hatte sich bei der Frage fast schon so etwas gedacht. Tatsächlich hatte sie im Vorfeld ihres Besuchs überhaupt nicht daran gedacht, dass ihre treue Zofe Ziel gewisser Begehrlichkeiten werden könnte, ein Versäumnis, dass nun zu … interessanten Verwicklungen führen konnte. Allerdings war Melisande für sie nicht nur ein Spielstein, wie offensichtlich nicht wenige andere junge Adelssprösslinge hier für ihre Eltern. Ein kurzer Blick zu ihr offenbahrte Thalissa einen kurz aufblitzenden unwilligen Ausdruck im Gesicht der Zofe, die sich aber gleich wieder im Griff hatte. Die Baronin beschloss, diesem Thema eine etwas andere Richtung zu geben. “Da mögt Ihr durchaus recht haben, Hochgeboren. Tatsächlich ist nicht nur meine Zofe unverheiratet, sondern auch der Edle von Hottenbusch, und für diesen wäre es langsam an der Zeit.” Thalissa wies mit der Linken lässig auf den mit stoischer Miene hinter ihr stehenden Tar’anam, doch da sie darauf achtete, nahm sie das Zucken seines linken Auges durchaus wahr. Sie hatte noch eine Rechnung mit ihm offen, da hatte sie kein schlechtes Gewissen bei diesem kleinen Seitenhieb.

“Edler von Hottenbusch.”,wiederholte Roklan den Namen und musterte den älteren Mann. Sofort wanderte sein Gedanke an seine Base Lucasta. Ja sie war ein wenig jung, aber solch ein Gut wäre genau das Richtige für sie. Er schätzte sie genauso wie ihre Mutter ein, eine fähige Verwalterin. “Vielleicht solltet ihr euren Blick auf meine Base werfen. Lucasta.” er deutete auf die Gäste unter dem Sonnenschutz, genau genommen auf das junge Mädchen im weinroten Kleid. Auch wenn die Geweihte der Travia an die 90 Götterläufe war, schien sie immer noch ein Gehör wie ein Luchs zu haben. “Der Edle braucht eine erfahrene Frau an seiner Seite. Meine Prianna ist eine gerechte Frau, die ebenfalls einen erfahrenen Mann braucht.” Nun deutet diese auf den Altenberger Pavillon. Die Frau mit goldener Brille stach aus der Menge heraus.

Zu Roklan gewandt meinte Thalissa mit einem Lächeln, dem ein maliziöser Hauch nicht abzusprechen war, was Tar’anam aber zum Glück nicht sehen konnte: “Gerne, warum nicht. ALlerdings wäre es leichter, wenn Ihr die beiden miteinander bekannt machen könntet, ist doch der Edle von Hottenbusch nicht als großer Redner bekannt.” SIe warf einen Blick nach hinten. Ja, da war etwas in den Augen Tar’anams, was sie sonst nur zu sehen bekam, wenn er sich auch eine Schlacht vorbereitete. Hoffentlich übertrieb sie es nicht. Höflichkeitshalber wandte die Baronin sich nun der alten Traviageweihten zu, nachdem sie einen ausführlichen Blick auf die angepriesene Verwandte geworfen hatte, soweit das aus dieser Entfernung möglich war. “Euer Ehrwürden, das sind weise Worte und ich danke Euch für Euren Hinweis. Doch verzeiht mir meine offene Frage: die Dame Prianna scheint mir schon ein wenig alt zu sein, ist sie denn noch in der Lage, guter Hoffnung zu werden?” “Ich denke das ließe sich einrichten” bestätigte ihr der Baron. Thalissa neigte dankend den Kopf. Zu Tar’anam sah sie jetzt lieber nicht.

Die Alte lächete sie an.”Sicherlich, das mit den Eier legen bedarf ein Wunder der guten Göttin. Aber sie hat einen Sohn aus erster Ehe, den guten Milian. Sein Vater ist leider nach der Hochzeit zu Boron gegangen. Aber” sie dachte kurz nach,” meine Enkeltochter Elvrun könnte einem erfahrenen Mann eine treues Eheweib sein. Sie ist jung und im nächsten Götterlauf erhält sie die Weihe zur Geweihten der heiligen Mutter.” Wenn Thalissa einen Grund fände, auch diese Kandidatin abzulehnen, würde die alte Geweihte vermutlich mit der nächsten Verwandten um die Ecke kommen. Die Altenberger schienen ja ganz offensichtlich sehr reich gesegnet zu sein mit unverheirateten Töchtern. Also nickte sie und antwortete: “Ich werde dem Edlen von Hottenbusch nahelegen, bei der Vorstellung der Damen ein Auge offenzuhalten, Euer Ehrwürden. Dann mögen Rahja und Travia das ihre dazu tun.” Sie wurden jäh unterbrochen, als die Baronin Fedora zurückkehrte. “Roklan, ich hatte gehofft Euch hier zu sehen. Wie geht es Euch?” begrüßte Fedora nun ihrerseits den Baron von Galebquell und Edlen von Leihenhof, dem sie ihren Sohn in Knappenschaft gegeben hatte, nachdem dieser seinen ursprünglichen Knappenvater im Feldzug gen Havena verloren hatte. Sie nahm ihren Weinkelch, welchen Sie vorher auf dem Tisch hatte stehen lassen, bevor sie Rajodan von Keyserring verlassen hatte. Sie prostete Roklan zu. “Fedora, was für eine schöne Überraschung. Ich muss ehrlich gestehen, ich habe mit eurer Anwesenheit gar nicht gerechnet. Habt ihr euren Sohn Adamar gesehen? Er müßte bei dem Tischen unter dem Sonnenschutz sein.” Auch er erhob seinen Kelch. Fedora trank einen Schluck, nickte dann, und fragte: “Oh, er ist hier?” Sie schaute sich um, in die angegebene Richtung und konnte ihren Sohn gleich erkennen, der in Begleitung zweier anderer jüngerer Kinder gerade zum Tisch unter dem Sonnenschutz ging. Dann drehte sie sich wieder zu Roklan um: “Schön, dass ihr ihn mitgebracht habt, das trifft sich gut. Bitte entschuldigt mich, ich werde ihn begrüßen gehen. Aber ich habe auch noch Fragen an Euch und ich hoffe, wir haben später noch die Gelegenheit uns etwas ausführlicher zu besprechen, Roklan.” Dann aber interessiert: “Wer ist dort bei ihm?” “Das meine Liebe, sind meine Verwandten Lucasta und Ingeras. Sie sind heute ebenfalls auf Brautschau. Und natürlich können wir später sprechen. Und nun geht ruhig euren Sohn begrüßen, ich bin sicher die Freude wird groß sein!” Er lächelte ihr ehrlich zu.

Fedora musste dringend mit ihrem Sohn sprechen, das war wichtiger als die drängenden Fragen an Roklan. Sie lächelte ihn ebenfalls an, bedankte sich und meinte: “Bis später dann.” noch im Fortgehen dachte sie, dass sie sich unbedingt nach diesem Ingeras erkundigen musste, vielleicht war der was für Ihre Tochter? Und natürlich musste sie Roklan später unbedingt noch nach dem Ritterschlag für Adamar fragen, Zeit wurde es…. Sie selbst musste Aureus von Moosgrund ebenfalls bald aus ihren Diensten entlassen! Da war es vielleicht ganz gut sich mit Roklan nochmal auszutauschen.

Im Pavillon des Niederadels (rechterhand)

Thankred stöhnte. ‘Warum muss man die ganze Veranstaltung unnötig so in die Länge ziehen? Konnte man nicht zügig zum Wesentlichen kommen? Seelischer Beistand- sicher, irgendwann würde er den brauchen, weil er die Geduld verlieren und jemanden an die Gurgel gehen würde, sollte nicht jemand beschwichtigend auf ihn einwirken.’ Genervt sah er sich um und ließ sich währenddessen einen Humpen Bier reichen.

Rondradin nutzte die Gelegenheit und ging auf den Mann in dem blauen Brokatwams zu, der seiner Schwester beigesprungen war. “Rondra zum Gruße, Euer Wohlgeboren. Mein Name ist Rondradin Wasir al’Kam’wahti von Wasserthal zu Wolfstrutz. Ich wollte Euch danken, dass Ihr vorhin für meine Schwester eingetreten seid.”

Lares, der gerade durch die Ankunft der Gastgeber abgelenkt war, drehte sich nach der Stimme des Mannes um, den er zuerst gemessen von oben bis unten begutachtete. Ein Rondrianer. Das war schon mal nicht schlecht. “Seid ebenso gegrüßt. Lares von Mersingen, Euer Gnaden. Ich habe nur meine Pflicht als ehrbarer Mann getan. Der heutige Tag soll ein göttergefälliger Tag ohne Tadel sein. Besonders sollen hier alle Werberinnen und Werber frei und ohne Angst Kontakte knüpfen können. Das geht nur, wenn sich alle an die Regeln des Anstands halten. Und wenn einer nun - übermannt wird, dann muss man ihn nur etwas an seine Pflichten erinnern.” Lares machte eine theatralische Kunstpause. “Mir war allerdings nicht bewusst, dass die hohe Dame eure Schwester ist. Ist ihr nunmehr wieder wohl?”

“Es ist mir ein Vergnügen Eure Bekanntschaft zu machen.” Der Geweihte lächelte zufrieden. “Meiner Schwester geht es gut. Sie wird Euch später sicherlich auch noch selbst danken wollen.” “Das muss sie nicht. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit”, meinte Lares aufrichtig. Rondradin nutzte den Augenblick um den Junker kurz zu mustern. “Sagt, habt Ihr schon eine Dame ins Auge gefasst oder seid Ihr noch unentschlossen?” “Ähm. Nicht wirklich. Ich…”, murmelte der Mersinger. Dabei stellte er für sich fest, dass er sich noch gar nicht richtig umgeschaut hatte. Die Schwester von Rondradin war bisher die Einzige, die er wirklich gesehen hatte - und das auch nur davoneilend. Nicht einmal die von Keyserrings waren ihm bisher über den Weg gelaufen. Wo sie im Vorfeld so viel über Luzia gesprochen hatten, da war der Ritter insgeheim neugierig geworden, aber gesehen hatte er sie ja bisher nicht. Und sonst auch keine Damen. “Ich glaube, ich hatte bisher keinen wirklich guten Sitzplatz”, resümierte Lares laut. “Dort im Pavillion sitzen viel zu viele Männer.” Laut auflachend stimmte ihm Rondradin zu. “Und, wie ist es bei euch? Habt Ihr eine Dame gesehen, die Euer Herz berührt hat?”, witzelte er. Zu dessen Überraschung nickte der Rondrianer ernst. “Ja, allerdings ist sie unerreichbar für mich.” Rondradin bedachte Lares mit einem traurigen Lächeln. “Wenn Ihr erlaubt, würde ich Euch gerne einen gutgemeinten Ratschlag geben. Hört auf Euer Herz, das wird Euch manchen Schmerz ersparen.” Da erst sah er die kleine Gestalt hinter Lares. “Das gilt auch für Euch, junge Dame. Jedenfalls sobald Ihr einmal im rechten Alter dafür seid.” Er lächelte die Kleine freundlich an und zwinkerte ihr zu. Den Zwölfen sei Dank, hatte er mit Alrike noch etliche Jahre Zeit, bevor er sich deshalb Sorgen machen musste.

Auch noch ein tiefgründiger Rondrianer. Der Mann war nach dem Geschmack des Mersingers. Er wollte die Verletzung, die man dem Mann ansah, nicht noch vertiefen wollen. Stattdessen knüpfte der dunkelhaarige Ritter an den letzten Satz an: “Zuerst gilt es für deine Schwester auf ihr Herz zu hören, nicht wahr? Und euren Vater davon zu überzeugen, dass ihr Herz das Richtige will. Hast du sie schon gesehen?” “Ja, aber ich habe sie nur gesehen.” sagte die Kleine leise. “Ich weiss nicht recht, ob es schicklich ist, zu ihnen hinüber zu gehen.” fuhr sie leiser werdend fort. Bei diesem Worten schüttelte der Trollpforzer Junker, der bis dahin recht teilnahmslos dabei gestanden und zur Tafel herüber geschaut hatte, amüsiert den Kopf. “Schicklich!?” Er lachte auf. “Ich hoffe meine Kinder werden sich in deinem Alter nicht solche Gedanken machen müssen.”

“Ihr seid ja auch kein Baron und eure Kinder keine Baronets”, wies ihn Lares scharf zurecht. Er hatte mit Lissa schon alle Hände voll zu tun wie sie war. Da musste man ihr nicht noch zusätzliche Flausen in den Kopf setzen. Dann wandte er sich wieder Basilissa zu: ”Sobald sich eine Gelegenheit bietet werden wir sie grüßen gehen. Versprochen. Ich denke, dass der förmliche Teil alsbald sein Ende findet.” Die anderen wussten vielleicht mehr über den Ablauf: “Oder wisst Ihr, was am heutigen Tage noch so geplant ist?” Als Lares wieder zu den anderen sah, stand der Trollpforzer unmittelbar vor ihm. “Nicht in diesem Ton”, sagte er bedrohlich und sah mit zusammengekniffenen Brauen auf den Mersinger herab. “Überdeckt eure eigene Unsicherheit nicht damit, dass ihr andere derart angeht. Bisher habe ich euch für einen umsichtigen Mann gehalten, eurer Ton jedoch ist unangemessen. Ich werde mir von niemanden eures Standes den Mund verbieten lassen.”

“Bitte, beruhigt Euch.” Ließ sich der Rondrianer vernehmen. “Diese Brautschau ist weder der rechte Ort noch der Zeitpunkt für einen Streit. Um der Herrinnen Travia und Rahja Willen, bitte ich Euch.” Er sah beide Männer abwechselnd an. Einen Moment kochte das Temperament in dem jungen Mersinger hoch, doch dann erinnerte er sich an seinen Familienwahlspruch. Die Worte des Rondrianers kamen da zur rechten Zeit. “Rondradin hat Recht. Und mir tut es Leid. Ich habe mich im Ton vergriffen. Verzeiht”, gab der Mersinger freimütig zu. Wenn es um Lissa ging wurde er manchmal einfach etwas überfürsorglich.

Ein paar Mal noch malten die ausgeprägten Wangenknochen Thankreds unter dem gepflegten Vollbart, dann nickte er. Das tiefe, kehlige Grunzen was er dabei von sich gab war jedoch alles andere als Zustimmung und die Körperhaltung des Junkers blieb angespannt, als er sich abwandte und an den Tisch setzte. Der Trollpforzer schien leicht reizbar und weniger beherrscht zu sein, als man es bei einem Ritter vermuten sollte. Seine Herkunft war nur allzu deutlich geworden. Der raue Isenhag war nicht das Gratenfelser Becken. In der Abgeschiedenheit der Berge schien man Konflikte wohl immer noch ‘handfest’ zu klären. Der Geweihte atmete auf. Ein heftiger Streit, der vielleicht sogar in einem Duell ausgeartet wäre, hätte gerade noch gefehlt, auch wenn er grundsätzlich ein Freund von Duellen war. Stattdessen versuchte er das Thema zu wechseln. Er wandte sich an den Trollpforzer. “Habt Ihr schon eine Dame ins Auge gefasst? Mir war, als hätte ich vorhin gesehen, wie Ihr einer bestimmten Dame aus dem Hause Altenberg Eure volle Aufmerksamkeit geschenkt hättet.” Thankred schnaubte und antwortete mehr widerwillig, sah aber wohl doch ein, dass es keinen Sinn machte sich stur zu stellen. Der Rondrianer war ja schließlich nicht derjenige gewesen, der ihn hatte zurechtweisen wollen. “In der Tat, gut beobachtet. Mein Interesse gilt Sabea von Altenberg.”

Die Überraschung war Rondradin direkt anzusehen. Dann wich diese einem Lächeln. “Habt Ihr sie bereits kennengelernt?” Ehrliches Interesse klang in seinen Worten mit. “Ich hatte das Vergnügen, sie auf der Reise hierher persönlich kennenzulernen. Vielleicht sollte ich aber auch dazusagen, dass ich hier nicht als Werber teilnehme und somit für niemanden eine Konkurrenz darstelle.” “Euch hätte ich im Gegensatz zu vielen anderen Anwesenden tatsächlich als würdige Konkurrenz gesehen.” Der Junker schmunzelte. “Euer Glück, dass ihr es nicht seid”, Thankred lachte und verriet so den Humor hinter seinen Worten. Die Eröffnung des Geweihten hatte den Trollpforzer erreicht und bewirkte so eine sichtbare Entspannung in dessen Haltung. “Nein”, gestand Thankred, “ich habe sie noch nicht kennenlernen dürfen. Ich begegnete ihr in Elenvina und erkundigte mich nach ihrem Namen. Die Ausrufung der Brautschau war wie eine Aufforderung meinen Arsch zu bewegen und die Initiative zu ergreifen.” Er zuckte mit den massigen Schultern. “Entweder ich erobere sie, oder ich ziehe unverrichteter Dinge wieder ab. Eine andere kommt nicht in Frage.” Thankred trank einen Schluck Bier. “Was könnt ihr mir über sie verraten?”

Rondradin lachte herzlich mit dem Junker. “Vielleicht ergibt sich ja mal die Gelegenheit für ein freundschaftliches Kräftemessen. Es würde mich freuen.” Thankred von Trollpforz war für ihn ein unbeschriebenes Blatt. Sie waren damals beide auf der Jagd in Nilsitz gewesen, allerdings hatte sich ein Treffen der beiden nicht ergeben. Rondradin zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihn. “Ihr wollt also etwas über Sabea wissen? Sie hat das Herz am rechten Fleck. Sie ist hilfsbereit und langt auch schon mal hin, wo so manche edle Dame wahrscheinlich zurückschrecken würde. Sabea kann längeren Disputen nicht allzuviel abgewinnen und ist eher auf schnelle, direkte Lösungen aus.” Etwas fehlte noch, was war das nur? “Ach ja, sie lässt sich nicht aufhalten, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Selbst das Verbot des Familienoberhaupts mit Außenstehenden zu sprechen, hat sie nicht davon abgehalten, uns in Twergenhausen bei einem kleinen Problem zu helfen.”

Immer breiter wurde das Grinsen des Trollpforzers während der Geweihte sprach. Aufmerksam hing der Junker an Rondradins Lippen, nur um dann mit nur schwer unterdrückter Begeisterung zu urteilen: “Sie ist also nicht nur so schön, wie der herbstliche Wald meiner Heimat, sondern sie besitzt darüber hinaus auch noch ein beherztes, zupackendes Wesen. So klingen eure Worte zumindest für mich. Das ist gut, denn sie wird mich bei den Hörnern packen und mir die Flausen austreiben müssen.” Thankred lachte erneut und es war diesmal eher von derber Natur. Es war ein weiterer Ausdruck dafür, dass der Junker wenig höfischen Umgang besaß und sich daheim wohl eher mit Gemeinen umgab. “Erzählt mir von diesem ‘Problem’ und wie Sabea euch half”, forderte Thankred Rondradin immer noch gut gelaunt auf. “Das interessiert mich.”

Ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht des Geweihten. “Seid vorsichtig mit Euren Wünschen. Sie könnten in Erfüllung gehen.” Nur zu gut erinnerte sich Rondradin daran, wie Sabea den Händler am Kragen gepackt und hochgehoben hatte. “Über die Einzelheiten des Problems kann ich Euch nicht informieren, dazu bräuchte ich die Erlaubnis der betreffenden Person. Aber zusammengefasst ging es um einen üblen Fall von Verleumdung, der darin gipfelte, dass Strauchdiebe Jagd auf das Opfer machten. In Twergenhausen konnten wir den vermeintlichen Übeltäter stellen. Die teure Sabea war hierbei eine hervorragende Leibwächterin und eine Meisterin des Verhörs. Sie musste ihn nur kurz schütteln und schon packte der vermeintliche Schuft aus.” "Das kann ich mir nur zu gut vorstellen", presste Trollpforzer hervor und hieb sich lachend auf den Oberschenkel. "Da wäre ich gern dabei gewesen. Allein der Anblick hätte mein Blut in Wallung gebracht. Prachtweib. Aber sagt", ganz plötzlich wurde der Junker wieder ernst. Thankred senkte die Stimme. "Wie steht Sabea eigentlich zu dieser 'Veranstaltung'? Das was ihr mir berichtet habt, deutet für mich auf ein Weibsbild, dass sich nicht gern diktieren lässt was sie zu tun und zu lassen hat. Darunter fällt vermutlich zuvorderst der fremdbestimmte Traviabund oder?"

“Ich weiß nicht wie Sabea darüber denkt.” Antwortete Rondradin wahrheitsgemäß. “Aber ich möchte Euch folgendes zu bedenken geben. Zum einen ist sie hier und nicht in Elenvina, zum anderen wollt Ihr doch ihr Herz gewinnen. Wäre das denn dann noch ein fremdbestimmter Traviabund, wenn sie Euch um euretwillen heiraten würde?” Rondradin legte dem Junker seine Hand auf die Schulter. “Wenn ich einen Rat geben darf. Seid Ihr selbst, wenn Ihr vor sie tretet und es wird schon werden. Wenn ich es jemanden aus dieser Gesellschaft hier zutraue Sabeas Herz zu erobern, dann seid Ihr das.” Der Geweihte war sich sehr sicher, dass Sabea den Trollpforzer nicht als ‘Würstchen’ bezeichnen würde, wie sie es in seiner Gegenwart schon mit anderen getan hatte. Bedächtig nickte der Junker ob der Worte Rondradins. “Ich danke euch für diesen Rat. So werde ich es halten. Alles andere dürfte mir ohnehin schwerfallen. Ich bin ein einfacher Mann und habe nie gelernt mich ‘zu verstellen’. Ich empfinde es aber auch als großes Glück, dass ich dies im Isenhag nicht muss. Die Adligen und vor allem auch die Zwerge dort geben sich zwar recht eigensinnig und zum Teil auch verschlossen, aber ein offenes, direktes Wort ist immer lieber gesehen, als hochtrabendes Geschwafel, wie ich es oft im Flachland ertragen muss.” “Ich glaube, Ihr und die werte Sabea werdet gut miteinander auskommen.” Erklärte Rondradin mit einem Grinsen. Die ehrliche, schroffe Art des Isenhagers würde Sabea sicherlich gefallen, da war sich Rondradin sicher.

Dem aufmerksamen Betrachter entgingen nicht die Leute, die mit Tablett und Krügen ausgestattet waren, die die Treppe des Pavillons hochkamen. Angeführt wurden diese von der zwanzigjährigen und niedlichen Flora vom Lilienhain, die ihre weizenblonden Haare in zwei ordentlich geflochtenen Zöpfen trug, die ihr fast bis zur Hüfte reichten. Sie trug ein schulterfreies, rotes Kleid auf dem Stickereien von Rosen angebracht waren und hatte ein Tablett mit Schälchen in den Händen. Auf dem Pavillon angekommen, wartete sie kurz, bis auch der letzte Gast sie wahrgenommen hatte. “Hohe Damen und hohe Herren. Ich komme mit den herzlichsten Grüßen der Küchenmeisterin Victualia vom Lilienhain, die heute für unser aller Leib und Wohl sorgt. Ich haben eine provinziale Köstlichkeit mitgebracht: den Schweinsfolder Groschen! Eine eingelegte Pflaume im Speckmantel. Und dazu Wein oder Wasser.” Dann fing Flora an, die Schälchen zu verteilen. “Ich werde übrigens für den Rest der Brautschau euch zur Verfügung stehen.” Dann gab sie den Dienern einen Wink, die dann anfingen die Kelche der Gäste zu füllen. “So, wer möchte?”

Aureus und Vitold meldeten sich fast gleichzeitig und nahmen dankend je eine Portion entgegen. Nach dem ersten Biss verzog Aureus das Gesicht. Offenbar schmeckte es ihm nicht und er schob seinen Teller rüber zu Vitold. Noch bevor Flora darauf eingehen konnte, hörte sie: “Mir könnt ihr ruhig gleich zwei Schüsseln geben”, antwortete der Junker ohne zu zögern und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. “Ich habe hunger wie ein Bär nach dem Winterschlaf.” Was Wein oder Wasser anging lehnte er ab, er hielt sich nun lieber an das Bier. “Ja gerne, ich nehme eine Portion. Und einen Becher mit Wasser. Vorerst”, meinte Lares und betrachtete die Kleinigkeit, die man vor ihm abgestellt hatte. Lissa hatte sich derweil selbst versorgt - das war zu erwarten gewesen.

Sorgfältig stellte Flora erst zwei Schälchen zum Junker Thankred, um dann gleich zum Junker Lares zu gehen. “Hier, ein Schweinsfolder Taler für Euch, Wohlgeboren. Darf ich übrings anmerken, was für ein galanter Edelmann ihr seid? So wie ihr euch für die Dame von Wasserthal eingesetzt habt, so etwas kann sich nur jede Frau wünschen”, sagte die niedliche Flora. “Ähm, danke”, meinte Lares leicht irritiert. Er hatte nicht erwartet, für Selbstverständlichkeiten komplementiert zu werden. Noch dazu nicht von einer Bediensteten. “Ich glaube, es ist die Pflicht eines jeden aufrechten Mannes, einzuschreiten, wenn die Grenzen von Respekt und Anstand überschritten werden.” Das meinte Lares ganz ohne Pathos. Er war fest davon überzeugt, dass Regeln und Grenzen ihr Gutes hatten. Andernfalls würde die Welt vor die Hunde gehen. Sicherlich. Er nahm einen großen Schluck Wasser aus dem Becher. Er hatte nicht gemerkt, dass vor lauter Anspannung sein Mund so ausgetrocknet war. Einen kurzen Moment betrachtete er die hübsche Dame. “Ihr seid keine Köchin und sonst bestehen Eure Pflichten auch nicht im Auftragen feiner Speisen, liege ich da richtig? Welche Pflichten verrichtet Ihr, wenn Ihr nicht zu solch besonderen Anlässen aushelft?” Ein bisschen Kurz-Konversation zum Locker-Werden ohne Risiko konnte ja nicht schaden…

Ein leichter Hauch von Röte färbte ihre Wangen. “Da habt ihr recht, euer Wohlgeboren. Ich bin Gärtnerin in diesem Stadtpark und pflege den Rahja-Schrein. Meine Familie hat sich ganz der lieblichen Göttin zugewandt und ich selbst strebe the Akoluthenwürde an.” “In Schweinsfold scheinen sich ja sehr viele Menschen der schönen Göttin verschrieben zu haben”, meinte Lares, als... Der Junker aus dem Isenhag ließ es sich derweil schmecken. Nicht ganz ohne Schmatzen aß er die Leckerei und hörte dabei dem laufendem Gespräch nur mit einem Ohr zu. Derlei Geschwafel interessierte ihn nicht. Das von seiner Seite aus als Lob an die Köchin gemeinte “daran könnte ich mich glatt überfressen”, war aber durchaus so gesprochen, dass es alle am Tisch hören konnten. Nichts anderes hatte der Mersinger erwartet. Er warf einen knappen Seitenblick auf den Trollpforzer. “Naja, nicht alle”, lachte er und biss ebenfalls herzhaft in die Pflaume. Das Zeug war wirklich lecker, das musste man dem Rüpel lassen. “Hmm, wirklich gut! Ein Kompliment an die Köchin.” Celissa von Tannenfels pflichtete bei. Pflaume im Speckmantel war eine Köstlichkeit, die alles andere als zu verachten war. Der von dem Schälchen aufsteigende Duft hatte sie jäh ihren zwischenzeitig erwachsenen Hunger, den sie vor lauter Gesprächen und ihrer Anspannung. unbedingt eine gute Partie für ihre Kinder zu machen, gänzlich verdrängt hatte, spüren lassen. Mit Wonne biss sie hinein und ließ den Zweiklang von fruchtiger Süße und Herzhaftigkeit auf ihren Gaumen wirken. Sie wussten zu leben, hier im Gratenfelser Becken.

Rondradin wollte gerade antworten, als ihn ein Bediensteter die Einladung der Doctora überbrachte. Sichtlich überrascht sah er zu dem Pavillon hinüber in dem sich die Familie Altenberg versammelt hatte. “Richtet Ihr bitte aus, dass ich die Einladung dankend annehme.” Er stand auf, griff nach seinem Becher in dem noch immer ein Rest des Beerenschnaps war und prostete seinen Tischnachbarn zu. “Meine Wohlgeborenen Herrschaften, Leider muss ich diese illustre Runde verlassen. Ich wünsche Allen viel Erfolg bei den heutigen Unternehmungen.” Nachdem der Becher geleert war, stellte der Geweihte ihn auf dem Tisch ab und verließ den Pavillon in Richtung der Altenberger Tafel. Lares zog kurz die Augenbrauen hoch. Na, da hat wohl jemand eine Sonderbehandlung verdient, dachte der Mersinger etwas neidisch und wandte sich dann seiner Gesprächspartnerin wieder zu.

Auch Flora schaute dem Rondrageweihten hinterher. Dann ließ sie sich eine Karaffe reichen. “Seiner Gnaden hat die Familie von Altenberg von Elenvina nach Herzogenfurt eskortiert. Vater Winrich hat einen Narren an ihm gefressen.”, beantwortete die ungefragte Frage. “Wollt ihr noch mehr Wasser?” “Na wenn Ihr so fragt, dann vielleicht lieber einen Becher Wein. Wir wollen Herrin Rahjas Getränk ja nicht verschmähen, oder? Reicht schon, wenn einer es tut.” “Wen meint ihr, Wohlgeboren?, fragte sie neugierig. Lares nickte unauffällig zu Trollpforzer rüber, der genüsslich einen schweren Humpen Bier kippte. Nun schien die junge Frau zu verstehen. ´Das Bier und kein Wein´. Mit einem bestätigten”Ah, ich verstehe” nickte sie dem Junker nochmals zu und kümmerte sich dann um den nächsten Gast.

Ritter Runegard war gerne bereit die lokale Spezialität zu probieren, in anbetracht des noch jungen Praioslaufes ließ er sich seinen Wein jedoch verdünnen. Flora vom Lilienhain musterte den älteren Mann. “Wollt ihr noch einen Schweinsfolder Taler?” fragte sie beflissen. ´Schaut er für seine Kinder oder für sich? Vielleicht wäre er was für Praiona, die ist ja schon über 30 Sommer.´ ging es ihr durch den Kopf. Kinder, zumindest eheliche, hatte der Vogt keine, ein Umstand der der Familie der er Vorstand wenig zusagt. Gezwungenermaßen hatte er sich deshalb genötigt gesehen, zumindest auf die Suche nach einer Braut zu gehen. Was den Verlauf dieser Suche betraf, da wollte er sich überraschen lassen. Vorerst nahm er jedoch erst einmal freundlich dankend einen weiteren der Schweinsfolder Taler.

Ein blonder, zwölfjähriger Junge löste sich aus den Schatten der Diener und ging mit einem Krug und einem Kelch auf die Pagin zu. Er war schlank und trug einen roten Leinenwams. “Verzeiht euer Wohlgeboren. Ich bin der Alfritz. Meine Mutter hat mich geschickt, um euch das hier zu bringen.” Alfritz hielt ihr den Kelch hin. “Holunderblütensaft.”

“Hab Dank.” sagte die Pagin und nahm ihm den Kelch ab. “Ich hätte auch gerne so eine Pflaume.” sie deutete auf die Küchenmeisterin. “Sie hat doch gesagt es gibt Pflaumen?” Sie grinste den Jungen an und offenbarte eine große Zahnlücke in ihrem oberen Kiefer. Der Junge grinste zurück. “Warte, ich hole welche.” Er stellte den Krug ab und ging zu einer der Diener. Geschwind war er zurück und stellte ein Schälchen mit zwei Schweinsfolder Groschen vor ihr hin. “Oder nur Pflaumen?”

Sie nahm eine der Köstlichkeiten in den Mund. Kritisch probierte sie, dann hellte sich ihr Gesicht auf: “Das ist lecker.” Mit schräg gelegtem Kopf sah sie den zweiten Happen an: “Ich denke ich möchte lieber dieses.” Damit verschwand auch der zweite Bissen gierig in ihrem Mäulchen. Sie nickte dem Jungen zu. “Was gibt es denn noch?” fragte sie neugierig. Ein spitzbübischer Blick schlich sich in seine Augen. “Was süßes oder was salziges?” Sie runzelte die Stirn. “Das will ich doch von dir wissen!” sagte sie streng, fuhr aber redselig fort: “Es ist nur nicht höflich sich mit einem ersten Gang den Bauch voll zu schlagen, wenn die Küchenmeisterin noch viele weitere Gänge bringt.” Das war ihr bereits mehrfach beigebracht worden, wenngleich sie sich nicht immer darin hielt: “Aber...sagen wir mal ich wüsste, was kommt, dann wüsste ich auch, ob ich es mag oder stattdessen lieber noch diese.. Diese Pflaumendinger essen mag.” sagte sie leise grinsend.

“Falls du hier weg kannst, kann ich dir meine Mutter vorstellen, die kann dir alles erzählen was es heute geben wird.”, flüsterte ihr zu. Lissa sah sich um. Ihr Schwertvater war gerade mit einem der Geweihten in ein Gespräch vertieft. Ausserdem war es ein wenig langweilig hier. Sie grinste. “Für kurz kann ich weg. Wie lange dauert das denn? Wenn ich schnell wieder komme, dann…” sie zögerte kurz… “dann geht das bestimmt.”

“Nur bis zum Küchenzelt” Dabei zeigte er auf das orange Zelt. Mit flinken Schritten ging er voran und schaute sich dabei um, ob sie ihm folgte. Die kleine Eisensteinerin folgte ihm auf dem Fuße. Sie wippte bei jedem Schritt ein wenig auf und ab.

´Lasst uns diese Farce beginnen´ Mit diesen Gedanken bestieg der Junker Lucrann von Leihenhof die Treppen zum Pavillon hinauf. Der junge Mann hatte mitnichten vor, nach einer Braut zu schauen. Er genoß das Leben in den höfischen Gesellschaften zu sehr, als sich jetzt mit einem Eheweib und Kindern herum zuschlagen. Seine Junkerei in der Baronie Berg verschaffte ihm ein gutes Auskommen und er wollte das auskosten. Seine Zeit im Horasreich hat ihn gelehrt das Leben zu genießen. Auch wenn die Nordmarken viel von den schönen Eigenarten des Lieblichen Feldes einbüßten, so konnte er sich wenigstens etwas davon erhalten. Und so erlaubte er sich, etwas von der horasischen Mode zu tragen.

Lucrann war hoch gewachsen , dabei von schlanker-sehniger Statur, ja fast dürr zu bezeichnen. Sein Gesicht war scharf geschnitten, wahrte dabei aber eine annähernd herzförmige Form und wurde von einem Busch aus sorgsam geschnittenen, dunkelbraunen Haaren eingerahmt. In diesem Gesicht leuchteten ein Paar wacher, meerblauer Augen, leicht schräg gestellt, und erinnerten den Kundigen an die Augen von Nivesen. Doch wirklich auffällig an dem Junker waren seine großen Hände mit den langen kräftigen Fingern. Seine Kleidung war einfarbig gehalten und zeugten von der Verwendung eines teuren Hesindigo-Blau. Und so trug der Junker ein aufwändigen Brokatwams mit abgesetzten Ärmeln, sowie Hosen, die etwa bis Kniehöhe gepludert waren, dazu Stiefel aus weichem Leder und ein Barett mit Federschmuck. Als Schmuck trug er einen einzigen tropfenförmigen Ohrring am linken Ohr. Eine Pomander hing an einer schmalen Kette, dessen Abschlussring an seinem Finger steckte und den herrlichen Geruch von Rose verbreitete. Noch vor der langen Tafel stehend, begrüßte er die Gäste, während er dabei nervös mit dem Pomander in seiner rechten spielte. “Den Göttern zum Gruße werte Signora und Signores! Verzeiht mein spätes Erscheinen und hoffe nicht zu stören. Cavalliere Lucrann von Leihenhof, Junker zu Liannon, mein Name.” Es fiel dem jungen Adligen immer noch schwer vor Gruppen zu sprechen. Zögerlich suchte er einen freien Platz und setzte sich hin.

Der Trollpforzer beobachtete den Auftritt ‘des Gockels’, denn das war dieser Herr für ihn, mit skeptischer Miene. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihm das Aussehen und Auftreten des anderen Junkers nicht gefiel, verkörperte er doch viel von dem, was der Isenhager an dem Adel des Flachlandes verabscheute. Demnach kam seine Vorstellung, “Thankred von Trollpforz”, auch eher beiläufig, ebenso wie das Erheben seines Bierkrugs. ´Das also ist der ungehobelte Junker, man hat nicht untertrieben´. Die Geschichten die er über Thankred gehört hatte waren verstörend wie auch belustigend am Hofe. Mit gekonntem Lächeln antwortete er den Junker mit einem erhoben Kelch Wein. Sein Tischnachbar schien aber vielversprechender zu sein und prostete auch ihm zu. ”Auf das Fest, werter Herr!” Mehr als ein leichtes Zucken seiner Mundwinkel hatte der Trollpforzer nicht mehr übrig für den Cavalliere. Ihm fehlte wohl schlicht die Lust, sich mit ‘dem Gockel’ weiter zu beschäftigen.

“Auf das Fest”, prostete dieser zurück und nahm einen Schluck Wein. “Und herzlich willkommen. Wenn ich mich vorstellen darf: ich bin Junker Aureus Praioslaus von Altenwein. Der Herr neben mir ist Ritter Vitold von Baldurstolz, der Edle zu Hinterwald. Ich habe kürzlich eine Verwandte von Euch kennenlernen dürfen, die hochgeborene Hochwürden Ivetta. Sagt, wie geht es ihr? Ist sie ebenfalls hier?” “Angenehm. Ich habe eine Weile nichts von meiner Tante gehört. Leider ist sie heute nicht anwesend. Aber mein Vetter, der Baron Roklan von Leihenhof zu Galebquell ist zugegen. “ Lucrann deutete auf den Pavillon des Hochadels. Habt ihr schon etwas über die Damen des Hauses Altenberg gehört? Ich muss gestehen, der Name ist noch nicht zu Hofe gefallen.” Leicht amüsiert ließ er sich von Flora nachschenken. “Leider nein, ich muss gestehen, dass ich erst vor kurzem belehnt wurde und mir noch keine Gedanken um meine traviagefällige Zukunft gemacht habe. Als ich von dieser Festlichkeit erfuhr, sagte ich mir: es kann ja nicht schaden mal einen Blick auf die heiratswilligen Damen der Nordmarken zu werfen. Wenn sich was ergibt, gut! Wenn nicht, dann nicht. Ein paar Jahre habe ich ja noch Zeit,oder?” Aureus plauderte, als würden sich die beiden schon lange kennen, während Vitold sich stumm seinem Schweinsfolder Groschen widmete und sich dabei den Leihenhofer betrachtete. “Absolut. Ihr habt Zeit … wir haben Zeit.” Der Junker ließ seinem Gesprächspartner wissen, dass er selbst noch nit so weit war sich zu binden. Aureus setzte gerade zu einer Antwort an, als er merkte, dass Lucranns Blick sich auf etwas hinter ihm focussierte. Er drehte den Kopf und sah eine Rahjanovizin näher treten.

Während sich die Reihen der Niederadligen füllte, aber auch der eine oder die andere den Pavillon verließ kehrten neue Besucher ein. Mit einem Lächeln auf den Lippen näherte sich die junge Novizin dem Pavillon der belehnten Niederadeligen. Eine kleine Gruppe alleinstehender, junger Männer ohne weibliche Gesellschaft. Da konnte ja nichts bei rauskommen außer einem Besäufnis und ernster Gespräche. Es wurde höchste Zeit, diese Zusammenkunft etwas aufzulocken. Rahjalind strich den Stoff ihres Kleides zurecht, das an ihren Züge hinabfloss wie flüssiges Metall und brachte ihre Frisur in Form. Sie war es nicht gewohnt ihre honigblonde Mähne offen zu tragen, doch war ihr heute danach. Nach ein paar kundigen Griffen stieg sie die Stufen hoch und begrüßte die Gesellschaft mit einem fröhlichen; "Rahja zum Gruße." “Rahja zum Gruße, Signora!”prostete ihr der Junker Lucrann von Leihenhof zu. Der dürre, junge Mann in horasischer Mode schenkte der Novizin ein lächeln, während seine meerblauen Augen offensichtliche Interesse bekundete. Auch die holde Weiblichkeit war nicht dazu angetan Thankred mehr als ein müdes Lächeln abzugewinnen. Er fühlte sich nicht dazu berufen heiter irgendwelche Belanglosigkeiten, noch besser Höflichkeiten auszutauschen. Er war aus einem Grund gekommen.

Rahjalind fiel der erlesene Modegeschmack des jungen Herrn sogleich ins Auge. Sie schenkte dem Junker ein strahlendes Lächeln und setzte sich ungefragt an den Tisch. Lucrann holte tief Luft. Er mag zwar einladend gesprochen haben, aber von Natur aus war er eher ein zurückhaltender Mensch. Er schluckte kurz und versuchte seine Unsicherheit hinunter zu spielen. “Welch eine Grazie. Und ich dachte schon eine erheiternde Konversation wäre an diesem Tisch nicht möglich gewesen. Mit wem haben wir es den zu tun?” fragte er sie. Die Novizin lachte glockenhell auf und schlug dann spielerisch ihre Augenlider nieder. "Rahjalind vom Traurigen Stein, Euer Wohlgeboren, Schülerin der Leidenschaft aus dem Rebentempel in Kyndoch." Sie musterte den jungen Mann noch einmal. Neben seiner Garderobe wirkten vor allem seine Augen fremd und interessant. "Und mit wem habe ich das Vergnügen?"

“Cavalliere Lucrann von Leihenhof, Junker zu Liannon. Den Namen ´vom Traurigen Stein´ habe ich schon einmal vernommen. Ich verbinde damit rauschende Feste und Wein. Ihr werdet uns heute noch eines bescheren?” eine leichte Röte zeigte sich auf seinen blassen Wangen. Die Angesprochene entgegnete ihm ein breites Lächeln. Ja, wenn ihre Eltern diese Feier ausgerichtet hätten, würde es hier wohl anders ablaufen. "Ich bin beeindruckt was Ihr alles über meine Familie wisst, Cavalliere ...", sie begann lasziv mit einer Haarlocke zu spielen, "... Wein hatten wir tatsächlich im Gepäck als wir angekommen sind, doch weiß ich nicht wo dieser sich gegenwärtig befindet ...", Rahjalind blickte kurz hinüber zum Küchenzelt, "... in der Holzklasse unter dem Sonnenschutz hat man ihn uns bis dato noch nicht serviert." Sie kicherte mädchenhaft und gab damit zu verstehen, dass ihre letzte Bemerkung wohl als Scherz zu verstehen war. "Nun wisst Ihr ja schon so einiges über mich, aber ich nichts über Euch. Erzählt mir doch etwas, stammt Ihr aus dem Horasreich?"

´Die Kleine hat echt Witz.´ Langsam entspannte er sich. “Ich bin in den Nordmarken geboren, doch habe ich meine Knappenzeit im Horasreich verbracht. Mein Schwertvater ist Signor Darion Amarinto aus der Baronie Sewamund, das liegt an der Grangorer Bucht. Nun bin ich aber wieder in meinem Geburtsland und habe mein Erbe in Liannon angetreten. Mein Vetter, der Baron von Galebquell, hat darauf bestanden, dass ich mich hier ´umsehe´.” Bei den letzten Worten verdrehte er die Augen. Rahjalind schürzte gespielt ihre Lippen. "Verspürt Ihr denn keinen Wunsch nach einem Eheweib?" Ihre Augenbrauen wanderten nach oben. "Immerhin habt Ihr dem Wunsch Eures Vetters entsprochen und seid nun hier unter den Werbern. Habt Ihr Euch denn schon ... umgesehen ...", ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre edel geschwungenen Lippen, "... gibt es schon eine Dame, die Ihr ins Auge gefasst habt?" “Nun ich muss gestehen, dass dafür noch keine Zeit war. Allerdings glaub ich, dass ich mich nicht mehr umschauen muss.” Lucrann schaute ihr tief in die Augen, während seine Wangen eine rosige Färbung annahmen.

"Och ...", meinte Rahjalind und schürzte gespielt ihre Lippen, "... wollt Ihr das den anderen Damen wirklich antun, mein Herr? Ich bin mir sicher, dass eine jede von ihnen darauf brennt Euch kennenlernen zu dürfen." Sie legte ihre schmale Hand auf die seine und erwiderte seinen Blick. "Ihr habt eine hübsche Base, die Euch begleitet hat", wechselte sie dann charmant das Thema ... vorerst. “Das kann sein, allerdings muss ich ja nicht darauf brennen JEDE kennenlernen zu wollen.” Das Grinste er. “Hübsche Base? Ach, ihr meint Lucasta. Nun, Schönheit liegt ja im anbetracht des Betrachters. Aber … danke, für eure lieblichen Worte, ich bin mir sicher, dass die junge Signora das gerne hört. Mein Vetter der Baron würde sie gerne verheiratet sehen. So …. wie mich.” Leichter unmut schwang in seiner Stimme.

Sie nickte wissend. "Nun aber Ihr seid hier und wenn ich Euch richtig einschätze, seid Ihr auch ein Lebemann. Was spricht denn dagegen gepflegte Konversationen mit den hübschen Damen hier zu führen ... vielleicht das eine oder andere Mal zu tanzen und Speis und Trank zu genießen?" Rahjalind wies in einer weitläufigen Handbewegung um sie. "Seht Euch nur einmal um. All die hübschen Maiden und Burschen in ihrer edlen Kleidung und wie ihnen die Aufregung rote Flecken auf die Wangen gemalt hat. Ist es nicht schön?" Sie lächelte breit und legte ihren Kopf schief. "Genießt es einfach und lasst es auf Euch zukommen. Am Ende des Tages werdet Ihr ja sehen ob es eine Frau gibt, die Euch so sehr begeistert, dass Ihr sie ehelichen wollt. Und wenn nicht, dann ist auch nichts verloren - dann hattet Ihr immerhin einen schönen Tag in netter Gesellschaft." Die Novizin kicherte melodisch. "Aber einen gemeinsamen Tanz erwarte ich mir mit Euch später schon." “Wo ihr recht habt, habt ihr recht. Ich werde mich einer Feier nicht verweigern Graziosa!” Lucrann war begeistert von der Novizin. Sie hatte recht und er begann die Brautschau mit anderen Augen zu betrachten. “Ich will euch natürlich nicht in beschlag nehmen, ich nehme an ihr möchtet noch mit anderen Gästen sprechen?”

Rahjalind winkte ab. "Ach, ich würde Eure angenehme Gesellschaft doch nie als etwas negatives sehen, Herr Lucrann." Sie lächelte und fast schien es ihm als würde sie dabei erröten. "Aber ich möchte auch nicht dafür verantwortlich sein, dass die anderen Damen hier nicht in den Genuss kämen Euch kennenlernen zu dürfen." Die Novizin nippte noch einmal an ihrem Kelch, hielt dabei jedoch stets Blickkontakt mit dem Junker. "Wir werden später noch Gelegenheit bekommen unsere Konversation fortzusetzen ... und überhaupt schuldet Ihr mir ja einen Tanz." “Das werden wir!” Mit einem Lächeln ließ er die Rahjanovizin von dannen ziehen. Als sie sich vom Junker entfernte, schenkte sie ihm einen verheißungsvollen Blick über ihre Schulter, begleitet von einem vollendet schönen Lächeln, das es wohl auch schaffen würde das ewige Eis schmelzen lassen. ´Ein sehr interessanter Mann´, dachte die Novizin bei sich, ´mal sehen wie er sich auf dem Tanzparkett anstellen würde.

In Begleitung des Lares von Mersingen betrat eine großgewachsene Schönheit in einem züchtig geschnittenen blauen Kleid den Pavillon. Mit ihren schwarzen Haaren und tiefblauen Augen erinnerte sie frappierend an den Rondrageweihten, der diese Runde zuvor verlassen hatte. Andesine ließ ihren Blick schweifen und sah Rahjalind in dieser Meute junger Adliger, der sie zulächelte. Sie wollte schon etwas sagen, überlegte es sich dann doch anders. Die Ritterin würde Lares den Vortritt lassen.. Lares sah sich eilig um und übersah dabei die schöne Rahjani vollends. Im Gegensatz zu seiner reizenden Begleitung war der Mersinger weder attraktiv noch ruhig, sondern wirkte fahrig, aufgelöst und noch bleicher als eh. Er suchte den Platz, an dem seine Pagin zuvor gesessen hatte. Sie hatten sich ja vorher dem Trollpforzer gegenüber platziert. Dieser Aureus war dann später auch hinzugestoßen. Schnell schickte der Ritter ein Stoßgebet gen Alveran, der Herr der Sonne wolle mit seinen Strahlen Klarheit senden, dann trat er an die Tafel heran und räusperte sich, um die Aufmerksamkeit zu erhalten. “Die Herrschaften mögen entschuldigen, aber ich suche meine Pagin. Zuvor war sie noch hier gesessen. Jetzt ist sie jedoch nicht mehr da. Hat irgendeiner der hohen Herren”, Damen waren ja nicht zu erblicken, dachte sich der Mersinger, “gesehen, wohin sie ging?”

“Es war ein junger Bursche, zehn, vielleicht zwölf, blond, mit einem roten Wams. Eure Pagin ist mit ihm gegangen”, erklärte der Junker von Trollpforz knapp, nur um dann den Kopf zu schütteln und noch etwas anzufügen. “Ich habe leider nicht gesehen in welche Richtung.” Thankrets Ton war sachlich und enthielt kein bisschen Biss, wie man es nach dem kleinen Streit mit Lares hätte vielleicht vermuten können. “Sie sind Richtung Küchenzelt”, sagte Vitold und deutete in die entsprechende Richtung. Es war eine sachliche Feststellung, wie es die Art des Baldurstolz war, doch wusste er aus Erfahrung, dass die meisten seiner Mitmenschen eine solche Äußerung in den falschen Hals bekamen und bereitete sich innerlich auf diverse unsachliche Anschuldigungen vor.

“Ähm, oh. Danke”, presste Lares gerade noch so hervor und wandte sich dann mit aufgerissenen Augen Andesine zu. Was zum Teufel wollte Lissa denn da? Und dann auch noch mit irgendeinem dahergelaufenen Küchenburschen. Wild gestikulierend bedeutete er der schönen Ritterin, dass sie so schnell wie möglich das Küchenzelt auf Links drehen müssten. Er packte sie am Handgelenk und zerrte sie förmlich hinter sich her. Mit ihrer freien Hand packte die Ritterin Lares und bremste ihn in seinem Tun. “Beruhigt Euch, um der gütigen Herrin Travia Willen.” zischte sie in einem leisen Befehlston. “Wenn Ihr jetzt quer über das offene Areal rennt, wird der Vater der kleinen Ausreißerin gewiss auf Euch aufmerksam werden. Atmet tief durch und dann gehen wir gemessenen Schrittes zur Küche.” Sie hakte sich wieder bei ihm unter, während sie Lares zu beschwichtigen suchte. “Was erwartet ihr denn, dass sie in diesem Alter mit einem Küchenburschen anfangen will? Wahrscheinlich will sie ein paar Spezereien naschen oder mit dem Jungen spielen.”

“Was, nein, wo denkt Ihr hin!”, zischte er. Das hatte der Mersinger wirklich nicht befürchtet. Aber die Standpauke half. Lares schnaubte einmal tief durch, dann meinte er nur knapp: “Ihr habt Recht. Das letzte, was wir jetzt brauchen, ist eine Szene.” Er strich sein Wams zurecht, das, wie er plötzlich bemerkte, fast denselben Farbton aufwies wie das lange Kleid der Ritterin. Neben der großgewachsenen Schönheit fühlte er sich plötzlich winzig. Und wirklich fehl am Platz. Einen irritierenden Moment lang starrte er aus fast schwarzen Augen zu ihr hinauf. Dann nickte er entschlossen und ging gemessenen, dennoch zügigen Schrittes Richtung Küchenzelt.

Unter dem Sonnenschutz (mitte)

Ein lautes Klopfen auf der Tischplatte ließ die Gäste kurz aufschrecken, aber das laute, kernige Lachen das folgte, nahm den Schrecken. Rahjagoras vom Lilienhain, der in seinen Sechzigern war, hatte eine breite Brust mit kräftigen Armen und großen Händen. Sein weißes Haar trug er im Wehrheimer Bürstenhaarschnitt und hatte sein Kinn glatt geschabt. Die feinen Linien auf Stirn, um den Augen, der Nase und Mund ließen ihn im Zusammenspiel mit seinen wachen, grünen Augen jünger erscheinen. Das er Zeit seines Lebens mehr draußen als drinnen verbrachte hatte, war deutlich an seiner sonnengebräunten Haut zu erkennen. Gekleidet war der Gärtner mit einer ärmelfreien, weinroten Tunika, die mit Ornamenten aus Lilien und Rosen geziert war. “Rahja mit euch, werte Gäste! Während wir uns auf die Brautschau einstimmen, hat meine Tochter Victualia etwas besonderes aus der Küche für euch schicken lassen.” Der Alte winkte eine dralle Maid heran. “Das hier ist meine Enkeltochter Fecundaque. Sie wird euch allen für die Brautschau zur Verfügung stehen. Und deshalb fangen wir doch gleich an!” Die etwa Fünfzehnjährige hatte recht weibliche Rundungen und schulterlanges ,rotbraunes Haar, das sie offen trug. Eine rote Rose hatte sie sich ins Haar gesteckt und trug dazu ein rotes Leinenkleid mit einer grünen Schürze. Anscheinend war sie es nicht gewohnt vor so vielen Leuten zu sprechen. Mit leichter Röte im Gesicht hielt sie ein Tablett mit Schälchen vor sich. “Ja … also … ich habe hier Tannwalder im gelben Rock. Das ist eine Wurst mit Mostrich.” Dann pfiff er weitere Helfer heran, die mit Karaffen ausgestattet waren. “Und Wein und Wasser”, fügte er an. Sogleich fing Fecundaque an die Schälchen zu verteilen. Rahjagoras griff selbst zwei Schälchen. “Also, wer möchte?”

Nur selten hatte Angrond die Gelegenheit sich derart frei zu bewegen, immerhin war er eigentlich noch Knappe und hätte eigentlich seinem Herrn aufwarten müssen. Sein Herr jedoch weilte nicht mit auf diesem Fest, stattdessen hatte er auf Geheiß seiner Mutter die vairninger Arsan Thomundson und Runegard vom Schwarzen Quell begleitet um selbst auf Brautschau zu gehen. Allerdings hatte er zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich noch überhaupt kein Interesse daran verheiratet zu werden, viel lieber wollte er erst einmal Ritter werden und auf Aventurie gehen. Wollte seine Mutter ihm dies etwas verwehren? Jetzt aber gönnte er sich einer der angepriesenen Tannwalder mit Mostrich, der Name der Würste war ihm dabei einerlei viel wichtiger war etwas deftiges und sättigendes im Magen zu haben.

Weder Auriane noch Lechdane waren von zu Hause großen Komfort oder gar Luxus gewöhnt. Das Haus Ahnwacht verfügte durchaus über Mittel, war schließlich es bei seiner Entstehung durch das Herzogenhaus mit Häusern in Albenhus, Elenvina, Gratenfels und Isnalosch, sowie einigen Regalien um ihr Auskommen zu finanzieren ausgestattet worden Die Häuser waren noch heute die Verwaltungsstützpunkte in den Grafschaften, wobei Elenvina zugleich auch das zentrale Archiv barg, während die Einnahmequellen großzügig das notwendige Kleingeld in die Schatullen des Hauses spülen. Das Leben der Familienmitglieder war jedoch das eines Verwaltungsbeamten. Ihnen oblag es Änderungen in den Stammbäumen der nordmärkischen Geschlechter zu erfassen, jene die Offiziell an sie gemeldet wurden, aber auch jene die ihr weit reichendes, teils mehrere Generationen bestehendes, Netz an Spitzeln und Informanten lieferten. Abgesehen vom Familienoberhaupt und der Erbin des Hauses, was beide nicht waren, wurde angestrebt das alle Mitglieder Ehen eingingen die die Verbundenheit des Hauses mit dem Adel des Herzogtums festigte, egal ob Niederadel oder Hochadel ein von Ahnwacht stellte nunmal eine gute Partie dar. Nur langsam ihren Tannwalder im gelben Rock verzehrend, zogen die beiden Damen es vor lieber bedächtig an ihrem Wein zu nippen.

Dorcas hob den Arm und sagte:” Ich nehme eine.” Er drehte sich zu seinen neuen Freunden und fragte:” Wollt Ihr auch eine Tannwalder?” Nebenbei sah er rüber zu seinem Vetter Belfionn rüber, der immer noch im Gespräch mit dieser jungen Frau war. “Wie könnte ich als eine Tannenfels eine Tannwalder ausschlagen?” antwortete Ringard. “Ich nehme auch eine! Für Dich auch, Nivard?” Dieser schien jedoch nicht bei der Sache. Sein Blick war noch immer in Richtung der Altenberger gerichtet, und versuchte dort eine zarte Gestalt mit roten Haaren auszumachen. Hoffte, dass sich ihre grünen Augen und die seinen - selbst auf diese Distanz - treffen mochten. “Nivard?” Ringard versuchte seinem Blick zu folgen, während sie Dorcas verschwörerisch zugrinste.

“Rahja ist voll im Gange”. Dorcas zwinkerte Ringard zurück. “Ihr solltet euch vielleicht auch umschauen. Wie wäre es mit einem dieser Knappen?” Der Hüne deutete auf den Knappen Angrond und Folcrad. “Wenn ihr wollt, könnte ich euch vorstellen?” “Das glaube ich auch.” Zu gerne hätte sie bereits jetzt einen Blick auf diese Dame erheischt, doch sie zügelte ihre Neugier, schickte der Tag doch so langsam an, auch in eigener Sache interessant zu werden. Für sie hätte die Unterhaltung mit Dorcas alleine (Nivard war ja gerade allenfalls leiblich bei ihnen) gerne noch länger andauern können, doch ging sie zunächst dennoch auf dessen Angebot ein: “Sehr gerne. Sind sie in Knappschaft am Hofe der hiesigen Baronin?” Noch bevor Dorcas antworten konnte, ergriff Nivard von der Seite das Wort: “Ihr beiden entschuldigt mich bitte. Wir sehen uns später…”

Verwundert schaute der Ritter Nivard hinterher. “Nun hat er es aber eilig.” Dann drehte er sich wieder zur Ringard. “So genau weiß ich das gar nicht, aber das werdet ihr schon herausfinden. Er legte sanft seinen Arm um die junge Frau und führte sie zu den jungen Knappen. “In Rahjas Namen, verzeiht die Herren. Ich würde euch gerne diese junge Rose vorstellen wollen: Ringard von Tannefels!” Dann schob er sie ein wenig vor. Der junge Baldurstolz erhob sich von seiner Bank, lächelte und verneigte sich:”Angenehm, Folcrad von Baldurstolz, Knappe des Edlen zu Hinterwald, Ritter Vitold von Baldurstolz. Möchtet Ihr Euch setzen?” Er bot ihr seinen Sitzplatz an und trat einen Schritt zur Seite. Bereit ihr die Hand zu reichen, sollte sie das Angebot annehmen.

Angenehm berührt, in Dorcas Arm geleitet zu werden, und sichtlich geschmeichelt ob der Vorstellung als junge Rose, strahlte Ringard zunächst den Ritter der hiesigen Baronin an, um dann lächelnd in Richtung Folcrad zurückzuknicksen: "Sehr erfreut! Ringard von Tannenfels, wie Ihr bereits vernahmt, vom Hofe ihrer Hochgeboren Wunnemine von Fadersberg zu Ambelmund." Der junge Knappe mochte kaum älter sein als sie selbst, wenn überhaupt. Er strahlte vielleicht nicht die gefestigte Reife von Dorcas aus, die sie als sehr anziehend empfand, doch war sie hier, um sich umzuschauen, und Folcrads offene und zuvorkommende Art bewegten sie dazu, die Einladung anzunehmen. "Gerne möchte ich mich zu Euch setzen." ergriff sie die gereichte Hand, und ließ sich nieder. "Mit wem habe ich in Euch die Ehre?" richtete sie zunächst das Wort an Angrond von Fuchsberg, der ihr ebenfalls unbekannt war."

“Angrond von Fuchsberg, meine Familie lebt auf einem Rittergut in Vairningen.” Gab dieser etwas schüchtern zurück. Dabei war es nicht so das er nicht mit Menschen konnte, er brauchte lediglich ein wenig um mit ihnen warm zu werden. Womöglich fehlte es ihm dabei lediglich ein wenig an Selbstvertrauen. "Wo genau denn in Vairningen?" fragte Ringard neugierig. Vielleicht stammten sie sogar aus unmittelbarer Nähe. Beim Gedanken daran stellte fest, wie wenig sie sich in der Nachbarbaronie ihrer Heimat auskannte.

“Waldenberg liegt im Südosten der Baronie.” Versuchte er die Lage schon einmal grob zu Beschreiben, eh er näher ins Detail ging. “Von der Reichsstraße nahe Kefberg durch die Furt nach Effertingen und dann noch ein Stück weiter gen Firun bis das offene Land am Fluss den Wäldern von Nordgratenfels weicht.” Somit lag für die Verhältnisse in Nordgratenfels das kleine Rittergut noch sehr verkehrsgünstig, aber eigentlich waren die meisten Bewohner sehr glücklich damit dass alles seinen gewohnten Gang ging und nur selten Reisende für unruhe sorgten. Damit lag seine Heimat am genau entgegengesetzten Ende Vairningens, wäre er hingegen aus Avesstein oder Kranickau hätte das hingegen ganz anders ausgesehen.

Angrond wirkte trotz oder vielleicht auch gerade seiner Schüchternheit wegen durchaus nett auf Ringard. Allerdings war der Südosten von Vairningen nicht die räumliche Errettung, die sie sich heute insgeheim erträumte. Noch wirkte der junge Knappe gerade wie der strahlende Retter... “Und welche Ländereien müsste ich durchreisen, wollte ich Hinterwald besehen?” versuchte sie herauszufinden, wo die Heimat Folcrads lag. “Das kommt ganz darauf an, von wo ihr anreisen wollt. Das Edlengut Hinterwald befindet sich in der äußersten nordwestlichen Ecke der Baronie Eisenstein.” “Noch käme ich aus Ambelmund, da wäre die Anreise sicherlich beschwerlich. Doch von Elenvina aus dürfte es nicht allzuweit sein, oder?” bemühte Ringard ihre recht rudimentären Kenntnisse der Geographie der Nordmarken. Ihre Stimme vermittelte echte Neugier, und in der Tat handelte es sich bei ihrer Frage keineswegs um Geplänkel… “Mmmmh...Ambelmund ist in der Tat recht weit. In die Richtung hat mich mein Schwertvater noch nicht geführt. Also gut, dann Elenvina. Am besten fahrt Ihr auf dem Großen Fluss bis Altenfurt. Von dort gehts firunwärts bis zum Rickenbach, aber quert ihn nicht, sondern reitet rechter Hand weiter bis zur nächsten Brücke, diese müsst Ihr nehmen. Reitet weiter zum Ort Rickenbach und dann vorbei an der Hyndanburg, bis zur nächsten Weggabelung. Dort müsst Ihr den linken Pfad wählen, der Euch durch den Breewald führt, bis zum gleichnamigen Ort. Immer weiter dem Weg folgend, werdet Ihr eine Kreuzung erreichen. Linker Hand werdet Ihr zur Baronie Eisenhuett gelangen, rechter Hand geht´s zur Einöde, an dessen Rand Tuhnich - Guhds Schloss liegt. Es war die Feste eines üblen Schwarzmagiers. Angeblich haust seine Tochter dort immer noch. Reitet nicht dorthin. Geradeaus werdet ihr auf direktem Wege den Ort Hinterwald erreichen, wo ich derzeit Zuhause bin. Alles in Allem braucht man zwischen drei und fünf Tagen für diesen Weg.”

‘Drei bis fünf Tage bis Elenvina - naja, von Tannenfels oder Ambelmund aus ist es viel weiter bis in eine richtige Stadt…’ Und die Art, in der Folcrad von seiner Heimat erzählte, gefiel ihr. Mit einem leichten Zucken in den Mundwinkeln fragte sie neugierig nach: “Tuhnich - Guhd? Ein übler Schwarzmagier? Hat ihm denn jemand das Handwerk gelegt? Oder musste es seine Tochter selbst richten, natürlich nur, um seine Macht an sich zu reißen? Es scheint gefährlich zuzugehen in Eurer Heimat… sicher werden dort Helden gemacht! Und bei Euch, Angrond, ist es dort genauso abenteuerlich?”

“Soweit ich weiß haben wir mit Zauberkundigen eher selten Probleme.” Klärte Angrond diese Unart direkt als erstes auf. Die Baronin hatte ihre Hofmaga und die Thomundson war im Volk recht beliebt, da sie ihre, am Anatomischen Institut in Vinsalt erworbenen, Kenntnisse großzügig auch zum Wohle des einfachen Volkes einsetzte. Ansonsten hatten sie noch Naturzauberer, aber wenn man die nicht verärgerte, dann taten die einem auch nichts. “Es gibt Wölfe und Bären, aber die machen eigentlich einen weiten Bogen um die Siedlungen - also zumindest solange das Futter nicht knapp wird. Für Rot- und Schwarzpelze gilt eigentlich das Gleiche, wenn es dann aber soweit kommt sind sie gefährlicher. Die größte Gefahr sind deshalb vermutlich die Schergen der Rauestahls. Eine Familie von Raubrittern die sich sämtliche Konkurrenz in der Umgebung einverleibt oder alle umgebracht hat. Meist überfallen sie Reisende auf der Reichsstraße, aber auch Höfe in Vairningen sind bereits von ihnen geplündert worden. Die Position ihres Lagers konnte leider noch nicht festgestellt werden und so können sie seit Götterläufen ihr schändliches Unwesen treiben.”

“Ich müsste da meinen Schwertvater fragen. Der Zauberer trieb sein Unwesen vor zwanzig Götterläufen zur Zeit der Borbarad - Krise. Er soll wohl auch dessen Kult gefolgt sein. Räuber haben wir zur Zeit glücklicherweise nicht. Unternimmt Euer Schwertvater was dagegen und dürft Ihr ihn dabei begleiten?”, Folcrad stellte sich gerade vor, wie Angrond zusammen mit anderen den Räubern den Garaus machte. ‘So langsam taute Angrond also auf’, stellte Ringard insgeheim fest. Die Berichte der beiden Knappen waren kurzweilig - und aufschlussreich. Ihr Bild vom Leben im Südosten Vairningens erhärtete sich - es schien dort in vielerlei Hinsicht gar nicht so anders zuzugehen als im heimischen Tann, auch wenn sie in Ringards Heimat offensichtlich weniger Ärger mit Raubrittern hatten. Sie mochte die beiden Knappen, musste sie feststellen. Aber wie mögliche Ehemänner kamen sie ihr gerade nicht vor.

Wie von magischen Mächten gelenkt zog es Nivard aus dem Obdach des Sonnenschutzes hinaus in Geldas Richtung, darauf hoffend, noch ein Wort mit ihr wechseln zu können, oder wenigstens einen Blick, bevor es "offiziell" weiterging. Doch er musste erkennen, was er insgeheim längst wusste, dass das Protokoll und die Ordnung des Festplatzes genau dies wohl kaum zulassen würden. Wie angewurzelt blieb Nivard daher stehen, wenige Schritt vor dem Sonnenschutz, doch statt sich wieder zurückzuwenden, galt seine Aufmerksamkeit für einen Moment alleine Gelda, die er von hier gut erkennen konnte, suchten seine Augen die ihren, sehnsuchtsvoll bereits, ein weiteres Mal in deren magischem Grün zu versinken. Aber wie es schien, sah sie ihn nicht, dafür sah er aber Doratrava und Rondradin, wie beide mit ihr an der Altenberger Tafel saßen und redeten.

Neidvoll sah er zu dem kleinen Kränzchen. Wie gerne wäre er jetzt bei jenen, mit denen er in Nilsitz oder spätestens während der Reise hierher vertraut geworden war. Aber er musste sich gedulden. Heute ging es um mehr als um einen Tag in netter Gesellschaft, mit gutem Essen, Kurzweil und Plauderei. Er stand vor einem Kampf, einem, der nicht mit dem Schwert zu führen und zu gewinnen war. Für den er nicht ausgebildet worden war. Einem, in dem es für ihn um alles ging. ‘Militat omnis amans.’ Wie recht hatte diese alt-bosparanische Weise. Sie sahen nicht zu ihm herüber. Auch wenn es ihm schwer fiel, zwang er sich dazu, sich abzuwenden. Er war gerade dabei, als… Er direkt in die tiefblauen Augen Rondradins blickte. Beinahe entschuldigend lächelnd nickte dieser grüßend Nivard zu. Er sagte etwas zu Gelda und Doratrava, gleichzeitig deutete er unauffällig in Nivards Richtung. Doratrava sah daraufhin zu Nivard hinüber und winkte erfreut, war aber gerade im Gespräch und wollte auch nicht über den Tisch schreien. So zwinkerte sie dem Krieger nur zu und wandte sich dann wieder ab.

“Willst du auch eine Tannwalder?” fragte Corwyn seine Schülerin als er sich eine Schale von Rahjagoras nahm. Doch das Mädchen schüttelte den Kopf. “Gibt es nichts anderes?” fragte es schüchtern? Der ältere Mann schaute sie nachdenklich an. “Hmmm, nach was gelüstet es dich, junge Dame?” “Nach etwas ohne Fleisch bitte.” Lininaj lächelte Rahjagoras bittend an. “Da wird mir schon etwas passendes einfallen.” meinte dieser, “Ihr müsstet nur noch etwas warten.” “Das mache ich gerne.” erwiderte sie dankbar und sah dem älteren Mann nach bis dieser verschwunden war. “Die Tannwalder ist aber lecker.” versuchte Corwyn seiner Schülerin die Senfwurst doch noch schmackhaft zu machen. Diese schüttelte aber nur den Kopf und wartete geduldig bis einige Zeit später Rahjagoras zurück kam und ihr eine mit Gemüse und Käse gefüllte Teigtasche überreichte, in die sie glücklich biss. “Danke.” konnte man mit gutem Willen aus dem Kauen des Mädchens heraus hören.

Linnart stand etwas abseits des Geschehens und war in Gedanken versunken. Auf seinen Zügen zeigte sich ein leicht dämliches, aber friedliches Grinsen. Er atmete tief durch und schloss kurz seine Augen. Was für ein Tag. Der Ritter hatte das Gefühl, dass all das was ihm heute schon vergönnt war zu erleben, sonst wohl einen ganzen Götterlauf nicht füllen konnte. Sein Blick schweifte über die Gästeschar. Ja, er würde sich noch ein paar Momente lang Zeit nehmen bevor er sich unter die anderen Gäste mischte. Sein Ruf war seit dem Kuss ja sowieso nicht mehr der beste und er war froh wenn er den Tag überstand, ohne von einem der hier Anwesenden Satisfaktion fordern zu müssen. Der anmaßende, aber edel gekleidete Knappe von vorhin, welcher Linnart zur Rede gestellt hatte, war ihm schon zuviel der Zeitverschwendung gewesen, doch Praios sei Dank beruhigte sich der kleine Mann wieder, ohne dass Linnart nachhelfen musste.

Eine schmale Hand auf seiner Schulter ließ ihn aus seinen Gedanken hochschrecken und beförderte ihn zurück ins Hier und Jetzt. "Was tust du hier alleine, Bruder ...", kam es von der Seite und er erkannte die liebliche Stimme seiner Schwester Rahjalind, "... was hast du denn nun schon wieder angestellt ...", ihr Ton wurde anklagender, "... erst dieser Kuss und jetzt?" Sie ließ ihm keine Zeit zu antworten. "Hast du ihr etwa an den Hintern gefasst?" Der Ritter rollte mit seinen Augen und maß sie mit einem gespielt säuerlichen Gesicht. "Nein, nichts dergleichen. Wir haben uns gegenseitig etwas Platz und Zeit eingeräumt um mit den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen."

Rahjalind gab ein leichtes Seufzen von sich. "Du hast sie also gehen lassen? Bruder ... Bruder ... du bist ein hoffnungsloser Fall." "Ja ...", nickte er bestätigend, "... aber nicht so wie du denkst. Es ist eher nur vorübergehend. Wir wissen beide, dass wir uns hier auch wie die Gäste einer Brautschau verhalten sollten." "Dann lief es also gut?" Fragte sie erfreut. "Ja", bestätigte er nickend. Die junge Rahjadienerin klatschte erfreut in ihre Hände. "Dann stellt sich mir erst recht die Frage warum du hier alleine rumstehst und Maulaffen feilbietest. Solltest du ... ihr nicht an einem ruhigen Plätzchen sein und ... nun du weißt schon." Sie ließ ihre Augenbrauen nach oben wandern und stupste ihn schief lächelnd mit dem Ellenbogen in die Seite. "Hmpf ...", grunzte Linnart auf das Verhalten seiner Schwester hin, "... erstens hab ich dir ja gerade eben gesagt, dass es unziemlich wäre die Feier so früh zu verlassen und zweitens lassen wir es wohl auch etwas ruhiger angehen." Etwas, das ihm bei anderen Frauen egal gewesen wäre, wollte er bei Andesine erst gar nicht aufkommen lassen. Sie sollte nicht meinen, er sei nur auf ihren Körper aus - nein, die Sache würde nach ihrem gewählten Tempo ablaufen. "Ruhiger ...", lachte die junge Frau auf, legte ihm ihre Hände an die Wangen und blickte ihm eindringlich in die eisblauen Augen, "... wer bist du und was hast du mit meinem Bruder gemacht?"

Der junge Bannstrahler entgegnete ihr mit einem Lächeln. "Lass das, Schwester." "Na ist doch wahr ...", gab Rahjalind keck zu bedenken, "... langsam angehen und Frauen. Das kenne ich von dir gar nicht. Normalerweise geht das bei dir so schnell, dass du die Dumpfbacken, mit denen du dich sonst rumtreibst, abschießt noch bevor ich mich mit ihnen unterhalten, geschweige denn mich an sie gewöhnen konnte." "Nun ist es anders ...", er reckte trotzig sein Kinn, "... und Andesine ist keine ... Dumpfbacke." "Ja, das habe ich auch nicht gesagt und bereits gemerkt." Sie knuffte ihn in seine Wangen. "So wie sie meinem großen Bruder, dem Unzähmbaren, seinen Kopf verdreht hat. Ich freue mich für dich. Wie seid ihr verblieben?"

"Sie will mich ihrer Familie vorstellen und ich sie der unseren", antwortete Linnart. "Hast du sie darauf vorbereitet?" Rahjalind legte ihre Stirn in Falten. "Was meinst du damit?" "Nun ja ... auf unseren Lebensstil. Oder wird sie Reißaus nehmen wenn sie Vaters Statuen im Garten sieht, oder das nervige Geschrei von Mutters Paradiesvögeln hört? Sie wirkt ja doch recht ... züchtig." Der Ritter schluckte. Hierbei konnte er nur das Beste hoffen. "Nein, dafür sorgt sie sich welches Bild ihr Onkel von mir haben wird und ob ich mit seiner wahrscheinlichen Ablehnung umgehen kann." Rahjalind ließ daraufhin ein unangebrachtes Kichern folgen. "Als wären wir verstörte Blicke nicht gewohnt." Auch auf den Lippen des Bannstrahlers zeigte sich ein schmales Lächeln. "Ja, ich sehe das nicht als Problem. Solange Andesine und ich uns gegenseitig den Rücken stärken, werden wir die Familie des jeweils anderen gut überstehen." Die junge Novizin küsste die Wange ihres Bruders. "Mach das beste daraus, mein Lieber. Ich freue mich für euch. Vielleicht werde ich mit meiner zukünftigen Schwägerin heute noch das Gespräch suchen - so von Frau zu Frau." Sie zwinkerte ihm zu und rauschte von dannen.

Als die junge Lilienhainerin mit dem Schälchen auf den Knappen Folcrad zu kam, rollte die Wurst aus der Schale und landete auf dem Boden direkt vor seinen Füßen. Mit feuerroten Kopf schaute sie ihn an. “Oh … verzeiht ..” Folcrad hatte Hunger. Er war heute besonders früh aufgestanden, um erst seinem Schwertvater und später dem Baron von Eisenstein zu Diensten zu sein. Während dieser Feierlichkeiten war er Knappe zweier Herren. Es war anstrengend, doch würde es sich hoffentlich eines Tages auszahlen. Als er den Duft von würzigem Mostrich auf heißer Wurst in sich aufsog, lief ihm das Wasser im Munde zusammen, doch nun lag diese Köstlichkeit zum Greifen nahe… im Dreck. Konnte es noch schlimmer kommen? Zuerst stieg Zorn in ihm auf, doch dank der Müdigkeit des langen Tages verwandelte er sich in Resignation. Sein Blick ging von der Wurst hoch zum Gesicht des Mädchens. Er sah ihre Rundungen, die durch die Schürze auf dem Kleid noch in Szene gesetzt wurden. Er sah ihr Gesicht, das rote Haar, in dem eine Rose steckte und sah, wie erschrocken sie über dieses Missgeschick war. Der Hunger quälte ihn immer noch, aber er wollte nicht, dass dieses Geschöpf Rahjas Unglücklich war, also lächelte er:”Das macht doch nichts. Es gibt doch bestimmt noch mehr davon.” Er ging in die Hocke und hob die Wurst auf. “Hab ihr Hunde hier?”, fragte er. “Die freuen sich bestimmt darüber.”

Fecundaque bückte sich sogleich nach der Wurst, das dem Knappen einen tiefen Einblick in ihr schon übermäßig entwickeltes Dekoltee bot. “Oh ...ja..also wir haben einen Hund. Aber macht euch keine Sorgen, ich hole gleich eine Neue. Ich werde auch mehr Mostrich drauf tun. Herr?”. Offensichtlich suchte sie nach einen Namen. “Folcrad”, stammelte er und musste sich schwer konzentrieren den Blick von ihrer Offenherzigkeit wieder in ihr Gesicht zu lenken. Seine Hose wurde plötzlich ganz eng. “Folcrad von Baldurstolz.” Langsam erhob sie sich mit der Wurst in der Hand. Diesmal lächelte sie ihn an, die kleine Grübchen auf ihren Wangen offenbarte. “Angenehm. Ich bin Fecundaque. Es freut mich, euch kennen zu lernen, hoher Herr?” Wieder schlich sich Unsicherheit in ihre Frage. “Und ihr seid ein … Junker?”

“Ein Junker?”, er war irritiert. “Was? Nein.” Nun musste er lachen. Es war ein befreiendes und ansteckendes Lachen und Fecundaque merkte, dass er sie nicht auslachte. Es schien eher so, als wäre ein Knoten geplatzt und hätte die Fesseln von seinen Emotionen genommen, ganz so wie es der Herrin Rahja gefiel. “Nein, ich bin ein Knappe und werde dereinst ein Ritter. Wenn ich mich gut mache, könnte ich vielleicht eines Tages etwas Land besitzen und den Titel eines Edlen erhalten, so wie mein Schwertvater.” Erst schaute sie erstaunt, ließ sich dann aber von dem heiteren Lachen anstecken. “Verzeiht … Folcrad. Du … ihr ... seht ja schon wie ein Edler aus. Wer ist denn euer Schwertvater?” fragte sie neugierig, hielt noch immer die Wurst fest in ihrer Hand, während der Mostrich zwischen ihren Finger quillte.

Folcrad starrte auf die Wurst, die, heiß und prall, fest umklammert in Fecundaques Hand lag. Er sah die Crème, obgleich von falscher Farbe, zwischen ihren Fingern hervorquellen. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und er hatte das Gefühl, dass seine Hose jeden augenblick zerspringen müsste. Er konnte jeden seiner Herzschläge deutlich zwischen seinen Beinen spüren. “Ich… äh,” stammelte er. “Vitold. Er heißt Vitold. Vitold von Baldurstolz. Er sitzt da vorne.”, sprudelte es dann aus ihm heraus. Dabei deutete er in Richtung seines Schwertvaters. “Es ist der stattliche Herr in Schwarz und Silber, neben dem Blonden in Rot und Gold.” Fecundaque schaute in die Richtung des Pavillon der Niederadligen. Als sie sich wieder zu Folcrad umdrehte, blickte sie nach unten und stöhnte erschrocken auf. “Ach herrje, ein Fleck!” Bevor der Knappe verstand, zog sie ein Tüchlein aus ihrer Schürze und zielte sein rechtes Bein an, noch immer die Wurst fest umschlossen in ihrer Linken.

“Bitte nicht, ich…”, er zog das Bein zurück und schaute Fecundaque mit einer MIschung aus Qual und Flehen an. Was sollte er denn jetzt sagen? Es war ihm so peinlich und es gab keinen Ausweg, ohne ihn zu blamieren. “Ich, also…”, ihm wurde heiß und kalt. Vor ihm kniete diese Göttin und war kurz davor seine Scham zu berühren und eigentlich gab es derzeit nichts, was er sich sehnlicher wünschte, aber er kannte sie nicht und vermutlich würde sie aufschreien, wenn ihr sein Zustand klar wurde. “Du solltest das nicht tun, also… ich meine… nicht jetzt. Ich äh... ich kann das selbst.” Zweifellos musste ihr früher oder später auffallen, dass seine Hose inzwischen eine große Beule aufwies. Er versuchte das Wams weiter herunter zu ziehen. Etwas verwirrte schaute sie ihn an, während sie noch in der Hocke war. “Aber, Folcrad … das ist wirklich kein Problem …. Oh!” Ihr Blick fiel genau auf die Stelle, die der Knappe verbergen wollte. Röte stieg ihr wieder ins Gesicht. “Ich glaube …. Eure … Schamkapsel ist verrutscht.” Eine kräftige Hand ergriff ihren Arm und half ihr sanft auf. Der große Ritter Dorcas von Paggenfeld grinste sie an. “Das mein Schätzchen ist keine Schamkapsel. Der Herr von Baldurstolz gehört zu den ´großen Jungs´”. Ein lautes, schallendes Lachen folgte.

Fecundaque riss ihre Augen weit auf und ihr Gesicht brannte regelrecht. “Ich … ich … hole die Wurst … und hier!”, sie drückte dem Knappen das Tüchlein entgegen und machte sich geschwind auf zum Küchenzelt. Noch immer lachend, legte der Ritter seinen Arm um Folcrad. Der Knappe lief knallrot an und blickte irritiert auf das Tüchlein in seiner Hand. Was war hier gerade passiert? Er sah dem Ritter ins Gesicht:”Ähm, also...Danke?” Mehr brachte er nicht hervor. Die “Schwellung” plagte ihn immer noch. “Nicht dafür. Ein junger Mann muss sich ordentlich die Hörner abstoßen. Und bei der schönen Maid, kann man es dir nicht übelnehmen. Allerdings ein längerer Wams wäre heute angebracht.” Der Ritter grinste noch immer. Er griff nach zwei Weinkehlchen und reichte einen Folcrad. “Auf Rahja und ihre schönen Stuten!” Dorcas prostete ihm zu. “Ich bin im übrigens Dorcas von Paggenfeld, Hausritter der Baronin von Schweinsfold.”

“Auf Rahja und ihre Freuden”, prostete der Knappe zurück. “Freut mich Euch kennen zu lernen. Ich bin Folcrad von Baldurstolz, Knappe des Ritters Vitold von Baldurstolz, Edler zu Hinterwald. Er dient dem Baron von Eisenstein.” Folcrad versuchte das Grinsen des Ritters einzuordnen. “Darf ich Euch eine persönliche Frage stellen?” Der zwei Schritt große, blonde Mann schaute ihn aus seinen sanft braunen Augen an. Eine Narbe auf der Stirn teilte seine linke Augenbraue. “Nur zu , Folcrad. Ich bin ganz Ohr.” Der Knappe flüsterte mehr, als er sprach:”Was macht Ihr denn in einer solchen Situation? Muss ich denn jetzt immer ein langes Wams tragen?” “Hmmm.” Dorcas machte ein nachdenkliches Gesicht und flüsterte dann zurück. “Das hilft auf jeden fall und ist wohl die beste Lösung. Oder du stehst deinen Mann. Mann hat was Mann hat.” Dann kam ihm eine Idee. “Fragen wir doch einfach mal die Fachleute.” Sanft schob er den Knappen in Richtung einer jungen Frau. Dann sprach er sie selbstbewusst an. “Verzeiht, edle Dame vom Traurigen Stein. Der Knappe von Baldurstolz hätte da eine Frage, die ihr vielleicht beantworten könnt.” Das Grinsen kehrte wieder auf das Gesicht des Ritters.

`Oh Götter wie peinlich`, dachte der Knappe und schaffte es noch mehr Farbe im Gesicht anzusammeln. Er sah auf den Becher in seiner Hand und kippte den Inhalt in nur einem Zug seine Kehle hinunter. Dann lächelte er zaghaft die junge Frau an. Rahjalind musterte die beiden Männer neugierig und begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. "Wie kann ich Euch helfen, junger Herr?", wandte sie sich dem Jüngeren zu. “Ich, ähm… ich glaube ich habe gerade ein Mädchen verschreckt, weil ...äh”, unbeholfen druckste er vor der Novizin herum. Gestik, Mimik und nicht zuletzt sein verschämter Blick ließ Rahjalind eine vage Vorstellung von dem bekommen, was wohl genau sein Problem war. ​Rahjalind verstand und konnte sich dabei ein Grinsen nicht verkneifen. "Und Ihr möchtet, dass ich ... deswegen ... mit dem Mädchen rede?", fragte sie dann und blickte dabei zwischen den beiden Männern hin und her. “Es ging eher darum, ob es schicklicher ist einen längeren Wams zu tragen, in prekären Situationen, nicht war?” stupste Dorcas den Knappen an. Der Knappe wünschte sich gerade nichts sehnlicher, als das sich die Erde unter seinen Füßen auftat und Sumu selbst ihn verschlucken würde. Doch es geschah… nichts! Die Beule war immer noch da, das schöne Mädchen immer noch verschreckt und zwei nette, aber fremde Menschen unterhielten sich gerade mit wachsendem Interesse über seine Scham. Was würde nur sein Schwertvater von ihm denken, wenn er hiervon erführe? Beim Gedanken an Vitold schluckte er unwillkürlich, doch dann reckte er das Kinn und entschloss sich für die Flucht nach vorn. “Nun äh… also, ja. Ja, das stimmt. Aber, wenn Ihr so freundlich wärt ihr zu erklären, dass es nicht meine Absicht war…”, mit flehendem Hundeblick schaute er Rahjalind an.

Das Grinsen der jungen Novizin war immer noch nicht verschwunden. "Grämt Euch nicht, junger Herr. Es ist etwas ganz Natürliches. Etwas, das mit zunehmender Erfahrung einfacher zu kontrollieren sein wird. Sagt, habt Ihr denn schon einmal die Wärme einer Frau gespürt?" Bevor dieser antworten konnte, stand die Magd Fecundaque neben ihn und hielt ihm eine Wurst mit extra viel Mostrich hin. “Mein Herr, eure Wurst. Die Dickste die ich finden konnte. “, und lächelte etwas unsicher. Hatte sie das gerade wirklich gefragt? In aller Öffentlichkeit? Und auch noch in Hörweite von Fecundaque? Folcrad klopfte das Herz bis zum Hals, der immer enger zu werden schien. Das war zuviel für ihn. Beschämt senkte er den Kopf und schaute auf seine Stiefel. “Nein, das habe ich noch nicht”, murmelte er kleinlaut. Dann hob er seinen Kopf etwas, aber nur soweit, dass er unter seinen langen Wimpern hindurch gerade eben Fecundaque erkennen konnte, griff nach der Wurst und antwortete ihr:”Danke für deine Mühe.” Auch er lächelte nun unsicher, wagte es aber immer noch nicht Fecundaque in die Augen zu schauen.

Rahjalind machte eine abwinkende Handbewegung. "Ach, da ist doch nichts dabei. Ihr seid ja noch jung und werdet sehen, dass der Tag kommt, an dem Ihr Euch vor Verehrerinnen nicht mehr erretten könnt." Sie zwinkerte und schenkte ihm ein Lächeln. Verschämt, doch auch neugierig blickte er nun Fecundaque an. Ganz langsam wurde sein Lächeln immer breiter.

Die junge Magd war schnell gefasst und lachte glucksend. Anscheinend ist ihr das Thema nicht so unangenehm, wie ein mancher dachte. “Wenn ihr noch was möchtet …. fragt nach mir!” ein schelmischer Blick wanderte zu seinen Lenden, dann wieder zu seinem Blick. Lachend lief sie zum Küchenzelt. Doch ganz konnte der Knappe den Gang der Magd nicht verfolgen, den plötzlich stand ihr Großvater Rahjagoras im Weg. “Auf ein Wort, Herr Knappe.”,sagte dieser und nahm ihn zur Seite. “Ich hatte mich gefragt, ob ihr Lust zu einer kleinen Reise mit anderen Gästen in den Park hättet? Das Werben beginnt und falls ihr daran nicht teilnehmen werdet, könntet ihr mitkommen.” Eindringlich, aber freundlich schaute der alte Mann ihn an. Folcrad schluckte:”Ich ähm also, nein, ich gehöre nicht zu den Werbern, also könnte ich wohl … mitgehen?” “Gut. Dann trefft mich bei dem Zelt der Gaukler.” Der Gärtner machte sich auf in die Richtung des Pavillons der Altenbergers. Folcrad blickte ihm hinterher.`Was war das denn?`,dachte er bei sich. Dann sah er Rahjalind und Dorcas an:”Möchtet ihr mitkommen, oder gehört ihr beide zu den Werbern?” "Geht nur junger Herr ...", meinte die Novizin lächelnd, "... der Herr von Paggenfeld und ich gehören beide zu den Werbern. Möge die Liebliche Euch heute gewogen sein."


Lucasta von Leihenhof schaute ihrem Vetter Roklan, dem Oberhaupt ihres Hauses, hinterher und wartete bis dieser im Pavillon des Hochadels verschwand. Zu lang und zu oft hatte dieser mit seiner impertinenten Art ihr und ihrem Bruder Ingeras Vorschriften gemacht. Sie konnte es nicht ausstehen von Anderen gesagt zu bekommen, was sie zu tun und zu lassen hatte. Erst sträubte sie sich gegen den Gedanken an der Brautschau teilnehmen zu müssen, doch nun erkannte sie die Gelegenheit mit einem richtigen Ehegatten, das langweilige Landleben bei ihren Eltern entfliehen zu können. Der Einzige der sie dauerte war ihr älterer Bruder Ingeras. Ihre Mutter Raxia schikanierte ihn, bestimmte jeden seiner Schritte und … er ließ sich alles gefallen. Sie betet inbrünstig zu Travia und Rahja, dass diese Brautschau ihr Leben verändern würde.

Sie griff ihren Bruder bei der Hand und lief mit schnellen Schritten zum Sonnenschutz. Die Gäste die schon dabei waren sich an den köstlichen Würstchen zu laben, bemerkten die Ankunft der Geschwister kaum. Die Wenigen die es doch taten, sahen ein interessantes Pärchen. Die sechzehnjährige Lucasta hatte eine schlanke Taille, doch Hüfte und Schultern waren eher breit, genauso wie ihre Kieferkontur und ihre Wangenknochen. Das strohblonde Haar war streng und praktisch zu einem rückenlangen Zopf geflochten. Das weinrote Kleid war nicht aus der neuesten höfischen Mode und gehörte ihrer Mutter. Ingeras von Leihenhof war älter als seine Schwester, doch sein zartes Gesicht, die schlanke hochgewachsene Statur ließ ihn gleichaltrig und zerbrechlich wirken. Viel hatten die Geschwister nicht gemeinsam, bis auf das strohblonde Haar und die dunkelgrünen, leicht schräg stehenden Augen. Ein blaues, seidenes Hemd und die dunkelgrüne, halblange Samthose ließen ihn noch leichter wirken. Für den Unkundigen hätte er von weitem mit einem Elf verwechselt werden können. Nur einige Schritte hinter ihnen lief Adamar von Firnholz, der Knappe von Baron Roklan von Leihenhof und Sohn der Baronin Fedora von Firnholz. Den letzten den Lucasta bei sich haben wollte war Adamar. Noch jemand, der sie für ihren Vetter kontrollieren wollte. Mit geschickter Ellenbogenarbeit drängelte sie sich mit ihrem Bruder zwischen die Gäste, in der Hoffnung aus der Sichtweite des Knappen zu gelangen. Als sie noch einen Blick nach hinten wagte, bemerkte sie nicht den jungen Mann der ihr im Weg stand und rannte in ihn hinein.

Der kräftige Krieger hatte sich für den Anlass fein gemacht. Es war nicht die Mode aus der Herzogenmetropole die er auftrug, sondern das Neuste was die weit gerühmten Schneider der Stadt Vairningen zu bieten hatten. Dabei hatte der kunstfertige Handwerker großes Geschick offenbart, harmonierten die Farben von Hose, Hemd, Wams und fein geschnitzten Knöpfen doch ausgezeichnet. “Vorsicht, Vorsicht!” Mahnte er und drehte sich um, um zu sehen wer ihn dort versucht hatte umzurennen.

Die sechzehnjährige schaute den kräftigen Krieger an. “Oh verzeiht, hoher Herr. Ich wurde … gestoßen.” log sie. Sie machte einen kurzen Knicks. “Ich bin die hohe Dame Lucasta von Leihenhof und das … ist mein Bruder Ingeras von Leihenhof.” Sie deutete auf den elfengleichen Jüngling. Nun schaute sie sich den Edelmann genauer an … und war angetan. Sie strich sich eine gelöste Strähne zurück und lächelte. Den Geboten der Höflichkeit folgend, erwiderte der Krieger den Knicks der Dame mit einer knappen Verbeugung eh er sich selbst kurz Vorstellte. “Arsan Thomundson, erfreut Eure Bekanntschaft zu machen.” Dabei verzichtete er lieber auf eine Anrede, war er sich doch nicht sicher wo im Hause Leihenhof diese beiden zu verorten waren. Waren sie womöglich eng genug mit dem Baron verwandt, stand ihnen womöglich noch eine andere Anrede zu als er sie gewählt hätte. “Darf ich Fragen was Euch und Euren Bruder hierher führt?” “Wir sind hier um jemanden für einen möglichen Ehebund zu finden. Mein Vetter der Baron Roklan ist der Meinung, dass es für uns an der Zeit wäre. Und ihr?” Mit funkelnden Augen ließ sie ihre Augen auf und nieder dem Knappen fahren.

“Dann scheint es mir, dass uns das Schicksal aus den gleichen Gründen hierher geführt hat.” Zumal Arsan mit seinen dreißig Sommern nach Ansicht seines Bruders längst unter die Haube gehörte. Arsan würde sie im Auge behalten. “Vielleicht könntet ihr mich später zum lustwandel ausführen?!” sagte sie gelassen. “Es wäre mir eine Ehre.”

´Typisch Lucasta` dachte Adamar bei sich, als er den Zusammenstoß von ihr mit dem jungen Mann beobachtete. Auch dass sie ihren Bruder mitzog, war ganz typisch für das Mädchen, als ob der Junge nicht schon genug mit den Weisungen und Geheißen der Mutter zu tun hatte, er konnte keinen Schritt ohne eine der Damen tun. Aber Adamar wusste auch, dass er Ingeras Unrecht tat, mitunter war es einfach leichter, sich zu fügen und Adamar hatte dies ebenfalls lernen müssen. Aber er hatte nunmal als Knappe des Barons von Galebquell ihm gegenüber auch die Pflicht, seine Weisungen und Wünsche umzusetzen, und dazu gehörte es, ein Auge auf die beiden Geschwister zu haben. “Lucasta!” gemahnte er die Junge Dame, nicht so stürmisch zu sein, mit lauter Stimme, er wurde seinem Knappenvater immer ähnlicher! Dabei bemerkte er auch die anderen jungen Damen, die anwesend waren. Er wusste, dass es auch an der Zeit für ihn war, sich nach einer Frau umzusehen. Wenn er bald den Ritterschlag empfangen sollte, war es auch nicht mehr lang hin, bis zu einer Traviafeier…

Schließlich vernahm Adamar aber hinter ihm eine ihm wohlvertraute, aber lange nicht mehr vornommene, Stimme. Seine Mutter: “Mein Sohn, schön, dass Ihr hier seid, lasst Euch ansehen!” sprach Fedora ihn an, nachdem sie sich von Roklan nach der Begrüßung und einem ersten Smalltalk kurz verabschiedet hatte, da sie nun wusste, dass auch ihr Sohn anwesend sein würde. So war sie zum Sonnenschutz gekommen, um ihn zu begrüßen. Adamar drehte sich um, und ein Lächeln trat auf sein Gesicht, denn er freute sich tatsächlich seine Mutter zu sehen. “Mama, freut mich Euch zu sehen! Erlaubt mir die Bemerkung, dass Ihr keinen Tag gealtert zu sein scheint!” begrüßte er sie freudig, wobei er das Wort Mama mit soviel Ehrfurcht und Ehrerbietung im Tonfall aussprach, dass es auf eine angemessene Anrede hin schließen ließ.

Fedora entgegnete: “Du dafür wirst immer größer und stattlicher, jedes Mal wenn ich Dich sehe.” Adamar und Fedora traten danach etwas abseits von den Anwesenden Personen und pflegten einen vertrauteren Umgang, der Wortwechsel war tatsächlich für Außenstehende nicht zu hören. Sie gingen einige Schritte im Garten umher, unterhielten sich angeregt, und tauschten sicher die Neuigkeiten der Familie, die bevorstehenden Gegebenheiten und Einladungen aus, die anstehende Frage nach Adamars Ritterschlag und seiner Bereitschaft auf dieser Feier um eine zukünftige Braut zu werben. Adamar gab sich nach anfänglichem Bedenken aber einverstanden, er war in dem Alter und wenn er erst Ritter war, wurde er mit einem Lehen innerhalb der Baronie seiner Mutter belehnt, und hatte eine Familie zu gründen. Dies war am Ende aber nicht nur der Wunsch Fedora´s - sondern durchaus auch sein eigener! Auf dieser Brautschau hätte er wenigstens die Gelegenheit selbst seine Zukünftige kennenzulernen, und diese nicht durch Beschluss und Entscheid vor die Nase gesetzt zu bekommen. Sollte er kein Glück haben, wäre die Wahl seiner Mutter ja immer noch eine Option…. So willigte er ein, um eine Braut zu werben.

Bevor die Baronin von Firnholz, zurück in den Pavillon gehen konnte, fing sie der Gartenmeister Rahjagoras ab. “Eure Hochgeboren, schön euch zu sehen. Ich hätte da eine Frage an euch. Alsbald wird das Werben beginnen. Und ich hatte mir überlegt, die anderen Gäste, die nicht werben möchten, zu einer Reise in den Park zu laden. Auch dort können die Wunder der Holden bewundert werden. Wenn ich mich recht erinnere habt ihr Knappe und Page. Die können sich gerne anschließen, was meint ihr?” Abwartend schaute er die Adlige an.

“Nun, ein wirklich reizendes Angebot, habt Dank, dass ihr an mich gedacht habt. Aber ich muss Euch sagen, dass ich auf diesem Fest anwesend bin, um geeignete Kandidaten für meinen Sohn und meine Tochter zu finden. Daher wäre es mir natürlich ein Anliegen, bei den Werbern dabei zu sein, um zu sehen, ob sich nicht die Gelegenheit für ein Gespräch findet, wenn es um die Zukunft des Hauses Firnholz geht. Sicherlich sind aber die übrigen Angebote etwas für Liobha und Aureus, ich werde Ihnen sagen, dass Ihr Euch im Park aufhaltet. Habt Dank für die Einladung.” beschied sie dem Gartenmeister eine freundliche Absage. Fedora hatte zudem noch etwas anderes im Sinn, aber das musste Rahjagoras ja nicht gleich wissen... “Sehr gerne, dann schickt die beiden zum Zelt der Gaukler, ich hole sie dort ab.” Mit einer Verbeugung zog er sich zurück. “Das werde ich sogleich tun, habt Dank.” Fedora deutete ebenfalls einen Gruß an, bevor sie direkt auf ihre beiden Schützlinge zu steuerte, die sich unter dem Sonnenschutz aufhielten.