Nilsitz Jagd Phexens Pfade

Kapitel 7: Phexens Pfade und Rahjas Wege

5. Ingerimm

Inhalt:

Phexens Pfade und Rahjas Wege (5. Ingerimm)

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Phexens Pfade und Rahjas Wege (5. Ingerimm)

Es war am selben Abend, da der Vogt von Nilsitz einen Boten zu Rahjania Al-Azila Ahmedsunya sandte, der sie höflich bat ihr zu folgen.  Der Angroscho führte die Geweihte durch die Große Halle zum Küchentrakt und von dort über eine breite Treppenstiege, an deren Seiten Schienen angebracht waren, abwärts in die tief unter dem Waldboden liegenden Keller der Jagdhütte. Auffällig war, dass die hölzerne Einschalung des Treppenaufgangs, die das Erdreich stützte, schon nach kurzem wich und nackter Stein zum Vorschein kam.  Ein langer von wenigen Fackeln nur für das menschliche Auge unzureichend erleuchteter Gang offenbarte mehrere, schwere Holztüren, die mit Eisenstreben verstärkt waren. Zu einer dieser Türen wurde sie geführt. Der weißblonde Zwerg, den Rahjania schon zuvor in der Nähe des Vogts erblickt hatte klopfte und öffnete die Tür, nachdem er ein einfaches “Da” vernommen hatte, blieb jedoch im Türrahmen stehen und wies die Geweihte an einzutreten. Der Raum in den Rahjania trat war karg eingerichtet, aber es war auch nicht eben nur ein einfacher Kellerraum. Dominierend war ein großer, massiver Schreibtisch aus fast schwarzem, poliertem Holz, hinter dem Borindarax von Nilsitz saß und sich freudig lächelnd erhob, als sie näher trat. Eine kleine Anrichte und ein geräumiges Bücherregal komplettierten die Inneneinrichtung, welche von einer großen Öllampe ausreichend beleuchtet wurde. “Setzt euch Ehrwürden”, wies der Vogt sogleich auf einen bequem aussehenden Ohrensessel, ähnlich dem seinigen hinter dem Schreibtisch. “Ich hoffe ihr hattet bisher einen angenehmen Aufenthalt?” Mit nicht zu übersehender Neugier war die Tulamidin dem Zwerg gefolgt, hatte etwas verträumt über die Steinwände gestrichen und setzte sich freudig in die angebotene Sitzgelegenheit. “Oh, vielen Dank Vogt, es ist großzügig von Euch, dass ich, als Geweihte, noch dazu aus Weiden, zu dem Fest kommen durfte. Ich bin begeistert, so viele Eindrücke..” Sie strahlte den Zwerg ehrlich an. “Wisst Ihr, bisher hatte ich mit der Kultur Eures Volkes nur am Rande zu tun, mir waren die Finsterzwerge bekannt, und da gibt es viele Vorurteile. Ich musste mich erst an die Architektur gewöhnen, aber Ihr habt wirklich eine beeindruckende Hütte. Und hier im Wald ist es fast wie bei uns. Nur …” Sie machte eine vage Bewegung mit der Hand. “Diese Spinne …. sowas kenne ich nicht. Bei uns streifen Orks durch die Wälder. Ist es üblich, dieses Viehzeug zu essen? Lohnt sich das?” Nur kurz zeigte sich ein Anflug von Unmut auf den Zügen des Vogts. Den Vergleich, den die Rahjageweihte betreffend der Finsterzwerge gezogen hatte, schien ihm nicht zu passen. Die Erzzwerge waren dafür bekannt, sich als Hüter der Traditionen und der Jahrtausende alten Kultur der Angroschim zu sehen. Die Finsterzwerge hingegen, eine Splittergruppe der Finsterkammzwerge waren für sie nur ein Haufen Abtrünnige. Als Borindarax auf Rahjania antwortete war dieses ‘Missverständnis’ jedoch bereits vergessen. Amüsiert hob er die Hände, wie als wolle er die Geweihte beschwichtigen. “Ihr werdet auf dem kommenden Gelage Gelegenheit haben es selbst für euch herauszufinden. Jeder der möchte, wird von der Suppe kosten können.  Ich selbst bevorzuge eher Große Schröter, wie wir ihn zur Einweihung des Kortempels im Rondra serviert bekommen haben, doch schmeckt Spinne nicht so übel wie sie aussieht. Orks hingegen sind uns nicht so unbekannt, wie es euch erscheinen mag. Erst im Phexmond sind Schwarzpelze brandschatzend von Paggenau bis vor die Tore von Wolfshag gezogen. Das liegt im Firun der Ingrakuppen. Wolfsstein, die Baronie in der Wolfshag liegt gehört bereits zum Randgebiet des gratenfelser Beckens, dem dichtbesiedelsten Region der Nordmarken.” Er nickte grimmig, wie um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. “Die Eisenwalder haben sie aufgehalten und vor den Toren des Marktfleckens bis auf den letzten Mann aufgerieben. Ihr Kriegsoger war schon dabei das Tor mit einem Baumstamm anzugehen. Schlimmeres wurde verhindert.” Rahjania nickte anerkennend. Diese Zwerge schienen tauglich und und von den Problemen, mit denen sie oft zu kämpfen hatte, keine Angst zu Haben. ”Wacker, Vogt Borindarax, ich bin beeindruckt. Die Schwarzpelze sind eine Plage bei uns. Wir könnten, zum Schutze der Bauern Leute wie Euch gut brauchen.” Lieblich war ihr Lächeln und ebenso lieblich legte sie anständig ihre Hände in den Schoß. “Aber das mit dieser Suppe...versteht mich nicht falsch..” Sie lächelte verlegen, doch wirkte es bei ihr, sie war eine Schönheit, die sie zu verstecken wusste, anziehend, ansteckend und… ja, lieb. “Es geht mir weniger darum, ob es den Leuten mundet. Wisst Ihr, bei uns hungert die Bevölkerung schon in normalen Wintern. Ich suche nach einer Lösung. Eine Nahrungsquelle, die leicht mit Abfall zu ernähren ist und Energie spendet. Deshalb interessiere ich mich für diese Viecher. In Wagentrutz würde ich sie natürlich in einem Gehege im Wald halten und, zerstampft, als `falsch Wachtel` den Hungernden anbieten…..ja, ich kümmere mich, nicht nur so, wie die Meisten meinen.”  Die Überraschung über diese Eröffnung der Geweihten verheimlichte Borindarax nicht. Beide Augenbrauen wanderten nach oben, seine Augen weiteten sich. “Auf diese Idee wäre ich nie gekommen, also einmal dass ihr euch um so etwas wie die Lebensmittelversorgung kümmert und zweitens, dass ihr Spinnenfleisch als … Ihr überrascht mich und das meine ich keineswegs negativ. Improvisationstalent ist wichtig.” Der Vogt legte den Kopf leicht schief und überlegte eine Zeitlang, bevor er weitersprach. “Hunger ist etwas, dass man mit allen erdenklichen Mitteln bekämpfen muss. Deswegen hier gleich ein konkreter Vorschlag.  Ihr könnt euch gern in der Küche ansehen, wie die Spinne zubereitet wird, wenn es euch weiterhilft. Bei der Haltung würde ich euch jedoch zu den weit weniger großen und minder gefährlichen Höhlenspinnen raten. Da könnte ich euch auch Exemplare aus den Gehegen Isnatoschs gegen entsprechenden Gegenwert anbieten. Was die Unterbringung im Wald angeht, so bin ich wahrlich kein Experte. Die Höhlenspinne hat ihren Namen nicht umsonst wie ich stark annehmen will. Fischerspinnen jedoch lebendig zu fangen, dann noch ein Pärchen bzw. ein trächtiges, Eier tragendes Weibchen halte ich für zu riskant.” Der Vogt seufzte und gestand der Geweihten dann, das diese Sorgen auch ihm nicht ganz fremd waren. “Offen gesprochen ist Hunger auch in Nilsitz nicht unbekannt während der kalten Götternamen. Schnee liegt hier in der isenhager Hochebene sehr lang, bedeutend länger als in den anderen Grafschaften.  Senalosch selbst ist dank der unterirdischen Pilzgärten und den weitreichenden Tunneln unabhängig und kann sich deswegen zu jeder Zeit selbst versorgen, wenn die Wege Überland zugeschneit sind. Die Bergdörfer sind es nicht.” Rahjania musste lachen. Es war nicht das erste Mal, dass ihre Gesprächspartner überrascht waren. “Ach Borindarax, ich wurde zwar in Fasar geboren, übrigens in einer hungernden Familie, aber ich passe mich an und mache, was die Göttin mir aufträgt. Sie hat mich nach Weiden geschickt, dort werde ich helfen, damit die Bevölkerung IHRE Schönheit und Harmonie sieht. Meine Gläubigen sind mir wichtig.” Sie strich sich ihre dunklen Haare hinter die Ohren und wurde ernster. “Ich habe Eure Verwunderung bemerkt. Die Weidener sind etwas...wie soll ich sagen...konservativ. Man sollte es nicht als Spinne erkennen und allzu gefährlich sollte das Unternehmen auch nicht sein, wir haben wöchentlich Überfälle der Schwarzpelze auf Dörfer, da kann ich keinen Krieger Spinnen hüten lassen. Aber ich werde später mit dem Jäger darüber sprechen.” Sie seufzte resigniert, aber er sah in ihren Augen, die nichts verbargen und voller Vertrauen waren, dass sie das Thema im Hinterkopf behielt. “Etwas anderes interessiert mich.. wenn es nicht zu indiskret und persönlich ist.” Sie schmunzelte verlegen, ein seltener Anblick bei einer Rahjani. “Es geht um Euer Volk, ich kenne es kaum. Mit wem könnte ich über einige … intimere Dinge sprechen? Es dient dem Wohle und der Freude aller. Außerdem wird es meine Neugier befriedigen.” Erneut zeigte sich Verwunderung auf den Zügen des Zwergen, diesmal jedoch ging sie nahtlos in ein charmantes Lächeln über, das von Verständnis kündete. “Da die Neugierde eben jene Eigenschaft ist, mit der ich laut meines Vaters Meinung mehr als überreichlich gesegnet wurde, habe ich vollstes Verständnis für eure Fragen.” Borax griff zu seiner Pfeife, die auf neben einem Stapel Papiere ebenfalls auf dem Schreibtisch lag. Es war ein kunstfertig geschnitztem Stück, dass zweifelsohne aus Bein bestand. Mit einem kleinen Zunderdöschen enzündete der Vogt den bereits gestopften Tabak und blickte danach wieder zu Rahjania auf. “Bitte, was möchtet ihr wissen?” “Wirklich, Ihr wollt mir antworten?”  Verschmitzt und sichtlich amüsiert, wenn auch etwas aufgeregt, richtete sich die hübsche Rahjani auf. “ich kenne Euer Volk schlecht. Es gibt viele … delikate Gerüchte.” Sie lächelte offen und neugierig. “Sagt, stimmt es, dass nur jeder dritte Zwerg weiblich ist? Was machen die überschüssigen Männer? Haben die keine rahjagefälligen Triebe, oder kommen die irgendwie anders damit klar?” Etwas im Blick der Geweihten ließ den Vogt schaudern. Es war anscheinend die harmloseste Frage, die sie hatte. Und es waren zweifelsohne die vorhersehbarsten gewesen. Sie jedenfalls brachten den Vogt nicht aus der Ruhe. Ganz im Gegenteil, genüsslich atmete er den würzigen Tabakrauch aus, nur um der Geweihten dann wortgewandt zu antworten. “Nun, ich bin sicher kein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet, aber ich denke ich kann euch dennoch weiterhelfen. Zumindest hoffe ich das.” Borindarax lächelte fast ein wenig frech. “Zunächst einmal sind wir kein anderes Volk, auch wenn man im Umgangston davon sprechen mag, so sind die Angroschim eine eigenständige Rasse, die mehrere Völker, wenn ihr so wollt Untergruppen besitzt. Menschen und Angroschim gehören jedoch nicht der gleichen Rasse an. Des Weiteren erscheint es mir so, als seien die langlebigen Rassen weniger fruchtbar als ihr Menschen. Dazu zähle ich die gern als Alte Rassen betitelten Elfen, Trolle, aber auch uns Angroschim. Schwarz- und Rotpelze haben eine noch geringere Lebenserwartung und bekommen noch weit mehr Nachwuchs, in kürzeren Intervallen, wie ich gelesen habe. Ob dieser Zusammenhang einen tieferen, göttlichen Sinn besitzt erschließt sich mir nicht, doch erkenne ich ihn als bedeutsam, ja signifikant an.” Erneut zog Borindarax an der Pfeife bevor er weitersprach. “Ja, es werden weit weniger Angroschax geboren als männliche Vertreter unserer Rasse und ja, dies führt bisweilen zu Konflikten.  Jedoch wirkt es auf mich so, als ob wir weniger … nun ja … Fortpflanzungstrieb besitzen als ihr Menschen. Ich denke eine Geschlechterverteilung wie bei uns würde bei euch Menschen zu … großen Problemen führen.” Der Vogt kratzte sich den Bart, scheinbar suchte er nach einem neuen Ansatz, das Thema anzugehen. “Der körperliche Akt, der in so vielen weniger anspruchsvollen horasischen Romanen eine zentrale Rolle einnimmt, steht bei uns einfach weniger im Mittelpunkt.  Der Erhalt unserer Rasse ist das, was entscheidend ist, nicht die ... fleischliche Vereinigung.” Er seufzte schwer. “Bleibt die Frage nach den überschüssigen, männlichen Angroschim.” Die Art wie Borindarax auf dieses Thema überleitete, seine Tonlage, seine Mimik verriet Rahjania, dass er nicht ganz unbeteiligt war und dass es ihn beschäftigte. “Es gibt viele Junggesellenhaushalte. Will sagen, männliche Angroschim leben gemeinsam unter einem Dach und werden so etwas wie Lebensgefährten.  Oft sind es Meister und Geselle, die sich durch die jahre- oder jahrzehntelange, gemeinsame Arbeit so aneinander gewöhnt haben, dass sie irgendwann beschließen, das ganze Leben miteinander verbringen, wenn keine Angroschna ihr Werben erhört hat. Häufig ist es so, dass diese Verbindungen besonders gesegnet sind, was die Kunst ihres Handwerks betrifft. Angrosch kann dies nicht als falsch erachten, darin sind sich unsere Priester sicher. Aber diese Bindungen sind nicht körperlicher Natur, vielmehr gleichen sie tiefen Freundschaften auf einer Ebene, die sich wohl kaum ein Mensch vorstellen kann. Ich meine damit, dass ich solche Lebensgefährten kenne, die zwei Jahrhunderte oder mehr Seite an Seite verbracht haben.” Ein wenig nachdenklich geworden über seine eigenen Worte zog der Vogt erneut an der Pfeife und blies den Rauch durch die Nasenflügel wieder aus. Eine kurze Pause entstand, bis Borindarax erneut aufsah. “Und eine bitte - nennt meine Rasse bitte nicht ‘Zwerge’, sondern gebt uns den Namen, den wir uns in Anlehnung an unseren Allvater gegeben haben. Ich mag dies leichthin abtun, bin den Umgang mit Menschen gewohnt, aber ihr werden im Verlauf der Feierlichkeiten erzkonservative Vertreter meiner Rasse antreffen, die die Betitelung ‘Zwerg’ als grobe Beleidigung ansehen werden.” Rahjania hatte während der Rede des Vogtes ein paar Mal die Stirn gerunzelt, ab und zu zufrieden genickt oder nachdenklich mit einer Haarsträhne gespielt. “Daran kann ich mich gewöhnen, also ab jetzt nur `Angroschim`. Eure Erklärung hat Licht ins Dunkel gebracht, aber auch Fragen aufgeworfen.” Unbewusst strich sie über ihr Wollkleid, dort, wo man, hätte sie einen großzügigeren Ausschnitt gehabt, ihre Rosentätowierung hätte sehen können. “Spielt Rahja bei Euch so gut wie keine Rolle? Es muss ja nicht zwischen Angroscho und Angroschna alleine zu berauschenden Berührungen kommen, kurz dachte ich, man würde der Schönen eher in der Vereinigung liebender Angroschim ehren, aber das scheint es auch nicht zu sein …. und weder Pferde noch Wein scheinen Eurer Rasse besonders zu behagen.“ Sie hob beschwichtigend die Hand, sie wusste, dass sie oft etwas direkt war. “Ich weiß, dass Rahjas Wirken überall ist. An manchen Orten stärker, an anderen weniger, manchmal muss man den … ich sage mal Menschen, da ich bisher hauptsächlich diese Rasse betreut habe .. erst zeigen, wo und was alles das Wirken der Göttin sein kann. Helft mir, Vogt. Wie ist Rahja in das Leben der Angroschim integriert?” Die Lippen des Zwergen formten eine schmale Linie. Er musste nachdenken, wie er auf diese Frage reagierte. Ganz offensichtlich wollte er nichts falsches sagen, die Geweihte nicht verletzen durch unbedachte Worte. “Nun, wir Angroschim haben einen Gott, der im Zentrum unserer Verehrung, unseres Glaubens steht”, begann er vorsichtig. “Daneben gibt es in unserer Vorstellung vor allem seine Söhne und Töchter, wie Simia und Kor. Wir leugnen die Existenz der Zwölfe nicht, aber sie haben schlicht kaum Bedeutung in der Lebenswirklichkeit unserer Völker und Reiche. Wobei man das auch nicht pauschalieren darf. In Tosch-Mur wird zum Beispiel auch Rondra verehrt, bei den oberirdisch lebenden Angroschim in den Städten des Kosch wie Angbar und Ferdok, in den Hügellanden ist es Travia. Jedoch stehen diese Gottheiten auch dort niemals auf gleicher Stufe wie Angrosch sondern weit dahinter in ihrer Bedeutung. In Xorlosch, Isnatosch und Angoramtosch, den Reichen meines Volkes benötigen wir einfach gesagt keinen Gott für Gastfreundschaft, Familie, Gerechtigkeit, Schutz und Wehrhaftigkeit, wie auch Freude und Feier. All dies ist selbstverständlich für uns Angroschim und vereint sich unter dem Angroschglauben.”   Rahjania hob das Kinn und betrachtete den Angroschim kritisch. “Soll das heißen, dass Rahja bei Euch überhaupt keinen Platz hat ? Sicher wird das Liebesspiel, so selten es auch ist, doch voller Leidenschaft und Harmonie sein. ODER? “ Sie wusste, dass es bei den Angroschim keine Rosen geben würde, aber sie wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht erblühte die Extase zwischen den Paaren selten, aber dafür umso intensiver … ? Der Vogt seufzte. Sie machte es ihm nicht leicht, also musste er wohl oder übel deutlicher werden. “Ich bin mir recht sicher, dass sich das Wirken eurer Göttin auch auf meine Rasse erstreckt, doch bin ich ein recht liberaler Vertreter, der am Hofe des Rogmarog mit Menschen und ihrem Glauben aufgewachsen ist. Es gibt erzkonservative Angroschim, die euren Glauben anzweifeln und offen in Frage stellen.” Borax sah den Unglauben in den Augen der Geweihten und hob erneut, beschwichtigend die Hände. “Darum”, lenkte er ein, “ist es auch gut, dass ihr hier seid. “Nicht umsonst bin ich für die Simiastatue im Angroschtempel von Senalosch verantwortlich und habe auch den neuen Kortempel befürwortet.  Ich möchte, dass ihr auf dem Gelage zu späterer Stunde eine kleine Ansprache haltet. Das Wissen um die Bedeutung des Glaubens an Rahja im Zusammenhang mit Feiern, Freude und Tanz bei euch Menschen macht dies fast unumgänglich, denn mein Ansinnen ist das Verständnis der Rassen untereinander.” Mit einem Augenzwinkern fügte er an. “Außerdem habe ich vor einen ganz besonderen Gast nach euren sicher ‘anregenden’ Worten zum Tanz aufzufordern. Eigentlich war so etwas nicht geplant, zumindest sieht das Protokoll dies nicht vor und Platz ist in der Halle dafür auch nicht vorgesehen. Aber”, Borax lächelte verschwörerisch, “ich lasse mir die Chance nicht entgehen mit der Prinzessin des Isenhag zu tanzen.” Besser einen gewonnen, als gar keinen … Nach Borindarax Augenzwinkern hoben sich die Brauen der Geweihten und sie begann, zu lächeln. “Das, mein Vogt, ist eine wunderbare Idee. Diese Prinzessin soll mit Euch tanzen, das gefällt mir. Wann und wo soll ich sprechen?”  Boraxs Lächeln wurde noch breiter. Sie hatte angebissen. Nun galt es noch sie von seinem kleinen Phexensstück zu überzeugen.  "Ich werde euch zu späterer Stunde in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken, wenn die Zungen gelockert und die Distanz der Stände weniger groß ist. Wir müssten es aber so aussehen lassen, als ob es ein spontaner Einfall wäre. Ich werde davon sprechen, dass mir gerade in Erinnerung kam wie wichtig die Holde für solche Festlichkeiten bei den Menschen ist und dass es daher nur ratsam wäre eine ihrer Dienerinnen zu Wort kommen zu lassen, wenn sie schon den Weg in die Wälder von Nilsitz gefunden hat." Borax zwinkerte der Geweihten erneut zu. "Es werden mehrere Verehrer der Prinzessin zugegen sein kommenden Abend auf dem Gelage. Ich kann unmöglich den Eindruck hinterlassen, den Tanz mit ihr von lang geplanter Hand geplant zu haben. Nein, das würde einige von ihnen arg verprellen und das möchte ich nicht, drum habe ich dem guten Herren Phex ein Opfer dargebracht und bitte euch nun um Hilfe bei meiner kleinen List. Eurer Göttin kann dies kaum Missfallen, geht es doch darum die Gunst einer schönen Frau zu erringen."  Borax seufzte ein wenig träumerisch. "Nun ja, zumindest möchte ich ihr auf diesem Wege zeigen, dass es mich gibt. Vielleicht darf ich mich dann ja bald zu ihren Verehrern zählen. Dazu jedoch müsstet ihr den Gastgeber und die Dame, die an seiner Seite sitzt am Ende eurer Ansprache auffordern einen Tanz zu wagen, um der Lieblichen eine Chance zu geben, auch die Herzen der Angroschim zu erreichen.” Rahjania verschränkte die Arme und nickte freudig und bestätigend. Ihr war die Aufregung, ja, die Vorfreude des Angroschos nicht entgangen und das fand das niedlich und liebenswert. “So, so. Wir werden es so diskret wie möglich versuchen, da wird sich schon etwas ergeben. Ihr solltet mir die Dame zur Sicherheit etwas beschreiben, nur zur Sicherheit. Und bedenkt, ich bin zwar Hochgeweihte, doch ist mein Tempel bescheiden und das Volk hungert.” Sie ließ die Worte etwas wirken, Borindarax schien schlau genug zu sein. “Gandrixa besitzt nussbraunes Haar, welches sie zumeist am Hinterkopf zu einem dicken Zopf geflochten trägt. Ihre Augen sind golden - diese Farbe ist selbst für unsere Rasse äußerst selten. Ihr werdet sie erkennen. Die Prinzessin des Isenhag besitzt eine rahjagefällige Erscheinung”, beschrieb der Vogt die Frau, für die sich scheinbar sein Herz stark erwärmt hatte. Weiterhin erklärte Borindarax: “Was das andere betrifft, so werden wir uns sicher einig werden. Für den Anfang helfe euch mit den Spinnen und informiere mich, wie ich sie euch am besten in eure Heimat überstellen kann.” Sie sah Borindarax weiterhin lieb und geduldig an. “Sehr großzügig, doch muss ich die Sache mit den Arachnoiden erst mit meiner Baronin klären,da ich sie nicht auf dem Tempelgelände halten kann.” Dann beugte sie sich leicht vor und sah ihm leicht lächelnd tief in die Augen. “Sagen wir mal so, ich glaube zu wissen, dass Schwester Rahja sehr erfreut sein wird, wenn sie soviel bekommt, wie Bruder Phex, da wird sie sicher tun, was sich machen lässt und das wird für Euch doch kein Problem sein?” Noch bevor er antworten konnte, hob sie sachte einen Finger zum Zeichen, dass noch eine Bitte folgen würde. “Ich bin neugierig geworden, das war ich schon immer. Ihr kennt sicher viele Angroschim hier. Gibt es einen, der etwas mehr aufgeschlossen ist, also so aufgeschlossen, dass er mit mir eine Nacht verbringen würde ? Wir könnten beide daraus lernen.” Jetzt hatte die Geweihte den Zwergen doch erwischt. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet.  Borindarax begann zu husten. Das Kratzen in seinem Halse wurde so stark gar, dass er sich mit der Faust auf die Brust schlagen musste, um wieder zur Ruhe zu kommen. Der Rauch der Pfeife schien ihm in diesen Momenten aus Nase, Mund und vermeintlich auch Ohren zu kommen. “Wahrlich”, begann er daraufhin stockend. “Ihr versteht es euer Gegenüber sprachlos zurückzulassen.” Dann kehrte langsam das Lächeln in seine Miene zurück.  Der Vogt stand auf und ging zu einer kleinen Anrichte, aus denen er eine tönerne Karaffe und zwei fein geschliffene Kristallgläser hervor holte.  “Wollt ihr auch einen Beerenschnaps? Ich brauche jedenfalls einen jetzt.” Als der Vogt wieder zurück auf seinem Platz war und eingeschenkt hatte, antwortete er schließlich auf die Frage Rahjanias. “Ich kenne zwei Brüder, die etwas für Frauen eurer Rasse übrig haben. Das heißt kennen tue ich genau genommen nur einen, aber ich weiß von einem weiteren.  Der Oberst der Eisenwalder, ein enger Freund, ist mit der Boroni Marbolieb liiert. Wir hatten dieses Thema mehrfach besprochen. Ich war neugierig, wie ihr euch vorstellen könnt.  Zugegeben, ich bin ebenfalls schon menschlichen Frauen begegnet die mich, nun ja, zumindest reizten. Weiter jedoch reicht meine Vorstellungskraft noch nicht. Dwarosch jedenfalls, so der Name des Oberst, erzählte mir von einem seiner Soldaten, der in der Fremde schon körperlichen Kontakt zu einer Frau hatte und diesen wohl auch sehr genossen haben soll.  Sein Name ist Andragrimm. Er gehört zu den Wachtrupps, die um die Jagdhütte stationiert sind.” “Schön, das mit der Spende geht also in Ordnung.” Rahjania hatte nun ihre Hände freudig zu Fäusten geballt und strahlte den Vogt an. “Den, mit der Boroni, den zeigt Ihr mir später bitte mal, das klingt interessant. Aber ich interessiere mich mehr für den, der  anderen, den Andragramm. Es gibt oft Ärger, wenn jemand liiert ist, und sich mit einer Rahjani trifft. Das Volk sieht uns leider zu oft als bessere Prostituierte, statt als Geweihte. Da ist mir ein ungebundener Mann lieber.” Kurz runzelte sie skeptisch die Stirn. “Wachtrupp? Das wird doch kein verdreckter Kerl sein, oder ? Na, ich lasse mich mal überraschen.” Der Vogt, welcher sich und der Geweihten zwischenzeitlich eingeschenkt hatte hob das Glas. "Auf unser kleines Geheimnis." Nachdem Borax den Inhalt ohne mit der Wimper zu zucken hinuntergestürzt hatte, Rahjania hätte den Schnaps mit süßen Waldfrüchte samt scharfen Nachgeschmack beschrieben, kam der Zwerg im Plauderton auf das Thema zurück.  "Ich kenne Andragrimm selbst nur flüchtig, doch ist er zumindest in Elenvina und vor allem Albenhus recht bekannt. In zuletzt genannter ist er zumeist stationiert. Ja, man kann sagen Andragrimm ist neben dem Oberst derjenige, der bereits am meisten von sich reden gemacht hat - wenn auch ungewollt.  Ihr müsst wissen, dass der Aventurische Bote einen kleinen Bericht über Heldengeschichten  herausgebracht hat, die dieser Tage in von Angroschim besuchten Kneipen der großen Städte des Herzogtums erzählt werden. Sie handeln vom vergangenen Schwertzug. Die meisten gar von der Schlacht um Mendena. Andragrimms Name fiel und fällt dabei immer wieder in diesem Zusammenhang. Irgendwann bekamen diese Erzählungen ein Eigenleben. Heute ist er deswegen so etwas wie eine Legende unter meinen Brüdern und Schwestern." Borax schenkte amüsiert über seine eigenen Worte nach und kam dann zurück zum 'Anliegen' der Geweihten.  "Also, was wollt ihr das ich tue, nach ihm schicken? Ich müsste jedoch erst bei seinem Befehlshaber um Freistellung bitten. Ein kleiner Gefallen, den mir Dwarosch sicher gerne tun wird."  Etwas zögerlicher ergänzte er: "Soll ich ihn 'vorwarnen' und dann zu euch schicken?"  Rahjania hatte das Gesöff erst kritisch betrachtet, es dann ihrem Gastgeber gleichgetan und kam nun nach einem Hustenanfall und gerötetem Gesicht wieder zur Wort. “ja, warnt ihn ruhig vor, das wird sicher für uns beide interessant.” Wieder wedelte sie unbestimmt mit der Hand in der Luft. “Es wäre schön, wenn es Gelegenheit gäbe, sich zu waschen. Gerade Krieger, Helden ganz besonders, haben es nicht so mit der Reinlichkeit. Natürlich gibt es viele Ausnahmen, ich will niemandem etwas unterstellen.” “Es sind zum Teil raue Gesellen die im Regiment dienen”, kommentierte der Vogt und  pflichtete der Rahjageweihten so indirekt bei. “Gut, ich lasse ihn zu mir rufen. Wir haben oben einen Bade- und Waschraum. Sorgt euch nicht. Wenn er eurem ‘Ersuchen’ nachkommt, wird er eure Nase nicht auf die Probe stellen.”  “Er soll sauber sein, das erwarte ich.” Sie zwinkerte. “Den Rest sehen wir später.”

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<a name='Voelkerverstaendigung_auf_rahjanisch'></a> Völkerverständigung auf rahjanisch

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Es war bereits sehr spät, zwei weitere Stundengläser waren verstrichen nachdem Rahjania den Vogt verlassen hatten, dass die Plane des Eingangs zu ihrem Zelt beiseite geschlagen wurde und ein Zwerg ohne weitere Ankündigung oder Vorwarnung hereintrat. War dies vermessen, oder schlicht der Versuch diskret zu sein? Die Geweihte wusste es nicht. Der Angroscho war fast eineinhalb Schritt groß und wirkte nahezu ähnlich breit auf die Menschenfrau. Der erste Eindruck Rahjanias war geprägt durch die Fremdartigkeit seiner Gestalt. Andragrimm, denn nur um diesen konnte es sich handeln, besaß harte, kantige Gesichtszüge und dickes, kupferrotes Haar, welches im Licht der Öllampe zu brennen schienen. Nicht zu vergessen die bernsteinfarbenen Augen, die sie neugierig und ohne Scham musterten. Sein Bart war zu einem einzelnen, massigen Zopf geflochten und reichte ihm wohl bis zum Bauchnabel. Er trug ein schlichtes, ärmelloses Leinenhemd, welches den Blick auf die für menschliche Verhältnisse viel zu dicken Ober- und Unterarme ermöglichte und eine Wildlederhose, dazu schwere, geschnürte Stiefel mit vorne aufgesetzten Eisenplatten. Am breiten Gürtel steckte lediglich der für jeden Zwergen obligatorische Drachenzahn in einer scheinbar mit Messing beschlagenen Scheide. Dies war nicht die Aufmachung der Soldaten, die sie um die Jagdhütte hatte patrouillieren sehen. Nein, dieser Zwerg hatte sich ganz offensichtlich umgezogen - ‘vorbereitet’, bevor er zu ihr gekommen war. Was mochte der Vogt ihm verraten haben? “Ihr wolltet mich sehen”, sagte Andragrimm als er zwei Schritte in das Zeltinnere getreten war. Seine Stimme war tief, rau und besaß einen starken Akzent. Dies war kein Zwerg, der wie der Vogt viel Menschenumgang pflegte. Rahjania meinte jedoch zu erkennen, dass Neugierde aus ihm sprach, aus seinen Augen, seiner Haltung, ja vielleicht gar seiner Stimme.  Rahjania war fasziniert von dem Angroschim, unverhohlen musterte sie ihn interessiert. "Ähhh, Angarimm? Nicht wahr? Seid Ihr gewaschen, oder wollen wir das gemeinsam erledigen?" Sie selbst löste eine Schnalle an ihrem Wollkleid, welches daraufhin wie ein weicher Vorhang von ihr glitt und einen recht ansehnlichen Körper freigab. Ja, sie trug nichts darunter und ohne Scheu näherte sie sich ihrem Gegenüber, blieb jedoch einen Schritt vor ihm stehen. Unverhohlen ließ der Zwerg seinen Blick über den entblößten Körper der Rahjapriesterin gleiten. Dass das was er sah ihm gefiel, konnte Rahjania nur allzu gut erkennen. Sein sich einstellendes, breites Lächeln konnte gar nicht anders gedeutet werden. Das bestätigende, “der bin ich”, kam demnach auch schon in einem leicht genüsslich knurrenden Ton und das Folgende, “gebadet und geölt, davon könnt ihr euch gerne überzeugen”, sprach er, da war er bereits dabei sich das Hemd über den Kopf auszuziehen…

-- Main.IseWeine - 16 Jun 2020