Zu Ehren Simias

Prolog: Zu Ehren Simias

Zu Ehren Simias

Autoren: RekkiThorkarson und TanFlam

Muragosch sah von einem kleinen Stapel großflächiger Pergamente auf, als Utsinde die Werkstatt betrat. Der Zwerg stand nach vorne gebeugt, mit beiden Ellenbogen auf die große Holzplatte der Werkbank gelehnt über den Skizzen irgendeines großen Bauwerks. Es waren nicht bloß einfache Zeichnungen, dies erkannte die Vögtin als sie näher trat. Zahlen und ein Gewirr von Angram-Runen wiesen darauf hin, dass es sich um so etwas wie statische Berechnungen handeln musste.
“Gut, dass du kommst. Wir müssen reden, alte Freundin.” Muragosch stöhnte leicht, kam hoch und streckte den Rücken durch.
Utsinde zog die Brauen nach oben und wartet ab.
“Ich muss hinab ins Tal. Der neue Vogt von Nilsitz bittet mich die Entwürfe seiner Baumeister durchzusprechen. Du erinnerst dich an deinen Amtskollegen? Wir sprachen bereits in Elenvina auf dem Abschluss des Feldzuges miteinander.”
„Ja ich erinnere mich gut. Ein junger Angroscho mit Feuer im Hintern.“ Sie schmunzelte bei dieser mehrdeutigen Bemerkung.
Er aber schüttelte ungläubig den Kopf. ”Sie wollen tatsächlich die nilsitzer Jagdhütte originalgetreu wieder aufbauen. Ist das zu fassen?“
„So so,“ sagte sie nur, weil er sogleich fortfuhr:
„Der Ursprung dieses Bauwerkes liegt sehr lange zurück. In ihm soll ein Teil der Lex Zwergia ausgehandelt worden sein. Dir muss ich keine Geschichtsstunde geben, du weißt um deren Bedeutung. „ Er nahm ihr sanftes Nicken zur Kenntnis. „Ich meine, damals in Elenvina habe ich die Worte des Sohnes des Barbaxosch für Träumereien gehalten, doch anscheinend hat er ausreichend Unterstützer und Geldgeber für dieses Vorhaben gewinnen können. Die Bergkönige werden den Bau zu großen Teilen finanzieren.” Der alte Angroscho seufzte.
“Utsinde, verzeih, dass wir so wenig Zeit füreinander haben und ich dich leider im Rahja auch nicht nach Eisenstein zum Sommerkonzert begleiten kann, aber ich muss nach Nilsitz. In den nächsten Tagen schon. Das ist wahrscheinlich meine letzte, große Chance mich an einem Bauwerk dieser Größe zu beteiligen. Dieses Unterfangen hat eine große Tragweite, ist bedeutend für mein Volk. Außerdem soll ich, so lautet die Bitte Borindaraxs weiter, ein Schwalben-Relief zu Ehren Simias erstellen und wie du weißt, liegt mir viel an ihrer Verehrung, da sie mir immer Inspiration geschenkt hat für mein Handwerk.“
Die alte Ritterin hatte bis hier hin mit dem Hintern gegen den Tisch gelehnt, die Arme wie so oft vor der Brust verschränkt und aufmerksam lauschend. Jetzt stand sie auf, trat an ihn heran und legte eine Hand auf den Rücken des Zwerges. „Dann musst du gehen! Ich könnte mir keinen besseren und erfahreneren Baumeister als dich vorstellen, mein Freund. Du sollst Simia eine Schwalbe fertigen?“ Utsinde schmunzelte bei einem erneuten Blick über die ausgebreiteten Dokumente. „Muragosch, ich glaube viel eher, dass der Vogt von Nilsitz hofft, dich damit für mehr als ein Relief begeistern zu können. Warum hat er dir sonst all diese Pläne zukommen lassen, hm? Sei nicht albern und schlag dir deine Bedenken wegen MIR oder dem Fest in Obena bitte aus dem Kopf. Hörst du?“ Zur Untermauerung schlug sie die Hand flach auf den massigen Rücken.
Der gealterte Zwerg seufzte wie zur Antwort. “Aber ich lasse dich nur sehr ungern alleine, wenn du dich in so unsägliche Gesellschaft begibst, das weißt du.”
„Unsäglich? Muragosch also bitte.“ Utsinde zog tadelnd die Brauen zusammen und verschränkte die Arme wieder vor der Brust. „Es werden viele hochgeehrte, liebenswerte Leute dort sein!“
Er ignorierte ihren Tadel, ein unwilliges Kopfschütteln folgte. “Hätte ich damals gewusst welch ein Mensch der Keyserring ist, hätte ich ihm niemals geholfen die alte Burg zum Bunten Schloss zu machen. Diese Kunst ist verschwendet an so einen verdorbenen Menschen, der zwanghaft mit einer gespaltenen Zunge spricht, als sei es ihm ein Zwang.” Wiederholt schüttelte Muragosch den Kopf. „Du musst mir versprechen, dass du mit ihm fertig wirst und dich aus Streitigkeiten heraus hältst.“
„Natürlich.“ Brummte die Vögtin und rollte mit den Augen. Zu viel Besorgnis um ihre Person hatte sie noch nie gemocht. Er wusste das eigentlich. Sie wiederum wusste, dass er es ja nur gut meinte.
„Dich davon abzuhalten nach Obena zu reisen kann ich ja nicht. Ich weiß ja was für einen Dickkopf du hast.” Bei den letzten Worten huschte unweigerlich ein Lächeln über die Züge des Angroschim.
Er ergriff ihre Hand, als Utsinde gerade zu einer Antwort ansetzen wollte. “Es wird mehr als das Abbild einer Schwalbe alte Freundin.” Muragoschs Augen erfüllte plötzlich ein gerührter Glanz. “Die Vision Borindaraxs, die er mir in seinem langen Brief offenbarte, ist...”, er rang nach Worten ohne jedoch passende zu finden und wagte einen neuen Ansatz. “Er will in der Jagdhütte regelmäßige Treffen von Menschen und vor allem Angroschim abhalten und sie zu einem Ort der Übereinkunft machen, der Völkerverständigung. Nach seiner Vorstellung braucht es darüber hinaus vor allem den Beistand der Göttin des Erfindungsreichtums und der Erneuerung, um die Völkern der Angroschim wieder näher zusammenzubringen und dabei zu helfen, dass sie ihre Gräben überwinden. Dies ist ein weiteres seiner Ansinnen, eines von höchster, politischer Komplexität, denn nicht einmal unser Hochkönig ist überall gut gelitten.
Diese hochgesteckten Ziele sind in meinen Augen alle sehr lobens- und erstrebenswert und so bin ich mehr als nur geneigt all meine Handwerkskunst in dies Relief zu setzen, um Simias Aufmerksamkeit auf dies Bauwerk zu ziehen. Und ja, mittlerweile hoffe ich, dass er mich fragt, ob ich der Baumeister sein möchte.”
Einen Augenblick lang sahen beide sich an. Utsinde hatte schon bei Muragoschs flammender Darstellung ein paar Mal genickt. Jetzt verlagerte sie ihren Körperschwerpunkt neu, musterte den bärtigen Gesellen streng und nickte abermals. „Kommen wir noch mal auf deine Befürchtung zurück, ich könne mich nicht meiner Haut wehren.“ Sie konnte seinen Widerwillen, auf diese Sache einzugehen, aus seinem furchigen alten Gesicht herausschneiden, ebenso sein Verlangen klarzustellen, dass er dies so nie gemeint habe. Trotzdem wollte die Ritterin noch etwas klarstellen. Nicht, um Autorität auszuüben, sondern weil sie noch etwas loswerden wollte, um die Befürchtungen ihres Freundes zu zerstreuen. „Rajodans Vater war ein Freund von mir, wie du weißt, und Rajodan weiß das auch. Er wird sich also hüten, mich anzugehen. Er hat ein falsches Mundwerk, das ist wahr. Aber du weißt doch: das meine kann auch ganz schon bissig sein.“ Und jetzt schmunzelte sie wieder.
Muragosch musste da unweigerlich lachen.
„Dazu, allerwerteste Freundin, ist mir mein Mund wie stets verschlossen.” Mehr vermochte er dazu nicht zu sagen. Widersprechen konnte er ihr ja ohnehin nicht, hatte sie doch nur die reine Wahrheit gesprochen.
„Und nun etwas zu deinem Vorhaben. Sag unseren Freunden…“ Muragosch wusste, dass die Menschin Utsinde damit die Angoschim meinte, „…dass ich und Oberrodasch alles unterstützen, was diesem hehren Ansinnen dient. Ach ja, und bitte nimm ein paar Leib Käse auf die Baustelle. Wann reist du ab? Morgen?“
„Nein!” Der alte Zwerg schüttelte leicht den Kopf und deutete auf die Zeichnungen und Pläne vor sich. “Damit bin ich noch lange nicht fertig und meine Entwürfe für das Relief sind bisher auch nicht zu meiner Zufriedenheit. Außerdem habe ich hier noch einiges zum Rechten zu bestellen. Ich will sicher sein, dass es der Hohen Halle auch gut ergeht in meiner Abwesenheit, das sie gehegt und gepflegt wird, sowie sich nur fähige Hand an sie legen mag. Nein.” Sagte Muragosch abermals. “Ich will dich hinab ins Tal begleiten, wenn es für dich an der Zeit ist nach Obena aufzubrechen. Diese Zeit soll mir genügen die Dinge zu bestellen. Erst in Nilsitz werden sich unsere Wege dann trennen.”
Utsinde nickte verständig. „Gut.“ ward es beschlossen. „Zeig mir deine Entwürfe doch mal!“
Und dann brüteten sie gemeinsam über den Unterlagen.