Ungewöhnlicher Besuch

Ungewöhnlicher Besuch

Ungewöhnlicher Besuch

Autoren: AshiesDeeper und RekkiThorkarson

Amtsstube des Vogts von Nilsitz, Praios 1042 BF

Eines schönen Tages tauchte ein junger Zwerg in der Vogtei am Wedengraben auf und fragte sich mit wenig Etikette und Anstand zu Borindarax von Nilsitz durch. Er besaß schwarze, schulterlange Haare, ein jungendliches Gesicht und trug einfache Lederkleidung, sowie eine schlichte Stofftasche bei sich.
Borax erinnerte sich, dass er der Schüler von diesem Emmeran war, als er seiner ansichtig wurde. Es hieß gar, dass dieser Angroscho, Lagorasch- so war sein Name, schon beim Schwimmen beobachtet wurde.
Mit einem Nicken kam Lagorasch auf Borax zu und hielt ihm seine rechte Hand hin, während seine linke in dieser Tasche verweilte. "Ich freue mich dich zu sehen Borindarax 'Borax', Sohn des Barbaxosch. Mir wurde gesagt das Du mir helfen kannst die Menschen von ihrem unüberlegten Handeln abzubringen. Ich bin Lagorasch, Sohn von Sugusch, angehender Diener der Erdmutter und Gefährte des Wassers. Ich habe gehört das ein Heiligtum des Flussvaters entdeckt wurde, und dass die Geweihten des Efferd dieses umweihen wollen. Tja, die haben da sicherlich nicht lange über die Folgen nachgedacht. Wie siehst Du das?"
Der Vogt lächelte. „Simia mir dir Bruder. Es freut mich einen Diener der Erdmutter in Senalosch zu sehen. Eure Besuche sind hier viel zu selten“, begrüßte der ebenfalls noch junge Zwerg sein Gegenüber.
Borindarax war von stattlicher Figur, besaß feuerrotes Haar, welches er auf dem Haupt zum Seitenscheitel drapiert trug. Sein Bart war in acht kunstvolle, lange Zöpfe geflochten, in denen allerlei metallische Kuben, Kegel und Kugeln gebunden waren.
Er trug einen dunklen Gehrock und passende Hosen, welche in leichten Lederstiefeln steckten. Um seinen Hals hing eine Kette aus dicken, eisernen Metallplättchen, die ihn als gräflichen Vogt auswies.
„Nun- es gibt derzeit Streit über die weitere Bestimmung des Heiligtums“, ging Borax ohne umschweife auf die Frage Lagoraschs ein. „Noch ist es nur ein Tempel von dem ich Korrespondenz erhalte. Ob das so bleibt wird sich zeigen. Von meiner Seite aus werden die Kavernen weitestgehend unangetastet bleiben.“ Borax zuckte mit den Schultern. „Gut, wir werden hier und da etwas instandsetzen müssen, die Wege freiräumen und ausbauen, aber wir werden ihn nicht ‚zweckentfremden‘.“ Was der Vogt damit meinte war deutlich. Auch er schien dem Ansinnen der Efferd- Kirche konträr entgegenzustehen.
„Es gibt ein Seitengewölbe- die dem Launischen nach Ausgestalltung der Fresken zugeordnet werden kann. Das reicht. Er hat Tempel genug- der Flussvater jedoch, dem die Menschen die Fruchtbarkeit des Umlandes verdanken hatte bisher keinen.“
Lagorasch nickte zustimmend mit einem lächeln. "Nun man mag es schwer haben zwischen all den launischen Wesenheiten und ihren Interessen zu vermitteln. Wenn man es genau betrachtet ist es ganz im Sinne des Launischen das sich hier ein Streit anbahnt. So mag es der Geselle Angroschs, gerne haben, auch wenn mancher seiner Diener dem energisch Widersprechen mag. Ich würde gerne die Gedanken weiter spinnen... so wie mir angetragen wurde, sind die Kurzlebigen nicht so einfach von logischen Argumenten von Ihrem Tun abzubringen."
Nach einer kleinen Pause und einigem Kopfnicken, argumentiert der Diener der Erdmutter weiter: "So ergibt sich mir ein Bild, geprägt aus den Geschichten der Vergangenheit, geprägt von dem Tun der Kurzlebigen, das sich ebendiese nicht so einfach von einzelnen Tatsachen überzeugen lassen und umkehren. Eben mehr müssen es viele sein, damit diese dem handeln von wenigen entgegen stehen. Und so komme ich mit der Frage auf... wie können wir aus wenigen Argumenten, viele Vertreter des Meinungsbildes machen. Insbesondere solcher Personen die von den Dienern des Launischen Gesellen als ... nun Ebenbürtig anerkannt möge man sagen, oder Einflussreich bei den Menschen. Eben halt genau solche Leute sollte man sprechen. Habt Ihr hier mir eine Idee?"
Borax nickte und musste währenddessen unweigerlich lachen. „Ich habe ja schon gehört, dass die Diener der Erdmutter über eine äußerst enge Bindung zu dem von ihnen gewählten Element verfügen, aber du redest wahrlich wie ein Wasserfall.“ Normals lachte der Vogt gut gelaunt.
„Ich habe gar nicht die Absicht viele von meinem Standpunkt zu überzeugen. Ich bin der Stellvertreter des Grafen in diesen Ländereien und er ist in dieser Sache ganz meiner Meinung. Das Heiligtum ist kein Eigentum der Kirche des Efferd- das war es nie. Warum also sollte ich mich überhaupt auf eine Diskussion einlassen?
Oh nein. Ich habe auf all die Briefe und Ersuche ein einziges Mal geantwortet und dass lediglich, um ihnen eine klare und deutliche Absage zu erteilen. Der Rest landete in meinem Kamin.“
Von einem erst ungläubigen Ausdruck wechselt das Gesicht von Lagorasch zu einem erfreuten Nicken. "Das ist wunderbar einfach... Du hast gesagt, dass noch einiges an Arbeit an diesem Heiligtum zu erledigen ist... kümmert sich schon jemand um diese Aufgabe? Oder um es kürzer zu fassen, darf ich mich dieser Aufgabe widmen? Als Abschluss meiner Ausbildung als Diener der Erdmutter, habe ich die Aufgabe an etwas von Bedeutung ohne die Hilfe meines Mentors beteiligt zu sein."
Erstaunen zeigte sich auf der Miene des Vogts. Kurz dachte er nach. „Ich wüsste nicht was dagegensprechen würde. Es gibt in der großen Höhle vor den Gewölben des Heiligtums inzwischen ein kleines Handwerkerlager. Vornehmlich Steinmetze sind derzeit dort, aber auch einfache Arbeiter, die mit Spitzhacken die Wege ebener gestalten.
Du wirst dich dort jedoch einige Schritt weit unter der Erdoberfäche befinden, umringt von Gestein, ohne Humus, auf dem du wandeln könntest- so dies dich nicht stört, fühle dich frei dich seiner Pflege zu widmen.“
Mit einem Ausdruck der Überraschung in den Augen: "Es verwundert mich wie viel doch über unsere Lebensweise bekannt ist." Der Geode breitet die Hände mit den Handflächen nach oben aus, und führt sie dann zusammen um mit den Händen eine Kugel zu bilden. "So gebe ich Dir recht, dass Element Humus ist unser zentrales Element." Seine linke Hand mit der Handfläche nach oben, mit der Rechten zeigt er mit den Finger in die Mitte der linken Handfläche. "Beobachtet und betrachtet man Sumus Leib genauer, erkennt man das der Leib nicht nur aus einem Element besteht." Er spreizt die Finger auseinander und dreht langsam die rechte Hand. Während er jede einzelne Fingerspitze betrachtete, sprach er weiter: "Deswegen ist unser Bestreben alle Elemente ihrer Bedeutung entsprechend zu ehren. Und so gilt es die Details des Weltenmechanismus zu erforschen, die in dem Ausgleich, oder einem goldenen Mittelweg der Elemente und Prinzipien am besten zu beschreiben sind."
„Ich habe dann und wann die Ehre Gargamil Gebirgsbock zu bewirten. Er ist ein Sohn Dumron Okoschs und lebt einen Großteil des Laufes der Götternamen in den Ingrakuppen. In den milden Monaten durchstreift er aber auch immer wieder die Wälder von Nilsitz und Wedengraben.
Der Sohn des Gamrosch war es, der mir viel über euch Geoden berichtet hat. Erst das durch ihm vermittelte Wissen, hat mich dazu bewogen, dass durch meinen Vorgänger verhänge Magieverbot für ganz Nilsitz zu lockern. Geoden sowie Druiden ist es außerhalb von Siedlungen offiziell gestattet Madas Kraft zu nutzen.“ Der Vogt zuckte mit den Schultern. „Auch wenn nicht alle Brüder und Schwestern damit einverstanden sind und ich dafür einige Schelte kassiert habe.“
„Wenn man nach den Traditionen geht, muss man sich überlegen welchen Ursprung diese haben. Die Geschichte wiederholt sich öfters als man insgemein annimmt. So wurden wir Geoden ja auch erst erforderlich, als man mit anderen Mitteln nicht mehr zurechtkam. So möchte eigentlich jeder den Schutz der alten Hinterlassenschaften bewahrt haben… aber wer, wenn nicht die Geweihten oder die Geoden mag dafür besser geeignet sein?“
Lagorasch zeigt mit der Hand zur Türe, „Was wollen wir über Wolken reden die nicht regnen, ich habe einige Tage kein Bier mehr getrunken, und ich muss etwas für meine Lebensflamme tun. Vielleicht kannst Du mir noch bei einer weiteren Sache helfen, ich soll Kontakte in die Welt knüpfen… wie würdest Du an solch eine Aufgabe herangehen?“
Wiederum lachte der Vogt, trat einen Schritt näher an seinen Gast und legte ihm ohne jede Scheu den Arm um die Schulter. „Komm, wir gehen in Obaloschs Bierstübchen. Dort gibt es beides, gutes Bier aus Isnatosch und so du dies lieber magst, auch aus dem Kosch. Und natürlich kannst du dort andere Angroschim treffen, ebenso wie Menschen.“
Ein leises Zischeln meldet sich aus der Leinentasche, „Vorsicht, und nicht erschrecken“, Lagorasch ging mit seiner Hand wieder in Leinentasche und schien etwas zu streicheln. „Sie ist noch sehr jung und es nicht gewohnt, wenn jemand anderes in ihre Nähe kommt. Aber keine Angst, ich habe ihr Gift schon abgenommen, es wäre unvernünftig unters Volk zu gehen und es nicht zu machen.“
So sah der Vogt nur kurz eine dünne, gelbgrün gesprenkelte Schlange, die nach den beruhigenden Worten Lagoraschs wieder ganz in der Leinentasche verschwand.
Erschrocken trat Borax einen Schritt zurück, als er das eindeutig einer Schlange zuzuordnende Geräusch vernahm. Ähnlich schnell jedoch schlug das zunächst empfundene Unbehagen oder gar die Angst in Neugierde um, so dass er wieder nähertrat, um noch einen Blick auf das Tier zu erhaschen.
„Was ist das für eine Schlange? Ich meine welcher Art gehört sie an“, fragte der Vogt. Und noch eines wollte er wissen. „Ist sie dein… deine… Seelenverwandte?“
Lagorasch macht mit seiner Arm Platz, so das Borax einen guten Blick auf die gelbgrüne Schlange werfen kann. „Ja, wir haben erst vor kurzem zusammengefunden. Es war in Havena, auf einmal war sie da. Sie mag den Namen Serescha, und ist eine Kvillotter. Es ist für uns Beide noch ungewohnt… aber ich habe keine Ahnung was ungewohnt ist. Es ist vielleicht einfach wie die Macht der Namen… ich hoffe Du weißt was ich meine?“
„Ah- also stammt sie aus Nordaventurien. Wenn ich nicht irre entspringt der Kvill, der Namensgebende Fluss dieser Schlangenart in den Salamandersteinen und mündet in den Golf von Riva. Hat sie ein Schiff nach Havena gebracht?“ Borindaraxs Neugierde war sprichwörtlich.
„Ich denke ich weiß was du meinst, wenn auch rein theoretisch.
Willst du sie vielleicht in der Tasche an den Kamin in der Stube hängen? Dort hat sie es warm und gemütlich und wir könnten ein Bier trinken gehen?“
Gedanken und Bilder überfluten den jungen Geoden, er streicht sich über den noch sehr kurzen schwarzen Bart. Bilder von weitem Land, einem Fluss, einer Familie, anderen Pflanzen und Sträuchern. Dann extrem laute Geräusche, ein Angriff, alles raschelt, die Frage nach Flucht oder Angriff, und wo ist der Angreifer. Flucht… und dann auf einmal geht es in die Luft. Und in ein Wasserfass. Getrennt von der Familie, Einsamkeit. Hin- und her geht es. Dunkelheit und Angst. So viel Wasser, keine trockene Warme stelle wo man in das Licht des Tages in sich aufnehmen kann. Falsches, schlechtes Essen und auf einmal, ein Gefühl… Familie… warten. Die Hoffnung keimt immer stärker auf, etwas hat sich verändert. Ein Name, Gedanken, Bilder. Der Lärm von draußen, vorher einfach nur Lärm, er bekommt einen Sinn. Worte, Gespräche dieser Menschen? Was passiert hier? Es vergeht viel Zeit… und dann auf einmal der Deckel öffnet sich, ein Stab angelt mich heraus. Eine Idee, die Idee einer unnatürlichen Bewegung. Flug und Ankunft auf dem Boden… Flucht, weg von den Beinen… was sind Beine? … eine Hand, eine gute Hand, Sicherheit.

Mit etwas verklärtem Gesicht, kommt Lagorasch wieder zurück in die Gegenwart, und schaut Borax an: „Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung welchen Namen die Heimat von Serescha hatte. Sie floh selber aus der Gefangenschaft, und ich habe sie einfach vor den Häschern versteckt. Aber es ist schwer zu sagen ob sie alleine sein will… oder doch lieber nicht in eine Enge Stube mit viel Lärm. Ist es hier sicher das niemand in diesen Raum kommt? Es wäre nicht gut, wenn jemand aus egal welchem Grund in Panik gerät. Ich persönlich bin auch kein Freund, wenn sich viele Leute versammeln, man verliert einfach einen Teil seiner Wahrnehmung für Details.“
„Ich gebe kurz Topaxandrina- meiner Haushälterin und auch Boindil bescheid“, meinte Borax schlicht. „Er sorgt dafür das der Kamin nicht ausgeht. Sonst kommt hier niemand hinein. Was meinst du, gönnen wir Serescha etwas Ruhe und mischen uns dann unters Volk?
Ich könnte eh nicht dafür garantieren, dass wir in der Wirtschaft angerempelt werden. Wenn die Wirtsstube voll ist, steh man dicht an dicht am Tresen.“
Bilder von seinen Erfahrungen in Havena zischten durch den Geist des Geoden. Die vielen Gerüche, manche gut, aber allzu viele waren einfach nur Schlecht, dieses Gefühl von Hektik. Emmeran hatte damals mehr als Recht gehabt, in der Stadt wird die Selbstbeherrschung am besten gefördert. Und das machten so viele Leute zur Freude, wie war das möglich, ist der Geist von so vielen, so krank und befallen. Nun er musste zuerst einmal verstehen, und dazu muss man es sehen, die Krankheit beobachten und untersuchen. Müde und etwas in Furcht vor dem was jetzt kommen mag schaute er den Vogt an, „Ja, so ist es sicher am besten. Ich warte kurz und dann lass uns aufbrechen.“
“Gut”, beschied Borax mit einem knappen Nicken- damit eilte er aber auch schon aus dem Zimmer.
Als der Vogt kurz darauf zurückkam, führte er Lagorasch in eine geräumige, getäfelte Stube, in der ein großer, gemauerten Kamin mit einem prasselnden Feuer angenehme Wärme ausstrahlte. Wandteppiche die Jagdszenen zeigten, schmückten den Raum ebenso wie einige prächtige Geweihe. Ohrensessel, Fußbänke und ein niedriger, runder Tisch luden zum Verweilen vor dem Kamin ein, währen eine große Tafel samt acht kunstfertig gedrechselte Stühle den Großteil der Stube einnahmen. Es roch leicht muffig und nach würzigen Tabak.
Der Vogt wies auf eine der Seitenwände des vorstehenden Kamins, in der mehrere Haken befestigt waren. “Häng den Beutel daran. Wir trocknen hier oft nasse Mäntel. Die Steine werden nicht kochend heiß, aber sie speichern die Wärme über Stunden.”
Der Gefährte des Wassers ging zu den Hacken und drehte sich zum Vogt um, „Darf Sie sich hier etwas umschauen. Sie mag die Tasche zwar mehr als den Trubel der Straßen, aber noch mehr mag sie es den Überblick zu behalten. Nachts wacht sie gerne unter einem Busch in meiner Nähe. Man mag es kaum glauben das sie über Ihre Schuppen hört ob jemand kommt. Weitaus besser als wir es vernehmen. Und hier ist es ruhig genug.“
“Meinetwegen. Dann legt die Tasche doch auf einen der Sessel vor dem Kamin.” Der Vogt ging zum Feuer und wies kurz auf besagte Sitzgelegenheit. Dann warf er eigenhändig drei große Scheite aus einem gefüllten Holzständer hinein.
“Wir schließen einfach beide Türen, so dass sie nicht ausbüchsen kann. Topaxa”, rief der Vogt nun laut durch die zweite Tür, die wohl zur Küche führte. “Bitte sag Boindil, dass er die Stube nicht betreten soll. Das gleiche gilt für dich- freilaufende Reptilien.”
Kurz herrschte Stille. Dann antwortete eine Frauenstimme im sarkastischen Tonfall. “Ich bin nicht derart neugierig.”
Borax lachte und schüttelte gleichzeitig den Kopf über seine Haushälterin. Dann machten sich die beiden auf den Weg.
„Nun denn, ich bin bereit“, mit einem tiefen Atemzug straft sich der schwarzhaarige Geode und folgt dem ortskundigen Zwerg hinaus.
***

Obaloschs Bierstübchen lag im Talkessel. Das hieß, dass die beiden Zwerge von Borindarax Amtssitz aus hinabsteigen musstest, denn das Haus des Vogts lag hoch oben am Hang des Eisenwaldmassives und stand in unmittelbarer Nähe zum Widdertor, welches nach Isnatosch hinein führte.
Das Gasthof befand sich im Handwerkerviertel der Ansiedlung und entpuppte sich als ein rustikaler Bruchsteinbau mit großzügiger Grundfläche und einem aus Holz aufgesetzten ersten Stockwerk.
Als Lagorasch und Borax eintraten war das Tagewerk der meisten Bewohner Senaloschs wohl schon beendet, denn der Schankraum war wie bereits erwartet gut besucht. Der junge Geode schätzte, dass es etwa drei Dutzend Angroschim und einige, wenige Menschen waren.
Der Vogt steuerte ohne Umwege den Tresen an und wies seinem Gast an ihm zu folgen. Als sie den langen und massiven, hölzernen Aufbau erreicht hatten, der von seiner Höhe für Zwerge gebaut war, erkannte Lagorasch einige Fässer, die hinter dem Tresen aufgebockt waren. Alle trugen sie ein Brandzeichen und einen Zapfhahn.
Ein Angroscho mit einer ledernen Schürze, welcher seine enorme Körperfülle nicht zu kaschieren vermochte, blickte zu ihnen beiden herüber und begann daraufhin zu strahlen.
“Borindarax- welch seltener Besuch. Ich dachte schon du hättest dem Bier abgeschworen oder wärst über den Büchern des alten Kalman versauert.”
Der Vogt lachte auf diese herzliche Begrüßung hin und machte eine wegwerfende Bewegung. “Eher gehen dir die Fässer aus Obalosch.” Daraufhin lachten beide Zwerge.
“Darf ich dir Lagorasch vorstellen. Er ist mein Gast”, eröffnete Borax. “Bitte bring uns zwei von dem dunklen Ferdoker und einen Teller von den getrockneten, salzigen Speckstreifen dazu.”
Borax zwinkerte Lagorsch verschwörerisch zu, während der Wirt schon mit zwei Humpen zu einem der Fässer schritt.
Vorsichtig schaut sich der Zwerg im Schankraum um, und spielt dabei etwas nervös an seinem goldenen Halsring, eine sich in den eigenen Schwanz beißende Schlange. „Mein letztes Bier ist einige Wochen her. Ich tausche immer die Kräuter die ich selber nicht gebrauchen kann, mit einem Händler in der Nähe. Wenn ich selber unterwegs bin, dann kann ich halt schlecht sammeln. Emmeran hat mir gesagt dass Menschen mehr für Kräuter eintauschen als Zwerge… es gibt wenige von uns die mit Kräutern wirklich umzugehen verstehen… aber das Bier der Menschen ist einfach nicht so geschmackvoll.“
“Nein, das ist es nicht. Oftmals ist es sogar eine Beleidigung für den Gaumen und dürfte sich meiner Meinung nach nicht Bier nennen. Aber seis drum.” Borax zuckte mit den Schultern. “Die Großlinge vertragen ja auch keine anständigen Gewürze.”
Der Wirt kam zurück und stellte die beiden Humpen vor seinen Gästen ab. Ein herber und zugleich verlockender Geruch begann in Lagoraschs Nase zu kitzeln.
“Erzähl mir von dir”, setzte der Vogt wieder an. “Du bist hier in Senalosch geboren, nicht wahr? Wann wurde Emmeran dein Lehrer und wie kam es dazu, dass ausgerechnet Wasser dein Element wurde?”
Borax hob den Humpen und prostete dem jungen Geoden zu, noch bevor dieser sich seine Antwort zurechtgelegt hatte.
Lagorasch hob den Humpen ebenfalls zum Gruße und nahm einen tiefen Schluck, „hmm…“, bestägtige Lagorasch den Geschmack des Gebräus. „Ja, und es ist schon zwanzig Zyklen her. Emmeran hat mich die Geschichte so oft wiederholen lassen, bis es nicht mehr weh tat. Er sagte mir, erst wenn der Schmerz nicht mehr ist kannst Du die Suche nach Logarasch beginnen. Nun, ehrlich gesagt ist der Schmerz noch da… nur schon viel besser. Serescha hat mir viel geholfen. Aber nun zu Deiner Frage, ich bin der Sohn von Sugusch groscho Segrosch und Murgata groschna Toraxandra aus dem Klan Murgargosch in Senalosch. Die Mutter der Mutter meiner Mutter, die ehrenwerte Zahlenkünstlerin Artaxa groschna Agama Zahlenstrang gründete seinerzeit den Klan Murgargosch in Selanosch.
Nun den, im Jahre 1019, genauer im Feuermond, begann eine Zeit der Unruhe in der Erde, die bis in den Brautmond hielt. Emmeran und die anderen Kundigen der Erde sprechen davon das ein großer Frevel an Sumu begangen wurde. Jedenfalls wurden Logarasch und ich bei einer unser Ausflüge im Brautmond 1019, in den Tunneln, von einem dieser Beben überrascht, aber nicht nur dies, sondern es kam zu einem Wassereinbruch. Und ich schwam… mein Bruder nicht. Viel von dem darauf folgenden Ärger und Streit, habe ich nicht so gut aufnehmen und verstehen können. Ich war Emotional gefesselt, und machte viele Fehler aus denen ich erst langsam anfing zu lernen. Soweit ich es mitbekam, stritten sich die Hüter der Wacht und die Geoden. Anscheinend wollte niemand das ich mit Wasser etwas zu tun habe. Sie sagten es sei unnatürlich, wo ich doch durch das Wasser zu einem Krüppel wurde.“
“Interessant”, Borax strich sich über den Bart.
Unterdessen wurde der zweite Teil der Bestellung gebracht. Auf einem großen, hölzernen Teller servierte Obalosch Speckstreifen die knusprig aussahen. Grobe Salzkörnen lag auf dem Fleisch und drum herum. Nach salzigem Öl roch auch das Brot, was frisch angeschnitten am Rand des Tellers platziert war.
“Greif zu”, bat Borindarax. “Es ist eine von Obaloschs Spezialitäten. Ich habe meinen Bauchansatz auch seinen Kochkünsten zu verdanken, obwohl Topaxandrina mittlerweile fast jeden Tag für mich in der Küche steht. Die Amtsgeschäfte spannen mich sehr ein. Aber ich lasse es mir dennoch nicht nehmen jeden Morgen bei den Öfen vorbeizuschauen und auch beim Anstecken, also wenn das flüssige Eisen vergossen wird, bin ich für gewöhnlich zugegen.”
Dann kam er auf das vorherige Thema zurück und seine Stimme wurde einfühlsamer. “Das Unglück mit deinem Bruder tut mir wirklich leid. Aber warum ‘Krüppel’, wegen… Madas Gabe?”
Lagorasch ging in Gedanken zurück in die Vergangenheit, ‚Eine wunderschöne Wohnstatt, das Gefühl von erdrückender Einsamkeit, Furcht, Zorn, Zittern, Tränen… zwei Betten aber nur eines wird noch benötigt. Warum kann ich schwimmen? … Nein das war nicht meine Frage… das fragte der Angroschim der immer im Tempel anzutreffen ist. Der Hüter der Esse stritt mit dem Hütter der Traditionen und diesem komischen Angroschim den er noch nie vorhergesehen hatte. Er hatte einen Hund bei sich… aber dieser Angroschim war so unheimlich, so anders als alle Anderen …‘. Als sich Lagoraschs Blick wieder klärte waren seine Gedanken wieder klar. „Nun Borax, es sind nicht meine Worte die ich hier benutzte, es sind Worte die sich einprägten als ich den Gesprächen lauschte die sich um meine Person drehten. Wobei ich ehrlich gesagt, seiner Zeit viele Dinge nicht verstand. Es ging um Zahlen, die Frage warum ich schwimmen kann, das Schicksal und Zeichen der Veränderungen die auf uns zukommen. Man sprach über Sphären und Regeln, das die Seele meines Bruders im großen Fluss gefangen ist. Viele Dinge, von denen Teile sich bisher schon aufgedeckt haben. Aber vieles mir bis heute Rätsel geblieben ist.“
Borax seufzte. „Davon verstehe ich wohl noch bedeutend weniger als du, auch wenn ich mich eingehend damit befasse. Allein mir bleibt fast nur die Lektüre und die ist rar gesät und vor allem von Aberglauben und Vorurteilen geprägt, was das Thema Magie angeht innerhalb unserer Kultur.“
Der Vogt schob sich noch einen Streifen des Trockenfleischs in den Mund und nahm darauf einen tiefen Schluck aus seinem Humpen.
Währenddessen bemerkts Lagorasch einen Angroscho, der auf sie zusteuerte. Er hatte die Gaststube kurz zuvor betreten und nach dem ersten Umsehen scheinbar den Vogt erkannt, jedenfalls verriet dies seine Miene.
Nach seinem langen Kettenhemd und dem Wappenrock mit dem goldenen, springenden Steinbock auf Moosgrün zu urteilen, gehörte er zur Stadtwache.
Doch da waren zwei Dinge die seltsam, zumindest aber ungewöhnlich waren an dem Zwergen. Er trug Tätowierungen aus verschlungener Ornamentik- im Gesicht, sowie einen dicken Halsring aus einer Vielzahl, verdrillter Eisenfäden um den Hals, welcher in zwei Drachenköpfen über seiner Brust endete.
“Roglamox”, sagte Borax erfreut aus, als er seiner ansichtig wurde. Beide Männer reichten sich die Hand, als die Stadtwache heran war. “Roglamox, dies ist Lagorasch. Er ist Schüler bei Emmeran”, stellte Borax die beiden einander vor.
Der junge Geode betrachtete den Halsring sehr interessiert, und hielt dem Neuankömmling die Hand hin. „Es freut mich Dich kennenzulernen, es ist ein ungewöhnliches Schmuckstück was Du da trägst… zumeist werden die Drachen wegen dem Einen unter Ihnen, und all den Schandtaten während seines großen Krieges verachtet. Zugleich wird auch an Brandans Heldentat gedacht. Wie ist es bei Dir?“.
Ernst wurde der Blick Roglamoxs auf diese Frage hin. Seine Wangenknochen bewegten sich einige Herzschläge lang bevor er antwortete. Rau war seine Stimme und besaß einen leicht bitteren Ton.
„Es ist ein für jeden sichtbares Zeichen dafür, dass ich von der Macht des Drachen durchdrungen bin, eine Art Strafe. Ebenso ist es mit den Runen in meinem Gesicht.
Die Geoden sagen, dass ich die Kraft der Erdmutter in mir trage, sie jedoch nicht beherrschbar ist.
Aus Isnatoschs Hallen wurde ich verbannt. Hier an der Oberfläche Senaloschs darf ich nur leben, weil Borindarax vor dem Rogmarog und den Ältesten gesprochen hat.“
Lagorasch spürte den Zorn fast körperlich, tiefe Trauer machte sich in seinem Herz breit. „Es tut mit leid, ich kann mich noch an Emmerans Worte erinnern als er zurück kam von seinem Disput mit den anderen Kundigen der Erdmutter. Er fragte sich, warum es bei den Großlingen und den Spitzohren so viele unterschiedliche Wege gab. Auch die Holden haben eine andere Art Verbindung zur Kraft der Erdmutter. Er meinte das wenn man die verschiedenen Lebensarten der Kraft besucht, dort sicherlich eine Erfahrung die Seele des Armen einen Weg zeigen könnte, einen Weg abseits der Pfade der Geodischen Tradition, die Kraft der Erdmutter willentlich zu formen. Egal wie man den Willen sieht. Nun die Anderen stimmten dem zu, aber wer will die emotionale Art der Feen schon in unserer Gesellschaft dulden. Es wäre zum einen geprägt von Wahnsinn, und wer würde solch eine Queste schon begleiten der noch bei klarem Verstande sei, und dann noch zudem, selbst wenn es gelänge, wie sollte er wieder zurück in die Gesellschaft kommen. Es wäre das falsche Zeichen, eine Hoffnung wo keine wäre… besser ein Ende mit Schrecken, als eine Reise ohne Wiederkehr.“ ‚hm, habe ich nun zu viel verraten‘, fragte sich der angehende Geode. ‚Es ist egal, jetzt ist es gesagt, nun lebe damit.‘
Roglamox seufzte. “Ich habe mich längst damit abgefunden. Inzwischen bin ich wohl auch zu alt, um noch etwas an der Situation zu ändern.
Etwas Positives hat die Drachenmacht aber auch- sie heilt meinen Körper ohne mein dazutun, wann immer ich mich verletze, oder etwas abbekommen.”
“Außerdem kann Roglamox Magie förmlich ‘riechen’, was ihn unersetzlich macht für das Stadttor”, ergänzte der Vogt nicht ohne Stolz und klopfte seinem Gardisten brüderlich auf die Schulter.
“Stimmt”, Roglamox nickte. “Meine Haut beginnt zu prickeln und meine Nase zu jucken.” Er grinste schief. “Genug davon- Obalosch, soll ich hier verdunsten”, fragte der Gardist laut in Richtung des Wirts, der sich sogleich grinsend beeilte das besagte zu verhindern.
“Also”, setzte Roglamox erneut an. “Wo lebt ihr, ich meine du und Emmeran?”
„Emmeran bewacht die Insel des Vergessens, und hat dort eine kleine Zuflucht. Dort sind noch meine Sachen. Ich selber will mir einen Ort suchen, am besten in der Nähe dieses vor kurzem wieder entdeckten Heiligtums des Flussvaters.“ In seinen Gedanken malte er sich eine kleine Höhle vor, am besten eine die mit dem Heiligtum über einen versteckten Zugang verbunden ist. So gingen in ihm die Worte von so manchem Geoden durch den Kopf: ‚Beobachte die Leute zuerst, so wie sie mit der Natur umgehen, so gehen sie auch mit allen Anderen um‘.
„Emmeran hat mich auf Heldentat losgeschickt. Um zu beweisen das ich mit Herausforderungen alleine fertig werden kann, muss ich eine Herausforderung bestehen. Wobei alleine sich hier nicht auf wirklich >>alleine<< bezieht, sondern eher auf, ohne den Rat und die Hilfe von Emmeran oder einem der anderen Geoden.“ In diesem Moment musste er an das verfilzte Haar des kleinen Geoden denken, der Geode der so liebenswert war, und doch immer wieder so verwirrend. Ja, Emmeran war wirklich sehr klein für einen Zwerg.
Roglamox stutzte gleich zu Beginn der Erzählung seines Gegenübers, ließ ihn jedoch in aller Ruhe ausreden, bevor er nach einem kräftigen Schluck Bier, dass ihm inzwischen gebracht worden war, nachfragte.
„Was ist die Insel des Vergessens- und wo liegt sie?“
Lagorasch blickte auf sein Bier, nahm den Tonkrug in die Hand und schaute die beiden Zwerge an. Dann, nach einem guten Schluck Bier, beginnt er, so wie man eine spannende Heldengeschichte beginnt… „Nun denn, die Insel des Vergessens liegt im Großen Fluss, etwas unterhalb von Nadoret, bei dem kleinen Dörfchen Gerrun. Und die Dörfler dort, nennen die Insel so schon seit vielen Generationen.“ Mit ernsterem Ton erzählte er weiter: „Man erzählt sich verschiedene Geschichten um diesen vergessenen Ort, an dem ein alter Tempel des Efferds steht. Manche behaupten das der Tempel anfangs kein Tempel des Efferd war, und dass der Flussvater selbst diesen Ort wie eine schmerzhafte Erinnerung am liebsten vernichten würde… wenn, dann nicht das was dieser Tempel verbirgt, nicht zum Vorschein kommen würde. Niemand kann das Alter dieses Ortes beziffern, er soll dereinst schon vor Bosparan gebaut worden sein. Auf jeden Fall ist der Tempel schon seit langem aufgegeben worden, und ein altes Gräuel hat sich dort eingenistet… oder vielleicht war es schon immer da, und mit der Zeit ruft es gleichgesinnte Kreaturen um sich. Vor einigen Jahren hat eine Gruppe von Großlingen sich dort länger aufgehalten, und kam angeschlagen, aber lebendig wieder heraus. Sie erzählten von einem Kraken den sie besiegten, aber auch das am Ende, das Wasser ihnen den Weg versperrte. Man spürte das die negative Kraft an diesem Ort deutlich geschwächt wurde. Aber sie wächst wieder, langsam aber stetig kommt sie zurück. Und wer weiß was sich in den Bereichen - die vom Wasser ganz beherrscht werden - noch herumtreibt.“
Borindarax nickte nachdenklich. „Ja, ich kenne diese Geschichten, habe viel darüber gelesen. Es ist ein Mysterium und war Inhalt einiger hitziger Diskussionen in Kreisen der Kirche des Launischen bei unseren Nachbarn im Kosch.“
Das Mitglied der Stadtwache hingegen schüttelte den Kopf. „Nie davon gehört“, merkte Roglamox knapp dazu an und war dennoch nicht uninteressiert, woraufin seine nächste Frage schließen ließ. „Was meinst du verbirgt sich dort? ‚Altes Gräuel‘ klingt für mich nach Aberglauben, nicht nach etwas Greifbarem.“
Lagorasch nahm einen weiteren tiefen Schluck, und blickte dann versonnen dem Boden des Kruges entgegen, man merkte das der junge Zwerg bisher nicht viel an Bier gewohnt war, den er fing schon an etwas undeutlicher zu sprechen. „Nun, es gibt viele Möglichkeiten… wenn man sich jedoch fragt, was könnte es sein das der Flussvater und der Launischen selbst es eingesperrt wissen will… nun es könnte eine der Pforten des Grauens sein. Einst vor den Menschen, lange vor deren Eroberung, als wir Zwerge uns noch mit den Elfen und Echsen auseinandersetzen mussten. Als auch noch die Orks in den Auen vor dem heutigen Havena ihre Dörfer und Städte hatten, muss es gewesen sein. Es muss in der Zeit der ersten Stelen von Xorlosch gewesen sein. Wir hatten sehr wenig Kontakt mit den Oberflächlern, aber ein paar wenige von uns pflegten den Kontakt mit den Grolmen… und die Diebe waren schon immer bereit sich zu bereichern. Jedenfalls soll seinerzeit die Allesverschlingende unter den Echsen als Herrin des Wassers verehrt worden sein, und die Echsen bauten Ihr Tempel mit Zugängen in das Reich ihrer Göttin. Und ebenso wurden alle Tiere und ihr heiligen Wesen dort gehalten zur Lobpreisung. Wenn dies stimmt… dann diente der Tempel einst als Wachposten, um diese Kreaturen zu fesseln und das Tor zu verschließen.“
“Eine Pforte des Grauens?” Mit geweiteten Augen wiederholte der Vogt die Worte Lagoraschs. Seine Stimme war gesenkt, der Unterton nicht zu überhören. Ein Anflug Angst lag darin. “Inmitten des Kosch”, fragte Borax ungläubig.
Roglamox hingegen verzog lediglich das Gesicht, als könne er diese Aussage nicht einordnen.
Der junge Geode blickte von Roglamox zu Borax und zurück. „Wie gesagt, das ist nur eine Vermutung. Wenn dann könnten nur die Aufzeichnungen der Efferdkirche hier Aufschlüsse liefern. Unser Volk trieb sich nie wirklich intensiv in den Flussauen herum. Und es gibt viele Feentore im und um den großen Fluss, das deutet darauf hin das auch Tore in andere Welten denkbar sind. Auf jeden Fall würde es erklären warum die Holden diese Insel meiden, und auch viele andere Tiere und Pflanzen dort nicht gedeihen wollen. Es mag etwas anderes sein, aber dazu kenne ich mich in den Möglichkeiten nicht gut genug aus. Ein Feentor in eine Welt die von einer verlorenen Fee beherrscht wird, ein altes schlafendes Übel… es gibt zu viele Möglichkeiten, wenn man nichts in der Hand hat. Jedenfalls hoffe ich das dieses Geheimnis des Heiligtums des Flussvaters eine wesentlich ungefährlichere Wahrheit ans Licht führen möge.“
Nach einer kurzen Pause, fixierte Lagorasch den Vogt. „Kann ich einige Zeit in der Stadt bleiben, ich habe nicht viel, aber ich könnte Kräuter sammeln und tauschen, oder mich um Kranke kümmern. Die vielen Geräusche benebeln meine Sinne, und ich glaube es ist sinnvoll einen Weg zu finden, trotz dieser vielen Sinneseindrücke zu lernen einen klaren Kopf zu behalten. Und wenn Du willst, kann ich Dir mehr über die Erdkraft und derer Möglichkeiten erzählen.“
„Ich hoffe, dass wir bereits alle Geheimnisse der Kavernen des Flussvaters erforscht haben“, antwortete Borax bedeutungsschwer. „Das was wir dort unten vorfanden ist Stoff für einen langen Abend vor dem Kamin.“ Der Vogt streckte den Arm aus und legte seine rechte Hand auf Roglamoxs Schulter, um sie zu drücken. „Und mein Freund hier ist Teil dieser Geschichte, die ohne sein beherztes Eingreifen und das einiger anderer böse hätte enden können.
Also, wenn es dir nichts ausmacht unter Tage zu nächtigen, so würde ich vorschlagen du wohnst die Zeit über bei mir solange du in Senalosch bist. Ich habe etliche, möblierte Kellerräume unter meinem Amtssitz.
Topaxandrina kann uns morgen Abend eine ihrer Spezialitäten servieren. Ich mache eine Flasche Beerenschnaps auf und gemeinsam erzählen Roglamox und ich dir von dem bosparanischen Fluch, der auf dem Heiligtum lag, als sein Portal nach Jahrhunderten wieder geöffnet wurde.“
Borindarax lächelte breit. Er wusste, dass dieses Angebot kaum abzuschlagen war. „Was meinst du?“
„Du verstehst es Spannung aufzubauen, auch wenn ich jetzt zwiegespalten bin. Zum einen ist es beruhigend zu hören, wenn alle Geheimnisse eines Ortes bekannt sind, zum anderen brennt aber in meinen Adern die Hoffnung etwas Neues und Spannendes vor mir zu haben. Auf jeden Fall kann ich nur Ja sagen. Ich mag zwar die weite Natur sehr, den Wind und die Wellen des Großen Flusses, aber das mag wohl einfach an meiner Beziehung zu den Elementaren sein. Jedenfalls bin ich gespannt, welche Geschichte bei der Entdeckung sich gezeigt hat, und welcher Fluch offenbart wurde. Serescha würde bestimmt auch gerne die Geschichte hören… sie mag spannende Geschichten, wenn das Gefühl kurz vor dem Sprung ist, man muss nur aufpassen sie dann nicht zu erschrecken, ich musste selber mal Olginwurz nehmen weil ich mir einen Scherz mit ihr erlaubte. Sie war dann so komisch, sie meinte das sie schuld war, aber auch dass es mir recht geschehe, man erschreckt niemanden, wenn man dessen Reaktion nicht so gut verträgt.“
Der Vogt lachte. „Ich wäre von Natur aus vorsichtig gewesen, was das Erschrecken einer Schlange angeht.“
Borax erhob beschwichtigend die Hände als er fortfuhr. „Gut, gut- also beziehst du bei mir Quartier und wir werden dir alles erzählen, es ist kein Geheimnis.
Über eines muss ich dich jedoch aufklären.“ Seine Miene wurde wieder ernster.
„Du wirst die Hallen Isnatoschs nur in Begleitung betreten können, wenn dir der Wunsch danach steht. Die Tunneljäger am Widdertor haben klare Anweisungen.
Zudem ist das Ausüben von Magie in den Stadtteilen unter dem Berg strengstens verboten. In der oberirdischen Siedlung, also den Teilen am Hang und im Tal ist sie nur gestattet, wenn sie dem Gemeinwohl oder der Heilung dient.
Gargamil Gebirgsbock hat erst kürzlich ein großes Ritual innerhalb der Stadtmauer abgehalten, um eine menschliche Geweihte des Herrn Boron von einer dämonischen Vergiftung zu befreien. Die Nebeneffekte waren für viele sehr verstörend, auch wenn andere den positiven Effekt, die Heilung durchaus erkennen können.“
„Nun denn, bei Tieren bin ich auch sehr vorsichtig, aber Serescha ist… für mich mehr. Was ist zum Beispiel mit der Telepathischen Verbindung zwischen Serescha und mir? Das müsste auch durch die Erdkraft kommen. Und es ist mir sogar sehr recht nicht alleine unterwegs zu sein. Aber was ist mit Serescha… darf sie mitkommen?“
In seinen Augen zogen ein paar Wolken auf… „Da ist noch eine Sache… ich möchte mich gerne von meiner Familie verabschieden. Sobald ich meine Aufgabe bestanden habe, bekomme ich meine Feuertaufe und soll mich dann von meiner Familie vollends lösen. Dann soll ich nur noch Lagorasch sein.“
„Nun- Serescha verweilt ja derzeit bereits in meinem Haus. Wenn du darauf achtest, dass Topaxandrina und sie nicht überraschenderweise aufeinanderstoßen, dann ist auch sie mir herzlich willkommen“, sprach der Vogt.
„Und sicher ist sie dann auch“, ergänzte Roglamox. „Niemals sollte man die Impulsivität einer Angroschna unterschätzen.“ Auf diese Worte hin prusteten beide, der Stadtgardist, sowie der Vogt los.
Als sich zumindest der Vogt etwas eingekriegt hatte, ging er auf die andere Sache ein, die Lagorasch gesagt hatte. „Meinst du jetzt die ‚Aufgabe‘ die dich unter das Volk bringen sollte, oder die, dass du dich ohne Emmeran an etwas Bedeutendem beteiligen sollst?“
Borax kratzte sich den Bart. „Dabei kommt mir eine Idee, die irgendwie beides erfüllt.“
„Ah“, dabei stellte Lagorasch seinen Kopf etwas schräg, „Wie oft hattest Du schon mit Emmeran zu tun? Und wie klar kamen bei Dir immer seine Aufgaben und Hinweise an?“. Lagorasch stellte seinen Kopf wieder gerade und wartete einige Augenblicke bis er weitersprach, „Emmerans Aufgaben haben immer mehrere Teile, einer der Ersten dabei ist erstmal drüber nachzudenken, was eigentlich die Aufgabe sein kann, könnte oder was eventuell das Ziel ist. Manche Leute zeigen dadurch schnell ihre mangelnde Geduld, oder ihr Unverständnis, wenn die Regeln mal nicht so sind wie man sie kennt. Ich glaube am ehesten das man auf diese Weise am besten in den Welten der Holden zurechtkommt. Deswegen wird er wahrscheinlich vom Flussvater den Titel von dessen Gesandten bekommen haben, weil er halt die Holden versteht, aber auch in der Welt der Großlinge zurechtkommt. Aber wie es halt immer so ist, wie will man einem Hasen das Leben als Fisch schmackhaft machen, wenn er doch nur schwimmen kann. Aber zurück zu Deiner Frage… ich muss eine Heldentat vollbringen, oder an einer beteiligt sein. Aber um so Eine zu finden, wäre es doch gut einfach mal etwas Anderes zu machen, als bisher. Und das wäre zum Beispiel einfach mal alleine unter Leute zu gehen, um das Abenteuer zu finden.
Schmunzelnd und nicht weniger nachdenklich nickte der Vogt auf die recht unkonkrete Antwort Largoraschs hin. „Das passt zu Emmeran, fürwahr.“
Nuuun, die Herzogenmutter Grimberta vom Großen Fluss hat mich zu einer Schiffsfahrt eingeladen. Dies ist eine Ehre. Schon in wenigen Tagen, im Rondramond soll es aus Elenvia aus losgehen.“
Borax ließ eine kurze Pause entstehen bevor er fortfuhr. „Des Weiteren bat sich mich nach einem vielversprechenden Vertreter unseres Volkes Ausschau zu halten und ihn mitzubringen, wenn ich fündig werden würde.“
Boraxs Schmunzeln wurde breiter. „Du wirst mich begleiten!“ Seine Stimme war bestimmt wie nie. „Du wirst dort viele junge Menschen aus den Adelshäusern kennenlernen, angehende Krieger, Ritter, Geweihte der Zwölf, wie Schüler der Gildenakademie unserer Kapitale. DAS entspricht allem was dein Lehrmeister gemeint haben könnte.“
Lagorasch spürte ein positives Gribbeln in seinem Innern. Ein erster und guter Schritt war getan, und eine Tür die er vorher nicht sah, ging auf. Das meinte wohl Emmeran immer wieder mit seinen Worten: ‚Viele Tore in dieser Welt sind meist ungesehen, bis sie sich öffnen und Du einen neuen Weg, eine neue Möglichkeit oder einfach nur eine neue Bekanntschaft machst.‘ Mit klarer Stimme sagte er zu dem Vogt: „Ja, ich begleite Dich sehr gerne.“
In seinem Inneren fragte er sich noch immer: ‚Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Ritter und einem Krieger? Und dieses Prinzip mit diesen Adelshäusern muss auch noch verstehen, das scheint irgendwie wichtig zu sein… aber man muss nicht jede Frage aussprechen, denn die meisten Antworten auf solche Fragen helfen einem sowieso nicht. Es ist wichtiger die richtigen Fragen zu stellen.‘