Von Versen und Musen

Zeit: Tsa 1043 BF

Ort: Stadt Albenhus

Autor: StLinnart

Dramatis Personae:


Stadt Albenhus, Tsa 1043 BF

Die spitzohrige Schönheit mit den veilchenblauen Augen und dem langen blonden Haar räkelte sich auf dem kühlen weißen Laken. Ihre Wangen hatten einen zarten Rotton angenommen und immer wieder leckte sie sich verführerisch über die Lippen. Sie kannte dieses Spiel zur Genüge und war eines der beliebtesten Freudenmädchen der Stadt … und auch der teuersten, was sie vor allem ihrem elfischen Vater zu verdanken hatte. Egal wie praiosfromm man sich hier auch gab, im Bett schienen die Berührungsängste mit Elfen und Magie wie weggeblasen.

Wieder fiel der Blick ihrer wunderschönen Augen auf den jungen Mann ihr gegenüber. Ein seltsamer Freier war er gewesen, schien er in ihr doch mehr zu sehen als eine Freudenbringerin, die man nach dem Akt bezahlte und zurückließ. Nein, der Mann - er nannte sich Dyderich vom Sümpfle - wollte sie ständig um sich haben, nahm sie zum Essen mit und spazierte mit ihr durch die Stadt. Ja, sogar ein Kleid hatte er ihr gekauft, damit sie neben ihm repräsentativ aussah und nicht wie ein Schandmädchen. Sie mochte ihn dafür, er war ein guter Mann und sprach von ihr als seine Muse … was auch immer das zu bedeuten hatte, aber solange er sie dafür bezahlte, und dabei gar nicht so wenig, würde auch der Zuhälter schweigen.

Iloya hätte es bei ihm auch ohne Münzen gemacht, schien der Mann, welcher einen seltsamen Dialekt sprach und ständig freundlich war, ihr etwas entgegen zu bringen, was sie von den sonst oft besoffenen Freiern noch nie geschenkt bekam; sie fühlte sich respektiert und als Frau mit Wünschen und Empfindungen wahrgenommen. Er machte ihr Komplimente und Geschenke und schien sich ihrer nicht zu schämen.

“Mache ich das richtig?”, fragte die hübsche Halbelfe und klimperte mit ihren langen Wimpern.

Der Angesprochene benötigte einen Moment bis er von seinem Pergament aufsah und ihr zulächelte. “Was denn, Liebes?”

“Na das Muse sein …”, erklärte Iloya daraufhin flüsternd, “... ich war noch niemandes Muse.”

Der Mann, der sich Dyderich nannte, schmunzelte wortlos und nahm dann wieder konzentriert seine Arbeit auf. Wie das Freudenmächen selbst, war der junge Mann bar jeder Kleidung, saß auf einem Schemel und schrieb. Immer wieder huschte sein Blick über den schlanken Leib der Frau, dann rieb er sich entweder sein glattrasiertes Kinn oder seine Nasenwurzel und machte weiter.

“Soll ich nicht lieber …”, Iloya streckte sich und streichelte seinen nackten Oberschenkel hoch. Ein leises Knurren ließ sie dabei in ihrer Bewegung verharren.

“Liebes, dafür haben wir später noch genügend Zeit”, antwortete Dyderich, unwillig sich in seiner Konzentration stören zu lassen. “Sei einfach so wunderschön, wie dich die Götter geschaffen haben. Das reicht fürs erste.”

Eine Aussage, die das Freudenmädchen überforderte. Was sollte denn das heißen? Sie seufzte und konnte ihren Mund nicht halten. “Ähm, was machst du eigentlich? Zeichnest du mich?” Sie richtete sich auf und wollte einen Blick auf das Pergament werfen, auf welchem sich jedoch nur Buchstaben befanden - dachte sie zumindest, denn Iloya konnte nicht lesen.

“Ich schreibe eine Verse, Liebes”, erklärte Dyderich ohne aufzusehen.

“Eine was?”

“Ein Gedicht über eine Frau …”, der Klang seiner Stimme wirkte etwas abwesend, “... die ich noch nie gesehen habe.”

“Wie?”, Iloya war die Kinnlade hinunter geklappt. “Wie noch nie gesehen? Warum schreibst du dann ein Gedicht über sie?”

Der Mann winkte auf diese Worte hin kurz ab. “Habe ich schon öfters gemacht und ich habe hier eine Beschreibung ihrer Person, dennoch …”, er brach ab, seufzte und maß die junge Schönheit vor sich.

“Ist sie mir sehr ähnlich?”, nun strahlte die Dirne vor Aufregung.

“Leider gar nicht”, antwortete Dyderich schmunzelnd.

“Wieso leider?”

“Weil ich sie heiraten will …”, abermals folgte ein freundliches Lächeln, “... und ich mir sicher bin, dass sie nicht so ein bildhübscher und angenehmer Umgang ist wie du.”

“Du dichtest über eine Frau, die du nicht kennst, aber heiraten willst?” Iloya ließ ein glockenhelles Lachen folgen. “Wer ist denn die Glückliche?”

Kurz wanderten die rehbraunen Augen des Mannes auf ein anderes Pergament. “Mersea von Sturmfels-Maurenbrecher.”

Die nun folgende, betretene Stille wurde jäh von einem Lachen der Halbelfe durchbrochen. “Die Ritterin? Wieso sollte die mit dir …”, sie brach ab und mäßigte sich. “Das ist ambitioniert.”

“Meinst du …”, vielsagend löste Dyderich seinen Blick vom Pergament und lächelte Iloya breit an, “... meine Mutter würde es sehr glücklich machen.”

“Das glaube ich sofort …”, fiel ihm das Freudenmädchen sogleich ins Wort, “... ein einfacher Künstler, der in ein Baronshaus einheiratet. Das wäre wirklich Stoff für deine Balladen.”

Das Lächeln des Mannes zierte immer noch seine Lippen. “Einfacher Künstler … soso …”, flüsterte er, beließ es jedoch dabei.

Als abermals brütendes Schweigen einsetzte, hielt es die Halbelfe nicht mehr länger aus: “Lies doch einmal vor”, forderte sie ihren Freier auf.

Dieser lachte auf, dann ließ er ein Seufzen folgen, nur um dem Wunsch der jungen Frau zu entsprechen:


Die Euch so liebe Ehre meid` ich gerne, wenn ihr die Schande folget übers Jahr, dass ich klagen lerne:

„Weh mir arme Seele heuer: dieses war,” so begehrt` ich manches Kranzes nicht, und ließ viel Blumen licht:

Wohl brächt ich Euch Rosen gern, der Dorn nur sticht. Wer so immer schaltet, dass ihn niemand billig tadeln mag, wie so schön er altet!

Ich verdrießet nicht mein halber Tag. Bin froh, wenn Ihr beim Tanze mit mir springt, mein Herz nach Ehre ringt:

Weh Rahjen dem, der Euer Herz in Schande bringt! Immer soll man fragen, wie es um Eures Herze steht.

Die sich dessen entschlagen, achten nicht, wie bald die Zeit vergeht. Mancher scheinet vor Rahjen gut und hat doch falschen Mut:

Dass sie nicht begreifen, was Minne ist, dafür sollen sie verwünscht sein!

Die hat Liebesglück nie getroffen, die mit Blick auf Besitz und Schönheit minnen …


Dyderich brach ab und rieb sich unzufrieden die Schläfe. “Hm, das Ende ist mir etwas zu unheilvoll … was meinst du?”

Die Angesprochene hatte jedoch nicht wirklich viel von den vorgebrachten Zeilen verstanden. Es war ihr als spräche der Mann vor ihr in fremden Zungen. “Es ist äh ... schön, aber meinst du, dass die Herrin …”, Iloya stoppte in ihrer Ausführung.

“... ob es ihr gefallen wird?” Der junge Mann hob seine Schultern. “Wer weiß, aber auch Ritterinnen sind Frauen und wollen umgarnt werden. Genauso wie wir Männer natürlich auch.” Er lächelte. “Ich denke, dass es einen Versuch wert ist.”

Das Freudenmädchen kaute auf ihrer Unterlippe. Es war klar, dass ihr noch eine Frage auf der Zunge brannte. “Warum eigentlich sie?”

Als Antwort folgte ein Schulterzucken, gefolgt von einem Schmunzeln. Er deutete auf den Greifenspiegel, in welcher ein Aufruf an potenzielle Werber abgefasst war. “Sie scheint mir einen Mann zu suchen … händeringend.”

“Händeringend genug … für dich?”, folgte die kecke Frage.

“Ich denke, dass meine Abstammung den Ansprüchen ihrer Familie gerecht werden sollte, Liebes. Der erste Eindruck täuscht oft. Ich komme es einer edlen und sehr gut vernetzten Familie”, kurz zuckten die Mundwinkel des Barden, dann wandte er sich wieder seinem Pergament zu und strich darauf herum. Ohne aufzusehen fuhr er fort: “Meine Mutter wird mir niemals eine Ruhe geben, wenn ich nicht einmal einen Bund schließe.” Einen Herzschlag später blickte er auf, sein Lächeln hatte sich nun nur noch verbreitert. “Ich lese aus diesem Aufruf raus, dass diese Mersea wohl selbst kein Interesse an einer Ehe hat … aus wessen Gründen auch immer. Das bringt eine Reihe Vorteile mit sich. Zwei, drei Kinder zeugen, wo mein Alter und die damit einhergehende Fruchtbarkeit sicher kein Nachteil ist, und dann kann jeder wieder seiner Wege gehen. Darüber hinaus sind wir hier fernab meiner Mutter und ihres Einflusses und die Partie wäre eine sehr gute. Das Familienoberhaupt wäre zufrieden.”

Es dauerte einen Moment bis sich Iloya gefangen hatte. Aus ihrem Antlitz sprach eine Mischung aus Überraschung und Einschüchterung. “Und dafür bist du hierher gekommen?”

Dyderich schüttelte sein Haupt. “Nein, hergekommen bin ich, weil ich einer Einladung zum Bardenfest auf Schloss Ulmen gefolgt bin …”, der Barde schnappte sich seine Laute, “... jetzt mach nicht so ein Gesicht. Ich spiel dir etwas vor und dann können wir beide uns angenehmeren Dingen hingeben, als uns über meine Familie zu unterhalten.”

-Ende-