VGDas Ende

Das Ende

Donewald Klippstein hatte es nicht glauben können, er hatte tatsächlich erlebt, wie die Auxilia-Jelenvinia plante, auf herzoglichen Befehl gen Bosparan zu marschieren. Allein bei dem Gedanken daran wurde er noch immer ganz hibbelig. Der Gelehrte hatte bereits viele Träume, in denen er die Vergangenheit hautnah erleben durfte, aber Ereignisse wie diese waren etwas Besonderes.

Als er dieses Mal aus seinem Schlaf aufschreckte, stand er unvermittelt auf einem Hof. Schnell erkannte er diesen wieder, nicht viel hatte sich dort in den zurückliegenden Jahrhunderten verändert und so wusste er, dass er sich erstmals in der Akademie befand. Der Schein von Feuerschalen erhellte die Szenerie, in der Soldaten Spalier standen. Es waren weniger als in seinem letzten Traum, jedoch erkannte er einige Gesichter wieder – die Truppe des Centurio. Mit ernsten Mienen standen die Männer dort, während das flackernde Licht ihnen etwas Dramatisches und Erhabenes verlieh.

Doch standen dort nur die einfachen Soldaten, von den Offizieren war noch niemand zugegen. Einige Minuten verstrichen, bis ein Trommler das Spiel einsetzte und sie endlich aufliefen. Ihnen voraus wurde die Standarte getragen und wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass das überhaupt nicht mehr möglich war, hätte Donewald geschworen, dass die Männer noch etwas mehr Haltung angenommen hatten. Ihr folgend erst die unteren Ränge und zuletzt der Centurio. Am Kopf des Spaliers eingetroffen fächerten sich die Offiziere auf, je niedriger der Rang, desto weiter außen nahmen sie Aufstellung.

„Es erfüllt mich mit Stolz, gemeinsam mit euch gedient zu haben. Wie ein Mann haben wir gekämpft und sind füreinander eingestanden. Nicht alle von uns sind zurückgekehrt, ihr Andenken wird jedoch auf immer gewahrt werden. Heute Nacht wird das letzte Mal sein, dass wir die Auxilia-Jelenvinia sind! Ab morgen früh sind wir das 2. Banner Jelenvinia und wir werden es mit Stolz sein.“

Wie ein Mann schlugen sich die Anwesenden auf den Brustpanzer, dass es dem Gelehrten kalt den Rücken hinunterlief. Die Stimmung auf dem Hof bewegte und faszinierte ihn. Voll Spannung erwartete er, wie es weiterging. Dabei fiel ihm erstmals auf, dass die Mauer am Ende des Spaliers geöffnet worden war. Dicke Balken stützten das Mauerwerk hinter dem Fackeln den ihm bekannten Raum erleuchteten. Vor der Durchbruch lag bereits das notwendige Material bereit um das Loch zu verschließen, derweil die Reste der einstigen Tür, Sturz und Rahmen, direkt daneben lagen. Auf einen stummen Befehl hin setzten sich die unteren Ränge in Bewegung. Marschierten im unsteten Licht der Feuer bis zum Durchbruch und verschwanden im Inneren. Nur kurz musste Donewald warte, da kehrten sie wieder zurück – jedoch bar ihrer bosparanischen Abzeichen. Als sie sich wieder eingereiht hatten, folgten aufsteigend die anderen Ränge bis am Ende nur noch der Standartenträger und Centurio Gisbinga ausharrte. Stumm wurde die Standarte an den Befehlshaber überreicht und Signifer, der Träger des Feldzeichens, tat es seinen Offizierskollegen gleich. In fast vollkommener Stille marschierte der Gisbingaer an seinen Soldaten vorbei, die neben dem Knallen seiner Stiefel lediglich das gelegentliche Knacken des Feuers hörten.

Eilig folgte Donewald dem kräftigen Krieger und sah den Raum erstmals, wie er einst verlassen worden war. In Regalen lagen die Helme und Abzeichen der Offiziere. In Ständern ruhten Waffen und sogar einige Rüstungen waren auf Gestellen gelagert worden. Mit großer Sorgfalt wurde die Standarte in ihrer Wandhalterung abgelegt. Zur Überraschung des Klippsteiners zog der Krieger anschließend ein Kleinod aus seiner Rüstung und kniete vor der Standarte nieder. Geschickt entfernte er einen Stein aus der Wand und barg den Gegenstand, den der Gelehrte nicht erkennen konnte, in der Nische. Als er sich wieder erhob, deutete nichts auf das hin, was soeben geschehen war. Und als hätte dieser Augenblick überhaupt nicht existiert, wandte sich der Gisbingaer einem der Gestelle zu. Ruhig nahm er seinen Helm ab und setzte ihn darauf ab. Mit einer fließenden Bewegung löste er den wallenden Umhang, warf ihn um die Schultern des Gerüstes und befestigte ihn an der dort platzierten Rüstung. Voll Rührung und unerwartet emotional verabschiedete sich der Centurio stumm. Dann verließ der Mann, dessen Vorname Donewald noch immer nicht kannte, die Kammer wieder und trat vor den Durchbruch. „Shinxir imperante!“ Donnerte er seinen Soldaten entgegen und diese schmetterten: „Shinxir imperante!“ zurück.

--- Kategorie: Briefspielgeschichte

-- Main.VonRichtwald - 17 Mar 2020