Willkommen II

Willkommen II

Maeve, betrat die Lichtung auf der anderen Seite des Tempels. Links von ihr erblickte sie den verfallenen Tempel und eine winzige Eidechse huschte in ein verborgenes Löchlein im Gemäuer, während die Blumen und Kräuter Maeve einhüllten. Dieser Ort war geweiht. Nicht von ihrer Göttin. Aber dennoch spürte sie es deutlich und fühlte sich geborgen und beschützt. Unverhofft verbunden mit diesem Ort.

Dankbar für die Enthüllung dieses heiligen Sanktuariums und mit dem Duft der Blumen in der Nase legte sich die junge Novizin langsam und sehr bewusst ins hohe Gras. Dieser Tag hatte bislang viele Wunder bereit gehalten und Maeve wollte inne halten, bevor sie sich dem Neuen stellte, was sich weiter hinten auf der Lichtung noch enthüllen würde: dort leuchteten auf der Wiese farbenfroh Zelte und bunt gespickte Leinen und ein Raunen aus vielerlei Kehlen wehte von dort gerade herüber. Grashalme kitzelten ihren Leib, als sie sich ausstreckte und die grüne, warm beschienene Kulisse des alten Waldes über ihr emporwuchs und ihre Sicht ausfüllte. [Maeve]

Mehrere Schritt von der jungen Götterdienerin entfernt, kurz vor den Zelten jonglierte ein Mann vor einem kleinen Publikum. Sie alle genossen die letzten wärmenden Strahlen der Abendsonne, während sie seine Darbietung bewunderten. Die Bälle flogen leise klingelnd durch die Luft und tanzten harmonisch zwischen den Händen des Künstlers und der leichten Brise des Abends hin und her. Ebenso wie den verfallenen Tempel umgab auch den Gaukler ein sanfter Schimmer, ein Hauch des Göttlichen, das jeder Diener der Bewohner Alverans in sich trug. Ein hochaufgeschossener Mann, dreißig oder vierzig Götterläufe mochte er bereits auf Dere weilen, hatte Maeve entdeckt und sich aus der Zuschauerschar gelöst.

Langsam kam er auf sie zu und ließ sich neben ihr auf die Erde gleiten. Er hatte sich vorgenommen, sie nicht zu stören. Die Aura nicht zu zerbrechen, die er um die junge Rahjapriesterin spürte, jedoch: Geduld war noch niemals seine Tugend gewesen. Also drehte er nach wenigen Augenblicken bereits den Kopf zu ihr herum: „Du hast unser Paradies gefunden, wunderschönes, junges Fohlen. Lass mich dir mich vorstellen: Gelindio ist mein Name. Aber meine Freunde, die nennen mich Gilli. Auf welchen hübschen Namen, hörst du, mein Kind? Es muss ein hübscher Namen sein, denn nur ein hübscher Name kann zu einer so strahlenden jungen Dame passen.“

Sein Schatten hatte sie zwar gestreift, aber die Worte nun drangen nur langsam zu ihr durch, da sie sich ganz in die eigentümliche Schönheit des Ortes versenkt hatte. Träge, aber nicht unfreundlich flüsterte sie ihm leise zu: „Psch…“, und versuchte damit, seine Neugier zu bremsen. „Schweig still… es ist so schön hier… wie wenig anderes, was ich kenne...“ Angesichts der tiefen Geborgenheit, die sie nun erfüllte, hatte sich für den Moment ihre Orientierungslosigkeit und ihre Einsamkeit zerstreut. Wie zur Bestätigung tastete ihre Hand sanft zu Gelindio hinüber. [Maeve]

Er streckte sich aus. Spürte das leise Tasten ihrer Finger. Und lächelte, als sich ihre Finger in die seinen schoben. Mit zarter Spannung hielt sie seine Hand, dass sich ihre Ruhe auch auf ihn übertrug - ihn umfing, während er seine Augen schloss und die sanfte Abendluft in seinen Lungen schmeckte.

Ruhe senkte sich über die beiden so unterschiedlichen Seelen und vereinte sie im Rhythmus der Herzschläge.[Maeve]

Nach einer Weile hörten sie aus der Ferne das feine Klingen eines Glöckchens. Gilli erhob sich mit einem leisen, wohligen Seufzen. „Abendessen.“ Seine Stimme drang nur gedämpft zu Maeve durch. „Vielleicht möchtest du auch etwas essen?“ Geschmeidig erhob er sich und wartete ab, ob sie ihm antwortete.

-- Main.CatrinGrunewald - 21 Jul 2020