Vom Walde Verschluckt

Vom Walde verschluckt

Der Oberst in den Wäldern von Eisenstein

Autoren: RekkiThorkarson und WeyNard

Mitte Ingerimm 1040 B.F. ---

Der Übergang nach Moosgau geschah kaum merklich. Von Obena aus ging es zunächst firunwärts durch Keyserrings Ländereien, vorbei am Erdeschbogen und hinein in den dichten Wald, der den Großteil der Baronie bedeckte. Der Oberst kam recht gut und schnell voran. Man hatte ihm erzählt, dass er, sobald er an die Brücke über den Krähenbach käme, vor dem Überweg rechts abbiegen solle.
Von der Kreuzung am Bach aus führte ein schmaler Weg in die Berge. Dieser war in recht guter Verfassung, aber nicht befestigt und gerade breit genug für einen Wagen- vielleicht eineinhalb. Die Ortsbeschreibung war zumindest so weit gegangen, dass irgendwo entlang des Weges die Grenze nach Moosgau kommen musste. Dort solle es drei oder zwei Orte geben, je nachdem, wen man fragte. Auf Karten waren jedoch stets nur Neu- und Alt-Krapohl verzeichnet. Dieses "Mittel-Krapohl", von dem die Leute sprachen, musste entweder winzig oder sehr neu sein. Die wenigen Leute, die Dwarosch noch entgegenkamen, grüßten freundlich und gaben Auskunft, wenn er sie fragte. Er war auf dem richtigen Weg. Der Wald war hier oben extrem dicht und schien den Weg an mehreren Punkten geradezu verschlucken zu wollen. Der Weg ging beständig bergauf und wäre für einen Garether Großstadtbewohner wohl beschwerlich gewesen, stellte aber für einen geübten Soldaten kaum eine Herausforderung dar.
Eine Grenzmarkierung nach Moosgau gab es nicht; mehr oder weniger überraschend stand der Oberst nach einigen Stunden plötzlich am Ortseingang von Neu-Krapohl, einer kleinen Holzfällersiedlung. Der Ort tauchte recht abrupt hinter einer Wegbiegung auf und bestand aus wenig mehr als einem großen Polterplatz mit aufgeschichteten Stämmen und ein paar Hütten. Scheinbar schlug man gen Rahja fleißig Holz im Wald, wenn nicht gerade Baumstämme von weiter oben den Fluß heruntergeflößt wurden. Sehr auffällig war, dass man es bisher offenbar versäumt hatte, die Sicht vom Ort hinunter auf den Weg großzügig freizuschlagen. Angreifer hätten so sicherlich leichtes Spiel, die Siedlung zu überraschen.
Der Ortseingang war durch einen hölzernen Torbogen markiert, in den jemand in gründlicher Handarbeit "Neu-Krapohl" geschnitzt hatte. Darunter stand ein Büttel in weiß-blauem Wappenrock, der sich auf eine Saufeder stützte. Obwohl in den letzten zehn Jahren wohl kaum etwas Nennenswertes passiert war- zumindest ließ der beschauliche Ort dies vermuten- war der Mann erstaunlich engagiert bei der Sache und grüßte Dwarosch zackig und mit gebührendem Respekt. Der Waffenknecht, der sich als Jast Zehntner vorstellte und in seinen frühen Dreißigern war, war offenbar gewarnt worden.
Mit einem offenen Lächeln entgegnete der Oberst dem Wachhabenden. „Habt dank guter Mann. Auch wenn ihr es wahrscheinlich schon wisst, ich bin Dwarosch, Sohn des Dwalin und Obrist des Eisenwalder Garderegimentes.“ Er blickte kurz hinter sich und wies auf seine sieben ihn begleitende Männer, darunter auch sein Adjutant Boringarth. „Dies sind meine Soldaten.“
Danach wandte er sich wieder an den Waffenknecht. „Ich suche Rahjalin von Bösenbursch, die Edle von Moosgau. Könnt ihr mir sagen wo wir sie finden?“
Jast nickte verständig. "Ach jaa, die gute Frau von Bösenbursch. Doch, ja, das kann ich euch sagen." Der Waffenknecht wies zum Dorfplatz. Der etwa hüfthohe Flechtwerkzaun, der Neu-Krapohl umgab, öffnete sich an vier Punkten: Gen Efferd zum Fluss, wo die geflößten Baumstämme anlandeten, gen Praios zurück in Richtung Obena, gen Rahja zum Wald, wo das Holz geschlagen wurde und gen Firun, wo der Weg weiter nach oben führte. "Da gegenüber, Herr Oberst. Führt hoch bis nach Alt-Krapohl, einfach geradeaus. Also, zumindest halbwegs geradeaus. Manchmal geht's noch nach rechts ab, wo die Leute ihre Hütten im Wald haben, aber der Weg hört quasi am Ortseingang auf, das könnt ihr gar nicht verfehlen. Wenn ihr wollt, bring' ich euch hin, aber die Gegend ist friedlich. Ärger hatten wir hier noch nie. Nichmal mit den Alberniern, nich. Die Herrschaften haben da ja ihre Verbindungen." Der Waffenknecht zwinkerte dem Oberst verschwörerisch zu und grinste breit.
„Nicht einmal mit Albernia“, wiederholte Dwarosch mit einem ziemlich breiten Grinsen. Seine Soldaten unterdessen lachten herzhaft aufgrund des Witzes, machten es dem Oberst unmöglich sich zu beherrschen und so fiel auch er mit ein. „Das will ja was heißen“, klopfte er dem Mann auf die Schulter. Der Kerl und sein Humor gefielen ihm.
„Nein nein, das schaffen wir allein. Nochmals danke guter Mann“, antworte er auf dessen Frage ob er sie begleiten solle, als sich Dwarosch wieder zur Gänze gefasst hatte und wandte sich ab.
Der Weg hinauf nach Alt-Krapohl war nochmal etwas enger als bisher. Vermutlich konnte man noch zu zweit nebeneinander herreiten, aber dann müsste wohl jeder Gegenverkehr ausweichen. Der Krähenstieg- wie man den Weg hier nannte- verlief wenige Schritt neben dem Krähenbach, während sich auf der anderen Seite direkt der Krähenwald anschloss.
Hin und wieder sah man rechter Hand vereinzelte Bauernkaten, die meist direkt am Wegesrand standen, manchmal auch bis zu hundert Schritt tief im Wald. Felder waren sehr rar zwischen den Orten. Stattdessen schien man viel mehr vom Wald und vom Bach zu leben als von erstzunehmender Landwirtschaft, was wohl auch erklärte, warum Moosgau im Winter so häufig aus dem Umland versorgt werden musste.
Einmal kamen dem Oberst und seiner Truppe einige Flößer mit ihrem Holz entgegen, die von den Bewaffneten auf dem Weg offenbar so überrascht waren, dass einer von ihnen beim Glotzen den Halt verlor und in den Bach stürzte.
Während der Wald am Wegesrand noch relativ licht war, konnte man erahnen, dass er in der Entfernung immer dichter wurde, je tiefer man in das Lehen vordrang. Moosgau verfügte scheinbar über riesige Holzreserven. Eine leichte Überschlagsrechnung käme wohl auf sicher 25 Land Waldfläche, die man bisher kaum angetastet hatte. Ob es am mangelnden Geschäftssinn der Herrschaften lag oder einfach an den Transportschwierigkeiten, ließ sich nicht so einfach sagen.
Alt-Krapohl kam einige Meilen hinter der Wassermühle des Lehens und kündigte sich zunächst durch lichter werdenden Wald an. Der Ort von vielleicht 300 Seelen lag inmitten des lang gezogenen Tals zwischen Ingrakuppen und Eisenstein am Krähenpfuhl, einem Teich, der hier künstlich aufgestaut wurde und den man für alles Mögliche nutzte. Hier ließ man auch viele der Baumstämme zu Wasser, die unten in Neu-Krapohl ankamen. Die Felder, die man hier zumindest in halbwegs vernünftiger Zahl sehen konnte, gingen quasi direkt in den Ort über. Überhaupt gab es hier scheinbar kaum noch Platz. Vom Waldrand zum Ortsrand war jeder Rechtspann Boden bewirtschaftet. Offenbar waren die Felder und Weiden derart eng aneinander angelegt, dass das Vieh über den Weidezaun noch die Pflanzen des Nachbarn abfressen konnte. Und auch hier schlug man eifrig Holz- diesmal allerdings Richtung Praios, während die Wanderer sich eher aus Südwest näherten.
Firunwärts, soviel war vom Taleingang zu erkennen, führte ein Karrenpfad weiter in den Wald und dahinter stieg einiger Rauch auf; dies mussten die Meiler der Köhler und die Öfen der Waldglashütte sein.
Allgemein schien Alt-Krapohl gänzlich unverteidigt. es war vom Waldrand aus gut zu überblicken. Hier gab es keine Palisade und scheinbar nur ein einziges Gebäude, das überhaupt aus Stein gebaut war. Der Zwerg erkannte vermutlich, dass es schon sehr alt sein musste und die Mauern keiner ernsthaften Attacke standhalten würden. Es schien mehr ein vornehmes Bauernhaus zu sein als eine wirkliche Befestigung.
Als sich der Oberst mit seinen Leuten näherte, fand sich auf dem Dorfplatz schnell eine Menge Leute zusammen, die offenbar schon angeregt über seine Ankunft diskutierten, bevor Dwarosch den Ort überhaupt betreten hatte. Die Leute hielten sich etwas zurück und versuchten wohl, in ihren tuschelnden Gruppen nicht unhöflich zu erscheinen.
Schließlich öffnete sich die Tür des Herrenhauses und ein junger Mann trat heraus. In Zwergenjahre umgerechnet, war er vermutlich ein Jahrzehnt von seiner Feuertaufe entfernt, also ein bartloser Grünschnabel. Der Mann trug seine Haare mittellang und wirkte trotz deiner jungen Jahre schon etwas gemütlich. Er trug einen Tappert albernischen Schnitts in den Farben der Bösenburschs (blau auf silber) und am Gürtel einen Wimpel mit dem Wappen des Herzogenhauses. Mit schnellen Schritten und leicht erhobenen Händen trat er auf Dwarosch zu.
„Herr Oberst! Herzlich willkommen in Moosgau!“
Dwarosch zeigte ein diplomatisches Lächeln, als ihnen sich der Repräsentant der Familie des Großen Flusses näherte, zog den Kettenhandschuh seiner Rechten aus und reichte ihm die Hand.
„Wie ich sehe verbreiten sich Neuigkeiten hier sehr schnell, oder aber wir marschieren viel zu langsam“, er lachte herzhaft.
Boringarth, der Adjutant des Oberst, welcher sich stets in seiner unmittelbaren Nähe aufhielt beugte sich kurz vor und flüsterte seinem Vorgesetzten etwas ins Ohr. Dieser nickte und fuhr fort.
„Es freut mich eure Bekanntschaft zu machen Edler Herr von Bösenbusch. Ich bin ins schöne Moosgau gekommen, weil ich mit ihrer Wohlgeboren sprechen möchte.“
Gudo nahm die Hand, nickte und grinste breit. "Die Anwesenheit von Soldaten ist hier ein seltener Anblick, Herr Oberst- den Zwölfen sei es gedankt, wenn ihr versteht. Vermutlich könnte die Kaiserin selbst anreisen und es wäre kaum weniger Aufregung im Dorf." Wenn der Beamte versucht haben sollte, mit seiner Bemerkung zu Soldaten eine Spitze platzieren zu wollen, merkte man es ihm nicht an. Wahrscheinlich hatte er sich einfach nur unglücklich ausgedrückt. "Die Freude ist ganz meinerseits." Gudo drehte sich etwas zur Seite und wies zum Herrenhaus. "Die Frau Großmutter ist oben und wird in Kürze zu uns stoßen. In der Zwischenzeit wird schon einmal das Esszimmer hergerichtet."
Das Herrenhaus von Moosgau war vielleicht das einzige Steinhaus am Platz, aber auch eher beschaulich nicht besonders groß. Zwei Stockwerke, etwas Dachboden, vielleicht war noch irgendwo ein Keller... sicherlich wohnte jeder Elenviner Kaufmann besser als die Bösenburschs. Die Dienerschaft war gerade damit beschäftigt, die letzten Handgriffe anzulegen, als Dwarosch und seine Gefährten in den Raum geführt wurden. Das "Esszimmer" direkt links des Hauseingangs war hell und überraschend geräumig. Neben der Tafel war der Raum nur spärlich möbliert, dafür waren Tisch und Stühle fachmännisch gebaut und kunstvoll verziert. Auf der Tischdecke hatte man in einer Glasschale einige Waldfrüchte bereitgestellt; außerdem befanden sich dort bereits zwei Flaschen Wein. Für die Gerüsteten brachte ein Diener noch schnell Überzüge- "wegen des Holzes, ihr wisst schon..."
Der Oberst nickte wissend, entgegnete aber sogleich, „wenn es euch nichts ausmacht würde ich meine Männer gerne ablegen lassen, bevor wir uns setzen. Ich möchte nicht voll gerüstet und bewaffnet mit der Edlen zusammentreffen. Ihr obliegt die Herrschaft an diesem Ort, ich bin nur ein Bittsteller. Das letzte was ich will ist einen falschen Eindruck hinterlassen.“
„Natürlich. Vielen Dank, Herr Oberst.“ Der Diener, der so aussah, als habe er ebenfalls schon die fünfzig Götterläufe weit überschritten, nahm die Bezüge fast schon erleichtert wieder mit. Kurz bevor er die Tür zur Küche erreicht hatte, schien Gudo noch etwas einzufallen. „Quendan, sei so nett und bring‘ dem Herrn gleich ein Ferdoker, wenn wir sitzen. Ihr trinkt doch Bier, oder?“ Gudo schaute fragend zu Dwarosch.
Auf dem Gesicht des Angroschim zeigte sich darauf ein seinerseits erleichtertes Lächeln. „Oh ja, das tue ich! Bedeutend lieber sogar als Rebensaft. Von letzterem kriege seit jüngstem so ein unangenehmes, saures Brennen in den Innereien.“ Dwarosch verzog leicht das Gesicht und machte eine kreisende Handbewegung in Höhe seines Bauches, was seine Soldaten geschlossen mit einem Grinsen quittierten. Ganz offensichtlich gab es ein gemeinsames, zurückliegendes Ereignis, welches Auslöser der Belustigung war.
Quendan nickte und verschwand in der Küche, während die Soldaten Gelegenheit bekamen, sich ihrer Ausrüstung zu entledigen. Auch Gudo nickte zufrieden. War doch klar, dass man dem Zwerg keinen Wein anbieten kann! Dann winkte er einen weiteren Diener heran, um die Ausrüstung mitzunehmen, sie im Windfang des Hauses zu deponieren und ein Auge darauf zu haben.
In der Zwischenzeit stieß eine Frau zu den Wartenden. Sie schien in etwa so alt zu sein wie Gudo und war wie er eher unscheinbar- mit ihren langen, braunen, leicht gelockten Haaren und einem recht schmucklosen Kleid hätte man ihr in den Straßen Elenvinas wohl kaum besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Gudo nahm sie kurz in den Arm und stellte sie dann den Gästen vor. „Herr Oberst, darf ich euch meine Gemahlin vorstellen? Harda von Bösenbursch- ebenfalls in den Diensten seiner Hoheit. Harda, das ist Oberst Dwarosch vom Eisenwalder Regiment und…“ jetzt fiel dem jungen Mann offenbar auf, dass er die Namen der Soldaten gar nicht kannte. Etwas fragend sah er den Oberst an.
Der Oberst lächelte und reichte nun auch der Frau Gemahlin die Hand zu Gruße. „Hocherfreut eure Bekanntschaft zu machen Edle Dame.“
Danach sprang er dem Gemahl verbal zur Hilfe und stellte seinen Soldaten vor. „Dies hier sind Brinarim, Rogatom und Baschtox“. Er wies auf Zwerge die sich in seiner Nähe aufhielten. „Dort drüben“, Dwarosch deutete auf die andere Seite der Tafel, „haben wir Xagur, Andorgam und Boringarth, meinen Adjutanten. Und nicht zu vergessen“, er zwinkerte den beiden Edelleuten verschwörerisch zu, „dies würde sie einem nämlich auf ewig nachtragen, „die liebliche Zogoltrina.“ Seine Soldaten lachten und die so betitelte, breitschultrige Zwergin nickt ihrem Oberst anerkennend und auch grinsend zu. Offenbar herrschte ein sehr freundschaftlicher Umgang untereinander.
„Ebenfalls sehr erfreut, Herr Oberst. Herrschaften- gute Frau.“ Harda erwiderte die Grüße ihrerseits. „Ihre Wohlgeboren wird in Kürze bei uns sein.“ Gudo nickte unterbewusst. „Ja, dieser Tage-“ Er wurde abrupt von einem dezenten Armstoß seiner Gattin unterbrochen. „Wie ich sehe, seid ihr bereits gut versorgt worden. War die Reise denn sehr beschwerlich? Der Weg hier nach Moosgau ist immer etwas anstrengend…“
Dwarosch schüttelte leicht den Kopf. „Hierher war der Weg recht angenehm. Es ist ja nicht weit von Obena bis zu euch.
Von Oberrodasch aus hatte das Wetter hingegen einige unliebsame Überraschungen für uns parat. Man darf niemals stabile Witterung im Hochgebirge voraussetzen. Dank unserer auch dafür ausgelegten Ausrüstung und entsprechender Kenntnisse solcher Situationen bestand jedoch niemals wirkliche Gefahr.“
In den nächsten Momenten war ausreichend Zeit, sich etwas zu setzen und zu Atem zu kommen, denn Rahjalin benötigte noch etwa zehn Minuten, bis sie die Treppe hinunterkam. Wer erwartet hatte, dass die Edle gebrechlich sei, erlebte eine Überraschung. Obwohl man ihr das Alter ansah, kam die rüstige Frau wohl noch gut allein zurecht. Sie ging etwas gebeugt, aber bevor sie den Raum betrat, wischte sie noch energisch eine Haarsträhne beiseite. Die Seniorin trug ihre Haare, die vielleicht noch eine Spur ihrer alten, rotblonden Farbe zeigten, in einem strengen Dutt. Sie schien es gar nicht zu schätzen, wenn sich ihre Frisur selbstständig machte. Ihr Dirndl entsprach nicht mehr ganz der aktuellen Elenviner Mode, war aber kleidsam und hob ihre kräftige Figur hervor. Sie trat mit einem gutmütigen Lächeln durch den Türrahmen, wobei man sie auf sicher acht oder achteinhalb Spann schätzen konnte. Der einzige sichtbare Schmuck war ihr goldender Siegelring an der rechten Hand. „Mahlzeit, Herrschaften!“ sprach sie mit einer doch recht kräftigen Stimme in den Raum. Gudo und Harda erhoben sich und verbeugten sich leicht, während Rahjalin auf die Zwerge zutrat, um diese wiederum zu begrüßen.
Die Angroschim erhoben sich geschlossen, in einer bewundernswert- geschlossenen Bewegung und auch der Oberst neigte kurz das Haupt, wenn es auch eher nach einer wohlwollenden Geste aussah. Die Soldaten senkten darauf hin ebenfalls den Kopf und erhoben ihn erst dann, als Dwarosch das Wort ergriff wieder. Ganz offensichtlich legte der Oberst ebenfalls Wert auf guten Umgangsformen unter seinen Soldaten.
„Eure Wohlgeboren. Ich überbringe euch Grüße des neuen Vogtes von Nilsitz Borindarax, Sohn des Barbaxosch.“
Boringarth gab seinem Oberst einen gesiegelten Briefumschlag in die Hand und dieser reichte ihn gleich weiter an die Edle. „Er hatte noch nicht das Vergnügen euch persönlich kennenzulernen und wollte diese Gelegenheit nutzen zumindest in Kontakt mit euch zu treten. Borindarx ist ein guter Freund und wie ich Mitglied der Sippe unseres Mogmarog.“
Rahjalin hob eine Augenbraue, während sie den Brief in Empfang nahm. „Nilsitz? Na, da habt ihr euch ja auf eine ganz schöne Reise begeben, nur für einen Brief. Liegt ja ganz schön weit weg, hinter… Dohlenfelde? Na, ist ja auch egal. Ich freue mich jedenfalls über euer Kommen. Aber bitte, setzt euch ruhig alle wieder. Und dann wollen wir doch mal sehen, was der gute Vogt mir schreibt, hm?“ Die Edle machte kehrt und begab sich zu dem Stuhl, der dem Eingang am nächsten war. Gudo rückte ihr den Sitz zurecht und setzte sich dann auch wieder.
Dwarosch nickte bestätigend. „Ja, der Weg ist in der Tat weit, auch wenn die gräflichen Vogteien von Nilsitz von Eisenstein aus gesehen vor Dohlenfelde liegen.
Mich führt jedoch ein anderes Anliegen zu euch eure Wohlgeboren. Es ist nicht nur der Brief.“ Der Zwerg lächelte gewinnend. „Dies war nur ein Freundschaftsdienst.
In den Vergangenen Götternamen habe ich viele hohe Herrschaften im gesamten Isenhag aufgesucht.
Eure Wohlgeboren“, setzte der Oberst nun zu einer Erklärung an“, Kräfte meines Regimentes sind derzeit dabei in vielen Lehen der Grafschaft Marschübungen abzuhalten. Ziel ist es eine neu, militärische Karte unserer Heimat von hoher Qualität und Nutzen zu erstellen. Hierzu begleiten uns Landvermesser und Kartographen.
Wenn die Karte fertig ist, wird sie nicht nur für die Streitkräfte des Herzogtums wichtige Wege, Landmarken und Entfernungen enthalten, sondern auch bisher nie berücksichtige Routen durch das Hochgebirge, welche nur speziell ausgerüstete Truppenteile, wie meine Gebirgsjäger nutzen können.
Zusätzlich werden speziell für die von und Angroschim dominierte Einheiten wichtige Teile der Bergkönigreiche verzeichnet sein und natürlich deren Verkehrswege, so dass wir im Ernstfall in der Lage sind möglichst flexibel zu sein, was die Wahl des Weges betrifft.
Der Gedanke dahinter ist, dass die nur leicht gerüsteten und für das Hochgebirge ausgerüstete und ausgebildete Gebirgsjäger schnellstmöglich am Ort des Geschehens seien müssen, um den schwer gerüsteten Banner, welche nur ausgebaute Straßen und Wege nutzen können, Zeit zu erkaufen.
Ich habe bereits mit eurem Lehnsherren gesprochen und mir seine Erlaubnis eingeholt. Er verwies mich bei der Frage nach einem Ortskundigen Führer an euch. Ich komme aber nicht nur deswegen, sondern auch um etwaige Fragen zu beantworten, weiß ich doch, dass Soldaten die letztlich dem Herzog zur Treue verpflichtet sind den einzelnen Territorialherrschern häufig ein Dorn im Auge sind und sie sich von ihnen bedroht fühlen.
Ihr seht also eure Wohlgeboren, mir ist daran gelegen euch beziehungsweise einige eurer Vasallen in diese Operation mit einzubeziehen, um ein bestmöglichen und reibungslosen Ablauf ohne Zwischenfälle zu erzielen.“
Rahjalin hatte sich die Ausführungen des Oberst aufmerksam angehört, wobei mit der Zeit ein Lächeln auf ihrem Gesicht erschien, das immer größer wurde. Sie nickte. „Ich verstehe, was euch hertreibt, Herr Oberst. Ich sag‘ es direkt: Wir werden euch keine Steine in den Weg legen. Nicht, dass ihr mit Steinen nicht umgehen könntet.“, fügte sie zwinkernd hinzu. „Meine Familie dient dem Herzog schon so lange, wie unsere Aufzeichnungen zurückreichen. Es würde uns nicht im Traum einfallen, eurer Karte im Wege zu stehen. Und ich denke mal, dass seine Hochgeboren auch wirklich jedes Verständnis dafür haben wird- schließlich ließ er selbst unlängst eines unserer Nachbarlehen durch seine Leute besetzen. Das einzige Problem wird sein, dass Moosgau nicht in der Lage wäre, euch auf der Reise Proviant zur Verfügung zu stellen, obwohl wir das gern täten.“ Sie sah kurz zu Gudo. „Ich weiß nicht, ob man euch in Obena bereits berichtet hat- und selbst, wenn, kann ich mir schon ungefähr vorstellen, was man euch erzählt hat.“
„Genau genommen erteilte mir der Baron lediglich die Erlaubnis die Übungen durchzuführen und verwies mich für alles Weitere an seine Tochter, die Baroness. Prianna von Keyserring erwies sich als die bedeutend gesprächigere Person mir gegenüber. Sie war es die mich letztlich nach Moosgau schickte, um einen Ortskundigen Führer zu anzuwerben.
Was meine Männer und ihre Verpflegung angeht, so kann ich euch vergewissern, dass ihr diesbezüglich keinen Aufwand betreiben müsst. Wir sind es gewohnt uns selbst zu versorgen.
Es wäre nur hilfreich, wenn ihr eure Untertanen über unsere baldige Anwesenheit informiert. Wir wollen niemanden verschrecken.
Ich werde euch einen Boten schicken, um euch den genauen Zeitpunkt zu nennen, wann die Gebirgsjäger Eisenstein erreichen werden.“
Rahjalin schien zufrieden. „Dann ist ja alles in Ordnung. Wie ist denn euer Plan? Werdet ihr länger in Moosgau bleiben? Dann lasse ich rechtzeitig Unterkünfte für eure… ähm… Offiziere bereitstellen. Wollt ihr die ganze Bergwand absuchen oder nur bekannte Pfade ausprobieren? Ich weiß zum Beispiel von zwei möglichen Passagen, aber die Leute benutzen sie kaum. Es lässt sich dort auch nur schwer hinkommen. So wirklich untersucht hat man das aber bisher alles noch nicht. Der Krähenwald reicht fast überall noch den Berghang hinauf. Mit Karren kommt ihr da nicht voran.“ Allerdings schien sie sich selbst ganz gut in der Gegend auszukennen- schließlich war sie hier aufgewachsen.
„Uns interessieren alle Routen und das über die Grenzen Moosgaus hinaus, es geht um die gesamte Baronie, auch und im speziellen die Wege ins Gebirge und durch die tiefen der zahlreichen Wälder in Eisenstein.
Schlafen werden wir überall dort wo uns die Dunkelheit einholt, auch dies soll nicht eure Sorge sein. Ich benötige nur ortskundige Führer für meine Männer. Wen könnt ihr mir in dieser Sache empfehlen?“
Nachdenklich starrte die alte Frau die Wand hinter Dwarosch an, sah dann kurz wieder zu Gudo und dann zurück zum Oberst. "...Entschuldigt. Wie war eure Frage?" Harda half ihr aus: "Ortskundige Führer, Frau Großmutter." Rahjalins Gesicht hellte sich wieder auf. "Ach ja. Also, es gibt hier einige Jäger. Die Jagd auf Niederwild habe ich den Leuten erlaubt, müsst ihr wissen. Das hilft mit der Knappheit. Die kennen den Wald natürlich bestens. Ansonsten gibt es hier einen Firungeweihten, einen besseren Führer könnt ihr euch wahrscheinlich nicht wünschen. Gudo, du kennst doch den Weg zu seiner Hütte, ja?" Gudo brauchte einen kurzen Moment für seine Antwort und sah etwas resigniert drein. "Ja, gewiss. Ich kann sie hinführen. Auch zur Ruine." Die Edle nickte. "Das ist gut. Wisst ihr, Oberst, einer der Pfade beginnt hinter der alten Ruine Zaman. Gut möglich, dass der irgendwo hinführt. Oder hingeführt hat. Das solltet ihr euch unbedingt anschauen."
Bei der Erwähnung der Ruine stutze der Oberst und schaute zu seinem Adjutanten, doch dieser zuckte mit den Schultern. Dwarosch war dennoch sicher den Namen schon einmal gehört zu haben. In welchem Zusammenhang jedoch wusste er nicht.
„Verzeiht. Könnt ihr mir erklären was es mit der Ruine Zaman geschichtlich auf sich hat?“
Rahjalin schien etwas überrascht. „Naja, also, so wirklich weiß es niemand. Es heißt, Zaman soll aus der Eslamidenzeit kommen, aber was es einmal war, darüber ist nichts mehr bekannt. Kann also nicht so wichtig gewesen sein. Es wird viel geredet und vermutet, aber ich denke, es war einfach ein Kloster, damals.“ Harda nickte unbewusst. „Die Ruine liegt am Berghang direkt über der Erdesch, das ist eine große Waldlichtung. Kann sein, dass dort früher Felder gestanden haben. Momentan-“ scheinbar hatte sie noch mehr sagen wollen, aber sie bremste sich mit einem nervösen Blick zu Rahjalin. Diese seufzte und führte den Satz fort. „Momentan lassen wir eine Schneise durch den Wald zur Erdesch schlagen, um sie zu bewirtschaften. Wegen der Knappheit.“
Verstehend nickte der Oberst und ließ das Thema im Folgenden auf sich beruhen. Er befand, dass es so besser war.
„Was den Führer betrifft, so kann uns natürlich ein Firuni sehr behilflich sein. Kaum jemand wird die abgelegenen Pässe im Gebirge und menschenverlassene Pfade durch die tiefen der Wälder besser kennen.
Nach meiner Erfahrung sind sie jedoch nicht sehr gesprächig und können nicht sonderlich gut mit Menschen.“ Dwarosch warf Gudo einen vielsagenden Blick zu. „Eure Wohlgeboren, meint ihr ihr könnt mir euren Enkel für ein paar Tage zur Seite stellen, wenn wir auf dem Gebiet eures Gutes unterwegs sind? Er wird mir sicher ebenfalls eine große Hilfe seien können.“
Die Edle wandte sich zu Gudo. „Du bist noch nicht lange zurück. Ich werde dich nicht zwingen…“ Rahjalins Tonfall machte deutlich, dass sie es wohl trotzdem gerne sähe, wenn ihr Enkel dem Oberst aushelfen würde. Gudo lächelte gequält. „Na, immerhin liegt kein Schnee mehr, hm?“ Dann nickte er. „Ja, natürlich helfe ich euch. Seine Gnaden ist tatsächlich etwas eigenbrötlerisch.“ Offensichtlich war der Beamte wenig begeistert von der Vorstellung, fügte sich aber dem sanften aber bestimmten Druck seiner Großmutter.
Kurz war Überraschung im Gesicht Dwarosch zu sehen. Er hatte tatsächlich geglaubt Gudo hätte sich gefreut einmal herauszukommen, den Pflichten entfliehen zu können, zumindest hatte der bisherige Gesprächsverlauf das vermuten lassen, doch da hatte er sich wohl getäuscht.
Der Oberst ließ sich aber weiter nichts anmerken und klatschte dann mit kaum vernehmbarem Geräusch, aber deutlicher Geste in die Hände. Er war zufrieden.
„Ich danke euch, dass wir uns so schnell einig werden konnten. Ihr habt mein Wort, dass meine Männer und ich unser möglichstes unternehmen werden, dass ihr und eure Untertanen von unserer Anwesenheit so wenig wie möglich Notiz nehmen werdet.“ ---

Kategorie: Briefspielgeschichte