Zurück zu alter Stärke

Zurück zu alter Stärke

Zurück zu alter Stärke

Autor: RekkiThorkarson

Peraine, Ingerimm 1041 B.F.


Burg Nilsitz, 26. Peraine 1041 BF
Ein gleichmäßiges Donnern ließ Dwarosch lächeln. Trotz geschlossener Augen und kniender Position vor dem Schrein des Kor wusste er sofort was Ursprung des immer wiederkehrenden Tones war. Zweihundertfünfzig schwer gerüstete Soldaten, Hammerträger- Malmardorum kamen im Gleichschritt über den felsigen Grund am Rande der Opferschlucht auf seine Position zu marschiert, nach Burg Nilsitz. Sie kamen von einem gemeinsamen Manöver aus der Vogtei Wedengraben. Heute noch würden sie gemeinsam den Weg nach Senalosch antreten und sich dort mit den Bannern der Schützen, den Isnadorum und den der Sappeuren, den Trodaratsch vereinigen.
Zur Ehre des 1. Ingerimm, dem höchsten Feiertag des Angrosch, des Schöpfergottes der Zwerge, würden sich alle zehn Banner vor den Toren der Stadt formieren. Der Rogmarog Isnatoschs, Fargol, Sohn des Fanderam, Ghambir, der Sohn des Gruin, Graf des Isenhag und nicht zu vergessen Turam, Sohn des Fanderasch, Marschall der Nordmarken würden eine Parade abnehmen und das neu aufgebaute Regiment das erste Mal in voller Sollstärke bewundern können, inklusive der berühmten Ramme Hammerkopf, welcher auch der Zwinger von Mendena zum Opfer gefallen war und den dazugehörigen Geschützen unterschiedlicher Bauart. Seine Mannen waren ganz sicher noch nicht am Ende ihrer Ausbildung, aber sie waren höchst diszipliniert und motiviert alles zu Leisten was man von ihnen erwartete. Antharax, Dwaroschs erster Hauptmann und inzwischen einer seiner engsten Freunde hatte ganze Arbeit geleistet. Stolz erfüllte das Herz des Oberst als er an die vergangenen Götternamen dachte. Es war ein ambitionierter Zeitplan gewesen, doch alle Zahnräder hatten ineinander gegriffen. Gemeinsam hatten zuvorderst die Bergkönigreiche von Xorlosch und Isnatosch eine beträchtliche Anzahl Angroschim stellen können, ebenso wie die Nordmärker ihren Teil dazu beitrugen die menschlichen Mitglieder des auf dem Feldzug fast vollständig zerstörten Regimentes wieder aufzustellen. Nicht zu verachten war jedoch auch der Anteil von im Herzogtum lebenden Amboßzwergen, welche eigentlich Tosch- Mur ihre Heimat nannten. Ebenso wie es Brillianzwergen- Klans gab, welche sich nach dem Untergang von Lorgolosch im Isenhag niedergelassen hatten und nicht mit dem Großteil ihren Volkes in den Raschtulswall gezogen waren. Auch Angehörige dieser Volksgruppen gehörten nun zu den neuen Soldaten des Garderegimentes. Einige alte Freunde aus seiner Zeit als Söldner hatte Dwarosch ebenfalls für sich gewinnen können. Angroschim aus allen zwergischen Reichen unter den Bergen Westaventuriens, dem Phacanowald, dem Kosch und nicht zuletzt dem Amboß. Alte Kämpen, die in ihrem Leben viel gesehen und erlebt hatten. Sie brachten gemeinsam mit den Veteranen, welche aus Mendena zurückgekehrt waren die nötige Erfahrung, Ruhe, aber auch Kaltschnäuzigkeit in die Reihen der Soldaten.

Dwarosch öffnete die Augen und blickte auf den Schrein seines Gottes im Innenhof der auf einem Felsvorsprung hoch über der Operschlucht gelegenen Burg. Eine kaum überblickbare Anzahl aneinander- geschmiedete Waffen aller Gattungen, Rassen und Völker, darunter ein orkischer Arbach, sowie ein Grufai, eine echsische Axt aus dem Selemgrund, ebenso aber auch Waffen aus allen anderen Teilen des Dererundes waren zu erkennen. Sie bildeten die Beine, oder eher den Sockel der unebenen Oberfläche des Altares. Diese bestand aus sicher einem Dutzend verbeulter und zum Teil sogar zerschlagener Schilde, die mit groben Metallbändern übereinanderlappend miteinander verbunden waren. Alles, erbeutete Waffen, gefallener Gegner aus über einem Jahrhundert Söldnertum, ebenso wie Schilde, die einstmals Dwaroschs Leben geschützt hatten, nun aber unbrauchbar waren, dienten Kor als Opfer.
Der Leib des Herren der Schlachten, dargestellt als ein auf allen vieren schreitender Mantikor, geschmiedet aus rot- rostigem Eisen, thronte mit gereizter, Angriffslust ausstrahlender Miene auf den Schilden. Sein erhobener Skorpionschwanz war drohend in Richtung des betenden ausgerichtet. Dies war das Bild was der Oberst von Kor hatte. Der Sohn Angroschs und Rondras war in den Nordmarken nicht sehr verbreitet. Lediglich in Tandosch hatte er einen eigenen Tempel. Doch das störte Dwarosch nicht. Kor war dort wo Söldner oder Soldaten waren und auch deswegen hatte er ihm hier, auf Burg Nilsitz, seiner derzeitigen Wirkungsstätte einen Altar errichtet. Seine Soldaten wurden auch in seinem Geiste und unter seinen Augen ausgebildet.

Dwarosch stand auf und schritt aus dem Innenhof der als Spornburg ausgeführten Festung zur gen Rahja gelegenen Wehrmauer. Er erklomm eiligen Schrittes die Stufen hinauf zum Wehrgang und sah dabei zu den im Wind wehenden Bannern über dem wuchtigen Bergfried. Es waren nicht nur die Farben des Junkergutes, der silberne, steigende Gebirgsbock auf Grün. Nein, dort war auch das Feldzeichen des Regimentes, ein aufrechter, schwarzer, langstieliger Hammer auf silbernem Grund zu sehen. Nilsitz gehörte wie Burg Trollportz und die zwergische Festung Calbrozim im Wedengraben zu den traditionellen Stationierungsorten des Regimenes, ebenso wie die Kasernen von Albenhus.
Als Dwarosch oben am umlaufenden Gang angekommen war und über die Zinnen blickte, konnte er die fünf Banner sehen die in geschlossener Formation und Gleichschritt weit unterhalb der Burg marschierten. Sie hatten gerade den Palisadenwall des gut vierhundert Seelen zählende Dorfes erreicht und schlugen nun den Weg durch die Siedlung an, um dann den steilen, sich windenden Weg aus Pflastersteinen hinauf zur Festung zu nehmen. Dwarosch gab Zeichen an einen wachhabenden Soldaten auf der Mauer und dieser blies ins Horn. Die Zwingerbesatzung ließ daraufhin die Zugbrücke herab und kurz darauf setzte sich auch die Mechaniken in Bewegung die die beiden hintereinanderliegenden Falltore nacheinander anhoben, um den Einmarsch der Soldaten zu ermöglichen. Es war Zeit. Dwarosch würde nun auch seine Rüstung und seinen Wappenrock anlegen, um die Soldaten gebührend empfangen zu können. Moral und Zusammenhalt waren ebenso bedeutsam wie Kampfkraft und gute Ausrüstung.
Nur ein Stundenglas später standen zweihundertfünfzig voll gerüstete Angroschim im Innenhof der Burg, ihre zweihändig geführten Zwergenschlägel auf dem Kopf ruhend zu ihren Füssen. Antharax, Hauptmann des ersten Banners des Regimentes und damit der Garde des Marschalls der Nordmarken trat auf der Mauer an Dwaroschs Seite. Beide musterten die Männer und Frauen unter ihnen eine Weile schweigend bevor Athax, wie Dwarosch seinen Freund kurz rief das Wort ergriff. "Oberst, alle Malmadorum- Banner vollständig und in Sollstärke angetreten. Sie sind ein wenig müde vom marschieren, hungrig und durstig, aber sie werden da unten stehen bis sie umfallen, um ihrem Feldzeichen keine Schande zu machen. Boten berichteten mir gestern, dass die Banner der Isnadorum und Trodaratsch sich bereits heute in Senalosch vereinen. Alles ist so wie ihr es wolltet.”
Dwarosch blickte zu seinem Hauptmann und nickte ihm mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zu. “Sehr gut! Morgen bei Sonnenaufgang brechen wir auf. Bis dahin lass sie sich stärken und ruhen. Die Kavernen unterhalb des Bergfrieds sind vorbereitet. Es wird eng werden, aber für eine Nacht wird es gehen.” Dann wandte er sich an die Soldaten. Vor Dwarosch stand mit dem wuchtigen Kopf zu Boden gerichtet die Waffe, welche er als Korknabe geführt hatten, sein prächtigen Felsspalter. Neun Mal ließ er den metallischen Dorn zwischen den Axtblättern auf den Boden schlagen bevor er mit lautem Bass das Wort ergriff.
“Wir Angroschim sind Stolz auf unsere Autonomie, aber auch auf unsere Heimat. Die Geschichte hat gezeigt, dass ein miteinander besser ist als Ignoranz und Isolation. Der Isenhag ist Teil der Nordmarken, wie auch das Herzogtum Teil des Raulschen Reiches ist. Sind wir stark, sind sie es. Sind sie stark, sind wir es auch. Dieses Regiment ist Teil dieser Stärke und repräsentiert uns Angroschim. In Mendena hat es gezeigt was es Wert ist. Ingerimms Hammer öffnete dem Herzog und der Kaiserin das Tor zur Stadt. Leider wäre das stolze Feldzeichen dabei aber fast untergegangen. Nur noch wenige, zu wenige kehrten heim. Doch die Zeit der Trauer ist vorbei Brüder und Schwestern. Heute haben wir wieder Sollstärke erreicht und bei Angroschs Barte, ihr seit auf dem bestem Wege dahin die schlagkräftigste Einheit zu werden, die unser Marschall je führen durfte. Angroschs Kraft, sein heiliger Zorn und Kors Gerissenheit, aber auch sein unbedingter Wille zum Sieg sollen die Tugenden dieses Regimentes sein. Übermorgen werden wir uns vor den Toren Senaloschs mit den Bannern der Isnadorum und Trodaratsch vereinigen. Wenn fünfhundert Mann wie einer marschieren werdet ihr Stolz und Ehrfurcht empfinden und euer Zusammenhalt wir noch einmal anwachsen. Auch wenn wir nach den Feierlichkeiten am ersten Ingerimm nicht weiter nach Elenvina marschieren können, um der altehrwürdigen Eilenwid über den Wassern unsere aufwartung zu machen, wie ich es gerne tun würde, so wird der Marschall dem Herzog von euch berichten. Macht ihn und mich stolz. Zeigt den Menschen, dass Xorlosch und Isnatosch ihren Teil geleistet haben die alte Stärke unserer Heimat wiederherzustellen. Denn keiner im Reich soll denken wir wären schwach. Oh nein. Das Schild des Reiches, Wehrheim mag untergegangen sein, aber der Isenhag, das pulsierende, eiserne Herz schlägt und das wird es immer, denn wir sind Angroschs erwähltes Volk. Unter den Augen des Allvaters und seines Sohnes habt ihr euren Eid auf das Feldzeichen von Ingerimms Hammer abgelegt. So lasst uns unsere Rogmarog ehren und gemeinsam den ewigen Herzschlag Angroschs, wie er in den Höhlen von Malmarzrom zu hören ist anstimmen!” Dwarosch hob erneut seinen Felsspalter und gab den Takt vor wie er in den Hammerhöhlen zu vernehmen ist. Zweihundertfünfzig schwere Hammerköpfe folgten seinem Beispiel, fielen mit ein und ließen ein Geräusch entstehen, welches von den dicken Mauern der altehrwürdigen Burg zurückworfen wurde und sich dadurch überlagerte, zu einem durchgehenden, körperlich spürbaren Ton anschwoll.


Senalosch, 1. Ingerimm 1041 BF

Mit acht langen Stößen der Nilsitzer Berghörner wurden die fünfhundert Soldaten des Regimentes von den Mauern Senaloschs aus begrüßt. Das große Stadttor in der halbkreisförmigen Mauer welche von Bergflanke zu Bergflanke reichte und die Stadt am und im Hang des Eisenwaldes schützte, stand weit offen. Eine kleine Gruppe von vier edel gekleideten Angroschim, flankiert von acht schwer gerüsteten Tunneljägern aus Isnatosch näherten sich zu Fuß von Richtung Stadt dem Führungsstabes des Regimentes unter Dwarosch, Sohn des Dwalin. In der Delegation befanden sich Rogmarog Fargol, Sohn des Fanderam von Isnatosch, Graf Ghambir, Sohn des Gruin vom Isenhag, der Vogt von Nilsitz, Borindarax, Sohn des Barbaxosch, sowie der Marschall der Nordmarken, Turam, Sohn des Fanderasch. Kurz bevor die zwergischen Würdenträger den Oberst und seine versammelten Hauptmänner erreicht hatten, gab dieser Zeichen und das Regiment nahm Haltung an, ein lautes Stiefel- und Hammerkopf- stampfen war zu vernehmen. Alles stand in Reih und Glied. Der Sohn des Dwalin senkte das Haupt vor dem Rogmarog und begrüßte im Anschluss auch die anderen Gäste mit allem gebührendem Respekt. Sein Verhältnis zu Turam war nach dem Feldzug von beiderseitigem Vertrauen geprägt, dies sah man beiden Zwergen an, als sie sich die Unterarme reichten. Bei dem Vogt viel diese Geste noch etwas herzlicher aus. Man lachte und umarmte sich. Borindarax und Dwarosch waren langjährige Freunde und gehörten darüber hinaus beide zur weitläufigen Sippe des Bergkönigs. Wobei Borax, wie der Vogt von seinen Vertrauten gerufen wurde tatsächlich dessen Urenkel war.
Im Folgenden stellte der Oberst seine Offiziere vor und wartete ab bis einige Nachfragen betreffend der Sippen- und Klanzugehörigkeit seiner Hauptmänner von diesen persönlich, in entspannter Atmosphäre beantwortet worden waren. Danach inspizierte man gemeinsam nacheinander die einzelnen Banner. Währenddessen berichtete der Oberst vom Ausbildungsstand seiner Soldaten, rühmte die Ingerimm und Angrosch geweihte Ramme, welche das fünfte Banner führte und beschrieb die Funktionsweise der Katapulte und Torsionsgeschütze, die die Geschützmannschaften in den Reihen der beiden Sapeurs- Banner ins Feld führten und bedienten. Dwarosch ging in diesem Zug aber auch auf die neue Rolle des zweiten Schützenbanners als Gebirgsjäger ein und präsentierte die modernen Gandrasch- Armbrüste seines Halbbanners Eliteschützen. Diese letzten beiden Punkte waren Dwaroschs Innovationen im Amt des Oberst. Der Marschall wirkte gelöst nachdem er alles Begutachtet hatte und einstweilige Fragen beantwortet waren. In einer für alle Soldaten sichtbaren Geste legte der Dwarosch die Hand auf die Schulter. "Oberst. Ihr seht mich äußerst zufrieden, gute Arbeit. Ingerimms Hammer wird hiermit wieder in den Dienst gestellt.” Rogmarog und Graf nickten nur und pflichteten Turam auf diese Weise bei, bevor dieser fortfuhr. "Ich bitte euch die Banner gemäß den Verträgen wieder auf die jeweiligen Stationierungsstandorte aufzuteilen. Die Gebirgsjäger, sowie die Eliteschützen verbleiben in Senalosch zu eurer permanenten Verfügung als Sondereinheit.” “Sehr wohl mein Marschall”, antwortete Dwarosch mit einem breiten Lächeln. “Bleibt nur noch eines zu tun.” Dwarosch blickte über seine Schulter zu seinem ersten Hauptmann und Stellvertreter. “Antharax. Ehrengarde für unseren Marschall. Antreten.” Sogleich rückte das erste Banner des Schweren Fußvolkes aus der geschlossenen Aufstellung innerhalb des Regimentes aus und formierte sich hinter dem Marschall neu. Nun zeigte sich auch auf dem Gesicht Turams ein Lächeln und er erhob nochmals das Wort, diesmal an alle. "Brüder, Schwestern. Ihr erfüllt mein Herz wahrlich mit Stolz. Ich werde unserem Herzog berichten, dass Ingerimms Hammer wieder im Dienst ist und dass seine Hoheit und die Nordmarken auf euch zählen können.” Als der Marschall geendet hatte nickte Dwarosch und gab Kommando. “Rühren.” Sofort brandete Jubel auf unter den Soldaten und die schweren Kriegshämmer wurden zum Gruß über die Köpfe erhoben. Wie auf ein Zeichen hin erschollen wiederum die Nilsitzer Berghörner von den Mauern der Stadt. Senalosch hieß Ingerimms Hammer willkommen.

Nach der feierlichen Abnahme der Einheit marschierten alle zehn Banner in die Stadt ein. Begleitet wurde der feierliche Einzug vom Musikantenzug des Regimentes. Trommeln, Pauken, Blechbläser, Blashörner, vor allem aber die so unverkennbaren Pfeifenbäge, bildeten einen prägnanten und würdigen, musikalischen Rahmen. Das große Fest zu Ehren des Tages des Feuers, welcher vor allem für die Anrgoschim von großer Bedeutung war, war im vollem Gange und so manch einer der Soldaten erhielt die Gelegenheit mit in Isnatosch ansässigen Klans- oder zum Teil angereisten Familienmitglieder zu feiern.

Als das Praiosrund Phexens Sternenzelt schließlich gewichen war, zogen die Männer und Frauen des Regimentes in einer feierlichen Zeremonie, einem großen Fackelzug den Berg hinauf zum Widdertor, dem Eingang nach Isnatosch, dem Reich unter dem Eisenwald. Sie passierten die vielfache Wehr des Berges und versammelten sich in Angromoxasch, den heiligen Tropfsteinhöhlen, welche auch den großen Angrosch- Tempel beherbergten und nahmen unter fast zweitausend Zwergen, die die Stadt an diesem Tag bevölkerten an der großen Andacht teil. Für die menschlichen Soldaten unter ihnen war es ein ganz besonderes Erlebnis und wohl eine noch viel größere Ehre. Dwarosch hatte deswegen persönlich beim Rogmarog vorgesprochen und konnte ihn letztlich überzeugen, dass diese Geste für den Zusammenhalt und die Moral des Regimentes von großer Bedeutung seien würde, Mensch und Zwerg, Seit an Seit.


Senalosch, 2. Ingerimm 1041 BF

Als der Tag des Feuers einem neuen wich und alle Soldaten in Mortrazrom, der Kaserne Senaloschs im inneren des Berges untergebracht waren, saß Dwarosch samt seines Adjutanten, Boringarth, Sohn des Borintosch beim Vogt von Nilsitz. Die gemütliche Amtsstube Boraxs im Stadtteil Isarnon lag hoch oben am Berghang, nahe dem Widdertor. Der Vogt hatte ein kleines Fass Ferdoker anstechen lassen und ließ Wildschwein servieren. Gemeinsam genossen die beisammen sitzenden Angroschim den vortrefflichen Braten und das starke Zwergenbier aus dem Kosch. Während sich Borin, wie der Adjutant nur gerufen wurde auf das Zuhören beschränkte, unterhielten sich Dwarosch und sein jüngerer Freund angeregt. Erst als das Thema auf das berufliche umschwenkte, sah Borin von seinen Aufzeichnungen auf und hörte den beiden anderen zu.
“Welchen Plänen wirst du dich jetzt widmen, da das Regiment wieder in den Dienst gestellt ist?” Fragte der Vogt den deutlich älteren. Der Oberst strich sich über seinen prächtigen, grau melierten Bart. “Die Ausbildung ist noch lange nicht vollendet. Das gilt auch und insbesondere für die Hauptleute. Und dann müssen sie in unzähligen Übungen und Manövern aufeinander eingespielt werden, bis jeder genau weiß wann der andere pfurzen und wann er scheißen muss.” Dwarosch lachte herzhaft. "Aber du hast recht Borax.” Er tat einen kräftigen Schluck Bier. “Ich habe auch noch andere Dinge auf meiner Agenda. Die militärische Karte für den Isenhag ist nahezu fertig und harrt auf ihren Gebrauch. Die Instandsetzung der Wehranlagen der Grafschaft durch die Sappeure hat begonnen und verläuft weitgehend wie geplant. Tatsächlich zeigten sich viele Lehnsherren kooperativ.” Eine weitere, nicht unbeträchtliche Menge Bier floss Dwaroschs Kehle hinunter. "Nun werde ich mich dorthin wenden, wo ich Kor einst das erste Mal begegnete.” Der Vogt stutzte. “Das war auf halbem Weg nach Makamesch, wenn ich mich an diese Geschichte richtig erinnere. Aber dort gibt es nur die ewige Finsternis unter dem Berg.” Dwarosch zog einen Mundwinkel hoch und lächelte milde. “Nein, junger Freund. Dort unten gibt es weit mehr als das. Nachdem unser Volk Isnalosch, die Eiserne verlassen hatte, verteilten wir uns wahllos auf das ganze, weit ausgedehnte Reich unter dem Eisenwald. Das schwächte uns. Wissen ging verloren und für Isnatosch begann eine sehr schmerzliche Phase des schleichenden Verfalls. Nach der Gründung von Senalosch erwuchs langsam neue Hoffnung. Der Magmarog war unermüdlich in seinen Bestrebungen eine neue, große Hauptstadt zu errichten und sein Ruf erreichte irgendwann auch die entlegensten Regionen unseres Bergkönigreiches. Senalosch wächst und blüht inzwischen wieder, unbemerkt für alle Menschen und auch kaum beachtet von den anderen Reichen unserer Rasse. Doch die tiefen des Eisenwaldes sind noch immer unsicher. Viel zu viel gefährliches Getier wie Geschuppte, Würmer, vielbeiniges Gezücht oder gar Grolme bevölkern unsere Tunnel und Stollen. Gemeinsam mit den Tunneljägern Isnatoschs werden meine Gebirgsjäger in Zukunft Säuberungsexpeditionen unternehmen, um uns das zurückzuholen was einst das unsere war, das Reich mit der größten Ausdehnung unter dem Berg.” Dwarosch leerte den Krug und stellte ihn geräuschvoll auf dem Tisch ab, um zu verdeutlichen, dass er nachgeschenkt haben wollte. Da man unter sich war übernahm Borax dies persönlich. Dabei hakte er neugierig nach. “Wie hast du den Marschall davon überzeugt, dass er dieser Zweckentfremdung der Gardetruppen zugestimmt hat?” Der Oberst wirkte kurz belustigt, nickte aber anerkennend. “Gute Frage Borax! Nun, ich konnte ihn dazu bewegen mir dies Zugeständnis zu machen, da er eingestehen musste, dass wir die Tunnel Isnatoschs nur für schnelle Truppenverlegungen nutzen können, wenn sie auch sicher sind. Soldaten halten nur abseits ihrer Arbeit etwas von Glücksspiel oder gar einem unnötigen Risiko.” Borax nickte nun seinerseits und stellte den neu gefüllten Krug vor Dwarosch ab. Danach nahm der Vogt seinen eigenen Humpen und erhob diesen in Richtung seiner beiden Gäste. "Auf das auch diese Pläne von Erfolg gekrönt werden Dwarosch! Und auf deine vortrefflichen Rat Boindil an meine Seite zu berufen. Er ist mir ein unersetzlicher, stiller Helfer geworden. Ich möchte seine wachsamen Augen nicht mehr missen, auch wenn ich seine Dienste zum Glück noch nicht in Anspruch nehmen musste.” Dwarosch tat wie auch Borax und Borin einen langen Zug aus dem Bierkrug. "Gern. Boindil ist einer der besten Krieger seines Jahrgangs. Sein Instinkt, wie auch seine Veranlagung für die Beidhändigkeit sind herausragend. Leider ist er mehr ein Einzelkämpfer, ihm fehlt das Gespür für seinen Nebenmann, für Formation und Deckungskampf, aber ich wusste, dass er einen guten Leibwächter abgeben würde.” An dieser Stelle räusperte sich Borin hörbar, worauf Dwarosch abwehrend die Hände hob. “Das war nicht abwertend gemeint Borin. Ich schätze deinen Zwillingsbruder ebenso wie dich. Er ist hier an der Seite Borindaraxs nur besser aufgehoben, als in der Kampfreihe eines unserer Banner.” Der Adjutant seufzte. “Da muss ich euch schweren Herzens beipflichten mein Oberst. Es ist nur so, mein Bruder war immer mein großes Vorbild, dem es galt nachzueifern.” "Borin, Borax ist einer meiner engsten Freunde, bitte lass das Förmliche. Wir sind hier unter uns. Darüber hinaus benötigst du kein Vorbild Boringarth.” Dwarosch legte seine kräftige Linke auf die Schulter seines Adjutanten und wandte sich an den Vogt. “Borax, Borin mag auf dich, wie auf viele andere zurückhaltend wirken, unauffällig von Auftreten und Statur, aber er zeichnet sich durch Eigenschaften aus, die mich bewogen haben ihn zu meiner rechten Hand zu machen und keinen anderen. Borin verfügt über eine sehr schnelle Auffassungsgabe, kann viele Dinge gleichzeitig bewältigen, hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis und zeigt ein Verständnis für Taktik und Strategie, dass ich bei vielen jungen Soldaten vermisse. Er ist nicht nur mein Adjutant Borax, er ist auch mein Berater. Ein guter Feldherr verlässt sich nie auf sein Gespür allein, er brauchte Leute um sich denen er vertraut und die ihm ihre Sichtweise bestimmter Situationen darlegen.” Dem so gelobten schien es ein wenig unangenehm so in den Fokus des Gesprächs gerückt zu sein. Einzig bei der Aussprache des Vertrauens das Dwarosch in ihn setzte schien er selbst auf dem Stuhl sitzend etwas an Schulterbreite zu gewinnen. Dennoch nutze Borin die entstehende Pause dafür seinen Dienstherren eiligst auf eine noch ungeklärte Frage hinzuweisen, um ein anderes Thema anzuschneiden. "Dwarosch, es gibt da noch eine Sache die wir heute Abend mit dem Vogt erörtern sollten.” Der Oberst wirkte kurz als habe man ihn auf dem falschen Fuß erwischt, bevor er Begriff worauf sein Gefolgsmann hinaus wollte. Dwarosch brummte kurz und signalisierte, dass er verstanden hatte. Dann überlegte er, wie er das neue Thema angehen sollte. "Ich möchte das du Glointhax, Sohn des Glurtharag, dem Burgvogt der Feste Wettershag im Windhag einen Brief schreibst. Er entstammt unserem Volk und gehört zur Gergaltok- Sippe aus dem Bergkönigreich Phecanowald, ist in deren Hauptstadt Gergaltôr geboren. Meister Glointhax hat sich im Krieg der Drachen einen Namen gemacht. Er ist Mechanikus und hat sich auf optische Apparaturen spezialisiert. Durch Verwendung von hochwertigen Spiegeln und Linsen gelingt es ihm Nachrichten über große Distanzen zu übermittelt. Informationen sind entscheidend, nicht zuletzt auch im Krieg. Borax, bitte ihn nach Senalosch zu kommen um dir seine Erfindungen zu präsentieren. Ihr werdet euch gut verstehen, er ist ein Anhänger Simias, ebenso wie du.” Der Vogt überlegte kurz, dann zeigte sich Erkenntnis auf seinen Zügen. "Ja, ich habe seinerzeit von dieser doch recht ungewöhnlichen Berufung eines unserer Brüder gehört. Wenn ich micht nicht täusche ist er eine Gefolgsmann Cusimos von Garlischgrötz, welcher sowohl Marktgraf vom Windhag wie auch Herzog von Grangorien und Graf von Phecadien ist. Der Oberst winkte ab. “Ja ja, dem ist so.”
“Gut”, Borax erkannte, dass Dwarosch weniger Begeisterung für das politische Geflecht von Mittel- und Horasreich besaß als er, “ich werde mich dem annehmen alter Freund. Die Sache klingt sehr interessant für meine Ohren. Sonst noch etwas was ich für dich tun kann?”
“In der Tat, da wäre noch etwas Borax. Mir ist zu Ohren gekommen, dass du demnächst im Auftrag unseres Rogmarog nach Dumron Okosch reisen wirst, nach Koschim. Du könntest eine Nachricht für mich mitnehmen und sicherstellen, dass sie von dort aus ihren Weg zur Bergwacht rxozim findet.” Borax wirkte überrascht. “In die Höhlen aus Toschkril?” "Ja. Der Bergvogt Tharnax, Sohn des Thorgrimm ist ein alter Freund. Wir kennen uns aus dem dritten Orkensturm. Dieser Bastard ist der beste Richtschütze den ich kenne. Orkfresser haben sie ihn gerufen im Krieg gegen die stinkenden Schwarzpelze. Seine Geschützmannschaften haben unseren Fusstruppen, darunter auch mir einige Mal die haarigen Ärsche gerettet. Ich werde ihn bitten den Trodaratsch- Bannern von Ingerimms Hammer den letzten Feinschliff zu geben, das heißt den dazugehörigen Mannschaften unserer Geschütze und Katapulte. Tharnax schuldet mir glücklicherweise noch einen Gefallen.”
Borax nickte. “Einverstanden. Jedoch werde ich ihm deine Nachricht persönlich überbringen. Ich habe schon viel von rxozim gehört. Die Architektur thykrils, der Stadt im Berg soll wunderschön und Braschtôkrill, die Festung, die das Tor zu ihr bewacht beeindruckend sein. Ich lasse mir die Gelegenheit nicht nehmen das alles mit meinen eigenen Augen zu sehen”. Borax wirkte ab diesem Moment wie ausgewechselt. Die zuvor so gemütliche Stimmung war verflogen und Tatendrang gewichen. Der junge Vogt war aufgesprungen und blätterte hektisch in diversen Folianten eines überquellenden Bücherregales seiner Amtsstube. Erst als er fündig wurde widmete er sich wieder seinen Gästen und legte eine große Karte des Kosch auf den Tisch auf der auch Dumron Okosch, sowie seine Bergwachten verzeichnet waren. Dwarosch schmunzelte. “Ich wusste ich würde dich begeistern können. Du hast einen langen Aufstieg vor dir. rxozim liegt am Götterfirst, einem der größten Berge des Kosch, knapp unterhalb der Baumgrenze.” Dwarosch warf Borin einen kurzen Blick zu und der überreichte Borax ohne weitere Worte einen gesiegelten Brief. Aber jetzt lasst uns trinken. Ich habe auch noch lange nicht genug von dem vortrefflichen Braten gehabt”, hieb sich der Oberst dabei auf den Bauch und Borax lachte.
“Alter Fresssack”, entgegnete der Vogt belustigt. Daraufhin lachten sie alle.


Senalosch, 4. Ingerimm 1041 BF

Zwei Tage später schließlich rückten die nicht in Senalosch stationierten Banner im Morgengrauen aus der Stadt aus. Ihre Ziele waren die Burgen Nilsitz, Trollpforz und Calbrozim, sowie die Kasernen von Albenhus, wo sie stationiert seien würden, bis der Ruf zu den Waffen, sei es ins Manöver, oder zum Ernstfall sie erreichen würde. Dwarosch stand mit Boringarth hoch oben am Widder- Tor und beobachtete den Auszug mit entspannter, aber auch ein wenig entrückter Miene. Nur kurz vermochte es der Oberst sich von der sich ihnen bietenden Szenerie los zu reißen und das Wort an seinen Adjutanten zu richten. "Borin, wir zwei werden heute Abend mit sechs Mann Bedeckung gen Okdrâgosch aufbrechen. Es wird Zeit, dass ich unserem Hochkönig besuche. Bitte leite alles notwendige in die Wege und lass unseren Besuch in den Trollzacken ankündigen. Wegtreten.” Ohne ein Wort setzte sich Borin in Bewegung. Er hatte gelernt, dass Dwarosch kein Freund vieler Worte war. Unnötige Bestätigungen seiner Befehle oder schlimmer gar das ‘Jawohl mein Oberst’ gehörten nicht zu dem Umgang den die beiden pflegten. Und Borin hatte darüber hinaus schnell begriffen, dass Dwarosch Momente wie diesen gern im Stillen mit Angroschs streitlustigen Sohn teilte. Dem Adjutanten stand der Sinn in diesem Moment aber eh nicht nach einer weiteren Erörterung der Befehle, ihm war klar was zu tun wäre. Borin hatte darüber hinaus nur noch einen Gedanken. Endlich würde er den Sohn des Agam kennenlernen und die alte Trollfestung mit eigenen Augen erblicken. Innere Erregung und große Vorfreude ergriffen Besitz von ihm als er los eilte, um eine weitere Reise vorzubereiten.