VGAbmarsch

Abmarsch!

Sein letzter Traum lag bereits einige Nächte zurück und fast schon hatte Donewald sich Sorgen gemacht, dass er womöglich keine weiteren Träume haben würde. Als er nun jedoch die Augen öffnete, wusste der Gelehrte, dass dem nicht so war. Sogleich erkannte er den Stil der Wandbehänge wieder, auch wenn er zuvor nicht in diesem Raum gewesen war. Ein großer und kräftiger Mann saß an einem Schreibtisch und studierte einige Papiere. ‚Wollte ihm dieser Traum den Alltag eines Legionärs zeigen?‘ fragte er sich insgeheim, hoffte allerdings inständig, dass doch noch etwas Spannendes passieren würde. Doch nichts tat sich. Der Mann nahm Bogen um Bogen auf, las sich die darauf niedergeschriebenen Berichte zu Truppenstärke, Proviant und anderem Dingen durch und verfasste gelegentlich selbst Berichte. Anfänglich fiel es ihm nicht auf, doch dann kam ihm der Mann zunehmend bekannt vor. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, dieser Mann war Optio Gisbinga oder besser gesagt inzwischen Centurio. ‚Um wie viele Sommer mochte er wohl gealtert sein?‘ ging es ihm sogleich durch den Kopf.
Dann klopfte es an der Tür. Der Klippsteiner hatte sich beinahe zu Tode erschrocken und noch immer raste sein Herz, als ein Bote seine Nachricht ablieferte. „Eilige Depesche vom Herzog, Herr.“ Tat er überflüssigerweise kund und erwartete weitere Befehle. In aller Ruhe brach der Gisbingaer das Siegel und studierte den Inhalt der Depesche. Als er schließlich die Befehle niederlegte blickte er den Soldaten streng an. „Die Offiziere sollen sich in einem halben Stundenglas im Kartenraum einfinden!“ ordnete er an und entließ den Legionär.
Seine Träume mochten unglaublich detailliert sein, oft verschwammen Schriften jedoch, wenn er versuchte sie zu lesen. Als würde er auf glühenden Kohlen sitzen, musste der Gelehrte deshalb die Zeit verstreichen lassen, bis auch er endlich mehr erfuhr. Nur langsam sammelten sich die Offiziere im Kartenraum, als letztes kam Centurio von Gisbinga dazu. Sofort nahmen die Männer Haltung an, entspannten sich aber, kaum dass sie die Erlaubnis dazu erhalten hatten. „Männer, die Auxilia-Jelenvinia wird auf ihren letzten Einsatz gehen!“ Großes Erstaunen und Unsicherheit machte sich unter den kampferprobten Soldaten breit, was konnte ihr Befehlshaber mit seiner Aussage nur meinen? „Wir haben Befehl vom Herzog auszurücken und gen Praios zu ziehen. Wir werden uns den Garethern anschließend und auf Bosparan marschieren!“ Noch immer war den Soldaten ihre Unsicherheit anzusehen, doch zugleich konnte Donewald so etwas wie Vorfreude in ihren Gesichtern erkennen. Diese Männer freuten sich tatsächlich auf das bevorstehende Blutvergießen! „Für den Herzog! Für die Nordmarken!“ rief der Centurio und die Offiziere griffen den Ruf auf. „FÜR DEN HERZOG! FÜR DIE NORDMARKEN!“ Schallte es ohrenbetäubend durch den Raum. Doch sofort kehrte kalte Professionalität in die Mienen der hier Versammelten zurück. Das Verlangen dieser Männer nach Blut ließ es Donewald Klippstein kalt den Rücken herunter laufen. Anschließend wurde eine Karte ausgerollt und ihre geplante Marschroute aufgezeigt, dem Phecadistieg bis ins Herz des lieblichen Feldes folgend.

--- Kategorie: Briefspielgeschichte

-- Main.VonRichtwald - 17 Mar 2020