Schnitzeljagd

Zeit: Ingerimm 1042 BF
Ort: Baronie Schweinsfold

Personen:

Meister Bogumil Hiligon, Koch der Burg Rabenstein
Victualia vom Lilienhain, Köchin der Baronin von Schweinsfold


Herzogenfurt:
Hechard Knochenhauer – Sohn des Speckschneiders und Ehemann der Wurstmetzgerin
Adula Knochenhauer - Wurstmetzgerin


Tsaweiler:
Joost Boschwelsko - Wirt des Gasthauses ´Travjeschas Heim´
Arnulf Tannenwalder - Schweinebauer und Wurstmacher der ´Tannwalder´


Hadingen:
Polla Zupfer - Bäckerin
Gebine Schüttelbirn - Wirtin der Herberge ´Avesruh´


Udenau:
Ceallach Ceannaideach - Herbergsvater vom ´Seebär´
Orgiltraute - Köchin im ´Seebär´
Zubert Bärlicher - Händler
Hillatrude Bärlicher - seine Frau und Meisterin des ´Udenauer Sniz´


Schweinsfold:
Yolante Ferkelin - Schweinebäuerin
Pecante Ferkelin - Tochter der Bäuerin
Fätsy - die Muttersau


Eine Briefspielgeschichte von DanSch und Iseweine.

Inhalt: Im Ingerimm 1042 begeben sich zwei baronliche Küchenmeister auf eine kulinarische Reise. (Dokument hängt an).

Die Schnitzeljagd

Nur in den großen Capitalen möge man vermuten, das es nur dort wahre Gaumenschätze zu finden gäbe, in dem großen Herzogtum Nordmarken. Dem Liebhaber aller Köstlichkeiten mag es auch nur nach Elenvina, Gratenfels oder Albenhus ziehen und sein Aug und Ohr für andere Orte verschließen. Denn oft werden die kleinen Baronien und Junkerein belächelt, die mit ihren lokalen Speisen aufwiegen und ein Hauch von Provinzialität verbreiten. Doch nur die echten Kenner wissen, dass man gerade dort die Quellen aller kulinarischen Träume finden kann. Der lieblichen Zunge sind der Gratenfelser Gagelbräu, der Schwarze Elenviner und das Albenhuser Albenbluth schnell ein Begriff. Doch was ist mit dem Deftigen? Dem Fettigen? Dem weich gekochtem Fleisch, das reichlich gewürzt, jederfrau und jedermann verzückt? Den Teil eines Braten, dem niemand widerstehen kann? Nun, ob Feinschmecker oder einfache Bauernzunge, alle sind sich einig, ein Stück vom Schwein ist die Krönung allem Deftigen. Und mag gar einer richtig schauen, so fällt auf, das die besten Spezereien vom Borstentier nur aus einer Provinz des Reiches stammen. Der Herzogenfurter im Netz, die Udenauer Haxe , der Foldenquellsche Schweinebraten, die Hadinger Klöpse, der Schweinsfolder Schopfen und nicht zu vergessen die Boronswalder Blutwurst und die Tannenwalder. All diese Namen deuten auf die Baronie Schweinsfold hin und wie manch einer behauptet: das Mutterland der Sau!



Streng geheim hielten die Meister der Küche ihre Rezepte, und dies aus gutem Grund: waren sie doch die Grundlage für Ruhm und Ehre unter den Köchen, Grundlage für wahre Legenden, die sich um bestimmte Gasthäuser und die Spezialitäten eines Ortes rankten. Und ebenso selbstverständlich bestand ein berechtigtes Interesse - und große Neugier - seitens des Meisterkoches Bogumil, eben jene Geheimnisse zu lüften und seinem eigenen Rezeptbuche hinzuzufügen.

So ließ es sich schlichterdings nicht vermeiden, dass der gestrenge Herr und Meister von Küche, Kellern und Gesinde der altehrwürdigen Veste Rabenstein mitunter selbst auf Reisen begeben musste, um in fremde Töpfe zu schauen - und fremde Geheimnisse zu ergründen.

Indes war der beleibte Küchenmeister kein begeisterter Reisender - und er schätzte seine Bequemlichkeit, was dazu führte, dass er mit einem kleinen, von einem Maultier gezogenen Planwagen unterwegs war, der mit den allernotwendigsten Grundsätzlichkeiten beladen war, was bedeutete, dass dieser neben einer kleinen Feldküche sowie verschiedensten Töpfen und Pfannen auch noch genug Proviant für ein bis zwei Wochen und diverse Spezereien und Spezialitäten, die Bogumil unterwegs vor die kunstfertige Nase gekommen war, enthielt. Einen prachtvollen, pechschwarzen, gewichsten und in Form gezwirbelten Schnauzbart nannte der beleibte Herr Hiligon sein eigen, und einen inzwischen schon etwas schüttere, gar zu einem Haarkranz geschorene Haupthaartracht, die er allerdings bei der Arbeit unter einer gewaltigen weißen Kochmütze zu verbergen verstand.
Zufrieden mit sich und der Welt an einem herrlichen, wenn auch etwas zu warmen Tag war er nun mit seinem Karren gen Norden unterwegs - ins Land der Schweine, Schweinbraten und - vor allem - Schweineschinkens und der Schweinewürste. Und er gedachte großartige Beute zu machen, das fürwahr!

Der Beginn einer kulinarischen Jagd


Herzogenfurt, 4. Ingerimm 1042 BF

Die Praiosscheibe stand heiß am Himmel, was jedoch das Händlervolk in Herzogenfurt nicht davon abhielt, ihre Waren in der Stadt feilzubieten. Heute war Markttag in dem kleinen, aber doch recht wohlhabenden Städtchen in der Baronie Schweinsfold. Hauptsächlich war es geprägt von gepflegten Fachwerkhäusern, es gab einige wenige Steinhäuser und zum größten Teil waren die Straßen gepflastert. Gekrönt wurde das Ganze von einer wuchtigen Burg, die an der etwas zu hohen Stadtmauer anschloss. Bogumil Hiligon musste seinen Karren stehen lassen und zu Fuß gehen, um den Marktplatz zu besuchen. Vieles konnte er finden, doch nicht das, was sein Herz begehrte. Als er dann endlich nachfragte, wo es den besten Schinken gab, wurde er schnell und freundlich auf den kleineren Schweinemarkt geschickt, an dem sich all die Gässchen anschlossen, die Knochenhauer, Wurstmetzger, Speckschneider und die Hausschlachter beheimateten. Kaum hatte er es gefunden, hüllte ihn der Geruch von Schwein, von streng bis zum gebratenen lieblichen, ein. Die Gassen waren hier, abseits vom eigentlichen Schweinemarkt, etwas gedrungener, die Häuser weniger gepflegt und der Boden gänzlich ungepflastert. Dennoch war es hier recht belebt, den die Herzogenfurter waren stolz auf ihr Schwein und trugen zu ihren Hauptmahlzeiten bei. Seine Aufmerksamkeit wurde allerdings von einer Bretterbude eingefangen. Zwischen zwei Fachwerkhäusern, einer Wurstmetzgerei und einer Speckschneiderei, war eine einfache Bretterbude gezimmert, die mit einem einfachen Auslage versehen war vor einem Ausguckfenster. Links und Rechts davon waren Stäbe eingelassen worden, an dem allerlei getrocknete Würste und geräuchertes Fleisch im Netz hingen. Die Rauchwolke über der Bude verriet, das darin gekocht wurde. Die Menschentraube davor zeugte von beliebten Kauf. Bogumil blieb stehen. Seine Neugierde war geweckt.
Er folgte seiner emsig schnuppernden Nase, bis er genau vor der schäbigen Bude stehen blieb, schaffte sich dank seiner beachtliche Leibesfülle durch einen beiläufigen Hüftschwung Platz und begutachtete die ausgehängten Würste und Schinken auf’s Genauste.
“Darrf isch das da einmal prrobieren?” fragte er und deutete auf eine der angeschnitten daliegenden und äußerst verheißungsvoll duftenden Würste. Vermochte man schon bei einem Schinken eine gewaltige Menge falsch zu machen, so war diese Gefahr bei einer Wurst noch ungleich größer. Ja, die Möglichkeit, dass ein mäßig begabter Metzger alles richtig machte, war schon nachgerade klein! Der Gaumen Meister Hiligons war auf’s Äußerste geschult und geübt - doch was her hier roch, das sprach von Möglichkeiten. Wundervollen Möglichkeiten! Der junge Mann, der aus dem Ausguckfenster starrte, schaute seinen neuesten Kunden genau an. Sein blondes, lange Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden und sein Gesicht war zwar jung, aber eher nichtssagend. Das auffälligste war aber die Warze auf seiner Nasenspitze und seine fleischigen Finger. Langsam folgte er der Deutung von Bogumil. Die Würstchen die dort lagen, waren vierkantförmig, goldgelb und schimmerten matt seidig. “Warm oder Kalt?”, fragte er den Rabensteiner Koch.

“Alles!” strahlte der Kusliker, seinen Dialekt dick auf der Zunge. “Eine heiss und eine kalt - auf einem Bein stett es sisch schlecht!” Erwartungsvoll schmatzte er mit den fleischigen Lippen, den Vorgeschmack dieser verlockenden neuen Erfahrung bereits auf dem Gaumen, und funkelte den Jungen aus seinen tiefliegenden Äuglein vorfreudig an. “Macht vier draus, Hechard!!”, sagte eine helle Stimme, dessen Worte einen leichten Singsang hatten. Als Bogumil sich überrascht der Stimme zuwandte, wurde dieser mit einem glucksenden Kichern begrüßt. Die Frau, die die 30 Sommer schon überschritten hatte, war ein Kopf kleiner als er und von gedrungener, üppiger Figur. Ihr rundliches Gesicht war mit Sommersprossen übersät, die Augenbrauen sanft geschwungen und das Lächeln äußerst freundlich. Eindringlich waren jedoch ihre grünen Augen mit den grauen Einsprengseln, die fast silbrig wirkten. Die Fältchen um diese verrieten, dass sie den Schalk im Nacken trug. Das rotblonde Haar war unter einem braunen Leinenhäubchen verborgen, das in Strähnen hervor lugte. Der kräftige Oberkörper war in einem beigefarbenen Leinenhemd, dessen Ausschnitt großzügig geschnitten war. Ein breiter Gürtel, eine Umhängetasche und ein grüner Leinenrock schloß das ganze ab. Das ihr heiß war, war kaum zu übersehen. Der Schweiß rann ihr die Stirn hinunter und gaben ihren Nacken und Ausschnitt einen Glanz. “Verzeiht mein Herr, Ich konnte nicht anders. Die Würste sehen einfach zu verlockend aus!”

“Adula, zwei heiße Tannenwalder”, grummelte der Händler über seine Schulter. Dann griff er nach zwei der ´kalten´ Würstchen und reichte sie Bogumil und der Unbekannten. Bogumil nickte der Dame etwas reserviert zu - hatte sie sich mit dieser Sache gerade einladen lassen? Bei dem Gedanken huschte ein kurzes Stirnrunzeln über seine hohe, schweißfeuchte Stirn. Dann nahm er die Wurst entgegen, hielt sie sich unter die Nase und sog mit Kennerblick, die Augen geschlossen, die Nasenflügel geweitet, die Röst- und Pökelaromen und den leichten Duft der verschiedenen Gewürze und Kräuter ein - und fand keinen Fehl daran. Andächtig, als würde er einem Götterdienst beiwohnen, brach er die Wurst in zwei Teile und sog tief die Duftwolke ein, die seine Nase umschmeichelte. “Hach - grossartisch!” verkündete er mit entrückten Gesichtsausdruck, strich die Wurst nochmals unter seinem prächtigen Schnauzbart und seinem nicht minder imposanten Gesichtserker und verharrte einige Atemzüge lang andächtig, ehe er ein großes, verheißungsvolles Stück abbiss und genussvoll kaute, eine kurze Zeit wohlig der Welt entrückt.

Die Unbekannte kaute ebenfalls wohlig auf der Wurst und suchte dabei den Blick Bogumils. Selbst beim kauen gelang es ihr ein fröhliches Gesicht zu machen, das ihre Wangen noch runder wirkten. Nachdem die ganze Wurst verschlungen war beleckte sie sich die Zähne.
Zwischendurch reichte die besagte Adula aus dem dunkel des Fensters die heissen Tannenwalder dem Mann der als Hechard bezeichnet wurde. Diese waren jetzt auf einfache Holzbrettchen gelegt worden. Dampfend reichte Hechard sie weiter.
“Die gehen auf mich. Ich hatte dich ja vorgewarnt, Hechard. Ich bin ab jetzt im Namen der Baronin unterwegs!” Dann drehte sie sich zu Bogumil. “Victualia. Das bin ich. Wie schmeckt euch die Wurst?”

Noch bevor der reisende Koch antworten nun konnte, lachte Hechard.”Bei Travia! Na dann, die gehen aufs Haus!”
“Einfach wunderrrbarr!” schmatzte der Koch. “Ein Gedischt!”
Er schnupperte an der noch heißen Wurst, leckte sich vorfreudig die Lippen und streckte der Frau eine Hand entgegen. “Bogumil ‘iligon. Es ist mirr eine Ehre!”
Der beleibte Kusiliker lächelte glückselig. “Ihrr seid von hier, werte Victualia? Was für ein rrreizender Name! Seid bedankt fürr die Einladung!”
Sie griff auch seine Hand und drückte sie kräftig. “Victualia vom Lilienhain. Dann mal vollständig. Die Ehre ist ganz meinerseits. Ja, ich bin von hier. Wo kommt ihr her, Bogumil? Euer Dialekt hört sich fremd für mich an”, fragte sie neugierig.

“Für die Baronin? Hechard, sag den beiden sie bekommen jetzt die “besondere” Tannwalder, brauch nur kurz um die zu erhitzen!”, krächzte die Stimme Adulas lauthals. Hechard wusste, dass er das Wort nicht weitertragen mußte. Adulas Organ war deutlich für die Umherstehenden zu hören.
“Isch bin aus Küslik gebürrtig!” schnurrte der Trumm von Mann, dessen Geist und Hände beständig in Bewegung waren. “Lilienhain - ist das ein Gut ‘irr in Schweinsfold?” wollte er neugierig wissen. “Dann darf isch euch ja als ‘Wohlgeboren’ anspreschen, oder?”
Victualia nickte und legte einen wissenden Gesichtsausdruck auf, auch wenn sie nicht wusste wo dieses Küslik liegen mochte. Dann erötete sie ein wenig. “Ha, wo denkt ihr hin. Es heisst ja ´Vom´ und nicht ´Von´. Nein ich bin keine ´Wohlgeboren´, nur eine gute Bürgerin von Herzogenfurt. Meine Familie gehört traditionell zu denn den Hütern unseres Lilienpark hier.” Dann dachte sie kurz nach.”Obwohl, ich stehe jetzt seit drei Tagen im Dienste der Baronin und bin verantwortlich für Küche und Keller. Da weiß ich gar nicht, ob man mich jetzt anders anspricht?”, stellte sie die Frage in die Luft.
“Aberr selbstverrständlich!” Der Kusliker lachte über beide Backen. “Irr solltet mindestens auf die Ansprache ‘Meisterin’ bestehen. Oderr noch besser ‘Herr und Gebieter’ von eurrrem Gesinde!”

Er haschte nach der Hand Victualias und zelebrierte eine sehr schwungvolle und sehr tiefe Verbeugung darüber. “Also ‘abe ich die Erre mit der Küchenmeisterin der Baronin von Schweinsfold - und der ‘errin über all diese wunderrvollen Würrste?
Ihr Gesicht nahm eine tiefrote Färbung an. “Also gut. Meisterin dann.” Ihr Augen funkelten.
Beide wurden unterbrochen von einem: “So, hier die Besonderen!” Hechard reichte ihnen jeweils ein dampfendes Würstchen. Genauer betrachtet sahen die Tannenwalder nicht anders aus als die davor. Als beide hineinbissen, war der Unterschied fast unbeschreiblich. Im Grunde war der Geschmack identisch, aber es war doch zarter, aromatischer und geschmacksrunder. Die Blicke der Köche trafen sich und beide wussten, dass sie etwas neues für sich entdeckt hatten.
Bogumils Züge wurden sehr ruhig, als sich seine Aufmerksamkeit für einige glückselige Momente nach innen richteten.
“Das ist gut.” erklärte er schlicht. “Warrlich gut.” Mit geschlossenen Augen ließ er die Düfte und Geschmäcker weiter wirken.
“Das ist Pfeffer, Benbukkel, Majioran und Piment … und noch zwei Weitere. Was denkt ihr?” Grübelnd betrachtete er die Frau gegenüber.

Victualia nickte und dachte ebenfalls nach. “Ja, da würde ich so mitgehen. Aber da ist noch was rauchiges. Ich bin mir nicht sicher ob es ein Gewürz ist.” Sie schluckte runter. “Hechard, sag mal, was hast du anders an den ´Besonderen´ gemacht?”
Der Angesprochene schwieg und kniff die Augen zusammen, als ob er mit sich kämpfte ihr eine Antwort zu geben. Da erscholl die laute Stimme von Adula wieder. “Jetzt stell dich nicht so an. Sag der neuen Küchenmeisterin der Baronin, das du die gar nicht gemacht hast!” Als ob er auf etwas saures gebissen hatte, verzog sich sein Gesicht. Dann atmete er tief durch. “Ja gut. Nun, Meisterin, der ersteren machen wir immer selber hier, bare die letzteren haben wir aus Tannenwalden selbst, vom Meister Tannenwaldner. Gibts nicht so oft, aber wenn er kommt, kauf ich immer gleich ein paar. Kurz gesagt, ich hab keine Ahnung was der sonst noch da rein macht.” Etwas genervt schaute ihr nach hinten in die Bretterbude.

“Ah, so ist das!” Mit blitzenden Augen blickte der Rabensteiner Koch seine neue Bekannte an. “Wir sollten der Sache auf den Grund gehen, meint ihrr nicht ausch?”
“Als ob ihr Gedanken lesen könnt, Bogumil! Was mich gleich daran erinnert, ich habe gar nicht gefragt, was euch nach Herzogenfurt geführt hat. Seid ihr ein Handelsmann?”, fragte sie neugierig.
“Aach, mitnischten, werrte Dame! Isch bin der Herr und Meister über die Küsche der Burg Rrrabenstein!” Ächzend raffte sich der füllige Koch zu einem tiefen und überraschend schwungvollen Kratzfuß zusammen. Kaum wieder aufgerichtet, zwirbelte er seinen beachtlichen Schnurrbart und stellte sich zu voller Größe (klein war der Küchenmeister keinesfalls) in Positur.

Da brach sich wieder das glucksende Lachen durch, wie bei der ersten Begegnung. Sie griff in ihren Rock, raffte diesen leicht und machte einen Knicks. “Oh, Herr Meister! Das ist aber nun wirklich ein Zufall. Zwei Burgköche beim Wurstkauf! Nun sagt mir, was habt ihr die nächste Zeit vor? Meine Herrin hat mir aufgetragen, bevor ich meinen Dienst in der Küche begonne, sollte ich mehr über die kulinarischen Küche der Baronie erfahren. Kurz gesagt, sie hat mich auf Wanderschaft geschickt. Habt ihr Lust vielleicht das Land mit mir zusammen zu erkunden?” Ihre grünen Augen strahlten ihn an.
“Oh, was für eine wunderrvolle Idee! Habt’ Dank fürr die Einladung! Da bin isch mit Frreunden mit von der Partie! Eure Lande kenne ich bislang noch nischt - und ich finde, wir sollten unbedingt das Geheimnis dieser Wurst ergründen! Und wer weiß, vielleicht finden wir ja noch merrere Leckereien! Aber ihr sagt, dass ihr von hier kommt - wie kann es dann sein, dass ihr euch in den Küchen und Kellern dieser Lande nicht bestens auskennt, wo ihr doch nun sogar die Burgköchin geworden seid? Gewiss wisst ihr doch, wo es sich lohnt, nachzusehen?” Hoffnungsvoll blitzten die Augen Meister Hiligons bei diesen Worten.

“Nun, ich habe bei den besten Leuten in Herzogenfurt gelernt und war dann lange Zeit im “Herzog” die Köchin. Ich habe oft Rezepte ausgetauscht mit Reisenden. Aber das Land selbst, habe ich so gut wie nie bereist. Meine Großmutter, die ehemalige Tempelmutter des Gänsetempels, hat mich der Baronin empfohlen. Ja, so bin ich dann auf die Burg berufen worden.” Sie nahm das letzte Stück der Wurst und beendete deren leckere Existenz. “ Tannwalden, ja?”, richtete sie die Frage an Hechard.
Dieser nickte ihr zu. Wieder krächzte es aus dem Hintergrund. “Das heißt nicht mehr Tannwalden. Das wird jetzt Tsaweiler genannt. Da findet ihr den Meister Tannenwalden.”

Die rundliche Frau drehte sich wieder Bogumil zu. “Wo kann ich euch finden, Meister Bogumil? Ich brauch noch ein paar Stunden, um noch ein paar Sachen vorzubereiten.” Sagte sie jetzt bestimment.
“Isch bin im Gast’aus am Markt. Ach ja- isch ‘abe einen Wagen mit Maultier dabei, werdet irr zu Fuß gehen oder reiten?” “Eigentlich zu Fuß. Habt ihr noch Platz auf euren Wagen?”
“Aber selbstverrständlich ‘abe ich das!” Bogumil lachte. “Seid mir ‘errzlich willkommen!”
Victualia strahlte über ihre beiden, runden Wangen. “Da freu ich mich aber. Da kann ich mich ein Glücksschwein nennen. Ich werde euch am Gasthaus abholen. Bis bald , Meister Bogumil! Sie machte nochmals einen Knick und machte sich auf den Weg in die Gassen Herzogenfurts.



Heimat der Tannwalder


Tsaweiler, 4. Ingerimm 1042 BF
Keine Stunde brauchte die neue Küchenmeisterin der Baronin von Schweinsfold, ihren Rucksack zu packen und ihrem Gemahl und Kindern auf Wiedersehen zu sagen. Den Rabensteiner Koch traf sie wie versprochen im Gasthaus am Markt und alsbald rumpelte der Wagen mit den beiden praioswärts am Ufer der Foldenquell entlang. Die unmittelbare Landschaft um Herzogenfurt war ein flaches Land, das vom üblichen Anblick von Feldern des Gratenfelser Beckens dominiert war. Die festgetretene Straße schlängelte sich am Fluss entlang bis zu einem Großdorf namens Hadingen. Doch bevor sie dieses erreichte, bogen sie schon nach zwei Wegstunden von dieser Straße ab. Noch zwei weitere Stunden efferdwärts, und sie erreichten endlich den gesuchten Ort: Tsaweiler. Bis dahin hatte sich die Landschaft ein wenig verändert. Das Land wurde hügeliger, weniger besiedelt und rechterhand zog sich ein schier unendlicher Waldesrand mit schweren Tannen hin. Das erste Zeichen, dass sie bald wieder auf Menschen treffen würden, war der grimme Firunschrein, der zwischen zwei uralten und mächtigen Tannen stand. Hinter einem alten Findling, auf den mehrere Opfergaben aus Knochen, Fellen und Pfeilspitzen lagen, hatte man ein hölzernes Kästchen mit Spitzdach gestellt, dessen Holz trocken und morsch wirkte.
In diesem Kästchen stand eine geschnitzte Figur eines grimmigen Jägers, der in Begleitung von Wildschweinen war. Das zweite Zeichen war ein aufgestelltes Straßenschild, das dem Reisenden ankündigte, die Ortschaft Tsaweiler zu betreten. Dennoch dauerte es eine Weile, bis die beiden die ersten Häuser und Hütten zu Gesicht bekamen. Victualia konnte berichten, dass dieser Ort noch vor einigen Jahren Tannwalden hieß und die letzte Baronin vor ihrem Ableben bestimmte, diesem Ort einen neuen Namen zu geben.
Tannwalden galt immer als abgeleger Ort und Heimat von Jägern, Köhlern und Eigenbrötlern. Die letzten Jahrzehnte waren von Kriegen bestimmt und auch die Baronie Schweinsfold war von den Flüchtlingen anderer Länder nicht verschont. Die alte Baronin Selinde nahm viele auf, doch die wachsende Unzufriedenheit der Einheimischen zwang sie zu einer Entscheidung. Vor fast 20 Götterläufen forderte sie die Flüchtlinge auf, Herzogenfurt zu verlassen, um in Tannwalden eine neue und endgültige Heimat zu finden. Und somit wandelte sich der kleine Weiler zu einem aufstreben 200-Seelen-Dorf. Beide, Bogumil und Victualia, hofften verschiedene kulinarische Kostbarkeiten andere Länder zu finden, aber vor allem, auf die Spur der ursprünglichen Tannwalder Wurst zu stoßen. Einen letzten Hügel erklomm der Wagen und das Dorf offenbarte sich ihnen. Vielen der Bauernhäuser war das junge Bestehen anzusehen und sie waren geprägt von recht unterschiedlichen Fassaden und Verzierungen. Der hintere Teil jedoch bestand aus den wenigen und alten Holzhäusern der ursprünglichen Tannwalder, die sich vor einem Hügel gruppierten, auf dem ein alter Turm aus Bruchstein mit einem großen Fachwerkanbau stand. Doch das auffälligste Gebäude von allen an diesem Ort, war ein Steinhaus, das im Zentrum der neueren Häuser stand. Die Gerüste an den Wänden und das ungedeckte Dach machten eines deutlich: es war ein Tempel im Aufbau. Das Dorf war überraschenderweise ein sehr belebter Ort, und jetzt, am frühen Abend, kamen die Bauern, Jäger und Handwerker zusammen, um den Abend vor der Nacht zu würdigen. Neugierige Blicke trafen die beiden, doch die meisten begrüßten sie mit einem freundlichen Winken. Doch bevor die Frage aufkam, wo man denn den Abend verbringen könnte, sah der Horasier ein schmuckes Gasthaus mit dem Namen ´Travjeschas Heim´.

“Schnuckelisch.” befand Bogumil nach einem ausgiebigen Blick über das emsige Treiben und die gut gezimmerten, solide aussehenden Häuschen und Hütten. “Friedlisch sieht es aus, doch das mag täuschen. Was meint ihrr - wollen wir uns das Gast’aus näher ansehen?” Mit einem Zungenschnalzen trieb er das müde Maultier noch einmal an, was das Tier mit einem unwilligen Schlackern der Ohren beantwortete, aber brav in die gewiesene Richtung, dem Gasthaus zu, trottete, einer vollen Futterkrippe und einem behaglichen Stall entgegen. Umständlich kletterte der beleibte Koch vom Wagen, schlang die Zügel Ivas um einen für diesen Zweck angebrachten Holzpflock und reichte Victualia die Hand, um abzusteigen.

Dann machte er sich frohgemut auf, betrat das Gasthaus und tat mit einem glücklichen “Heda, Wirt! Es kommen Gäste!” seine Ankunft kund. Der Gastraum war groß, besaß viele Tische und Stühle, die jetzt am frühen Abend gut besetzt waren. Ein munteres Stimmendurcheinander, begleitet von Lachen und das klappern von Würfeln begrüßte die beiden. Die Fensterläden waren weit offen und sorgten für einen angenehmen Durchzug, der die sommerliche Wärme erträglich machte. Hinter einem langen Tresen stand ein kräftiger Mann mit Halbglatze, Bartschatten und Schürze. Eine junge Schankmagd mit dicken, blonden Zöpfen trug die Bierhumpen an die Tische, während eine schmale, ältere Frau lachen die Bestellungen aufnahm. Am Ende des Tresen gab es einen ausladenden Kamin, an dessen Seite eine Holzfigur von eine jungen, barbusigen Frau stand. Die Figur stellte die junge Göttin Tsa da, und war umgeben von frischen Blumen. Eine alte Vettel saß in einem Schaukelstuhl daneben und beobachtete die Gäste. Der Wirt winkte die beiden Ankommenden zu sich an den Tresen. “Travia zum Gruße! Seid willkommen bei Travjeschas!”, sagte dieser mit einem bornländischen Dialekt.
“Das ist ja wirklich heimelig hier”, bestätigte Victualia. Sie ließ dem älteren den Vortritt und bewunderte sein selbstsicheres Auftreten. Ja, dieser Mann war weltgereist. Sie stellte ihre Rucksack ab und strich mit ihren Fingern über die Theke. “Ein sehr sauberes Plätzchen hier, ganz anders als die Herbergstheken die ich kenne.”, murmelte sie vor sich hin.

“Ihr ‘abt ein schönes Haus, Herr Wirt!” komplimentierte Bogumil dem Wirt. “Wir suchen zwei Zimmer, einen Platz im Stall für mein Maultier und einen im Schuppen für den Wagen - und das beste, was ihr in eurer Küche und Keller bieten könnt, für unsere Teller. Was könnt ihr denn empfehlen, werrter ‘err?” Setzte er im gleichen Atemzug neugierig dazu.
“Meisterin, wollt ihr misch begleiten?” hielt er Victualia die Türe auf.
“Sollt ihr bekommen.” Dann brüllte er durch den Raum:”Joschi, Zwei Zimmer und ein Maultier!” Eine Tür hinter der Theke öffnete sich und ein junger Mann mit Segelohren kam heraus. Er nickte kurz und ging aus der Herberge. Der Wirt schaute beide wieder an. “Ludaschka hat ihren Bjaldorner Wickeleintopf gemacht. Dazu hellen Ferdoker oder unser Tsabräu.”
“Also ich nehme den Topf und ein Tsabräu. Sagt habt ihr auch Tannwalder?” fragte Victualia.

Der Wirt verzog ein wenig das Gesicht. “Tannwalder? Nee, die bekommt ihr nur beim alten Schweinebauern Tannenwalden.”
Die Herzogenfurterin drehte sich zu ihren Reisebegleiter. “Ich komme gerne mit … aber wo gehen wir hin, Meister?”
“Zu einem wundervollen Mittagstisch - nischt warr, ‘err Wirt?” Grinsend suchte sich der beleibte Koch einen Tisch, von dem aus er den Durchgang in die Küche perfekt im Blick hatte, setzte sich und zückte aus einer Tasche eine gewaltige weiße Serviette, die er über seinen Schenkeln ausbreitete und liebevoll glattstrich. Er richtete seine Manschetten und blickte erwartungsvoll in Richtung des Wirtes. “Isch werde dasselbe verrsuchen.” kündigt er an.

“Sagt, warrt ihr bereits einmal hier?” musterte er Vicutalia.
“Nein, ich war noch nicht hier. Ich war einmal in Boronwalden, ansonsten nur in Herzogenfurt. Mein Mann war schon mal in Hadingen. Und ich muss zugeben, ich genieße das hier mit euch.” Sie lächelte ihn an. Nach einer Weile kam die Schankmagd und brachte zwei Holzschalen mit dampfenden Kohleintopf und zwei Humpen mit Bier. “So, hier die Bjaldorner Töpfe und die Biere. Ich bin Anuschka und wenn ihr was braucht, ruft mich einfach.” Sie stellte alles ab und wandte sich ab. Der Geruch von würzigen Kohl fand schnell den Weg in ihre Nase.
“Riecht nischt schlecht.” Die große Nase des Kochs schnupperte die Düfte. “Allerdings war das etwas zu lange auf dem Herd, meint ihr nischt auch?” Er kostete die ersten Löffel.

“So seid ihr also verheiratet. Beneidenswert ist das!” Er selbst hatte es trotz verschiedenster Versuche nicht geschafft, dauerhaft die Frau für’s Leben zu finden.”Nun ja - so ‘abe ich meine Küsche und die Bediensteten für mich.” setzte er etwas zusammenhanglos hinzu.
Auch Victualia ließ sich den ersten Löffel des Eintopfes auf der Zunge zergehen.” Ihr habt recht, Meister Bogomil, der Eintopf sollte langsam vom Feuer. Aber ich denke die einfach Zunge schmeckt da keinen Unterschied.” Sie schaute sich um und fand sich bestätigt. “Der gute Eddo, das ist mein Mann, und ich haben drei Kinder. Alfritz, Isfrid und Meingoz. Ja, meine Ferkel sind mein ganzer Stolz! Habt ihr welche? “Nein, werte Dame, leider nischt.” Bogumil schüttelte bedauernd den Kopf, brach sich von dem gereichten Brot und kaute einige Augenblicke lang nachdenklich, ehe er hinzusetzte. “Es hat’ sich nie errgeben. Leider.” Er schwieg einige Augenblicke. “Aber warrum nennt ihr eure Kinder ‘Ferkel?’ - das klingt, als würrdet ihrr sie in die Wurrst geben.”
“Wurst?” Sie lachte laut und kernig. “Nein,nein, Meister Bogumil, das sagen wir hier so im Schweinfoldschen.” Sie schüttelte sich noch einmal. “Apropos Wurst. Wollen wir heute Abend noch zu dem Schweinehirten und herausfinden, was die Tannwalder so besonders macht von ihm?” Noch immer war ihr Gesicht ganz gerötet vom Lachen.

“Unbedingt müssen wir dies!” Victualias Lachen war ansteckend, und so strahlte der Liebfelder ebenfalls über sein breites Gesicht. “Ganz bestimmt ‘at er sein ganz eigenes Ge’eimnis ob seiner Wurrst. Und isch liebe es, Geheimnissen auf die Spurr zu kommen! Aber ihr kennt die ‘iesigen besser als isch - ihr müsst mir ‘elfen, den Guten nischt zu sehr zu erschrecken.” Eine berechtigte Aussicht, bedachte man die Masse, die der hochgewachsene und ungemein breite Mann anzubieten hatte. Bogumil liebte ein gutes Essen - und das verhehlte seine Gestalt nicht.


Tannwalden

Ein Wassermaß später waren die beiden auf dem Weg zu dem Schweinebauern Tannenwalden. Es war nicht schwer ihn zu finden. Die Familie Tannenwalden gehörte zu den ursprünglichen Bewohnern dieses Dorfes und wohnten am Fuße des Hügels . Hier waren die Holzhütten wesentlich älter, und das dunkle Holz verbarg sein Alter nicht. Der Geruch von Schweinemist lag in der Luft, immer wieder unterbrochen von einem rauchigen und würzigen Duft von geräucherten Fleisch. Victualia strebte zielsicher die Haustür an und klopfte. Nur kurze Zeit später öffnete sich die Tür. Ein Mann in seinen fünfzigern stand vor ihnen, mit schulterlangen grauen Haaren, einer Knollennase. Er trug ein einfaches Leinenhemd, eine halblange, braune Wildlederhose und einfache Holzschuhe. Misstrauisch schaute er die Beiden an. “Yo, was wollt ihr?” “Die Götter zum Grruße!” schnurrte Bogumil den verdatterten Schweinhirten an. “Wirr haben von euren Würsten gehört. Und von euren Schinken gerrochen. Wirr würden uns zu gerrne mit euch unterhalten! Gestattet, dass ich uns vorrstelle: dies ist die Meisterrrin Victualia vom Lilienhain, die Herrin der Küsche der Baronin von Schweinsfold, und isch bin Bogumil ‘iligon, Küschenmeisterr der Rabenstein.” Ratterte er ohne Luft zu holen herunter und funkelte den Mann mit unternehmungslustig blitzenden Augen an.

Überrascht von den beiden, rundlichen Figuren und Ankündigung von hohen und unerwarteten Besuch, brauchte der Bauer einen moment zu Antworten. “Ah yo! Dann ...dann kommt doch rein!” Er öffnete die Tür weiter und winkte beide hinein. Das innere des Bauernhaus wirkte eng und dunkel. An einem Tisch saß die Familie bei einem deftigen Abendessen. Ein dampfender Schinken und eine Platte mit Erdäpfeln dominierten den Tisch. Eine Frau und zwei Halbwüchsige schauten noch immer kauend neugierig die späten Besucher an. “Ich bin Arnulf Tannenwalder, das sind meine Frau Elkbea und meine Kinder Rangold und Windata.” Mit eiligen Handbewegung deutete er ihnen sich zu erheben. Immer noch verwundert, eilten sich die Drei aufzustehen.

“Oh wir wollten nicht stören. Est ruhig weiter euer Abendmahl, gute Tannenwalder!”, sagte Victualia beschwichtigend und lächelnd. “Unbedingt!” stimmte Bogumil zu. Seine mächtige Nase schnupperte. “Das Essen dürft ihr nischt warten lassen! Wir kommen gern später wieder. Was ‘abt ihrr denn Leckeres gekocht?”
“Das sind die Köche von Baronen.”, sagte Arnulf erklärend zu seiner Familie. “Oh ha. Also nichts besonderes, nur einen Braten mit Erdäpfel.” antwortete Elkbea. “Also ich bin schon fertig, was kann ich für euch tun?”
“Wir haben gehört das die Tannwalder bei euch die Besten sind … ja sogar etwas besonderes. Und wir haben uns gefragt, ob ihr uns eine Kostprobe geben würdet. Wie ihr schon gehört habt, ich koche jetzt für die neue Baronin und ich suche nach etwas … lokalen.” Victualia war gleich direkt mit dem Bauern. Und anscheinend war das auch eine Art, die dieser gut verstand.
“Ah yo! Na dann kommt gleich mal mit zur Räucherhütte.” Ohne zu warten öffnete er eine Hintertür in der Stube und verschwand nach draußen. Die Familie schaute neugierig und weiter kauend dem Dreigespann hinterher. Der Bauer Arnulf überquerte einen kleinen Hof zu einer windschiefen Hütte. Kaum als er diese öffnete, kam allen einen würzigen und sehr rauchigen Duft entgegen. Das Innere war voll gehangen mit Würsten, die schön aufgereiht an Seilen hingen.

Auf einem Tisch lag eine großer Stapel Pergamente, die unzählige mal benutzt worden waren, um der unfertigen Wurst eine vierkantige Form zu geben und zu räuchern. Arnulf griff zwei und hielt sie ihnen entgegen. “Hier, Meister und Meisterin, probiert ruhig”!
Bogumil nahm beide erfreut entgegen und reichte eine an Victualia weiter. Er schnupperte, brach die Wurst entzwei und schnupperte abermals, ehe er einen kleinen, prüfenden Bissen nahm und ausgiebigst kaute.
“Hmja - nischt schlecht.” Seine Aufmerksamkeit richtete sich nach innen, ehe er verkündete. “Doch auch nischts Besonderes. Sind so alle Würste, die ihr ‘abt? Auf dem Markt in Schweinsfold hat man uns eine ‘besondere Tannwalder’ angeboten, die noch einen Batzen würrziger war, und die angeblisch auch von Euch stamme.”

“Ah yo. Die habt ihr bekommen? Verzeiht. Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich habe die nicht oft.” Arnulf ging zu eine Holztruhe und holte eine pergamenteingeschlagenes Päckchen hervor. Mit flinken Handbewegungen holte er zwei vierkantige Würstchen hervor und reichte es die beiden Köche.

Victulia biss in die Wurst. Ja, das war der selbe überwältigende Geschmack wie in Herzogenfurt. “Hmmmm!”sagte sie wohlig. “Sagt Meister Tannenwalder, warum schmecken die anders … oder könnt ihr uns das nicht sagen?”
Der Bauer zögerte kurz. “Ah yo. Na weil ihr von der Baronin kommt, sag ich dass euch. Aber ich bitte euch, sagt nichts zu den ´Tsaweilern´. Diese Zugezogenen haben unser Geheimnis nicht zu wissen. “ Die letzten Worte ließen ihn etwas vergrämt aussehen. “Also, das Geheimniss liegt in der Pelle. Die machen wir hier in Tannwalden … ähmm ... Tsaweiler nicht selbst. Die bekomme ich immer von der Wirtin Gebine Schüttelbirn aus Hadingen. Die macht übrings auch die besten Hadinger Klopse in ganz Schweinsfold.” Nun hellte das Gesicht des Tannenwalders wieder auf. “Oha.” Der rabensteiner Koch hob die Augenbrauen. “Seid bedankt! Wirr werden ihr unserren Besuch abstatten. Doch ohne die Füllung wärre die beste Pelle umsonst!” Er lachte dröhnend.

“Aberr sagt, was ‘at es mit den Klössen auf sisch?” Er witterte das nächste Rezept. Doch eines nach dem anderen. “Sagt, würrdet irr uns - aus rein fachlischem Interesse - die Zutaten eurrrer wunderrrvollen Würrrste verrraten?” Aus reiner Begeisterung rollte das ‘r’ in seiner Kehle mehr denn je zuvor.
Mit stolzen Blick antwortete der Tannenwaldner. “Das sind Fleischklopse. Keiner macht bessere als die Schüttelbirn. Und meine Wurst, nun da ist Pfeffer, Benbukkel, Majioran, Piment, Tannenöl und natürlich Schweinefleisch drin. Das ganze wird dann in Schweinepelle gestopft und geräuchert. Das macht meine Familie schon seit Generationen so.” Da griff er nach zwei Lagen große Pergamentpapiere und fing an, mehrere Würstchen zu verpacken. “Die hier schenk ich auch, mit besten Grüßen an die Barone!” sagte er grinsend.
“Oh, da dank’ isch serr!” Bogumil strahlte über beide Backen. “Isch werd’ Euch bei meinem Herrn wohl empfehlen!” Er kramte in seiner Geldkatze und streckte dem erstaunten Bauern drei blanke Silbertaler entgegen. “Nehmt das vorrerst als meinen Dank. Sagt, guterr Mann, wieviel Würrste könnt ihr im Mond liefern?”

Zufrieden zwinkerte Bogumil Vicutalia zu. “Mit Eurrer Errlaubnis natürlisch, Meisterin?”
Die Köchin nickte ihm zu, wartete aber, denn sie hatte die gleiche Frage stellen wollen.
“Wieviel würdet ihr wollen? Allerdings die ´Besonderen´ kann ich nur zweimal im Jahr liefern, den ich bekomme die Pelle von der Schüttelbirn nicht so oft. Aber meine Tannewalder kann ich oft liefern.”
Vicualia ergriff die Hand des Bauern. “Habt so viel dank. Ich werde einen Boten schicken, wenn ich genau weiß, was ich bei Hofe servieren möchte. Ihr werdet aber auf jedenfall von mir hören!” Abwartend schaute sie zu Bogumil.
“Und isch werrde jemanden mit der Bestellung vorrbeischicken!” Schnurrte der beleibte Koch begeistert. “Isch benötige sechs Dutzend Würste pro Mond - und isch nehme alle der besonderen, welche die werte Dame nischt nimmt.” Bogumil lachte tief und dröhnend.
“Wobei isch euch keinesfalls die Würste vor der Nase wegrauben will, Teuerste.” fügte er, an Vicutalia gewandt, hinzu.
Die Köchin stimmte glucksend in das Lachen ein. “Ich bin mir sicher, wir finden da eine Lösung. Und ihr, habt dank, wir werden uns melden!” Nachdem die beiden wieder auf den Weg zur Herberge waren, hakte sie sich bei Meister Bogumil ein. “ Das war doch ein kleinen Abenteuer, was denkt ihr, fahren wir morgen nach Hadingen?”
“Unbedingt, werrte Dame! Auf garr keinen Fall will isch mirr die Klopse entgehen lassen! Oh - irr lebt in einem bezaubernden Landstrich! Und was wollen wirr heute noch tun? Meint ihr, wir haben die Küche des Gasthofs genügend getestet? Oder ‘abt irr einen anderen Vorschlag? Ihr Grinsen auf dem runden Gesicht wurde größer. “Ihr habt recht, schauen wir was die Küche aus dem Gasthof noch zu bieten hat!”
Und so kehrten die beiden Küchenmeister wieder im Gasthof ein und testeten die Tsaweiler Küche noch ein wenig ausgiebiger.

Die Klopse der Hadinger


Hadingen, 5. Ingerimm 1042 BF
Nach einem ausgiebigen Frühstück machten sich die beiden auf in Richtung des Großdorfes Hadingen. Die festgetretene Straße führte sie weiter am rauschenden Foldenquell entlang, bis sie den gesuchten Ort, der zwischen vielen Feldern lag, erreichten. Im Gegensatz zu Tsaweiler wirkte der Ort weniger verborgen, größer aber weniger belebter. Die Bauernhäuser waren größer gebaut und zeugten vom Wohlstand der Bewohner. Hadingen hatte sogar einen kleinen Marktplatz, dessen Mitte ein Brunnen zierte. Das einzige Steinhaus gehörte dem Schulzen, das neben einem Krämerladen stand. Der Schrein der Ackergöttin Peraine wurde liebevoll gepflegt und war in einer lindgrün angestrichenen Kapelle untergebracht. Ebenfalls am Marktplatz war das Gasthaus “Avesruh” zu finden.

Victualia stieg vom Gefährt des Horasiers und streckte sich erst einmal. Heute hatte sie auf ihr braunes Lederhäuptchen verzichtet und trug ihr rotblondes Haar zu zwei Zöpfen geflochten. Mit einer Drehung wirbelte sie die Zöpfe um ihren rundlichen Leib und strahlte Bogumil an. “Meister Hiligon, was wollen wir als erstes machen? Das Dorf erkunden oder der Herberge auf den Zahn fühlen und Gebine Schüttelbirn auf die Finger schauen?”
“Oh, Meisterrin, ihrr stellt misch vor Aufgaben!” lachte Bogumil und legte seine Stirn in Falten. “Dann lasst uns das Dorf erkunden! Leibesertüchtigungen machen Appetit!”
Unternehmungslustig rieb er seine großen, aber erstaunlich feinfingrigen Hände aneinander und blickte sich mit blitzenden Augen um.

Und so machten die beide sich auf, ein wenig das Dorf zu erkunden. Etwas abseits vom Marktplatz entdeckte sie eine Schänke mit dem lustigen Namen “Zum Eselmeister”. Nur einige Schritt weiter entdeckte Victualia einen Kiesweg, der aus dem Dorf hinaus führte. Ein Holzschild zeigte die Abbildung eines Pferd … oder war es ein Esel? Bogumil wiederum stieg der Duft von frisch gebackenen Brot in die Nase. Ziemlich schnell machte er das Haus ausfindig, aus dem er kam. Die Auslage mit den Broten davor wies es als Bäckerei aus.

Grübelnd blieb die Herzogenfurterin vor dem Holzschild stehen. “Was meint ihr, soll das ein Pferd oder ein Esel sein?”, fragte sie ohne zu merken, das der Koch abgelenkt war.
“Was?” war denn auch die verdatterte Antwort. “Weizenmehl!” Er schnüffelte genauer. “Und Blechkuchen. Wirr sollten das überrprüfen … zu einem süßen Kuchen passt keine Eselssalami, Teuerste.” Verständnislos schüttelte er den Kopf und wies auf den Ort seiner Erkundigungen. “Eselsalami?”, wiederholte Victualia. Dann bemerkte sie das Bogumil mit etwas anderem beschäftigt war. Sie ließ das Schild hinter sich und gesellte sich zu Bogumil. “Nun, lasst uns gehen, ich vertraue ganz und gar eure Nase, Meister Bogumil” Sie hakte sich wie selbstverständlich bei ihm ein. “Sagt Meister, was ist eure Lieblingsspeise? Gibt es etwas, was ihr aus eurer Heimat vermisst? Und was für ein Brot mögen die Rabensteiner so?” Langsam schritten beide auf die Bäckerei zu.
“Es duftet keinesfalls nach Eselssalami.” bestätigte der Koch, noch immer leicht verdattert.
“Ach, isch liebe dische kleinen Pastechen mit Wild, Trüffel, Fisch oder Gehacktem - die mochte isch schon in Vinsalt, ‘abe sie aber deutlisch verbessert. Und dazu ein Sösslein mit einem ‘auch von Benbukkel und Nelken - ach.” Er seufzte wehmütig. “Oder gefüllte Wachtelchen an Muskatschaum.”

Seine in Gedanken verlorene Miene hellte sich schlagartig auf. “Nichts, dass ich in meiner Küsche nicht tue. Und auf der Burg backe ich meistens Weiß- und Graubrot - das Schwarzbrot ist etwas für die Bauern, auch wenn es leckerr schmeckt, wenn es frischt aus dem Ofen kommt, mit Kräutern und Kernen gewürzt ist und dann mit Schmalz genossen wird - findet ihr nischt?” Erwartungsvoll strahlte der wuchtige Liebfelder Victualia an und zwirbelte seinen Schnauzbart.
“Bei euren Erzählungen läuft einen ja das Wasser im Mund zusammen. Ich muss unbedingt mal eure Pastetchen probieren. Ich bin mir sicher, ich kann viel von euch lernen, Bogumil.”

Beide erreichten das schöne Fachwerkhaus, dass efferdwärts einen gewaltigen Kamin und über der Eingangstür ein Holzschild in Form eines Brotes zu hängen hatte. Die Fensterläden waren weit geöffnet und ließen den Duft nach Gebackenem aus dem Inneren frei. Das quietschen der Dielen verrieten der Bäckerin die Ankunft der Besucher. Die Mittvierzigerin trug ein einfaches Leinenkleid mit Schürze und war genauso beleibt wie die beiden Köche. Sie wog etwas Mehl ab, das auch seinen Weg auf ihre Wange und ihr Haar gefunden hatte. “Travia zum Gruße, was kann ich für euch tun?” fragte sie eilig.

“Wirr ‘ätten gern von euren Backwerken gekostet, werrte Frau. Unsere Nase ‘at uns herrgeführrt”, grinste Bogumil. “Sagt, was ‘abt ihrr denn Gutes anzubieten.”

Er wandte sich an Victualia. “Gern werd’ isch euch bekochen - sobald wir eine Küche zu unserer Verfügung haben. Doch sagt, was sind eigentlich eure Spezialiäten?” Er reckte sich, um vorbei an der Bäckerin ins Innere der Backstube zu linsen, und zwinkerte Victualia zu. “Polla Zupfer hat die besten Brote vor Ort.” Sie lachte. “Scherz bei Seite, ich bin die einzige Bäckerin hier.” Sie staubte ihre Hände an ihrer Schürze ab und trat ein wenig näher. “Ich habe noch ein paar Weißbrote da, Eselaugen und Hadinger Zöpfe. Mein Sauerteig ist noch nicht fertig, morgen gibts dann wieder die Sauren.” bot sie den Beiden an.
“Ich mache gerne Eintöpfe, ich werde euch gerne mal meinen Lieblingseintopf servieren. Bohnen, Erdäpfel und Fleisch vom Schwein.” Bei dem Gedanken musste sie kurz sich über ihre Lippen lecken. Dann konzentrierte sie sich wieder voll und ganz auf die Bäckerin. “Eselaugen?” murmelte vor sich und schaute Bogumil an.
Der machte runde Augen und hob die Schultern. “Isch weisch es nischt.” gab er zu.

“Gute Frrau, was sind diese? Sie klingen, als müssten wir sie prrrobieren!”
Seine Augen leuchteten, als er sich anschickte, auf diese Weise die Geheimnisse und die Seele des Landes zu erkunden - mit allen Sinnen. “Isch bin enttäuscht überr euch, Teuerste.” Wandte er sich in gespielter Entrüstung an Vicutalia.
“Wie kann es sein, dass ihr so wundervolle Details eurer Heimat nischt kennt?”
Bevor Victualia antworten konnte, holte Polla ein herzförmiges Gebäck hervor, das in der Mitte mit einem Tupfer klebriger Marmelade versehen war. “Wir haben ja die Eselzucht Meister Grauchen hier in Hadingen. Mein Vater hatte da die lustige Idee mit den Eselaugen. Blätterteig mit Eiweiß bestrichen und Holundermarmelade. So, so, ihr seid aus Herzogenfurt, nehme ich an. Die Städter kommen selten zu uns, auch wenn’s nicht weit ist.” Die Küchenmeisterin musste kichern. “Ihr habt so Recht, Bäckerin Zupfer. Ich bin kaum aus Herzogenfurt raus. Und nun koch’ ich für die Baronin.” “Oh”, war die Antwort der Zupfer. “Die Junge. Na dann berichtet ihr hoffentlich von den Eselaugen. Und natürlich von den Klopsen der Wirtin Gebine Schüttelbirn. Von unseren Eseln wird sie ja hoffentlich schon gehört haben.” Nun hatten sich die Wangen der Bäckerin rot gefärbt. “Das werd ich ihr alles berichten.” Victualia biss vom Eselauge und hielt den Rest Bogumil hin. Der zog sich das Gebäckstück unter seiner knolligen Nase vorüber und atmete tief den Duft ein, schloss kurz die Augen und schmatzte verheißungsvoll, ehe er das Gebäckstück genüsslich verschlang. “Nischt schlecht, Bäckermeisterin Zupfer. Ganz und gar nischt schlecht!” lobte er.

“Isch würrde eusch ja einige abnehmen - aberr isch fürrschte, bis zu meiner Heimat sind sie schlecht. Aber was mögt irr für eine Tüte voll davon haben fürr unterwegs?”
Die kräftige Bäckerin überlegte kurz.” Ach was solls, ihr seit ja im Dienste der Baronin. Na drei werde ich euch so mitgeben.!” Nun grinste sie und machte sich daran ein paar Eselaugen einzupacken.
“Ihr erwähntet Klopse. Wo können wir den die Küche dieser finden?” fragte Victualia.
“Jaaa, ihr könnt nicht gehen ohne die Klopse der Schüttelbirn gekostet zu haben. Die findet ihr in der Herberge ´Avesruh´. Einfach zurück zum Marktplatz. Doch müßt ihr euch beeilen, die Bauen kommen bald zum Mittagstisch, dann wirds voll.” Polla reichte Bogumil das Gebäck. “Was meint ihr? Klopse zum Mittag?” erwartungsvoll schaute die Küchenmeisterin den Küchenmeister an.
“Immer. Darf ich bitten, die Dame?” Galant bot der Kusliker der Köchin seinen Arm, damit sie sich unterhaken konnte.
“Ihrr führrrt.” Immerhin sollte sie sich hier auskennen. Auch wenn er für sich in Anspruch nahm, ein Gasthaus auch nur der Nase nach finden zu können - wenn Not am Manne war.


Klopse

Mit einem genüsslichen Rülpser legte Victualia ihr Mundtuch auf den Tisch und rieb sich sanft den Bauch. Der Tisch war beladen mit einigen Tellern und Schüsseln, alle fein säuberlich sauber gelenkt. Keiner der beiden Küchenmeister sollten man jemals einen Kostverächter nennen. Die Eintöpfe und Soßen waren herb, deftig und schmackhaft, aber an die Klopse kam nichts heran. Bissfest, doch ein geschmeidiges Innenleben, die Würze genau abgestimmt und die Fette zergingen auf der Zunge. Wie versprochen setzte sich die Köchin, die Wirtin Gebine Schüttelbirn, zu den beiden Gästen. Die großgewachsene, hagere Frau mit dem äußerst kräftigen Händedruck schmunzelte zufrieden. Sie klopfte bestimmend auf den Tisch. “Hadinger Klopse, sach ich. Die wonnigen und rosigen Backen sagen mir alles. Und nun kann ich´s auch sagen. Es ist das Fett. die bekomme ich immer von dem Händler Zubert Bärlicher aus Udenau. Da kauf ich auch immer die Pelle ein, die ich dem Tannenwalder verkaufe. Und ich kann auch nur die Udenauer Schnitzel und Haxe dort empfehlen, seine Frau die Hillatrude, macht dort die besten.”
“Das klingt verr’eißungsvoll.” Bogumil strich sich über sein beachtliches Bäuchlein. “Aber isch kann nischt merr.” Er unterdrückte ein zufriedenes Rülpsen und zückte ein kleines, offensichtlich abgeliebtes Notizbuch, in dem er mit einem dünnen Kohlestift seine Eindrücke der Gerichte des Tages hinterließ.

“Sagt, werrte Victualia, wie kommt es, dass ihr die Küchen eures Reiches so wenig erkundet habt? Ihr besitzt hier solche Schätze unter den Köchen Schweinsfolds, auf eine gute, solide, bäuerliche Arrt, dass mir das Herz blutete, wenn ihrr diese nicht würrdigen würdet.”
Sie schüttelte ein wenig ihren Kopf. “Ach, Meister Bogumil. Ich bin ja kaum aus Herzogenfurt rausgekommen und habe die letzten zehn Götterläufe im `Herzog´ gearbeitet. Das ist das beste Gasthaus dort. Alles was ich über das Kochen weiß, hab ich dort von meiner Lehrmeisterin Gerke gelernt. Sie ist leider vor einigen Götterläufen von uns gegangen. Nun”, sie strich sich eine Strähne ihres rotblonden Haar´s aus dem Gesicht,” arbeite ich ja für die Baronin und es war ihr Wunsch die hiesige Küche besser kennen zu lernen. Aber ihr habt Recht, ich sollte mich schämen, es nicht schon viel früher erkundet zu haben. Ich nehme an, ihr habt die Rabensteiner Küchen ebenfalls erkundet?” Neugierig strahlte sie ihn aus ihren silbrig-blauen Augen an.

“Nurr eine Lehrrmeisterrrin rrreischt nicht.” Schnurrte der beleibte Vogt. “Wenn irr lernen wollt, müsst ihr reisen, Teuerste. Weit und lange. Und in viele Töpfe und Rräucherkammern schnuppern.” Er grinste. “Um so mehr um so besser.”
“Isch ‘abe nischt in alle, aber in viele Töpfe in Rabenstein geschaut - nachdem ich schon mal dorrt war. Und nicht alle, was die Bauerrn auf dem Spieß haben, ist auch ein Karrnickel oder ein Hausschwein - aber das werd’ ich dem Barron nicht verraten, und wenn er es nicht weiß, muss auch niemand wegen Wilderei büßen.” Er zwinkerte. “Gelerrnt habe isch in Kuslik, und isch warr einige Götterläufe in Gareth, zuletzt im Seelander. Aber glaubt mir, dass ich danach auch noch in den meisten Küchen von Elenvina meine Nase habe, wenn wirr einmal dort sind, was oft passiert. Und isch reise noch immerr - wer nicht dazulernt, wird vergessen, so heißt es.”
Er blinzelte abermals. “Und isch glaube, das stimmt.” Bewundernd himmelte sie Bogumil an. “Ich komme gerne mal nach Rabenstein … wenn die Möglichkeit es bietet.” Verheißungsvoll steckte sie sich ein letztes Stück Weißbrot, getunkt in würziger Mehlsoße, in den Mund. “Wunderrbarr!” freut sich Bogumil. “Meine Küsche und alle Kellerr frrreuen sich auf euren Besuch - von mir ganz zu schweigen!”


== Der Udenauer Sniz ==
Udenau, 7. Ingerimm 1042 BF
Ganze zwei Tage waren sie unterwegs als sie das Dorf Udenau erreichten. Von Hadingen aus führten nur Wanderwege efferdwärts und die Fahrt mit dem Karren des Küchenmeister Bogumils war eine sehr holprige. Auch das Praiosmal zeigte sich in voller Größe und kleine Pausen zur Abkühlung waren mehr als notwendig. Erst ging es über den hügeligen Hadinger Rücken, um dann an der Hadinger Forst entlang zu wandern. Menschenverlassen war diese Gegend allerdings nicht. Nicht einmal war die Landschaft ohne ein Gehöft oder Felder zu sehen und gaben ein kultiviertes und ordentliches Bild wieder. Und so mußten die Beiden auch nicht unter freien Himmel übernachten. Der Bauer Flenze und seine Familie gaben den beiden Unterkunft und waren äußerst zufrieden für die Hilfe beim Zubereiten von Abendbrot und Morgenmahl. Nach nur einer Wegstunde ließen sie den Forst hinter sich und fanden sich zwischen Feldern, Bauernhöfen und Wanderern wieder.

Trotz dem schönen Wetter und dem klaren Himmel, hatte Udenau etwas unheimlich, schweres an sich. Das Dorf, das die Größe von Herzogenfurt besaß, lag an dem Ufer des gewaltigen Udenau See. Dessen Wasser hatte ein dunkle, silber-blaue Farbe und sprach von einer unsäglichen Tiefe. Von den Stegen des Dorfes aus konnte man das gegenüberliegende Ufer mit dem bloßen Auge nicht sehen und ein Unkundiger mochte meinen am Meer zu stehen. Die gedeckten Dächer hatten eine grün-bläuliche Färbung von der Witterung angenommen und lagen ordentlich daher. Nicht in allzu weiter Ferne sah man auf einem Hügel gelegen die Burg Udenburg. Deren dunkle Gemäuer taten ebenfalls ihren Beitrag dazu, diesen Ort düster wirken zu lassen. Das Einzige das diesen entgegenstand, waren die Leute des Dorfes. Schon bei der Einfahrt der beiden Küchenmeister wurden diese freundlich begrüßt und von einem stetigen und lauten Treiben mitgerissen. Es war beiden gleich klar, das auch hier in Udenau, das Leben am Marktplatz schlug.

Zumindest von diesem Ort hatte Victualia etwas Bogumil zu erzählen: Die letzte Herrscherin Udenaus war die Edle Firisa von Uden, aus dessen Familie der Großvater der Baronin stammte. Doch traurigerweise war dieses alte Geschlecht in Ungnade gefallen, als die Edle anfing im Jahre 1022 BF die Grenzen mit Söldnern zu schließen, um keine Horasier auf ihr Land zu lassen. Damals wurde in den Nordmarken geprüft, ob es Erbansprüche seitens der Familie Grötz gab. Fast hätte Firisa sogar solch eine horasische Prüferin hängen lassen, doch konnte man das verhindern. Die damalige Baronin hatte dann der Udenauerin einen Riegel für ihre Selbstjustiz vor geschoben und sie und ihre Vertrauten unter Burgarrest gesetzt. Doch nur zwei Götterläufe später war sie samt Vertrauten geflohen und hatte seitdem nichts mehr von den Udens gehört. Da leider die Erbin Hana in den tobrischen Kriegen gefallen war, fiel das Land an das Haus Schweinsfold zurück. Als die Köchin mit ihren Redeschwall fertig war, waren die beiden auch endlich an ihrem Ziel: das Handelskontor des Zubert Bärlicher!

Das Fachwerkhaus am Marktplatz hatte seine doppelflügelige Tür offen und einige Leute gingen rein und raus, fast jeder mit einem Vieh an der Leine oder unter dem Arm und so mischte sich Geplaudere mit dem Quicken und Gurren von Schwein und Huhn.

Victualia schaute amüsiert zu den Eingang und drehte sich dann wieder zu Bogumil. “Was meint ihr, Meister. Was wollen wir als erstes machen?” “Dass, was wir immer tun, Teuerste. Isch würrde empfehlen, wir suchen uns im Gasthof ein Zimmer und inspizieren die Karte für ein gutes, wohlfeiles Mittags … Nachmittagsmahle. Was denkt ‘irr?” Die Herzogenfurterin grinste. “Bogumil, ihr könnt Gedanken lesen! Und ich weiß auch schon wo!” Entschlossen nahm sie die Zügel vom Zugpferd und lenkte es voran.

Der Seebär


Der ´Seebär´ lag direkt an dem Ufer des großen Udenauer Sees und machte einen rustikalen Eindruck. Schnell stellten beide fest, das der Eindruck nicht trügte. Boden, Wände und Decke waren aus schwerem Holz und man versuchte das innere eines Schiffes zu imitieren. Flaggen, alte Steuerräder, ein Anker und Taue waren zur Verzierung angebracht. Das Schnattern der Möwen von draußen unterstützte diese ganze Atmosphäre. Der Herbergsvater, Ceallach Ceannaideach, war ein älterer Mann aus Albernia, der in jungen Jahren als Matrose gedient hatte.
Sein schulterlanges, dunkelblondes Haar lugte unte einem blauen Kapitänshut hervor und in seinem Mundwinkel war stehts eine rauchende Pfeiffe. Überschwänglich empfing er die Beiden und zeigte ihne persönlich ihre ´Kojen´. Anders als erwartet waren die Zimmer groß und die Betten schienen bequem. Doch die wichtigste Frage der beiden Köche war die Speisekarte der hauseigenen Küche. Und so fanden die beiden sich genau an diesem Ort wieder, um sich selbst ein Bild zu machen …

Überraschenderweise war der Küchenmeister, besser gesagt die Küchenmeisterin, eine junge Frau namens Orgiltraute. Das schmale Mädchen trug einen blauen Kittel und hatte ihr Haar unter einer Haube verdeckt. Keiner der beiden schätzte sie über zwanzig Sommer und ihre hellblauen Augen sprachen von Jugend. Über eine dicke Forelle gebeugt und mit einem scharfen, schmalen Messer in der Hand begrüßte sie die Köche mit einem fragenden Blick, als dieser vor ihr standen.

“Trravia und ihre Geschwister zum Grruße!” schnurrte der wuchtige Rabensteiner Koch. “Darf isch uns vorstellen? Dies hier ist die Meisterin Vitualia von Lilienhain, Leibköchin ihrrer Hochgeboren, und isch bin Bogumil ‘iligon, Burgkoch zu Rabenstein.”
Nachdem diese Vorstellung endlich erledigt war, konnte man zum Wichtigen schreiten.

“Sagt, Meisterin, was gibt es heute?”
“Udenaurelle.”, war ihre knappe Antwort. Auch zeigte sie keinerlei Begeisterung. Neugierig wagte Victualia sich voran und musterte die Zutaten auf dem Tisch. “Sagt, Liebste, mit was Würzt ihr den Fisch.” fragte sie neugierig. Orgiltraute hingegen griff nach einem Küchentuch und bedeckte den Fisch. “Das geht euch nichts an, und wenn ich bitten darf, verlasst nun meine Küche!” Mit ernsten Blick schaute sie beide an. “Oh” Victualia schaute Bogumil erstaunt an.
“Nun, dann müssen wirr uns wohl Eurer Entscheidung beugen, Teuerste.”

Mit einem Kratzfuß deutete der beleibte Rabensteiner Koch seinen Rückzug an.
“Vicutalia, was würrrdet irr bei einem unwillkommenen Topfgucker tun?” wandte er sich an seine Begleitung.
“Im Seelander ‘abe isch einmal gesehen, wie einerr meiner Mitkösche einem Fremdling mit dem ‘ackbeil’ die Nase abgetrennt ‘at. Allerdings wär sie fast in Rragout gefallen - dass ‘at den guten Meister Brandil denn doch erschüttert.”
Zu der Köchin gewandt fügte er hinzu. “Wirr sind vollauf zufriedne, wenn irr uns später Eure Kunst kredenzt. Travia anempfohlen!” Ohne Beiden einen Blick zu würdigen, ließ die Köchin sie ziehen.

“Das war aber … unfreundlich. Nun, ein Glück hat sie nicht nach unserer Nase gezielt” Nun kehrte das Lächeln wieder in Victualias Gesicht zurück. “ Ich teile gerne meine Kochkunst. Wissen ist ja einerlei, dass Können das andere. Meint ihr nicht auch?” fragte sie doch gleich zurück. “Ich hoffe das die Frau des Händlers Bärlicher freundlicher ist. Schnitzel und Haxe wurden uns ja versprochen.” Ohne es zu merken, fand ihre Zunge ihren Weg über die Lippen.
“Ach was … jeden Kniff werrrde isch auch nicht verraten.” Brummte der Koch gutmütig. “Aberr der würrde einem armen Gesellen auch wenig nutzen.” Er grinste Vicutalia an.
“Nun aber ‘aben wirr uns die Schnitzel wahrlisch verdient - was denkt ihrr?” Victualia nickte zustimmend.

Ein wenig später standen die beiden Küchenmeister im Handelskontor des Zubert Bärlicher. War es vorhin noch gut besucht, waren sie jetzt so gut wie alleine. Nur eine blonde Magd kehrte den Dreck des Tages die Tür hinaus. Der dickliche Händler mit der Halbglatze wunderte sich nicht über die Nachfrage seiner Frau: ihr Udenauer Sniz war bekannt. Da es auch schon Mittagszeit war lud der Händler gleich beide ein. Nicht mal ein Stundenglas später saßen sie mit der Familie Bärlicher an einem Tisch. Hillatrude, seine Frau und Köchin der deftig duftenden Schnitzel, saß den Beiden gegenüber und beobachtete jeden der Bissen der Baronsköche. Das graue Haar hatte sie unter einem Häubchen verborgen, ihre feinen Augenbrauen bogen sich wie Schießscharten nach oben und ihre spitze, doch leicht nach oben gebogene Nase, unterstützte ihren neugierigen Blick.
Bogumil lächelte glücklich und zwinkerte der gnitzen Handelsfrau zu.
“Eurre Snitzel duften verrüfrrerisch!” raunt er ihr zu. “Und sie schmelzen auf derr Zunge!”
Glücklich vertiefte er sich in die nächsten Bissen und kaute mit nach innen gerichteter Aufmerksamkeit. “Sagt, wo bekommt ihrr dieses herrlische Fleisch ‘er?”

Nun wurde das grinsen der Bärlicher ganz breit. “Ich wußte das diese Frage kommen würde. Und nur euch werde ich mein Geheimnis verraten!” Nun kniff sie ihre Augen verschwörerisch zusammen. “In der Tat ist das Fleisch, das ganze Geheimnis, wie auch die Schweinepelle und das Fett. Mein Mann kauft sie von einer ganz bestimmten Schweinebäuerin.” Sie griff nach dem Saucentöpfchen und goß den Köchen noch mehr auf den Teller. Eine kurzen moment des Schweigen entstand, während Victualia und Bogumil darauf wartet, das sie weiter sprach. “Oh, verzeih Liebste. Ich bin jetzt wohl dran.”, unterbrach der Händler, der erst jetzt den abwartenden Blick seiner Frau sah. “Ja, die Schweinebäuerin Yolante Ferkelin. Die hat ihren Hof im Herzen der Baronie, im Dorf Schweinsfold.”

“Oh, da liegt der Familiensitz der Baronin. Ich war noch nie dort, aber der Junker, also der Vater der Baronin, ist ein Drachenjäger.”, platze es freudig aus Victualia hinaus. “Ich war noch nie dort, aber alle erzählen sich, dass es der schönste Ort Schweinsfolds ist!” Ihre Augen glänzten, während sie aufgeregt Bogumils Schulter rieb.
“Es muss an ihrer besondere Zucht liegen. Aber sie hat nicht immer die wohlschmeckenden Schweine vorrätig. Alle paar Monde aber habe ich Glück. Und nur ausgewählte Käufer stehen auf meiner Liste.” Nun grinste der Händler.
“Vermutlisch liegt es am Futterr.” mutmaßte der Koch. “Esch liegt immer am Futterr.”

Er sann einige Augenblicke nach.
“Aberr sagt, ‘err Bärlischer, mit was ‘andelt ihrr üblischwerweise, wenn nischt gerade Eure holde Gemahlin Reisende mit ihrer Kochkunst verwöhnt?” fasst der beleibte Koch neugierig nach. Er besaß inzwischen ein beachtenswertes Netz an Handelskontakten fast quer über den Kontinent, auf dessen unsichtbaren Fäden kostbare Gewürze, Grundlagen für Leckereien und Rezepte zu ihm flossen .. und ebensoviele Kreationen, Rezeptideen und wohlgemeinte Weitergaben schwer erhältlicher Ingredienzien wieder zurück, so dass die weit verstreuten Knotenpunkte sich durch eines auszeichneten: gute, wahrlich gute Küchen.
“Viecher. Schweine, Schafe, Hühner. Manchmal sogar Esel aus Hadingen. “, sagte der Händler stolz. “Morgen gehts wieder nach Schweinsfold. Ich hoffe es gibt wieder was gutes. Wollt ihr vielleicht mitkommen? Vielleicht verkauft die Ferkel eines ihrer Schweinchen an euch.” einladend hob der Bärlicher seine Hand den beiden Köchen entgegen.
“Ah - Eselsikrami!” Begeistert schmatzte Bogumil mit den Lippen. “Fast so gut wie euerr Snitzel!” Er zwinktere Vicutalia zu. “Wollen mir mitkommen, Meisterin?”
Die Herzogenfurterin strahlte über ihre beiden, rundlichen Wangen. “Das würde ich sehr gerne. Und wenn wir beide ein Schweinchen bekommen, bin ich mir sicher, dass wir Wunderwerke schaffen können, meint ihr nicht, Bogumil?”
“Unbedingt!” stimmte der Liebfelder voller Begeisterung zu. “Und die Bäckschen teilen wirr uns!” Ein Scheintern zog er nicht Betracht.

Das Schweinsfold


Dorf Schweinsfold, 9. Ingerimm 1042 BF
Gemächlich waren die Küchenmeister am Morgen von Udenau aufgebrochen und folgten dem Fuhrwerk des Händlers Bärlicher mit ihren Karren. Der alte Pfad führte direkt ins Herzen der Baronie Schweinsfold und war geprägt von langgestreckten Weiden, vielen Höfen und vor allem Schweine-, Schafs- und Rinderzüchter. Und so war der Anblick von Schwein bis Rind bald ein gewohnter Anblick und die Luft mit ihrem würzigen Geruch geschwängert. Zubert Bärlicher war ein wohl bekannter Mann in dieser Gegend, den es gab kaum einen Bauer der ihn nicht grüßte. Die kulinarischen Speisen wurden allerdings immer einfacher und erfreut die verwöhnten Zungen der beiden Küchenmeister eher wenig.
Die Nacht verbrachten sie bei einem Großbauern, dessen Gemahlin eine recht fade Mehlsuppe mit Schwarzbrot auftischte. Hier jedoch fühlte sich Victualia berufen, der guten Frau unter die Arme zu greifen und rettete das Abendmahl mit einfachen Mitteln. Der Abend endete mit geselligen Gelächter und einer Geschichte aus Meister Bogumils Munde. Am Morgen verkündete der Händler, dass man wohl Schweinsfold, das Dorf nach dem die Baronie benannt wurde, am Nachmittag erreichen würde. Victualia erzählte dem Horasier einige Geschichten über diesen Ort, dass das Dorf sogar älter sein sollte, als die Stadt Herzogenfurt und das hier, sie zeigte in die Umgebung, die ´ Mutter aller Säue´ einst gelebt haben solle. Noch immer war das Herz des Landes von der Zucht mit dem Schwein geprägt und es sollte reichliche Rotten von Wildschweinen im Foldenforst leben.
Der Foldenforst war einer der wenigen größeren Wälder in der Baronie, den nun, im fortgeschrittenen Tage, in Sichtweite rückte. Wie vorangekündigt erreichten die beiden Wagen am Nachmittag das Dorf Schweinsfold, das sich kaum von einem einfach Dorf von Schweinebauern unterschied. Keine Herberge oder Taverne hatte der Ort zu eigen, wobei die Bauern gelegentlich beim alten Schulzen sich zu einem Umtrunk einfanden. Trotz der vielen Höfe und dem nahe gelegenen Waldesrand wirkte der Ort ´staubig´ und der strenge Geruch vom Schwein war allgegenwärtig. Die einzige Attraktion, die Schweinsfold aufweisen konnte, war eine grob geschlagene Statue eines Ritters, der einem Drachen das Schwert in die Brust schlug. Diese stand an dem Beginn eines steinigen Pfades, der wohl zu dem Gut des Junkers, Stammsitz derer ´von Schweinsfold´, führte. Recht enttäuscht vom Ort, erklärte die Küchenmeisterin dem Küchenmeister, dass es sich hierbei um den Junker selbst handeln sollte, der wohl in jungen Jahren gegen den Drachen, einem Lindwurm, Chaidarion im Almadanischen zog. Es war der Händler, der beide unterbrach, doch die sichtlich enttäuschten Gesichter ignorierte. “So, da sind wir. Ich werde kurz zum Schulzen Bachenvater gehen. Der Hof der Ferkelin liegt dort drüben. Ich komme dann später dazu.” Er zeigte auf eines der größeren Höfe. “Gut.” Bogumil betrachtete, mit einem mal ungewohnt schweigsam, das staubige Dorf und runzelte die Stirn.
“Hmja.” Überlegte er. Es roch wirklich wie in einem Schweinekoben - doch ohne Schweinekoben kein Kotelett, kein Schnitzel, keine Schweinebäckchen und keine Wurst.

“Schaut nicht so betrübt, Teuerste. Wirr suchen uns eine gute Unterrkunft - und schlimmstenfalls stellen wirr uns eben in die Küsche.” tröstete Bogumil seine Handwerksschwester.

Gemächlich schritten die Beiden auf den großen Schweinehof zu und wurden doch von einem Kunstwerk überrascht. Unerwarteterweise war der Eingang zum Hof mit einem hölzernen Torbogen versehen, nicht allzu groß, doch kunstvoll mit den Motiven von Schwein und floralen Mustern verziert. Beim Betreten wurden die Küchenmeister von einem fröhlichen Grunzen und Quieken begrüßt und unzählige und neugierige Schweinsäuglein betrachteten die Ankömmlinge. Nun war es Victualia, die bei dem Anblick der rosa Prachttierchen sich ein breites Grinsen in ihrem rundlichen Gesicht erlaubte. “Ach, sind die niedlich!” Mit schnellen Schritten wagte sich die Herzogenfurterin an das erste Schweinegatter und streichelte eines der neugierig schnüffelnden Schweine. “Bogumil, so schaut doch, die kleinen Ferkel da drüben!” Nun lachte Victualia herzlichst, als auch nun eine Gruppe Ferkel neugierig näher kamen. Noch während der Horasier sich um schaute, fiel ihm eine große Frau auf, die ihn misstrauisch von einem Stall aus musterte. Die Bäuerin war sicherlich 5 Halbfinger größer als er, besaß ein breites Kreuz, einen üppigen Busen und Bauch. Ihr rotes Haar war zu dicken Zöpfen geflochten und lugten unter einem braunen Käppchen hervor.
Gekleidet war sie in einem braunen Kleid mit lederner Schürze und Ihre fleischigen Arme hatte sie in die Hüfte gestemmt.
“Trravia zum Grruße, werte Frau!” rief er ihr entgegen und winkte fröhlich.”Ihrr seid die ‘errin über all dieses Borstenvieh?”
Mit festen Schritten setzte die Bäuerin sich in Bewegung und ging auf die Küchenmeister zu. Noch im Laufen verschwand der misstrauische Zug und sie lächelte. “Wenn ihr die Ferkelin sucht, dann bin ich das.”, sagte sie mit einer überraschend lieblichen Stimme. Die Schweinebäuerin war sicherlich schon in ihren dreißigern, hatte ein rundliches Gesicht mit einem ausladenden Doppelkinn. Ihre grünen Augen hatten etwas erfrischendes, doch lenkte die Warze über ihren linken Mundwinkel etwas ab. “Yolante Ferkelin. Ja, das sind meine Borstenviecher. Im Namen der großen Mutter, was kann ich für euch tun?”
“Bogumil ‘iligon, zu eurren Diensten!” schnurrte der wuchtige Koch. “Wir ‘aben von eurren herrlischen Borstenviechern ge’ört und wollten uns selbst ein Bild davon machen. Darf isch vorstellen? Dies ‘olde Weib an meinerr Seite ist Meisterin Victualia von Lilienhain, Herrin über Küsche und Keller der Baronin.”

Er ließ einige Atemzüge verstreichen, auf dass seine Rede sich setzen und er wieder Luft für die Fortsetzung erringen konnte. “Zu gerrn wüssten wir das Ge’einis eurrer Schweine - und wünschen selbst eines dieser Tiere für einen prrächtischen Braten zu errwerrben!” Nun hatte sich auch Victualia dazu gesellt und strahlte die Bäuerin an. “Meister Bogumil hat sich selbst aber vergessen. Er ist der Küchenmeister des Baron von Rabenstein. Wir haben schon viel von Euch gehört und es scheint, dass ihr das Geheimnis der Köstlichen Zutaten vieler schweinsfolder Gerichte seid!”, fügte sie gleich an.
“Hmmm. Was für eine Ehre. Das kommt nicht oft vor.” sagte Yolante überrascht und deutete, einen etwas ungeschickten, Knicks an. “Dann schauen wir mal das wir das richtige Schwein für euch finden.” Kaum drehte die Bäuerin sich zum Gatter, da spürte Bogumil wie Victualia seine Hand gepackt hatte und sie fest drückte. “Bogumil, schaut!” flüsterte sie ihm erschrocken ins Ohr. Kaum folgte der Küchenmeister den Blick der Herzogenfurterin, musste auch er um seine Fassung ringen. Dort, woher die Ferkelin herkam, lugt nun ein Kopf von der Stalltüre. Ja, es war ein Schwein, doch hatte es eine Größe, wie keiner der beiden Küchenmeister es je gesehen hatten. Der Kopf war mächtig, sicherlich die eines Rindes ebenwürdig. Mit listigen Blick, fast schon ein intelligenter, schaute es die beiden an.
“Was fürr ein Trumm!” Mit einer Mischung aus Faszination und Schrecken beäugte der Koch das gewaltige Vieh und schien im Geiste bereits die Menge an verwertbarem Fleisch zu berechnen. “Damit kann isch zwei Dutzend Leute füttern!”

Er schüttelte den Kopf.
“Frau Bäuerin, wie bekomm irr die Viecher derarrrt grroß?”
Misstrauisch zog die Bäuerin die Brauen zusammen und ließ ihren Blick zum Stall wandern. Die riesige Sau machte einen Satz nach hinten und verschwand wieder aus dem Sichtfeld. “Ach, ihr meint Fätzy. Die Mutter meiner schönsten Schweinchen. Ja, sie ist etwas Besonderes. Aber auch die einzige, die so prächtig ist. Die große Mutter allein mag wissen, warum sie so groß geworden ist.” Dann dachte sie nach. “Wartet bitte kurz hier, ich glaube ich habe das richtige für euch.” Plötzlich marschierte sie los, direkt auf die Bauernkate zu. Der kritische Blick, den sie den Beiden noch einmal zu warf, entging den Küchenmeistern nicht. “Das war jetzt aber komisch.”, murmelte Victualia vor sich hin und ließ ihren Blick von der Kate zu Bogumil und dem Stall mit der Sau wandern.
“Hm - das warrr seltsam.” Stimmte Borgumil zu und eine argwöhnische Linie bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. “Meint irr, das geht alles mit reschten Dingen zu? Was für ein Trumm!”
Nun grübelte Victualia. “Nun, was sollte nicht rechtens sein. Die meisten Schweine die ich kenne, sind schon zerlegt oder zu Würsten verarbeitet. Was geht euch durch die Gedanken?” fragte sie.

Dann erklang ein erstickter Schrei aus dem Stall. Es war kurz und hörte sich menschlich an. Victualia zuckte kurz, schaute dann zur Bauernkate, dann zum Stall, dann zu Bogumil. “Was war das? Habt ihr das auch gehört?” “Dass klang nicht wie ein Schwein!” stimmte Bogumil zu und war bereits dabei, in den Schweinstall zu klettern. “Kommt irr mit?” wollte er wissen.
Noch einmal schaute sie sich um, doch setzte sich dann in Bewegung. “Na alleine geht ihr da nicht rein!”
Kaum hatten die beiden Küchenmeister den Schweinestall erklommen, stach ihnen der Gestank der Schweine scharf in ihre feinen Nasen und ließ das innerste erst einmal in einem schummrigen Licht erscheinen. Viele kleine Schweinchen waren in einem Gatter gepfercht und irgendwo am anderen Ende befand sich wohl Fätsy, die Muttersau. Dann fiel den Beiden ein Korb auf der mit allerlei Kleidungsstücken gefüllt war. Das meiste war feiner Zwirn, Roben in Gold, Weiß, Rot … war da etwa eine Kette mit einer flammender Sonnenscheibe neben dem Korb. Verwundert schaute sich beide an. “Oh ...bei Praios...helft.”, röchelte eine männliche Stimme aus einer Ecke. Dann schälte sich ein Mann aus den Schatten. Der etwas Fünfzigjährige war in einer, nun schmutzigen, weißen Robe mit Goldsäumen gekleidet und war gefesselt. Ein dunkles Muttermal auf seiner linken Wange war kaum zu übersehen und der Blick seiner blauen Augen wirkte gebrochen.
“Bei Travias Nudelholz!” Bogumil klappte seinen Mund wieder zu, der ihm bei diesem Anblick offen gestanden hatte, und arbeitete sich auf den unglückseligen Geweihten vor.

“Wirr ‘elfen Euch, Euerr Gnaden!” Bogumil arbeitete sich mit ob des Gestanks gerümpfter Nase auf den Unglücksraben vor und zog ein Messer aus seinem Gürtel, das, mit einer schneidend scharfen Klinge auch perfekt für einen gut abgehangenen Schinken geeignet gewesen wäre. Mit erstaunlich wenig Säbeln löste er die Fesseln des Mannes. “Wer seid irr und wie seid irr ‘ierherrgekommen?” Wollte er wissen. Auch Victualia folgte Bogumil und schaute ungläubig auf den Gefangenen. Ein Diener des Sonnengottes? In einem Schweinestall und gefesselt? Fast waren die Gedanken schon zu viel für die Köchin.

Eilig rieb sich der Gefangene seine Handgelenke, nach dem er von den Fesseln befreit war. “Dieses Weib .. sie ist eine Hexe!”, stammelte er. Dann blickte er beide verbittert an. “Mein Name ist Praio…”, weiter sprach er nicht und riß seine Augen vor großem Schrecken auf. Es dauerte einen Augenblick, bis die Küchenmeister begriffen, das der ´Schreck´ wohl genau hinter ihnen stand. Victualia und Bogumil drehten sich vorsichtig um und sahen die große und üppige Bäuerin vor sich stehen. Noch bevor einer der Beiden etwas sagen konnte, gab Yolante Ferkelin den beiden einen Klapps auf die Stirn. “Was ihr jetzt braucht … ist eine große, vergessene Leidenschaft füreinander!”, sagte sie, während sie verschwörerisch lächelte.

Victualia wurde es heiß. Der Kochtopf mit dem siedenden Wasser für die Tannwalder kam ihr in den Sinn. Dann folgte der Hunger, der Hunger nach Leidenschaft und körperlicher Nähe. Ihr Blick galt Bogumil, der ihr so verlockend schien, wie ein Ulmentorer Pudding, der mit frischer Sahne aufgetischt wurde. Während sie an ihrer Bluse nestelte, um diese loszuwerden, vergaß sie alles andere um sich herum. “Aberr … sie ist doch ver’eiratet!” begann sich das Karussell der Gedanken im Kopf des wuchtigen Kochs zu drehen. ‘Bei Travia und allen Zwölfen! Aber sie sieht so unfassbar verlockend aus!’ Victualia besaß einfach alles, was eine Frau anziehend machte - Witz, Kochkunst, Wissen und guten Geschmack - und von allem so viel, dass sie auch eine ordentliche Handvoll war. Die Einwände und den stinkenden Stall um sie herum wischte das urplötzlich aufgeflammte Verlangen in seinem Geist einfach beiseite, als er mit hastigen Händen begann, den Bund seiner Hose aufzunesteln.

Die Kleidung war schnell gefallen, während die leidenschaftlichen Küsse gierig eingefordert wurden, ganz so als biss sie in eine saftige Birne an einem heißen Sommertag. Die erste Berührung der Leiber erinnerte an die sanfte Haut des aranischen Pfirsichs, doch das rhytmische Klatschen das folgte, ließ Victualia an´s Weichklopfen eines zarten Schweinerücken denken. Beide wälzten sich im Heu, doch selbst das ferne Quicken der Schweinchen holte sie nicht aus ihrem Rausch zurück.

Katermorgen


Dorf Schweinsfold, 10. Ingerimm 1042 BF
In der Ferne riefen die Hähne den Morgen aus, das Schweinsfold war am erwachen.
Victualia öffnete die Augen und musste feststellen, das ihr eigenes Schnarchen sie geweckt hatte. Der Geruch von Stroh und Schweinedung strach ihr in die Nase und sie musste feststellen, das nackt und einer Decke, mitten auf einem Haufen Stroh lag. ´Wo war sie? Was war geschehen?´ Mühsam schaute sie sich um und bemerkte, das noch jemand hier am schnarchen war. Nicht unweit von ihr, ebenfalls unter einer Decke, lag ein kleiner Berg von Mann und schlief. “Meister Bogumil?” brachte sie zart hinaus. Dann erinnerte sie sich an … Schweinsfold … die Bäuerin Ferkelin und … Victualia errötete. Hatte sie wirklich … Rahja gehuldigt? Das Gefühl war angenehm und es durchzog eine Welle von Wonne ihren Körper. Dennoch hinterließ es auch einige Verwirrungen. Je mehr sie sich anstrengte nachzudenken, es gelang ihr nicht, das ´Warum´ zu ergründen, geschweige den die Einzelheiten aufzurufen. Es kam ihr vor wie ein Traum. Sie richtete sich auf und sah, neben einem leeren Korb, die Kleidung der beiden, sorgfältig zusammengelegt. Vorsichtig ging sie darauf hin zu und kleidete sich an. Kaum hatte sie ihr Häubchen aufgesetzt, öffnete der rabensteiner Küchenmeister seine Augen.
Bogumil grunzte, dass selbst die Schweine verstummten, und ein gewaltiger Nieser schüttelte den wuchtigen Mann. “Ach, bei Rrrahja, warr dass ein schöner Trraum!” Er rieb sich die Augen, nieste erneut und riss die Augen auf, als das Stroh ihn piekste. “Frrrau Vicutalia?” Verdattert betrachtete er die Köchin und ein scheues, doch sehr glückliches Lächeln überzog seine Züge, als er hastig seine Kleidung anlegte.

Er betrachtete den leeren Korb und runzelte die Stirn. Irgend etwas fehlte - und überhaupt, wie kamen sie eigentlich hierher?
“Wisst irr, warrum wirr hier sind? Haben wir … ?” Er ließ den Satz unvollendet, wurde leicht rot angesichts Vicutalias, blickte sich um und betrachtete die Schweine und die riesige Sau. “Was fürr ein Trumm!” stellte er nochmals fassungslos fest. “Aberr hierr war doch noch etwas … .” Grübelnd furchte er die Stirn und kämpfe leidlich erfolglos darum, seine Gedanken zu ordnen - so ungleich schwieriger war dies als die Vorbereitung eines Banketts kurz vor dem Auftragen des Hauptganges, wenn in der Küche dutzende Hände werkelten und jeder Platz auf dem Herd belegt war und alle Töpfe bordelten - ein scheinbar vollkommen ungeordnetes Chaos, in dem doch jeder Handgriff, jede Tätigkeit mit der Präzision eines feinmechanischen liebfeldischens Uhrwerks ablief. Das beherrschte er bravourös. Aber was um der Zwölfe willen war hier passiert - eingehüllt in ein wohliges rosa Gefühl wie Almadaner Weincreme mit Eierschaum?

Bevor Victualia antworten konnte, kam eine magere, junge Frau in den Stall. Im robusten Bauernkleid gewandet, das krause Haar ungebändigt und eine Nase, die den kleinen Ferkelchen alle Ehre mache würde, grinste sie beide an. “Na guten Morgen. Meine Mutter hat mich geschickt, um zu schauen, ob die Herrschaften schon wach sind. Ihr ward ja gestern sehr müde von der langen Reise und die Turteltauben haben es ja nicht weit geschaft.” Sie zwinkerte verschwörerisch. “Ich hab die Decken gebracht. Nun, Mutter hat eine Morgenmahl bereitet und auch ein Schweinsfold gebraten. Ach ja, ich bin Pecante, aber nennt mich ruhig Peggi.” Dann machte sie wieder Anstalten zu gehen, doch winkte sie den beiden, ihr zu folgen.
Mit hochroten Kopf schaute die Küchenmeisterin Bogumil an, es gelang ihr nicht etwas zu sagen und schaute fragend. Bogumil lächelte Victualia an und hob die Schultern, bevor er sich schüchtern zu ihr beugte und ihr einen Arm anbot. “Was ‘altet Ihrrr von einem guten Frü’stück?”

Mit der Köchin am Arm schickte er sich an, den Schweinestall - in dem es wirklich penetrant roch - zu verlassen. Er mochte Schweine - doch vorzugsweise geschlachtet, gesengt und an den Hinterbeinen zum Ausbluten aufgehängt.

Kaum hatten die Beiden die Bauernkate betreten, zog ihnen ein kräftiger Geruch von gebratenen Zwiebeln und Schinken entgegen. Das Innere war rustikal, doch sehr aufgeräumt. Selbst die an den Balken aufgereihten Kräuter wirkten sortiert, doch fiel ihr blick gleich auf die Herrin des Hauses. Die große Schweinebäuerin stand vor einer Feuerstelle mit einer gewaltigen Gusspfanne in der Hand. Sie vollzog einen schwingenden Ruck und das goldgelbe Gemisch aus Ei, Schinken, Zwiebel, Erdäpfeln und Pilzen, wirbelte in die Luft, drehte sich und landete zielsicher wieder in der Pfanne. “Genau richtig. Das Schweinsfold ist fertig.” sagte sie bestimmt, ohne den Blick von der Pfanne zu richten. Ihre Tochter wies den Küchenmeistern an einem wuchtigen Tisch platz zu nehmen.
“Oh das riecht aber gut, Frau Ferkelin.” Wie wie weggeblasen war das seltsame Erwachen beim Anblick eines deftigen Frühstücks. “Hmmm - Essen und Land bedingen sisch doch immer, nischt war?” Schnupperte der Rabensteiner Koch und versuchte, mit einem energischen Kopfschütteln den Nebel aus seinen Gedanken, der den vergangenen Abend einhüllte, zu vertreiben. “Gute Frrau, könnt irr uns sagen, wo wirr uns vor dem Mahle waschen können? Misch deuscht, wirr duften nach Schweinekoben.”
“Ist dem so? Ich rieche das nicht mehr. “ Die Bäuerin grinste. “Hinter dem Haus ist ein Trog mit Frischwasser. Peggi kann euch zeigen wo und auch ein Stück Seife bringen.”, sagte sie beiläufig, während sie wieder die Pfanne schwang. Ohne zu zögern setzte sich ihre Tochter in Bewegung. “Na, dann folgt mir.” Dann ging sie voran.
“Dann nischt wie los! Ungewaschen setzt man sich nischt an einen Tisch!” rieb der Rabensteiner Koch sich seine wuchtigen Pranken und marschierte hinter dem Töchterlein des Hauses nach draußen. Seiner fein geschulten Nase war der Gestank nach Schweinestall ordentlich zuwider - und er würde sie auf keinen Fall mit einer Mischung davon und den Düften des frischen Omelettes beleidigen.

Nach dem Waschen folgte ein üppiges Frühstück und wie zu erwarten, war das ´Schweinsfold´ eine weitere Köstlichkeit. Auch wenn die Küchenmeister Bogumil und Victualia das Gericht auch unter anderen Namen und Varianten kannten, war auch hier das Schweinefleisch besonders herzhaft. Zu guter Letzt hatte die Schweinebäuerin Yolante noch eine Überraschung für die beiden.
“Es war mir eine Ehre euch beide zu beherbergen und zu bekochen. In der Zwischenzeit habe ich zwei meiner besten Schweine für euch ausgesucht.” Noch bevor einer etwas sagen konnte, winkte die große Frau ab. “Lasst euer Geld stecken. Die sind ein Geschenk an die Hochgeborenen.” Peggi reichte Victualia ein quiekendes Ferkel und Yolante dem Rabensteiner Küchenmeister ein Schwein an einem Seil. Dieses grunzte ihn an und gab sich leicht störrisch. Nur kurz stutzte Bogumil, als er den dunklen Fleck an der linken Wange des Schweins bemerkte.

Er runzelte die Stirn, vermochte es aber beim besten Willen nicht sich zu erinnern, warum ihm das Schwein so seltsam erschien - fast jedes Schwein war gescheckt, um so mehr, je weiter man nach Norden kam und um so mehr die Tiere wie Wildschweine aussahen. Und schmeckten.

Das Ende einer kulinarischen Reise


Herzogenfurt, 12. Ingerimm 1042
Vorsichtig rutschte Victualia ihr Schürze zurecht und atmete tief durch. Ihr Blick ging durch die große Küche der Burg Herzogenfurt und eine vielzählige Truppe aus Köchen, Mägden und Knechten legten ihren Blick wiederum auf sie. Nun war es soweit, dass sie ihren Dienst als Küchenmeisterin der Baronin von Schweinsfold anzutreten hatte. Kurz dachte sie an die vergangenen Tage zurück, an die kulinarischen Reise, ja dem kulinarischen Abenteuer, das sie mit dem rabensteiner Küchenmeister erlebt hatte. Soviel hatte sie in der kurzen Zeit gelernt und einiges an Finesse der Kochkunst des erfahrenen Bogumils an sich genommen. Und da war mehr. Nicht nur die reine Lust am Kochen verband die beiden, sogar das Herz spielte mit. Der ältere Mann hatte sie mehr verstanden, als ihr eigener Gatte. Dennoch wußte sie, das ihre Leben nicht zusammen gehörten und Rahja ihr nur zeigte, was sein hätte können. Mit einem Räuspern wischte sie den Gedanken zur Seite. “Travia zum Gruße, allesamt. Es wird einige Änderungen geben in den alten Rezepten meines Vorgängers. Es wird Zeit die Seele Schweinsfold den hohen Herrschaften aufzutischen. Ich erwarte von jedem, das er meinen Worten genau und schnell befolgt und meine Zunge nicht in Frage stellt.” Sagte sie sicher und strenger als gewollt. “Nennt mich Meisterin Victualia und nur Meisterin wenn es schnell gehen soll.” ´oder Herrin und Gebieterin´, setzte sie stumm in Gedanken dazu und hörte dabei die Worte in der Stimme Bogumils. Victualia musste schmunzeln.



In der Küche der Rabenstein glichen die Abläufe für das ungeübte Auge einem heillosen durcheinandern - doch der Blick des Herrn und Meisters über Küche und Keller erkannte darin einen wohleinstudierten, militärisch präzise vollführten Reigen, an dem alles und jeder seinen eigenen Ort und Platz besaß - und seinen exakten Zeitpunkt. Selbst wenn es sich heute nur um ein gewöhnliches Abendessen für die Burgleute und die Herrschaft handelte - und nicht um ein Bankett mit vielen adligen Gästen, was diese Burg bedauernswerterweise nur seltenst sah. Er schmatzte mit den Lippen, als ein Knüchenknecht die frisch gesottenen Würste nach Tannwalder Rezeptur mit einem langen Rührholz aus dem Bottich hob und einen Augenblick lang verklärten sich seine Augen beim Gedanken an die Reise durch das Land der Schweine mit der gewitzten Küchenmeisterin Vicutalia - die er einmal wieder zu besuchen plante. Bald Was für eine Frau!
Und was für eine Kochkunst!