Neuspielerplot 2023 - Das Geheimnis der Tommelquelle

Neuspielerplot 2023 – Das Geheimnis der Tommelquelle

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Zeitraum: Rahja 1045 BF

Ort: Grafenmark Gratenfels, Dorf Grenzmark und Baronie Kranick in Nordgratenfels – und alle Berge dazwischen.

Inhalt: Die Quelle der Tommel ist versiegt, was die betroffenen Landherren in Sorge versetzt – ihre getreuen Lehensnehmer werden ausgesandt, den Vorfällen auf den Grund zu gehen und – mach Möglichkeit – für Abhilfe zu sorgen.

Mit Texten von: C. Imwalle, Ph. Thiele, HausAelgarsfels, S.F., Falkenhaus, Koschstein, Eberweiler, Weihern, Eisbuehl, Marvin, Mario Z., GutBrinborn Sowie Borbar, Iseweine, Waldi, Kranickteich, DanSch

Die Geschichte als Datei findet sich hier


In Grenzmark

Burg Bergheim, Grafenmark Gratenfels, im  Rahja 1045 BF

Die zierliche Baronin von Kranick, eine schlanke, noch junge, blasse Frau mit hellblondem Haar, das zu einem kunstvoll geflochtenen Dutt gesteckt war, stand mit verschränkten Armen vor dem wuchtigen Schreibtisch des Vogtes des Grafen, Melcher von Ibenburg, der sie auf seine Burg eingeladen hatte. Sie fühlte sich nicht wohl, was der gewiefte Vogt wohl bemerkte. Entspannt lehnte der sich in seinem hohen, mit gepolstertem Leder bespannten Stuhl zurück. “Ihr seht, Euer Hochgeboren, es ist eine Angelegenheit von großer Tragweite. Wenn die Quelle des Tommel trockenfällt, so betrifft dies alle Gratenfelser Lehensnehmer.”  Iriane, die mit justament dieser Beschwerde den Vogt kontaktiert und nun eine Audienz erhalten hatte, ballte ihre Hände, bis die Knöchel weiß wurden, ehe sie mit schmalen Lippen antwortete. “Ich weiß, Herr Vogt. Es ist meine Baronie, die auf einmal einen Fluss ohne Oberlauf aufweist. Auch wenn die Tommel in den Bergen an der Grenze zur Grafenmark entspringt.” “Seht ihr, um so wichtiger ist es, dass wir diesem Problem gemeinsam auf den Grund gehen.” Melcher beugte sich jovial vor.  “Was schlagt ihr also vor?” ein sehr argwöhnischer Blick traf den Kriegsmann, der die Kranickerin um zwei Haupteslängen überragte.

Wenige Tage später traf ein Bote bei einigen Niederadligen der Umgebung, teilweise Vasallen beider Baronien, teilweise anderweitig verpflichteten Rittern und Edlen, ein.

“Werter Freund, als Vasall / Freund unseres Hauses benötigen wir Eure Dienste. Darum bitten wir euch zum 15. Rahja 1045 BF in das Dorf Grenzmark in der Grafenmark Gratenfels. Zaudert nicht, auf dass eine dringende Frage entschieden werde - und bringt mit euch, was Ihr für einen Ausflug in die Berge benötigt. Alles weitere werden wir in Grenzmark erörtern.

Die Zwölfe zum Gruße, Praios und Rondra voran,

Iriane von Kranick zum Kranickfluchs, Baronin zu Kranick Melcher von Ibenburg, Vogt der Grafenmark Gratenfels”

Der Birnbaum

Das Dorf Grenzmark lag auf einer Anhöhe, die die immer schlechtere Straße seit Stunden zu erklimmen schien. Ihr meint, schon am Gipfel der Berge angekommen zu sein, doch war es nur der kleine Ort am Fuße der Berge. Ein erster Blick auf diese kleine Ortschaft verriet dem weitgereisten Wanderer alles, was man über dieses Fleckchen Dere wissen musste: Hier endete die zivilisierte Welt. Einige stattlichere Bauernhäuser säumten die Straße, die in einem großen Rund auszulaufen schien. Dieser Platz war zwar gepflastert, aber scheinbar nicht planiert worden, sodass sich der Wellenlauf der groben Steine dem immer noch ansteigenden Untergrund anpasste. Hier wurde ganz sicher kein Markt gehalten - wo sollte man da bitte einen Stand aufbauen? Die Praiosscheibe stand gerade im Zenit, doch keine Menschenseele war zu sehen. Links und rechts des Zentrums des Platzes waren steinerne Pferdetränken aufgestellt worden, die mit dem Wasser des Brunnens gefüllt wurden, der den Platz nach Firun begrenzte. Linkerhand führte der Weg schräg am Hügel entlang und verschwand hinter den Häusern. Von dort dröhnte konstantes, schweres Hämmern den Platz hinauf. Rechts schlossen an die Bauernhäuser mehrere hölzerne Katen an - ob es Ställe waren, oder Behausungen ärmerer Dorfbewohner, ließ sich nicht auf den ersten Blick erkennen. Mitten darunter stand ein auffällig großes Blockbohlenhaus, das verlassen schien und von Wind und Wetter bereits entsprechend mitgenommen war. Ein zerschlissener hellgrüner Streifen einer einstmals fein gearbeiteten und schön bemalten Stoffbahn hing aus einem halb geöffneten, pergamentbespannten Fenster.

Daneben stand eine etwas windschiefe Kate, auf dessen Frontfassade ein mäßig begabter Künstler einen großen Birnbaum aufgemalt hatte. Die Farbe war schon an einigen Stellen abgeblättert, doch leuchteten euch die gelbgoldenen Birnen freundlich und einladend entgegen. Über der Tür dieses auffälligen Hauses hatte jemand einen Reisigbesen eingeklemmt, dessen struppige Borsten auf die Straße hinausragten. Für die Städter musste das einen irritierenden Eindruck machen; doch wer schon einmal durch die Nordgratenfelser Lande gezogen war, wusste: Hier wurde ausgeschenkt. Das musste also die Schenke sein, die als Treffpunkt der Expedition dienen sollte.

Die Tür der Schenke ließ sich nur soweit öffnen, dass ein Mensch durchpasste. Als der erste Gast den kleinen Schankraum betrat - mehr ein geräumiger Wohnbereich - zuckte eine Frau mittleren Alters mit grauen, welligen Haaren vor Schreck zusammen. Ein irdener Krug fiel ihr aus der Hand, polterte über die Bohlenbretter und zerschellte an der Wand des Holzhauses. “Bei PRAios - Ihr…solltet doch erst übermorgen hier eintreffen! Oh nein, oh nein”, stammelte sie und packte fahrig die Krüge und Becher, die sie auf der einzigen langen Tafel in dieser bescheidenen Buschenschenke aufgereiht hatte. Auf der Tafel stand ein geschnitzter Schnapskranz, in den man kleine Becherchen einstellen konnte. Der Kachelofen daneben war nicht eingeschnürt, obwohl es trotz des guten Wetters doch recht kühl im Gastraum war. Außer zwei kleineren Tischen mit unbequemen Hockern war der Raum leer - wenn man von den bäuerlichen Arbeitsgeräten absah, die von der Wand hingen - und offensichtlich nicht mehr brauchbar waren. Mit weit aufgerissenen Augen versuchte die Frau Ordnung zu machen und schien penibel darauf bedacht, den Gästen nicht in die Augen zu sehen, als einer nach dem anderen eintrat. Ein sonderbares Schweigen legte sich über die skurrile Szenerie - während die Dame, die offenbar die Wirtin des Hauses war, wenn man diesen Begriff für den Buschenschank verwenden durfte, die Scherben auflas, bot sich so Gelegenheit, die eintretenden Herrschaften näher 

Das war also der Treffpunkt, den Riochild von Fuchsberg suchte. Die Umgebung wirkte heruntergekommen und schäbig. Doch das sollte sie nicht stören. Auch ihr eigenes Gut Waldenberg war nicht vom Reichtum verwöhnt und die Menschen lebten dort meist bescheiden. Riochild setzte von ihrem Pferd ab, suchte eine passende Stelle und band es fest. “Wir werden sicherlich etwas Wasser und etwas zu essen für dich auftreiben, alter Freund”, klopft sie ihrem Tier freundlich auf den Bauch, bevor sie sich umdrehte und die Schenke ins Auge nimmt.  “Rondra zum Gruße”, grüßte Riochild beim Eintreten die panische Wirtin, “könnte sich bitte jemand um mein Pferd kümmern? Es ist draußen angebunden.” Diese schien jedoch überhaupt nicht zu reagieren, sondern kehrte noch immer Scherben zusammen. Ohne eine Antwort abzuwarten, wählte Riochild einen zufälligen Tisch und setzte sich, um zu sehen, wer als nächstes eintreffen würde. 

Die Umgebung erinnerte Findan von Wildklamm sehr an seine Heimat, auch hier schienen die Leute nicht gerade von Phex gesegnet zu sein. Beim Schankhaus angekommen sah Findan schon ein Pferd angebunden und wählte für seinen Warunker einen passenden Platz daneben. ‘Hmm, da ist wohl noch jemand verfrüht angekommen. Immerhin werde ich nicht alleine warten müssen.’ Vom Pferd abgestiegen, betrat Findan in praktische Lederbekleidung gewandet den Schankraum. “Firun zum Gruße!” grüßte er einmal den ganzen praktisch leeren Raum und setzte sich an den einzigen besetzten Tisch und wandte sich an die schon hier sitzende Frau: “Sagt seid Ihr auch hier für die Expedition?”

Riochild beäugte den Neuankömmling interessiert, bevor sie antwortete: “Rondra zum Gruße. So ist es: Das ist der Grund meiner Anwesenheit. Darf ich mich Euch vorstellen? Mein Name ist Riochild von Fuchsberg. Ich verwalte das Rittergut Waldenberg. Ich vermute, dass Ihr aus ebediesem Grund hier seid, wenn Ihr von der Expedition wisst? Mit wem habe ich die Ehre?” Sie strich sich eine leicht ergraute Haarsträhne aus dem Gesicht, während sie den Mann weiterhin aufmerksam musterte.

“Findan von Wildklamm mein Name, es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen. Ich komme aus dem schönen Edlengut Eisbühl. Von der Expedition weiß ich, zu der wurde ich auch aufgerufen, worum es jedoch eigentlich geht weiß ich nicht, nur, dass es anscheinend ein beschwerlicher Weg werden wird.”

“Es ist mir eine Freude, Euch kennenzulernen, Findan von Wildklamm”, erwiderte Riochild. Kurz ließ sie den Blick durch die Gaststätte fliegen, um die Wirtsfrau an den Tisch zu winken. “Entschuldigt, Findan, doch es dürstet mich nach diesem langen Ritt”, erklärte sie ihrer neuen Bekanntschaft. ‘Und außerdem möchte ich wissen, ob sich jemand um mein Reittier kümmert. Schließlich hatte ich darum gebeten’, dachte sie sich dabei etwas zornig darüber, dass die Wirtin scheinbar keine Anstalten machte, ihrer Bitte nachzukommen.  Zurück zu ihrer neuen Gesellschaft gewandt überlegte sie laut: “Es scheint wohl wichtig zu sein, sonst hätte man nicht so fordernd eingeladen. Ich hoffe, es handelt sich um kein allzu großes Problem! Aber ich werde helfen, wo meine Hilfe benötigt wird.” 

Findan stand auf und drehte sich zu der ihm nun bekannten Ritterin um, “Ja wichtig wird es sein, wenn so hohe Tiere wie wir uns darum kümmern sollen.” Findan machte eine kurze Pause. “Nun was haltet Ihr davon wenn wir uns einmal um unsere Pferde kümmern, Riochild, nachdem sich sonst niemand zu kümmern scheint?” Danach machte er sich auf den Weg die Schenke zu verlassen und zu den Pferden zu gehen.

In diesem Moment schepperte die Wirtin die Scherben des irdenen Krugs in einen Eimer hinter dem Tresen und stürzte dann hervor. „Oh nicht doch, edle Herrschaften! Ich kümmere mich schon um Eure Tiere! Ihr müsst nur wissen, ähm“, sie verschluckte sich fast, als die Worte nur so aus ihrem Munde hervorquollen, „ich bin, ähm, heute alleine hier. Wir hatten erst übermorgen mit Euch gerechnet. Weil, wisst Ihr, der Weg hier nach Grenzmark, der ist schon sehr beschwerlich und ähm, ja, ähm, die vom Tal ahnekullerten … naja, die kommen normalerweise immer viel später, also … huch“ Die Wirtin schlug sich mit beiden Händen vor den Mund. Offenbar hatte sie etwas ausgeplaudert, das ihr schwerwiegend peinlich war, lief sie doch knallerot an. Ihre Pupillen weiteten sich vor Schreck. „Wollt ihr etwas trinken, hohe Herrschaften? Wir haben, ähm… nur einen Most … aber der ist gar nicht schlecht!“, stammelte sie.

Sie blickte sich um und sah die immer zahlreicher werdenden Ankömmlinge. “Augenscheinlich eine ausgezeichnete und große Aventurie. Die Zwölfe mit uns.”

'Also, doch. Ich habe mich nicht getäuscht.' Frederun stieg aus dem Sattel und führte ihre Stute Tanile auf die windschiefe Schenke zu. Der Birnbaum war zwar verblättert, aber doch unverkennbar. Viel Platz zum Anbinden blieb zwischen den weiteren Rössern zwar nicht, aber Tanile würde es aushalten müssen. Karline würde dies schon besorgen. Beherzt trat Frederun nun auf den Mann und die Frau zu, die schon bei der Tränke standen; sie räusperte sich vernehmlich. ’’Wohl an'denn … Praios zum Gruße! Ich nahm also doch richtig an, jene Unternehmung nicht allein bestreiten zu müssen. Bitte, ich möchte mich den Herrschaften vorstellen: Frederun, Rittfrau von Weitenfeld, zu Euren Diensten.’’ Frederun deutete eine Verbeugung an und lüftete mit der Linken ihren Hut. ’’Vielleicht darf ich mich hinzugesellen?’’

Gwiduhenna straffte sich und deutete ebenso eine Verbeugung an. “Praios mit Euch, Hohe Dame. So erlaubt es mir auch mich Euch vorzustellen. Gwiduhenna von Falkenhaupt, Edle zu Falkenhaus. Bitte kommt, ich muss mich jedoch noch um meine Tiere kümmern.” Sie lächelte die beiden Anwesenden an. “Ich bin erleichtert, dass ich hier nicht allein das bestreiten muss, was da kommen mag”.

Frederun erwiderte das Lächeln. ’’Gwiduhenna von Falkenhaupt, es ehrt mich, euer Wohlgeboren kennen zu lernen. Ich teile ganz die Erleichterung, hier auf wehrhaft Streitende zu treffen. Gewiss, so dringlich jener Aufruf war, so stehen wir doch torhaft vor dem Rätsel, womit wir es aufzunehmen haben.’’ Frederun rückte ihren grauen Reisemantel zurecht. Auf der Brust war als Wappen ein roter Winkel über gelb zu erkennen. ’’Vielleicht kann der wohlgeborene Herr jenes Geheimnis lüften?’’

Gwiduhenna hob die Schultern und antwortete. “Mir will es scheinen, dass wir hier die Tugend der Geduld beweisen müssen. Sie blickte zu den Pferden. “Wollen wir uns alle zügig um unsere Pferde kümmern und dann mal ergründen, ob es dort im Birnenbaum”, sie deutete auf die windschiefe Kate, “etwas zu trinken gibt? Vielleicht sogar Antworten auf unsere Frage?”

“In der Tat, etwas zu trinken wäre nach dem langen Wege angemessen. Bitte … Euch nach.” Frederun blickte Gwiduhenna freundlich an und deutete mit der Rechten auf die Tür der Kate.

“Das ist sehr zuvorkommend!” Frederun deutete eine Verbeugung an.

“Zuvorkommend, ich erwarte Euch bei der Tür.”, antwortete die Edle und ging voraus zum Birnbaum, um dort vor der Tür auf Leomar und Frederun zu warten.

Frederun vernahm das Getrappel eines Pferdes. ’’Höret her! Es eilt schon der Nächste.” Sie drehte sich in Richtung des Neuankömmlings um.

Praiophan betrachtete still das Bildnis des Birnbaums. 'Das muss es sein. Ging die Reise doch schneller als erwartet ...' Mit seiner schlichten Lederhose, Wollhemd und Wams ging er zum Anbindeplatz und machte sein Pferd fest. Das einzige, was ihn auf den ersten Blick von der Bekleidung einfacher Leute abhob, war sein leichter Reiseumhang mit Fellkragen, der auf der Brust mit zwei Wappen bestickt war. "Firun zum Gruße!" Rief er den Umstehenden zu. "Praiophan von Lerchentrutz. Ich bin erfreut Sie alle kennenzulernen" “Schau an, noch ein Geladener.”, sprach sie, als sie Praiophan erblickte. “Praios mit Euch, Gwiduhenna von Falkenhaupt. Mit wem habe ich die Ehre"

“Praios zum Gruße, Wohlgeboren.” grüßte die Ritterin und stellte sich vor. “Gwiduhenna von Falkenhaupt, Edle von Falkenruh und ja auch ich bin dem Ruf in das Ungewisse gefolgt.”

Frederun trat einen Schritt vor. ’Frederun, Rittfrau von Weitenfeld, zu Euren Diensten.” Frederun deutete eine Verbeugung an und lüftete mit der Linken ihren Hut.

“Praios mit Euch, Hohe Dame. Gwiduhenna von Falkenhaupt, Edle von Falkenhaus in der Grafenmarkt. Ich bin erfreut euch kennenzulernen.” stellte sich die Ritterin vor.

“Wenn ich mich nicht sehr täusche … ja, ist denn jener dort herüben nicht der hohe Herr von Lerchentrutz?’’ Frederun wandte sich Praiophan von Lerchentrutz zu. “Praiophan, kaum, dass ich einmal meine Locken unter dem Hut verberge, erkennt der hohe Herr mich schon nicht mehr?’’ Frederun nahm ihren Hut ab und schüttelte ihre langen Locken. ’’Er erscheint fast, die ganze Baronie hat jenem dringlichen Aufruf Folge geleistet. Was meint ihr … Wollen wir nicht herinnen schauen gehen, ob wir dort nicht mehr erfahren und, wie ich meine, uns auch endlich etwas stärken können?’’ "Seid gegrüßt, hohe Dame Frederun Lechmin von Weitenfeld. Es war mir nicht bewusst, dass ich hier bekannte Gesichter treffen würde." Er lächelte ihr kurz zu. "Ich werde eurem Vorschlag nur zu gerne folgen." Er bedeutete mit seinem rechten Arm in Richtung der Tür der Schenke.

Nachdem er vor der Türe kurz ausgeharrt hatte, trat auch der Alte von Aelgarsfels in die Stube. Die jüngeren Herrschaften, die sich bereits eingefunden hatten, begrüßte er förmlich, aber höflich. Bei denen, die er kannte, erkundigte er sich nach der Familie. Bei den neuen Gesichtern stellte er sich als Darion von Aelgarsfels vor - ein Ritter der Baronin Iriane von Kranick, die sie alle hierher gebeten hatte. "Leider kann ich Sie alle dennoch nicht erleuchten, meine werten Damen und Herren. Mir ist ebenso wenig wie ihnen bekannt, was der geheimnisvolle Brief meiner Herrin zu bedeuten hat."

“Besser spät als nie, gute Frau”, antwortet Riochild etwas gereizt auf die Wirtin. “Nun gut, gerne könnt Ihr mir etwas von diesem Most bringen. Aber bitte denkt dann wirklich an unsere Tiere!” Bevor die Wirtin wieder gehen konnte, setzt Riochild erneut mit deutlich fordernder Stimme an: “So sagt doch, wen meint ihr mit jenen aus dem Tal, welche immer zu spät kämen? Und ich erwarte eine ehrliche und klare Antwort.” Noch immer saß Riochild ruhig auf ihrem Platz. Sie rief Findan in angemessener Lautstärke für die Größe des Raumes zu: “Ihr könnt wohl sitzen bleiben. Wollt Ihr auch etwas zu trinken?” In just diesem Moment trat ein älterer Mann ein. Riochild erhob sich, um dessen Begrüßung förmlich zu erwidern und sich vorzustellen. Höflich bot sie an: “Wollt Ihr Euch nicht zu uns setzen, Edler Darion von Aelgarsfels?”

Findan war etwas überrascht als gleichzeitig vor ihm die Tür aufging und Riochild ihn zurück rief. Nachdem sich der Neuankömmling vorgestellt hatte stellte sich auch Findan vor. “Findan von Wildklamm, ich komme aus der Baronie Schnakensee.” Danach drehte er sich um und setzte sich wieder auf seinen Platz. “Einen Krug Most würde ich nicht ablehnen.”

“S’kommt gleich, hoher Herr!’ nickte die Wirtin und brachte wenig später eine großen Krug frischen Most und sicherheitshalber gleich vier Tonbecher, die sie mit hastigen Bewegungen abstellte. Sie vermied es, Findan ins Gesicht zu sehen. "Naja, und Eure Frage, hohe Dame, naja: Wenn sich Reisende aus dem Tal, also selten so hohe Herrschaften wie ihr, also wenn sich, also die Händler und Kiepenkerls ankündigen, na, also die haben immer große Schwierigkeiten, na zu uns raufzukulleret. Also na, es is a wengerl naja, unbequem, bis nach Grenzmark, nedde?"

“Naja, bei uns haben die Wege eine ähnliche Qualität wie hier” Findan lächelte die Bedienung an, “Also es wird sicher welche geben, für die der Weg hierher unbequemer sein wird oder zumindest weniger bequem als sie es gewöhnt sind, aber ich bin im Vorderkosch aufgewachsen.” Danach schenkte er Riochild und sich einen Becher ein und stieß auf erfolgreiche kommende Tage an.

Von dem Trubel um ihn herum scheinbar unberührt nahm Darion die Einladung der Edlen Reckin von Fuchsberg dankbar an. "Von Hauerberg hat Recht. Aber nicht nur viele rief die Baronin; sie rief sie auch von weit her. Gar von der Tommelsbeuge."

Ealfred folgte dem Strassenverlauf, zu der verabredeten Stelle, eine kleine Schenke mitten im Nirgendwo. Herr Praios meinte es gut mit ihm, es war warm und trocken. Cedrick, der junge Rappe, trottete brav vor sich hin. Reiter und Ross waren sich noch neu. Das Tier war gutmütig, konnte aber auch zubeisen und hatte so manches Mal Flausen im Kopf. “ Da muss es sein", sprach Ealfred und als ob Cedric seinen Herren gehört hatte, schnaubte das Tier. Ealfred hielt, klopfte dem Pferd auf den Hals und nahm einen Apfel aus einer abgewetzten Satteltasche. Mit einem Kopfnicken bestätigte Cedrick diesen Leckerbissen u Ealfred streckte sich und band das Pferd fest. Das kurze Kettenhemd, das Ealfred unter einem wattierten Rock trug, klimperte leise. Überhaupt war seine Ausrüstung gut gepflegt, aber altmodisch. Der Nasenhelm mit Gesichtschutz, das verstärkte Rundschild und das Breitschwert, mochten aus einer anderen Zeit passen.Auch hatte er kein Wappenrock, das Wappen Tommeltann war lediglich auf das Schild aufgetragen worden. Sein langer wollener Mantel mit dem Muster aus Grün und Blau und die Fibel , die den Mantel zusammenhielt, verieten Ealfred als Albernier. Vater hätte es ihm übel genommen, wenn er nicht auf der Seite der Nordmarker gestritten hätte. So war Vater Albernier und Kaisertreu. Ealfred war seiner Familie loyal gegenüber und Tommeltann war seine Heimat. Außerdem war sie doch alle gleich, der selbe Zirkus nur mit unterschiedlichen Affen. Ealfred war es gleich. Sollten die hohen Damen und Herren über ihn doch lachen. Jeder der ihn in der Schlacht um Medana gesehen hatte, würde anders denken. Zudem hatte ihm das kurze Kettenhemd das Leben gerettet, wo so manch anderer schwer grüsteter Ritter, wie ein Borkenkäfer, hilflos auf dem Rücken liegend, unbeweglich von feindlichen Schergen niedergemacht wurde. Ealfred klopfte Cedrick noch einmal auf den Hals und schritt Richtung Tür. Die Tür klemmte und mit einem albernischen “ Fecking Bastard “ öffnete er die Tür. Der Schankraum war erstaunlich kühl und nicht größer als ein Wohnzimmer. Eine ältere Frau mit grauen Haaren musterte ihn. Sie lächelte gequält, als wollte sie sagen: Nicht noch einer. Tatsächlich waren bereits Reisende eingetroffen. Ealfred lächelte freundlich “Den 12 zum Grusse." Praiophan hatte sich gerade erst mit Frederun  auf freie Plätze gesetzt, als die Tür unter Flüchen, etwas knarrend aufgestoßen wurde und Ealfred hereintrat. Seinen Gruß beantwortete Praiophan halblaut und nickte ihm mit einer kaum wahrzunehmenden Bewegung zu. Frederun blickte Ealfred freundlich an und nickte ihm zur Begrüßung zu. ’’Praios zum Gruße!’’ Ealfred nickte freundlich. "Ealfred  von Tommelfels", verkündete er. " Gute Frau, habt ihr Heu für mein Pferd?" fragte er die Schankmaid. Dann nahm er das Schild vom Rücken, legte Waffengurt ab und setzte sich  an einen freien Platz. Schild,  Waffengurt und Helm legte er neben sich. Das Kettenhemd  klimperte leise als er sich auf eine Holzbank setzte.  Die Wirtin nickte. “Gleich, die Herrschaft’n, sobald ihr alle Euer Sach’ habt, kümmer ich mich um’s Vieh.” Als Damian die Taverne betrat, rümpfte er wegen des kärglich eingerichteten Schankraums die Nase. Der Ritter trug einen langen grauen Mantel, dunkle Lederhosen, ein blaues Wams und hohe Stiefel. Seine schulterlangen Haare waren zu einem Zopf zurückgebunden und umrahmten ein kantiges Gesicht. Die Hand auf den Schwertgriff gelegt, grüßte er die bereits Versammelten mit den Worten: “Seid gegrüßt hohe Herren und Damen”. Dann ließ er sich auf den nächstbesten Stuhl fallen, legte seine Beine hoch und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Trinkschlauch. Nachdem er das Gesicht kurz verzogen hatte, ließ er seinen Blick über die Anwesenden schweifen und nickte denen zu, die er kannte. So langsam füllte sich die Schenke und Findans Sorgen wuchsen. Zwischen den ganzen Rittern, die stolz ihre Wappen auf Rüstung oder Schild präsentierten, fühlte er sich unwohl. Während die anderen wahrscheinlich in staatsmännischen Dingen und Umgang unterrichtet worden waren, hatte man ihn gelehrt, wie ein gesunder Wildbestand aussah und was man tun musste, um einen solchen zu halten. Aber jetzt war er nun einmal in dieser Situation in seiner recht schlichten Bekleidung und er würde sich der Sache stellen. Gute Verbindungen zu knüpfen konnte dem Gut und der Familie nur weiter helfen und wer weiß, wenn es wirklich zu Kletterpartien kam, würde er vielleicht doch noch einen Nutzen haben.

Nachdem Riochild mit Findan angestoßen hatte, wurde es langsam voll in der Schenke. 

Thimorn von Hauerberg nickte sie einladend zu, sodass dieser sich auf den von sich gewählten Platz setzen konnte. Wieso er so lächelte, war ihr allerdings ein Rätsel. Ein schlechter Versuch, sich ihr zu nähern, wird es wohl kaum gewesen sein. Solche Dinge sind schon etliche Jahre nicht mehr geschehen. Riochild hatte sich schon längst eingestanden, dass sie zwar noch immer gut zu Pferde und mit dem Schwerte war, ihr Körper durch das Training gestählt war, doch eine Schönheit war sie längst nicht mehr. Dafür waren die Falten zu deutlich zu erkennen, die sich anbahnten, und die ersten grauen Strähnen ließen sich ebenfalls nicht mehr verbergen. Dennoch würde es ihr natürlich schmeicheln, wenn ein Ritter ihr den Hof machen würde. Zu mehr würde es dabei aber gewiss nicht kommen.  Riochild hob erneut ihren Krug und prostete den Neuankömmlingen, aber ebenso Findan und ihrem neuen Sitznachbarn Thimorn zu. “Auf ein gutes Gelingen! Bei so edler und tapferer Gesellschaft sollten die meisten Unterfangen kein Problem darstellen!” “Auf ein gutes Gelingen!” Darion von Aelgarsfels musterte die beiden stattlichen Jünglinge, die sich zu Riochild und ihm gesetzt hatten. Der mit der Narbe musste der Sohn von Winan sein. Der andere, der den von Eychstädt vorgestellt hatte, war ihm bisher gänzlich unbekannt. Der Neid versetzte ihm einen Stich. Ihre Knochen schmerzten im Gegensatz zu seinen nach dem langen Ritt sicherlich noch nicht. "Es freut mich, so manch bekanntes Gesicht nach langer Zeit wiederzusehen. Farold von Eychstädt!" Mit kühlem Blick erhob auch Farold den Becher: “Möge im Angesicht des Feindes unsere Schwertarme nicht ermüden, unsere Schilde nicht zerspringen und unsere Herzen mit dem Mut der Leuen erfüllen.”  Darion trank und setzte den Becher ab. "Genug der Artigkeiten. Ich möchte nun wissen, was es Neues gibt im Gratenfelser Land." Er sah sich um, wer noch eingetrudelt war.

Abends im Schankraum

Gwiduhenna von Falkenhaupt hatte sich mit dem Eintreten dann doch etwas Zeit gelassen. Als sie in den schon recht voll wirkenden Raum trat, konnte sie einen Moment der Verwunderung, über diese große und bunt gemischte Schar von Edelleuten, nicht verbergen. ‘Was bei Praios Glanz geht hier vor?’, dachte sie sich und rief ein zackiges “Praios zum Gruße!” in den Raum. Außer den Gesichtern von draußen bei den Pferden sah sie kein Bekanntes hier im Raum. Dies ließ die Wirtin auffahren, die vor Schreck den Lappen fallen ließ, mit dem sie gerade noch die Becher gebohnert hatte. Sofort bückte sie sich und hob das Stück Stoff vom Boden auf. Sie wand es sich ungeniert um die Hand. So steuerte sie die Wirtin an. “Travia mit Dir, wo kann ich meine Sachen unterstellen und wo finde ich einen Träger dafür?” „Wie, ähm, bitte Euer ähm Wohlgeboren? Einen Träger hand mir hier ned“, konstatierte die Schmächtige. „Aber vielleicht mag Ihnen einer von dene starken Mannen helfe?“ Vorsichtig schielte sie zu der bunten Versammlung adliger Herrschaften. „Ja und ähm also mir hend obe im Dachgschoss, da hend mir so ein paar Schlafplätz. Aber ähm es könntet a weng eng werde für so viele Leut. Hättet man uns bloß g‘sagt, dass’s so viele werdet, dann ähm, dann …“, sie schien kurz zu überlegen, „… händ ich bei de Nachbarn gfragt!"   

Ealfred nickte seinen Tischnachbarn zu "Wie gehts?" fragte er freundlich.  "Gutes Wetter draußen, kein Regen, was. Ealfred  von Tommeltann." Ealfred  war von großem Wuchs, seine langen braunen Haare fielen ihm über die Schulter. Lebhafte braune Augen blickten durch den Schankraum, der sich langsam füllte. 

Adelrat Thomundson war unwohl zumute - wie eigentlich meistens, wenn es um „gesellschaftliche Anlässe“ ging. Für so etwas waren doch schließlich die Frauen zuständig. Ihm genügte es vollkommen, sich mit der Hege und Pflege der Flora und Fauna seines kleinen Rittergutes Weihern ganz unten am Fluß Tommel,  der schon die Grenze zu Albernia bildete, zu befassen. Gut, das eine oder andere Gespräch mit dem Müller oder mit einem der Fischer über die Vorzüge der jeweiligen Jahreszeit. Aber ansonsten war er eigentlich ganz froh, dass sein Gut auf der „falschen Seite“ ( wie seine Tante Idra immer sagte), des Tommels lag. Ab und zu setzte er sich auf die kleine, etwas höher gelegene Bank oberhalb der alten Lohmühle und beobachtete das geschäftige Treiben auf der Reichsstraße gegenüber, am albernischen Ufer des Flusses. Keine Brücke, hieß es, wie „unwirtschaftlich“, aber keiner dachte wohl daran, wie all die Fremden die Ruhe seines kleinen Weilers und somit auch die Fische und das Wild in Gefahr bringen würden.  Und nun:  „Bande knüpfen“ auf dieser Reise, was immer das nun wieder heißen sollte... Um solch lästige Dinge kümmerte sich sonst doch auch seine Frau, die Hemma. Schließlich war sie es doch auch, die Malzan, seinem Sohn, die Stellung als Page besorgt hatte, und um Boromada würde sie sich sicherlich auch noch kümmern.  Doch hier oben, in Grenzmark, so hieß es wohl, erschien Adelrat die Atmosphäre auch recht entspannt, wenn da nur nicht die Nachwehen dieser unangenehmen Seuche in Form ständigen Niesens und Hustens wäre, und wenn nicht vor diesem augenscheinlichen Besengeschäft eine größere Herde Reittiere angebunden wäre, als man sie in seinem ganzen Lehen daheim finden würde...  Ach ja, zu Hause - obwohl es ihm vor Antritt dieser Reise schon fast ein wenig über war: Zehn Tage lang hatte ihn seine alte Hebamme und Kräuterfrau Hedwig in die kleine Hütte am Waldrand gesteckt (eigentlich hatte er ja schon einen Tag früher in Grenzmark ankommen wollen)  - er würde sonst alle mit seinen „Symptomen“ oder so was anstecken - naja, wenigstens war die Verpflegung gut gewesen und sie hatte ihm jeden Abend durch die Tür Jagdgeschichten vorgelesen - wie früher, ach...  Nun, immerhin war er für seine schlechte Konstitution doch recht schnell weitgehend gesundet; mit seiner lächerlichen Größe von 1,91 Schritt (gut, seine Schulterbreite war auch nicht viel geringer), seinen wallenden roten Haaren, dem buschigen Schnauzer und den blaugrauen Augen wirkte er, wie er wußte, nach außen hin immer so robust - man sah ihm seine Empfindsamkeit und seine Verletzbarkeit einfach nicht an - wenn sich die Frauen in seinem Umfeld nicht immer so fürsorglich um ihn gekümmert hätten... Und außerdem ging er ja auch schon auf die 40 zu! Vorsichtig öffnete er die etwas schwergehende Tür zu diesem Krämerladen (erstmal stellte er sie neben den nunmehr offenenen Eingang, er würde sie nachher sicher wieder einhängen), nur um festzustellen, daß er sich mitten in so etwas wie einer völlig überfüllten Taverne wiederfand. Viel zu viele Menschen auf viel zu engem Raum, und auch noch alles Unbekannte. Aber ein Lichtblick: Wenigstens eine Frau hinter einem Tresen, bei der er doch ein wenig mütterliche Züge zu erkennen glaubte, auch wenn er aus ihren aufgerissenen Augen so etwas wie unverständiges Staunen herauslas.  „Gute Frau, könntet Ihr vielleicht den Pferdeknechten Bescheid geben, sie möchten sich um meine Stute kümmern. Und wenn Ihr mir bitte schnell einen kleinen Trank aufschütten mögt, am besten von der Atan-Kiefer und fügt etwas von Donf, Quinja und Sansaro hinzu. Ach ja, und bitte ganz viel Honig, so hat mir die gute Amme den bitteren Trank immer etwas schmackhafter bereitet.“  Noch einmal kräftig schnäuzend schaute er sich im Raum nach einer etwas ruhigeren Ecke um… "Pferdeknecht, Atan-Kiefer, was?", stotterte die Schankmagd hervor. "Wir hand hier kein Pferdeknecht und Atan-Kiefer schon glei dreimal nicht!", antwortete sie irritiert. Der Frau konnte man die Überfordern mittlerweile nicht nur am Gesicht ablesen. Einen großen Mostkrug in der Hand waren ihre Gesten so fahrig, dass etwas von der goldenen Flüssigkeit herausschwappte.

Bei der Schankmagd stand eine hagere Frau mit braunem Pagenschnitt. Sie blickte leicht irritiert zwischen der Magd und dem vollen Schankraum hin und her. Als der Neuankömmling eine ähnliche Abfuhr wie sie erhalten hatte, wandte sie sich dem Mann zu. Dabei klimperte ihr Kettenhemd an den Ärmeln.  “Praios mit Euch und Travia möge mir vergeben, aber wir sind wohl zu viel des Guten für diese Schankstube. Weder unsere Ankunft noch unsere Zahl wurden wohl gemeldet. Hier gibt es vermutlich nur das da”, sie zeigte auf die verschüttete Flüssigkeit, “ in ausreichender Menge.” Sie lächelte den Mann an und hielt ihm die Hand zum Gruße hin. “Gwiduhenna von Falkenhaupt, erfreut.”

Ealfred nickte Frederun zu und ging auf ihn zu.  "Ealfred von Tommeltan". Er reichte ihr die Hand. "Wie war die Reise?"fragte Ealfred  freundlich.   In der Menge erkannte er das ein oder andere bekannte Gesicht. Ealfred hatte immer noch Erinnerungslücken. Er wusste nicht mehr , wie er vom Pferd gefallen war und auch nicht mehr, wie er durch eine Einheit  feindlicher Söldner gebrochen war. "Marbo hat euch vergessen lassen", hatte ihm ein Peraingeweihter im Feldlazaret  erklärt. Vielleicht  war es auch besser so. Zumindest erkannte Ealfred  Gesichter, wenn ihm auch manche Namen entfallen waren.

Frederun ergriff Ealfred’s Hand und drückte sie. Ealfred, es freut mich, euch nach so langer Weile wieder zu begrüßen. Ich kann über den Weg wahrlich nicht klagen; Tanile hat mich wie immer schon gut herangetragen. Aber, sagt, ich denke nicht, dass wir uns seit Mendana schon gegenübergestanden sind. Welch' Freude, Euch gesund und tatkräftig zu wissen."

 "Aye", grinste der Albernier.  "Zum Glück hat es mir bei Mendena nicht Körper und Kopf zerschissen, wie so manch anderer armen Seele. Es freut mich Euch zu sehen. Tatkräftig war ich" Ealfred  grinste unverschähmt. Esme , meine Frau hat mir Muir geboren , unsere Tochter. Und bei Euch, erzählt. Was gibt es Neues"

 Adelrat Thomundsons Wangen nahmen schlagartig die Farbe seiner Haare an. So etwas hatte er schon befürchtet. Immer wird man gleich angesprochen, wenn so viele Menschen aufeinandertreffen... Und dann auch noch eine Frau von irgendwas! Wie mußte man jetzt nochmal reagieren? Die Knappenzeit war ja so lang her... Handkuss nicht, oder? Gute Frau, nein, meine Liebe, nein auch nicht, Euer Gnaden, nee, na wohlgeboren paßt doch fast immer: „Adelrat Thomundson mein Name, Euer Wohlgeboren, vom Gut Weihern unten am Tommel, ach ja..., aber, wie noch der Name? Falkenhaus, richtig? Auch unten, aber nach Gratenfels raus, oder? Bin ich da nicht durchgeritten auf dem Weg? Hatschi! Ich mach´ jetzt erst mal die Tür, das zieht hier. Und wenn es schon keinen Kräutertrank gibt, dann wohl doch zumindest einen Schnaps, das hilft meist auch, sagt die Amme. Nehmt Ihr auch - eh, nein, Entschuldigung, darf ich Euch zu einem Getränk einladen?“   Außer Atem ob dieses ungewohnten Redeschwalls schaute Adelrat die Hohe Dame (ja, Mist, das wäre besser gewesen...) erwartungsvoll (oder eher ängstlich?) an…

Mit leichter Skepsis im Blick hörte die Ritterin den Ausführungen Ihres Gegenübers zu. “Peraine mit Euch, Wohlgeboren. Gerne nehme ich eure Einladung an”, antwortete sie freundlich, “Falkenhaus, das Lehen meiner Familie Falkenhaupt, liegt ganz im Rahja, an der Grenze zum Kosch. Da hättet ihr einen gewaltigen Umweg gemacht”, endete sie mit einem Lächeln. Was in ihrem hageren Gesicht etwas eigentümlich aussah.

Ein weiteres Mal schwang die Tür des Schankraums auf und ein junger Bursche mit wildem schwarzen Haar und abgenutzter Reisekleidung setzte widerwillig einen Schritt hinein. Beim Anblick der sich angeregt austauschenden Versammelten verfinsterte sich Hagrian von Harschenklamms Blick und fast wäre er umgekehrt, überwand sich dann aber doch, schloss die Tür hinter sich mit einem Knall und schritt mürrisch in den gut gefüllten Schankraum ohne zu grüßen. Beim Vorbeigehen warf er jedem der hohen Herren und Damen, die ihn musterten, einen eisigen Blick aus seinen unfreundlichen grauen Augen zu. Schließlich ließ er sich in einer Ecke des Raums auf einer Bank nieder, verschränkte die Arme vor der Brust und musterte grimmig die Anwesenden. Keinen dieser Adligen kannte er. Obwohl? Dort drüben, die Frau in dem Kettenpanzer, die gerade in ein Gespräch mit einem regelrechten Hünen vertieft war, war das nicht die Edle von Falkenhaus? Diese Unruhestifterin, die die Grenzen des Junkerguts seines Vaters nicht akzeptieren wollte? Hagrian nahm sein Messer vom Gürtel und begann beiläufig dem vor ihm stehenden Tisch ein grobes Schnitzmuster zu verpassen. Währenddessen versuchte er, die Edle von Falkenhaus, Gwiduhenna von Falkenhaupt war ihr Name, wenn Hagrian sich richtig erinnerte, mit seinem frostigen Blick regelrecht aufzuspießen.

Das Knallen der Tür ließ Gwiduhenna in ihrer Unterhaltung kurz stoppen, sie blickte sich nach der Quelle des Geräusches um und erblickte eine vermeintlich bekannte Gestalt. Doch der Heller wollte nicht so gleich fallen und sie wandte sich erstmal wieder ihrem Gesprächspartner zu. Doch jäh erinnerte sie sich und gleichzeitig kribbelte es unangenehm in ihrem Nacken. Sie wandte sich zum schnitzenden Mann um und betrachtete ihn aus ihren braunen Augen. Ihr früher sicher ansehnliches, mittlerweile sehr hageres Gesicht verzog sich zu einer angewiderten Miene. ‘Hagrian von Harschenklamm, dieser Halbwilde und Unmensch? Was tut er hier? Praios! Ausgerechnet ein Harschenklamm! Diese irren Firunsfrömmler sind eine Schande für unseren Stand. Hocken immer nur in ihrem Wald, lassen alles verkommen und ich werde ihnen nie verzeihen, dass sie uns bei der Suche nach Muhme Praioberga die kalte Schulter gezeigt haben." Sie entbot ihm ein gequältes Lächeln und verdrehte die Augen. Dann wandte sie sich wieder Adelrat zu.

Die Augen der Wirtin weiteten sich entsetzt, als sie sah, dass einer der Gäste - wie ein Firunsbär war er anzusehen - begann, mit seinem Messer dem Tisch in ihrer Guten Stube, die sie für den Buschen freigeräumt hatte, zu Leibe zu rücken. Sie holte erschrocken Luft und begann entrüstet: “Hah, Hoher Herr, des is’ mei’ Tisch - des geht so nich’!”  Sie erbleichte und schlug sich die Hand vor den Mund.

Ealfred hörte die Wirtin rufen. Er blickte sich um und nun sah er auch wie ein junger Mann, mit zornigem Gesicht, mit einem Messer in das Holz des Tisches schnitzte. Er spürte  die Anspannung und sah den eiskalten Blick , den der junge Mann einer gewissen Falkenhaupt zu warf. Die beiden schienen sich nicht sonderlich zugetan zu sein. Ealfred  beschloss, den Jungen im  Auge zu behalten.  Hagrian warf der Wirtin einen abschätzigen Blick zu, hörte dann aber mit der Beschädigung des Mobiliars auf, nicht jedoch ohne sein Messer mit einer letzten wütenden Bewegung in die Tischplatte zu rammen und es dort stecken zu lassen. Ein Hauch von Zufriedenheit huschte über sein grimmiges Antlitz, als er sich zurücklehnte und einen großen Schluck aus seinem ledernen Trinkschlauch nahm.

Derographie und andere Hindernisse

   Adelrat kam, wenn er ehrlich war, die Unterbrechung seiner Unterhaltung mit Gwiduhenna durch den ungehobelten Kerl ein wenig gelegen. So musste er schließlich nicht auf seine offenbar mangelhaften Derographie-Kenntnisse eingehen.  Ob er zur Beruhigung der armen Wirtin beitrug, indem er unter Hinweis auf den bereitstehenden Schnapsring; „Erst mal zwei zur Probe für die Hohe Dame (endlich konnte er das anbringen) und meine Wenigkeit, und ruhig zwei Glas Most dazu!“, bestellte, sicher war er da nicht. „Mir scheint“, wandte er sich wieder Gwiduhenna zu, „Ihr kennt bereits einige dieser hohen Herrschaften hier, wenn auch wohl nicht alle von angenehmen Gelegenheiten... Vielleicht könntet Ihr mir ja später die Eine oder den Anderen vorstellen. Aber vor allem: Ist Euch bekannt, warum man uns zu dieser Jahreszeit, es geht schließlich auf den Jahreswechsel zu, und so manche Dinge sind auf dem Gut noch zu richten, von den heimischen Pflichten abberufen hat?“ 

“Welch ein Flegel!” sprach die Edle mehr zu sich selbst, “Wie meinen?”, fragte sie dann an Adelrat mit kurzer Irritation. “Warum wir…nein, dies scheint allen Anwesenden ein Rätsel zu sein. Doch bei der großen Zahl an Edelblütigen und dem Absender, scheint es gewiss sehr wichtig zu sein.” Sie hob gleichgültig die Schulter. “Wir müssen uns gedulden.” Anschließend blickte sie sich wieder um und warf Hadrian erneut einen wütenden Blick zu. “Mir ist leider niemand hier wirklich bekannt. Mit ein paar der Anreisenden habe ich bei den Pferden ein paar Worte gewechselt, dass war es jedoch schon. Kennt ihr hier auch niemanden?"

„Nein, auch ich kenne hier leider niemanden,“ meinte Adelrat zu Gwiduhenna gewandt, wurde aber vom öffnen der Türe abgelenkt„ aber unsere Geduld scheint nunmehr nicht weiter in Anspruch genommen zu werden, diese Herrschaften wollen nun wohl aufklären, weshalb wir zu diesem kleinen Ausflug in die hohen Wälder aufgerufen wurden...“

“Durchaus, durchaus.”, war ihre einzige Antwort und dann fokussierte sie sich auf die Ankömmlinge.

Mit großer Abscheu beobachtete Riochild des neu angekommenen Hagrians Treiben. ‘Wie unverschämt’, schoss es ihr in den Kopf. Sie überlegte kurz, ob sie den jungen Mann kannte. Doch es mochte ihr nicht einfallen. Mit ruhiger Stimme fragte sie ihre Sitznachbarn Darion, Findan und Thimorn: “Kennt Ihr diesen Mann? Sein Verhalten lässt zu wünschen übrig! Der gute Tisch der armen Wirtin… natürlich, sie mag überfordert sein und gewiss nicht die Beste ihres Handwerks, aber das ist noch längst kein Grund, das Eigentum einer ehrlichen Wirtsfrau zu beschädigen, die hart dafür arbeitet. Könnt Ihr mir etwas über Ihn erzählen? Ich wüsste gerne, mit wem ich es hier zu tun habe.” "Das wird einer der Söhne vom Adelfried sein - dem zu Koschstein. Scheint sein Gemüt geerbt zu haben." Entgegnete Darion amüsiert. "Firungefällige Leute sind's, die von Harschenklamms." "Sich wie ein in die enge getriebenes Tier zu benehmen ist nicht unbedingt firungefällig. Auch wenn ich es in dieser Menschenmasse verstehen kann." Findan nahm noch einen Schluck Most. "Wahrlich hier wird es langsam zu voll und jetzt wäre ich auch um einiges lieber alleine auf der Jagd, aber sich so zu verhalten hilft einem auch nicht weiter"

“Was für ein Bild wir abgeben? Die glorreichen Ritter Gratenfels stehen kurz vor einer Schlägerei in einer Schenke.” fügt Farold spöttisch hinzu. “Aber was soll man schon von einem Adligen halten, der feige den Gegner mit den Bogen bezwingen will und mutig im Angesicht des Feindes, wie es Rondra vorgibt” 

Alkohol und Messer, keine gute Kombination, dann noch Wut im Bauch. Ealfred kannte diesen Blick, hatte ihm oft genug gesehen. Er blickte zu der Edlen zu Falkenhaupt, beide schienen sich zu kennen. Dann blickte er zu der Wirtin. Unverschämt war es wohl, ungezogen wohl auch. Er runzelte die Stirn. Nur halb hörte er den Worten der guten Frederun zu. Er lächelte und blickte doch immer wieder zu dem Jungen . Messer und Alkohol! 

Frederun war wohl durch das Knallen der Tür etwas aufgehorcht, hatte dann den Neuankömmling durch die vielen Herrschaften hindurch doch kaum einmal länger in Augenschein nehmen können. Aber gut, selbst in der einfachsten Schankstube hätte sie nicht dadurch Eindruck schinden wollen, mit dem Messer herumzuspielen. Frederun erschien das fast kindisch, oder auch noch ein Zeichen von flatternden Nerven; so wie die Reiterin, die vor dem Lanzengang immer und immer wieder am Sattel, am Zaumzeug oder hier und da herumziehen mochte und nie auch nur einmal stillstehen konnte. Nein, entschlossen war dies gewiss nicht. Und irgendwie breitete sich die Nervösität noch aus. Selbst Ealfred erschien ihr doch sehr abgelenkt. ’’Ealfred, mich denkt fast, meine Worte kommen nicht gegen den Bann des Jungspunts an. Ihr könnt ja euren Blick kaum von ihm lassen?! Auffällig, sicherlich. Launenhaft, auch das, ja; das ist der Herr wohl; aber doch hierhin geladen, oder etwa nicht? Gewiss habe ich den Herrn noch nicht gekannt. Ihr etwa?’’ Frederun blickte Ealfred mit ihren großen blauen Augen an. Nach einer Pause: ’’Bedenkt, der Schein mag trügen. Auch dem nach vorne Vornehmsten wird ein Schwindel recht und billig sein, sowie er damit im Duell obsiegt. Auch gleichwohl hab’ ich schon dem groben Flegel noch Respekt gezollt sowie er aufrecht und wahrhaftig für die gerechte Sache ins Gefecht gezogen.’’

Ealfred wurde aus seinen Gedanken  gerissen. " Verzeiht, meine Gedanken schweiften. Ihr habt Recht, was weiss ich schon über diesen Jungen. Vielleicht  taugt er was" Ealfred  machte eine Pause und holte Luft. " Ich habe 4 Jahre bei den Abilachtern,  gedient vor Haffax. Wie ich dazu kam, ist eine lange Geschichte. 50 Männer und Frauen habe ich angeführt und man hatte mich ‘Mother Hen’ genannt." Ealfred grinste. "Das ist Albernisch für "Mutter Henne. Ich habe immer ein Auge und ein Ohr für meine Leute gehabt.” Ealfred machte eine Pause und sprach leise weiter. "Gute Männer und Frauen  habe ich verrecken sehen", sprach er traurig. Er atmete durch die Nase.  "Scheiß drauf. Trinken wir auf … Trinken wir einfach". Ealfred hob den Krug mit Bier und bot diesen Frederun zum Anstoßen an. 

Frederun hob ihren Krug stieß mit Ealfreds Krug an. ’’Praios und Boron mit den denen, die für die gerechte Sache im Felde geblieben sind!’’ Frederun nahm einen kräftigen Schluck.

“Diese Stadt… nein dieses Dorf … Es erinnert mich an die Heimat” Durinja von Saibeltal zog den Mantel näher um sich, es war bereits eine Woche nach ihrem Aufbruch aus Saibeltal und durch den langen Marsch waren ihre einst warmen Stiefel bereits sehr abgelaufen. Sie betrat den Platz und sah sich um. In ihren Gedanken schwirren noch die Bilder des Feuers, das die einst erfolgreichste Pechbrennerhütte ihres Lehens zerstört hatte. Sie tritt an das Schankhaus heran, der Ruf der Expedition hatte sie in dieser schicksalshaften Zeit erreicht, innerlich dankte sie Phex dafür, sie wüsste nicht wie sie ihr Lehen nach der Katastrophe, welche ihren geliebten Sohn Jonidas schwer verwundet hatte, durch den Winter bringen sollte. Die Tür des Schankraums öffnete sich und ihre kleine Gestalt, sie war kaum 1,7 Schritte hoch und nur knapp einen weit, füllte die Tür kaum aus. Die Wärme, die an ihre klammen Finger drang, war fast schmerzhaft. Sie sah sich im Raum um und ihr Blick blieb am Krug von Ealfred hängen. “Phex zum Gruße, eine interessante Gesellschaft tagt hier wie mir scheint” Der Blick wandert zur Wirtin. “Könnte ich auch etwas von diesem Gebräu haben?” Sie setzt sich an den nächsten freien Platz.

Als die Tür aufging und er eine Frau in abgewetzten Stiefel und einen Mantel sah, den sie eng um sich geschlungen hatte, traffen sich ihre Blicke. Ealfred nickte ihr zu.  Sie nickte Ealfred zu und lächelte ihn an. “Durinja von Saibeltal mein Name und deiner ist?” sagte sie und musterte ihn mit ihren Blicken. 

Ealfred nickte. "Ealfred von Tommeltann" brummte er. Eafred war 1.85 Schritt, langes braunes Haar fiel über seine breite Schultern. Breite Wangenknochen und ein breites Kinn rahmten ein sonst langes Gesicht ein.  Er mochte wohl 25 Götterläufe haben. Seine Augen waren wach und aufmerksam.  "Was führt Dich her, Durinja von Saibeltal?"

"Wahrscheinlich das gleiche wie euch, Ealfred" sagte Durinja und sah Ealfread herausfordernd an. Zwar war ihr bewusst, dass eine Herausforderung an ihn durchaus schlecht für sie ausgehen könnte, doch war sie in Gedanken noch in ihrem Lehen.

Ealfred hielt ihrem  Blick stand, dann lächelte er. "Und was glaubt die hohe Dame was ich   hier tue?” Er nahm den Krug auf und trank, beobachtete  Durinja und ließ sie nicht aus den Augen. Erst als er einen kräftigen Schluck getan hatte, lächelte er.

Später am Abend

Abend des 14. Rahja 1045 Die Tür schwang auf, und mit einem Schwall echter Luft trat eine zierliche, schlanke Frau in die Schankstube. Sie schlug die Kapuze ihres Capes zurück und betrachtete den einfach eingerichteten Raum. Als sie sich im Raum umschaute weiteten sich ihre blauen Augen leicht, als sie der versammelten Edelleute gewahr wurde. Sie nickte grüßend in Richtung ihres direkten Vasallen Darion von Aelgarsfeld, ihre Körperhaltung aufrecht und gerade. Ihr langes blondes Haar war kunstvoll aufgesteckt. Ihr Umhang trug ein Wappen, welches einen goldenen, auf grünem Hintergrund schreitenden Kranich darstellte. Der Wappenvogel hielt in der rechten Klaue eine silberne Kugel. Gekleidet war sie in ein edles schwarzes Kleid, welches allerdings nicht der neuesten Mode entsprach. Hinter ihr schritt ein gutaussehender junger Mann in die Stube, ebenfalls in schwarz gekleidet. Die Ähnlichkeit zur Frau war nicht zu übersehen: Das gleiche blonde Haar, die gleichen blauen Augen, die gleiche schlanke Gestalt. Er überragte die Frau um gut zwei Hauptlängen. Auch er trug einen Umhang, welcher das gleiche Wappen wie jener der Frau aufwies. Er ließ seinen Blick interessiert durch den Raum schweifen, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Ein weiterer Mann folgte den beiden. Er hatte ungefähr die gleiche Größe wie der junge Mann vor ihm, hatte jedoch den kräftigen, trainierten Körper eines Kriegers. An seiner Seite führte er einen mächtigen Anderthalbhänder, gekleidet war er in edle Stoffe, welche gut aufeinander abgestimmt waren. Seine Kleidung zierte ein Wappen, welches einen bunten Adler auf silbernem Grund zeigte. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, wandte er sich an die Frau. „Nun, Euer Hochgeboren, wir sind offensichtlich nicht die Ersten, die eingetroffen sind“, sagte er mit selbstsicherem Ton mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen zu ihr. Sie nickte ihm kurz zu, holte kurz Luft und wandte sich an die versammelten Edelleute „Praios zum Gruß. Es erfreut mich, euch zu sehen. Schön, dass ihr dem Ruf des hochgeborenen Herrn Vogt und meinem gefolgt seid.“ wandte sie sich mit fester, überraschend angenehmer Stimmen an die versammelten Gefolgsleute. Darion stand auf und verbeugte sich. So verharrte er nun gespannt und wartete darauf, der Baronin dienlich sein zu können. Ealfred  unterhielt sich noch mit Frederun und mit Durinja. Als er beiläufig erfuhr, das Durinja selbst Mutter war, verneigte sich Ealfred und bat seine Narretei zu vergeben. Er selbst sei Vater einer einjährigen und habe tiefen Respekt vor Müttern. Als dann die Tür aufging und die Baronin die Schankstube betrat, verneigte er sich.

“Rondra zum Gruße, Euer Hochgeboren.” antwortet Farold kurz, nachdem er aufgestanden ist und verbeugt sich auch kurz.

Adelrath fasste sich kurz und wandte sich wieder an Gwiduhenna von Falkenhaupt„ Aber unsere Geduld scheint nunmehr nicht weiter in Anspruch genommen zu werden, diese Herrschaften wollen nun wohl aufklären, weshalb wir zu diesem kleinen Ausflug in die hohen Wälder aufgerufen wurden...“

Die Schankmagd erschrak ein weiteres Mal an diesem Abend und schmiss polternd einige Krüge um, die sie gerade mit weiterem Apfelmost befüllen wollte. Die fahrige Frau versuchte noch nach Kräften, die großen tönernen Gefäße einzufangen, bevor sie über den Tresen kullern und am Boden zerschellen würden. „Ähm, Euer Hochgeboren, achtet gar nicht auf mich!“ rief sie und verursachte damit noch mehr Lärm und Störung als so bereits. Durch das Poltern der Krüge abgelenkt, schaute Frederun mehrmals nach links und rechts. Ihr Blick blieb dann doch an den drei neu eingetretenen Personen hängen. Als sie das Wappen derer von Kranick erkannte, liefen ihre Wangen rötlich an. Etwas hektisch tat sie es Farold und Ealfred schließlich gleich und stand auf. Mit etwas lauterer Stimme als dies vielleicht nötig gewesen war, begann sie: ’’Euer … Hochgeboren …”, Frederun bemerkte, dass sie doch sehr laut sprach. Sie schluckte und fuhr dann normal fort: “Praios alleruntänigst zum Gruße!’’ Aus dem Gespräch über den Markt in Treuklingen gerissen schaute auch Praiophan zu den Neuankömmlingen. Ihre Edle Kleidung und die Wappen machten es für Ihn ohne weiteres klar. Dies musste die Baronin Iriane von Kranick zum Kranickfluchs und vermutlich Melcher von Ibenburg, Vogt der Grafenmark Gratenfels sein. Seine Mutter, Madalin von Lerchentrutz,  hatte Ihn aufgrund Ihres Bittschreibens hier her gesandt und nun stand er diesen Edelleuten gegenüber. Er stand auf und wartete auf einen passenden Moment: " Praios, Rondra und Firun zum Gruße, Euer Hochgeboren." Er führte eine leichte Verbeugung aus, wie er es schon so oft einüben musste. Mit etwas zittriger Stimme fügte er an: "Praiophan von Lerchentrutz" dabei richtete er sich auf und legte seine Hand auf seine Brust. Er räusperte sich, seine Stimme wurde kräftiger und klarer. "Ich vertrete meine Mutter, Madalin von Lerchentrutz, Junkerin des Junkerguts Tommelsfurt in dieser Angelegenheit. Ich werde mein möglichstes tun, um euch zu Diensten zu sein." Findan sah von seinem Becher auf, als die hohen Herrschaften den Raum betraten. Er richtete seine Haare, so dass man sein Gesicht gut sehen konnte, stand auf und rief: “Firun zum Gruße” und setzte sich dann wieder. Die Baronin runzelte kurz die Stirn und suchte Blickkontakt zum Vogt. Sein Gesicht verriet ihr, dass auch er den offensichtlichen Affront bemerkt hatte. Sie gab ihrem Sohn ein kleines Zeichen. Irian Hadelin schon sich unauffällig hinter Findan und sprach ihn mit einer ähnlich angenehmen, ruhigen Stimme wie seine Mutter an “Würdet ihr euch wieder erheben, Euer Wohlgeboren und meiner Mutter sowie dem Herrn Vogt den gebührend Respekt erweisen?”   “Verzeiht, ich wollte eurer Mutter und dem Herrn Vogt nicht respektlos erscheinen.” Findan stand wieder auf und verfluchte sich selbst, so früh schon einen Affront begangen zu haben. ‘Verdammt, wenn ich so weiter mache, werde ich hier gar nichts für Eisbühl erreichen können.’  Damian erhob sich elegant und deutete eine Verbeugung an: “Praios zum Gruße, euer Hochgeboren. Mein Bruder lässt sich dafür entschuldigen, dass er nicht selbst zu diesem Treffen kommen konnte. Ich hoffe, dass ich ihn in dieser Angelegenheit adäquat vertreten kann.” Während er sprach, nickte er auch den anderen beiden Männern höflich zu. Gwiduhenna erhob sich auch, wie so viele, und deute ebenso eine Verbeugung an: “Praios segen Euch, Eure Hochgeboren.” Sie blickte die Neuankömmlinge an und ihr Blick verweilte etwas länger beim Vogt.

"Praios zum Gruße" sagte Durinja, während sie sich erhob und sich ebenfalls verbeugte. "Ebenso wie Damian bin ich als Vertretung meines Sohnes hier, welcher auch vielmals für sein Fernbleiben um Verzeihung bittet. Nichtsdestotrotz hoffe ich dass ich an seiner statt eine würdige Vertreterin sein kann." Ihre Augen verblieben etwas länger als nötig Richtung Boden gewandt bis sie sich wieder setzte.

“Ach, die Hemma, die hätte jetzt wieder gewußt …” überlegte Adalrat, als er aber sah, wie seine Tischpartnerin sich erhob, tat er es ihr nach und grüßte auf gleiche Weise - ‘... wird schon richtig sein so …’ dachte er bei sich.

Riochild stand auf, als die Herrschaften den Raum betraten und verbeugte sich tief, wie es sich gehörte und grüßte “Praios zum Gruße”. Skeptisch nahm sie Findans Verhalten war, schwieg aber. 

Hagrian blieb, als die hohen Herrschaften den Raum betraten, genau da, wo er war und rührte sich nicht. Den Mann, der als letztes den Raum betreten hatte, erkannte er zwar als den Vogt der Grafenmark Gratenfels, trotzdem scherte ihn die Etikette nicht. Hagrian war nicht hierhergekommen, um Freunde zu finden, sondern auf den Wunsch seines verdammten Vaters hin. Dieser sollte schon sehen, was er davon hatte, seinen Sohn zu einem solchen wichtigen Treffen zu schicken, dachte sich Hagrian und lächelte leicht.

Der Vogt der Grafenmark Gratenfels ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und erkannte, welche seiner Untergebenen seinem Ruf gefolgt waren. Dass Gwiduhenna ihren Pflichten nachkommen würde, damit hatte er sicher gerechnet. Übel nur, wie die einst hübsche Frau auseinandergegangen war. Hagrian allerdings erkannte er nicht, sondern vermerkte nur, dass ein wild zusammengerichteter junger Mann nicht die Notwendigkeit befand, ihm die gebotene Ehre zu erweisen. Und er war noch nicht allein. Na denen würde er die Leviten lesen.

Die Edle von Falkenhaus nahm erfreut den auf ihr ruhenden Blick auf und nickte dem Vogt zu. Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihren Mund. Als sie dem Blick des Vogtes zu Hadrian folgte, übernahmen Zornesfalten auf ihrer Stirn die Miene. ‘Dieser elende Bastard von einem Wildschwein, was erlaubt er sich nur.’ fuhr es ihr zornig durch den Kopf. Iriane von Kranick lächelte angesichts der gespannten Aufmerksamkeit der versammelten Edlen. Elegant nahm sie auf dem Sessel Platz, den ihr die Wirtin vor den Kamin geschoben hatte, nebst zwei weiteren Stühlen für die beiden Herrn in ihrer Begleitung. Die zierliche Baronin blickte in die vielen teils bekannten, teils unbekannten Gesichter und erhob abermals das Wort. „Bitte erhebt euch wieder - und nehmt Platz. Ich … wir … haben Euch aus einem Grund hierhergebeten. Wie allgemein bekannt ist, ist die Tommel einer der wichtigsten Flüsse des Landes, man kann von der Lebensader von Nordgratenfels sprechen. Nun scheint es, als ob die Quelle des Tommels versiegt sei.“ Hier machte die Kranickerin eine kurze Pause, um ihre Worte sacken zu lassen. Dann nahm der Vogt das Wort auf. „Welche wirtschaftlichen Folgen es für jeden von uns hätte, muss ich wohl nicht ausführen. Es wäre nicht auszudenken. Da die Quelle seit Jahrhunderten Wasser führt, kann es sich nicht um eine natürliche Ursache handeln. Die Quelle versiegt nicht von selbst, es muss irgendein Eingriff vorliegen. Ihr seht, es handelt sich um eine Angelegenheit von größter Tragweite für Gratenfels.” Hier setzte die Baronin wieder ein. „Aus diesem Grund haben wir Euch zusammengerufen. Diese Angelegenheit ist zu wichtig, um sie einfachen Handlangern oder Söldnern anzuvertrauen. Wir tragen euch hiermit an, der Ursache auf den Grund zu gehen und den ursprünglichen Zustand baldigst wieder herzustellen und uns nach erfolgreich abgeschlossener Queste auf Burg Kranichstein Bericht zu erstatten.“ Baronin Iriane schaute bei den letzten Worten verstohlen zu dem hochgewachsenen Vogt, dieser zog die Augenbrauen zusammen. „Burg Kranichstein?“ fragte er in Richtung der zierlichen Frau. Sie hielt seinem Blick stand und nickte „Wir starten in eurem Lehen und enden in meinem, so schließt sich der Kreis.“ Der Vogt runzelte kaum merklich die Stirn, setzte dann aber mit lauter, befehlsgewohnter Stimme an die Worte der kleinen Frau an. “Habt Ihr noch Fragen?”.  "Einen Fluss versiegen lassen!? Mögen die Götter uns beistehen! Welche Macht ist nur in der Lage zu so etwas?" Darions Finger hatten sich um den Griff seines Schwertes verkrampft. Sein Blick wanderte ungläubig über die Anwesenden. Ealfred hob eine Augenbraue. Die Tommel war die Lebensader für viele, für Tommeltann  ganz sicher. Das kleine Dorf lebte von der Floßschiffahrt, wichtige Einnahmen, die auch Ealfred  und Burg Tommelfels und letztlich seiner Familie zu Gute kamen. Ein Versiegen der Tommel wäre eine Katastrophe. Kurz blickte er sich um.  Er zog Luft durch die Nase ein und trat hervor. "Hochgeboren, ihr mögt mich nicht kennen, mein Name ist Ealfred." Er sprach seinen Namen typisch albernisch aus mit langem E, "Ritter zu Tommeltann. Ich stehe Euch zur Verfügung". Er hob die Hand an die Schläfe und entbot den militärischen  Gruss der Kavallerie, bei den Abilachtern hatte er 5 Jahre gedient und hatte erst nach dem Haffax Feldzug das Lehen Tommeltann von seinem Vater, Winfreed, übernommen, der an der Seele erkrankt war. ‘Ein ganzer Fluss, der versiegt … Bei Praios! Ja, darf das denn wahr sein!’ Dieser Gedanke, dass der Tommel, dieser Fluss, der so Unmengen an Wasser führte, nicht einmal mehr dort sein könnte, erschien Frederun gar absurd. Sie merkte, wie ihre Hände leicht zitterten. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Fahrig strich sie sich über die Stirn. Sie stand dann auf und wandte sich mit fragendem Blick an die Baronin und sprach leicht stotternd: ’’Euer Hochgeboren! … Dass … dass der Tommel versiegen könnte … es liegt mir so fern… Doch … ich zweifele nicht, ihr hättet uns, die wir alle auf das Geheiß herbeigeeilt und … hier erschienen sind, nicht allerdinglichst hier beordert, wäre es nicht wahr … So dies euer Wort ist, so werde ich folgen. Die … eh… Rittfrau von Weitenfeld steht in dieser allerschwersten Stunde an eurer Seite.’’ Frederun senkte leicht das Haupt. Danach schaute sie flüchtig nach links und rechts in die Runde der Anwesenden. Neben ihr stehend blickte sich auch Praiophan um. Die Blicke von Frederun und Praiophan kreuzten sich und in ihren Augen war Ratlosigkeit zu sehen. "Was es auch sei, was der Tommelquell zusetzt, ich bin zuversichtlich: Wir werden es ergründen und uns dem Problem annehmen!" rief Praiophan mit ruhiger Stimme aus. Dabei ließ er seinen Blick von Frederun, über die anderen Edelleute, wieder zurück zur Baronin schweifen. Er war froh darüber, dass nun etwas Licht in diese ungewisse Aufgabe gekommen war. Etwas erleichtert war er ebenfalls, denn eine Wanderung durch das Reich Firuns war eine seiner liebsten Zeitvertreibe. Diese Aufgabe war gewiss angenehmer als ein Feldzug, wie der, in dem sein Bruder gefallen war, oder eine sonstige ach so wichtige Aufgabe für Edelleute. Er war zwar als Erstgeborener gut auf diplomatische Angelegenheiten vorbereitet worden, doch hat er sie nie als sehr erquickend wahrgenommen. Firun sei Dank! dachte er und fand Mut darin, dass diese Aufgabe zunächst lediglich darin bestand, wie ein geschickter Jägersmann der Tommel entlang einer Spur durch die Wildnis zu folgen.  ‘Einen Fluss gab es in Eisbühl nicht, höchstens ein paar Gebirgsbäche, aber selbst einen von diesen zu verlieren könnte einschneidend sein in der Natur rund um diese herum.’ Dachte sich Findan. Er stand überhastet auf, um seinen vorherigen Fehltritt wieder gut zu machen und stieß dabei unabsichtlich seinen Stuhl um. “Seid meiner Hilfe versichert euer Hochgeboren!” rief er etwas zu laut, stellte seinen Stuhl wieder auf und setzte sich wieder. Farold setzte sich nach Anweisung auch wieder hin und als die Nachricht der Versiegelung der Quelle der Tommel kam, wurde ihm schlagartig klar, warum so viele Ritter gerufen wurden. Von der Tommel hing so viel ab, der Handel über den Fluss, der in der Baronie seines Lehnsherrn starten würde, die vielen Wassermühlen, die zum Erliegen kommen würden. Als die Baronin mit ihrer Rede fertig war, erwiderte er: “Im Auftrag meines Herrn gebe auch ich mein Schwert zur Verfügung.” Dann suchte der Blick von Thimorn und den anderen Rittern seiner Baronie, um ihnen mit einem leichten Nicken zu signalisieren, sich ihm anzuschließen. Anschließend erhob er sich wieder und richtete seine Worte an die Baronin: “Bei Rondra und ihren elf Geschwistern. Ich denke  , jedem im Raum hier ist die Ernsthaftigkeit der Lage bewusst. Zur Quelle müssen wir? Steht Ausrüstung für eine Reise in den Bergen schon bereit, um morgen aufbrechen zu können oder müssen wir diese erst besorgen?”  Damian runzelte die Stirn. Das Lehen seines Bruders lag an der Nabla, nicht an der Tommel. Sicherlich lag Herzöglich Arraned, in welchem das Gut Eberweiler lag, an dem versiegenden Fluss, doch betraf dies seinen Bruder nur indirekt. ‘Wo bin ich hier nur hineingeraten?', dachte sich der Ritter, ‘mein Bruder hätte es sicherlich erfreut, diesen Adligen hier zu helfen‘. Resigniert ließ Damian sich auf seinen Stuhl fallen.

Gwiduhenna von Falkenhaupt zog ihre Augenbrauen zu einer nachdenklichen Miene zusammen. ‘Ein versiegter Fluss. Die Tommel. Die Baronin hat recht, so etwas geschieht nicht einfach so. Wer tut so etwas? Nun, er führt auf jeden Fall nichts Gutes im Schilde.’  Sie blickte zum Baronin und dann zum Vogt. “Eure Hochgeboren, habt Dank für diese gewichtige Aufgabe und das Vertrauen, dass Ihr in uns setzt. Ist es hier und nun genehm noch ein paar Fragen zu äußern?”

Durinja sah die Baronin mit hochgezogener Augenbraue an. “Ich stimme Gwiduhenna zu, euer Hochwohlgeborenheit, bevor wir getreu euren Anweisungen ausschwärmen, hätten wir einige Fragen, um abzuschätzen, auf welche Art von ‘Magie’ wir treffen können.” Bei dem Wort Magie, erhob sie die Stimme und deutete Anführungszeichen knapp außerhalb der Sichtweite der edlen Herren und Damen an, diese waren am Tisch jedoch gut zu sehen. 

“Na na, Magie?! In meinen Landen? Sicherlich nicht”, schaltete sich der Vogt der Grafenmark ein. “Jetzt bewahren wir mal alle einen kühlen Kopf und denken die Sache durch. Aber selbstverständlich habt Ihr Recht, hohe Herrschaften: Das ist eine problematische Angelegenheit, derer wir unmittelbar zu Leibe rücken müssen. Der Lauf der Tommel darf nicht weiter aufgehalten werden.” Der großgewachsene Mann mit den hellbraunen - oder waren es dunkelblonde? - langen Haaren und dem breiten Kreuz machte eine gewichtige Pause. Er zwinkerte einen Augenblick länger als üblich, womit er signalisierte, man möge sich etwas beruhigen. Dann setzte er mit seiner durchdringenden Stimme fort: “Euch allen steht es frei, nunmehr Eure Fragen zu stellen, denn derer werdet Ihr viele haben - so wie wir ebenso. Eure Aufgabe wird es sein, viele dieser Fragen selbst zu klären, doch werden wir beitragen, was wir können, um Euch diese Aufgabe zu erleichtern. Die Ursache des Versiegens der Tommel ist ungewiss. Ob dabei überderische, gar madafrevlerische Vorgänge, ein schlichter Erdrutsch oder die himmelschreiende Unverfrorenheit einiger unbekannter Wasserdiebe ausschlaggebend waren, das gilt es zu prüfen.” Hierbei schielte der Vogt vielsagend zu seiner hochgeborenen Begleitung. “Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, werdet ihr in das Gebirge aufsteigen und nach der Ursache dieses Schlamassels suchen. Wie der Herr von Eychstädt bereits zutreffend vermutete, wird es dafür entsprechender Ausrüstung bedürfen. Ich habe bereits dem Bürgermeister von Grenzmark, dem Herrn Hintermoser, eine Depesche zukommen lassen, er soll für eine Seilschaft der hiesigen Größe das Notwendige zusammenstellen. Die kennen sich hier ja am Besten aus - und werden dann auch wissen, was bei FIRun man hier für eine Kletterpartie brauchen wird!” 

Melcher von Ibenburg räusperte sich lautstark, sodass auch der Letzte in dem kleinen Gastraum aufwachte - was der Wirtin einen quieckenden Angstlaut entlockte. “Ah ja: Bevor ich’s vergesse. Da wäre noch eine Kleinigkeit, auf die Ihr Acht geben könntet. Bisher ist unbekannt, wo genau die Quelle der Tommel liegt. Ihre Hochwohlgeboren Iriane und mein Herr, der Landgraf,” - wobei Melcher wohlfeil ausließ, dass er im Namen des Landgrafen gesprochen hatte - “waren uns da nicht so ganz einig.” Mit einer wegwerfenden Handbewegung tat er diese scheinbare Lappalie ab, doch konnten alle im Raum erkennen, dass dem Vogt diese Kleinigkeit weit wichtiger war als alle Fragen der Wasserführung.

Iriane runzelte kurz die Stirn aufgrund der letzten Bemerkung des Vogtes, hatte allerdings ihre Mimik schnell wieder im Griff. 

Ealfred hörte sich an was die hohen Herren zu sagen hatte. Dann ergriff er das Wort.  "Verzeiht, eure Hochgeborenen, wenn ich frage",  er machte eine Pause und wippte leicht auf den Füßen, wie er es immer tat, wenn er den Tagesbefehl erhielt. Es war Angewohnheit und durchaus kein Zeichen schlechter Manieren. Ealfred blieb innerlich ruhig. Eines hatte er unter den Abilachtern  gelernt, Ruhe bewahren und Tee trinken. Ein unruhiger Offizier strahlte seine Unsicherheit an die einfachen Soldaten aus. Ealfred  unterdrückte seine Unsicherheit und dachte an eine Tasse warmen Tees mit Milch.  "Vermutet ihr, dass jemand", er blickte kurz zu Durinja, versah das Wort "jemand" mit Gänsefüsschen und fuhr dann fort "durch die Verschüttung der Tommelquelle nicht nur wirtschaftlichen Schaden anrichten will, sondern möglicherweise den Fluss oder Grenzverlauf ändern will. In einfachen Worten "Landraub". Ealfred  hatte aber auch etwas Schalkhaftes und liebte die ein oder andere Neckerei, eine Sympathiebekundung in Richtung Durinja.

“Wohlgeboren, mir scheint, als würdet ihr uns ins Unbekannte schicken, ohne zu wissen was passiert ist und warum es passiert ist. Ich bin allerdings für eine Wanderung durch die Berge immer zu haben.” Findan lächelte, das könnte ja tatsächlich nach seinem Geschmack sein.

Durinja sah nach den Ausführungen Ealfreds ihn länger an. Es machte den Eindruck, als würde sie ihm nicht zugehört haben, innerlich war sie jedoch in Gedanken versunken. “Die Person, die die Quelle auf welche Art und Weise dazu gebracht hat, aufzuhören Wasser von sich zu geben, hat dies sicherlich nicht aus guten Absichten getan. Ich stimme Ealfred mit seiner Theorie des Landraubes zu. Es scheint auch wesentlich einfacher zu sein, eine Armee oder andere Heerscharen über trockenen Fußes über einen Fluss zu bringen, als aufwändig Schiffe oder gar eine Brücke zu bauen. Jedoch scheint mir der Preis für ein solches Unterfangen, eine Quelle trockenzulegen, doch sehr hoch zu sein. “ Durinjas Mine hatte etwas ernstes, erwartendes als sie diese Worte aussprach. “Nichtsdestotrotz bin ich für eine Bergwanderung in der Natur immer zu haben, Hochwohlgeborene.” Sie lächelte Ealfred hoffnungsvoll an, in der kurzen Zeit, die sie bisher mit ihm verbrachte waren ihr Gedanken durch den Kopf gezogen, die sie seit der Schwärmerei für einen Jungen als sie noch ein Kind war, nie wieder nur zu denken gewagt hatte.

Melcher zwinkerte und rümpfte die Nase. „Landraub ist eine schwerwiegende  Anschuldigung. Wir, Ihre Hochgeboren von Kranick und ich, sind übereingekommen, dass wir alle möglichen Hintergründe dieses mysteriösen Vorgangs gemeinsam ausräumen wollen. Um jeglichen Verdacht einer unangemessenen Übervorteilung a priori garnicht erst aufkommen zu lassen, haben wir beschlossen, Euch Herrschaften mit dieser Aufgabe zu betrauen - Vasallen unserer beider Lehen sowie Herrschaften von Stand anderer Lehen und Herkunft. So soll sichergestellt werden, dass niemand vom Versiegen der Tommel - und sei es nur mittelbar - profitieren kann. Wir wollen, dass das Wasser seinen gewohnten Lauf nimmt.“ Den letzten Satz begleitete er mit einer ausladenden Geste seiner geschlossenen rechten Faust.

„Ich bin mir sicher, Ihr seid bestens gewappnet, um dem Unbekannten die Stirn zu bieten. Im Namen des Landgrafen von Gratenfels und zum Wohle der Nordmarken!“

Sofort nachdem Melcher geendet hatte stand Durinja auf und verkündete “Selbstverständlich”

Riochild nahm aufmerksam alles auf, was gesagt wurde. Es lag nicht in ihrer Art, zu hinterfragen, ob diese Ansammlung edler Damen und Herren die richtige Wahl für so ein Vorhaben war. Vielmehr nahm sie den Auftrag an und würde versuchen, ihn bestmöglich zu erfüllen. ‘Am einfachsten wird es wohl sein, dem Fluß so weit zu folgen, wie nur möglich. Irgendwo wird die Trommel schließlich ihren Anfang haben.’ Als der Vogt endete, verkündete auch Riochild, um ihre Bereitschaft und Einverständnnis kund zu tun,  lautstark: “Zum Wohle der Nordmarken, für den Grafen!” 

"Für Nordmarken, für den Grafen" sprach Ealfred.  ‘ Und für dich Vater’ sprach er zu sich.  Die Tommel war mehr als Lebensader, es war auch Balsam für die Seele des geschundenen Vaters.  Winfreed, Ealfreds Vater, war Veteran des Borbaradkriegs und an der Trollpforte  dabei. Als er zurückkam, war er nicht mehr derselbe. Jedes kleine Geräusch ließ ihn zucken. Wenn der Wind durch das Dach pfiff, hörte Vater Stimmen oder gar unheimliche Gesänge. Was musste er an der Trollpforte  gesehen haben, was musste er erlebt haben? So manches Mal hatte Ealfred Vater, im Nachthemd mit Fackel und Schwert, durch den Turm wandern sehen. Dann war es der Sohn, der den Vater zu Bett brachte.  Nur die Tommel vermochte Vater Ruhe zu schenken. Das Glucksen und Rauschen des Wassers waren wie ein Beruhigungstrunk. Oft stand Vater am Fenster und blickte hinunter auf Tommeltann oder verfolgte die Flöße, die Güter auf der Tommel nach Ambelmund, verschifften.  Im Frühjahr und Sommer sah man Winfreed, wie er emsig bei der Arbeit war und Flöße ausbesserte oder bei Reparaturen aller Art mithalf. Geschickt war er und fleißig.  Dann sah man den Glanz in seinen Augen und als ob sich ein Schleier gelegt hätte, kam der alte Winfreed wieder zum Vorschein, der Winfreed , der von den Tommeltannern geachtet wurde, gerecht und gut, der Vater, den Ealfred brauchte. Würde die Tommel versiegen, würde es wohl das Ende Winfreeds von Tommeltann  sein.  Ealfred atmete tief durch und unterdrückte seine dunklen Gedanken. Knapp salutierte er und setzte sich wieder. Gwiduhenna folgte den vielen Worten und Ausführungen und beschloss, dass ihre drängendsten Fragen beantwortet waren. ‘Wir erhalten Unterstützung der Einheimischen, die uns auferlegte Aufgabe war klar formuliert und es gab bisher keinerlei Anhaltspunkt für den Grund des Versiegens der Tommel.’ Sie straffte sich, hob ihren Schnaps und rief laut im Chor. “Auf die Nordmarken, auf den Grafen, bei Praios!” ‘Dieses elendige Gesaufe, Herr Praios vergebe mir, ich werde Buße tun’, dachte sie im Stillen zu sich. Zwar hatte Adelrat unten in Weihern noch nichts von einem Wassermangel bemerkt, der Müller der Lohmühle hätte so etwas sicher schon vorgetragen, aber bei dem Gedanken, daß diese wichtige Antriebskraft, schließlich wurden in Weihern auch noch weitere Mühlen betrieben, eines Tages versiegen könnte, wurde ihm schon etwas unwohl. Also, er war schließlich mehr Mann der Tat als der Worte, prostete er zu und begann, sich Gedanken um eine adäquate Ausrüstung für die bevorstehende Bergtour zu machen.

Darion war in die allgemeinen Lobrufe eingestimmt. Mittlerweile hatte er seine Fassung wiedergewonnen - der Schnaps hatte geholfen. So trat er näher und sprach "Wir sind die Bewahrer des Landes. So, wie vom Götterfürsten unseren Vorfahren anvertraut und an uns weitergereicht, soll es erhalten bleiben! Meine Baronin, Euer Hochgeboren: Seid euch meiner Entschlossenheit bei dieser Aufgabe gewiss."

Die Baronin nickte Darion und den anderen Edlen wohlwollend zu.  Sie erhob noch einmal die Stimme an alle Versammelten “ Gibt es noch weitere  Fragen?” 

Gwiduhenna räusperte sich. “Durchaus, Hochgeboren. Wird uns ein örtlicher Führer zur Seite gestellt?”

Auch Farold erhob sich wieder kurz: “Und wer wird diese Reisen anführen? Werdet ihr, eure Hochgeborenen, jemanden bestimmen oder wird es automatisch der Ranghöchste.” Er warf kurz seinen Blick über die Anwesenden. “Oder bei gleichem Rang der Älteste.” 

Ealfred nahm einen Zug aus seinem Becher und lehnte sich zurück.  

Die Baronin schüttelte leicht den Kopf in Richtung Gwiduhenna  “Dies ist nicht geplant.” Insbesondere, da es kaum Einheimische gab, die so weit in die Berge aufstiegen - das war weit über jeglicher Höhe, auf die ein Ziegenhirt oder eine Almhirtin gelangen würde. Selbst die Jäger der Baronin blieben auf tieferliegendem Grund, wo noch der Wald wuchs. Danach wandte sie sich mit einem leichten Lächeln an Farold. “Ihr müsst von euren gesamten und vielfältigen Fähigkeiten als Gruppe profitieren. Wenn ihr einen Anführer benötigt, bestimmt ihn aus eurer Mitte für die jeweilige Aufgabe, die ihr erfüllen müsst auf eurer Queste.”  „Ihr seid ja schließlich gestandene Herrschaften, die so etwas selbst hinbekommen“, setzte der Vogt mit einer Geste der Selbstverständlichkeit hinzu. „Der Weg dürfte auch nicht allzu schwer zu finden sein. Schließlich gibt es nur einen Fluss, der Tommel heißt.“ Melcher von Ibenburg schien diese Unternehmung eher auf die leichte Schulter zu nehmen, so jedenfalls schien es.

Ealfred nahm einen Schluck und lächelte zufrieden.

Durinija betrachtete die edlen Herren nachdenklich. “Wer aus dieser Runde stellt sich als Anführer zur Verfügung?” Ihre Augen wanderten durch den Raum und blieben auf Ealfred ruhen.

 “Ich denke, es ist noch zu früh, um einen Anführer zu bestimmen, wer hier weiß denn was die anderen für Fähigkeiten haben. Wer hier weiß wie man sich im Gebirge bewegt? Und viel wichtiger, wer nicht?” Findan mochte das Gerede von Anführern nicht unbedingt, alle hier Anwesenden mit Außnahme der Baronin und des Vogtes waren rangmäßig auf Augenhöhe. In Findans Augen müsste sich ein eventueller Anführer es sich erst verdient machen, bevor Findan eine Autorität respektieren würde.

"Da habt Ihr Recht, guter Findan! Was wissen wir schon übereinander? Was wissen wir über unsere Fähigkeiten". Ealfred setzte sich gerade hin. "Stimuli nos stunt fortis" sprach er auf Bosparan. "Gemeinsam sind wir stark" erklärte er auf Garethi.  " Diese Angelegenheit ist wichtig für uns Alle, jedem auf seine Weise. Mein Gut, nein die Menschen auf meinem Gut wären betroffen, wenn die Tommel versiegen würde".   

Gwiduhenna nahm die Antwort der Baronin ohne Regung hin und lauschte dann den Ausführungen der anderen bezüglich der Anführerin. Sie schien nachzudenken und schließlich sprach sie mit ruhiger Stimme:  “Ich denke, wir sollten zumindest für die Seilschaft eine Anführerin wählen. Eine Person, die sich im Gebirge, in der Wildnis und mit dem Klettern in schwierigem Gelände auskennt.” Sie deutete mit den Händen nach oben.  “Es hilft niemandem, vor allem nicht unserem Ziel, wenn wir nachher da oben beginnen, über den richtigen Pfad den Hang hoch zu debattieren. Solche Entscheidungen müssen zügig und mit Erfahrung getroffen werden.” Sie blickte sich in der Ansammlung von Menschen um. “Wer, in diesem erlauchten Kreis, hat gute Erfahrungen in den Bergen vorzuweisen?”

“Ich passe,” erwiderte Farnold, “ich bin nur ein einfacher Ritter und habe eher Erfahrung  im Vorland als im Gebirge.”

"Ihr seid Ritter, mein Freund" lächelte  Ealfred  Farnold aufmunternd zu.  "Ich schließe mich an:  Gebirge ist nicht mein Feld der Expertisse und lasse jenen, die sich auf das Gebirge verstehen, gern den Vortritt." erklärte Ealfred.

“Ich denke, ich kann ein paar Erfahrungen in der Wildnis und dem Hügelland vorweisen. Auch die eine oder andere kleine Felswand habe ich bei meinen Ausflügen erklommen. Wenn dies den Herrschaften genüge tut, so werde ich bei der Seilschaft vorangehen. Sollte es jemanden mit passenderen Qualitäten geben, dann nur zu, so schreite er voran.“ Praiophan blickte sich in der Gruppe mit fragendem Gesichtsausdruck suchend um.

“Hm”, räusperte sich Melcher laut und vernehmlich. “Es scheint, die Herrschaften sind hinreichend instruiert?!” Die rhetorische Frage ließ der großgewachsene Mann im Raum stehen. “Dann wären wir an dieser Stelle fertig”, erklärte er bestimmend Iriane gegenüber. Dann ließ er noch einmal den Blick durch den Raum schweifen. Geduldig wartete er ab, wer sich jetzt erhob, um den beiden Baronen den gebotenen Respekt zu zollen.

Durinija erhob sich und verneigte sich vor den Herren. Sie war zwar noch nicht vollständig von dem Ausmaß der vor ihr liegenden Aufgabe bewusst, jedoch reizte sie das Abenteuer ungemein.

Praiophan stand hastig auf, als er realisiert hatte, dass Melcher diese Unterredung nun beenden wollte. Ganz formal, wie er es beigebracht bekommen hatte, wollte er die Hochgeborenen Herrschaften im Stehen verabschieden. Demütig führte er eine kleine Verbeugung mit gesenktem Blick aus.

Etwas unsicher erhob sich auch Adelrat, die Sache mit dem “nur ein Fluß, der Tommel heißt” irritierte ihn schon ein wenig, aber immerhin kam er so einigen der anderen mal zuvor, was die Etikette anbelangte. Er verneigte sich kurz und beobachtete die übrigen Anwesenden.

Findan erhob sich vorsichtig, um nicht ein zweites Mal seinen Stuhl umzuwerfen und blieb mit gesenktem Blick stehen. 

Auch Ealfred erhob sich und verneigte sich vor den hohen Damen und Herren. 

Als Darion sich ebenfalls erhob und den Baronen die Ehre erwies, nutzte er die Gelegenheit, die Umstehenden zu betrachten. Mit dem neu gewonnenen Wissen um ihren Auftrag versuchte er die Auserkorenen einzuschätzen. Die Fraktion aus der Tommelsbeuge war gewiss die stärkste - bestimmt nicht aus Zufall. Alle hatten sie viel zu verlieren, sollte der Tommel tatsächlich austrocknen. Fähige Recken waren es ohne Zweifel: Die Frederun, der Praiophan und der Farold. Und der junge von Hauerberg schien anständig - anständiger als sein Schwertvater allemale. Der Rest schien verstreut über ganz Nord-Gratenfels zusammengesammelt worden zu sein. Ihn freute es, dass seine Baronin ihn unter all ihren Lehnsleuten ausgesucht hatte. Auch freute er sich an der Seite von Riochild reisen zu können. Der Findan von Wildklamm war wohl kein Ritter, aber er kam aus dem Vorderkosch - sicher eine gute Wahl. Jemanden aus den Bergen dabei zu haben würde von hohem Wert sein. Einzig bei den beiden ungleichen Persönlichkeiten aus der Grafenmark, war er sich nicht sicher, was sich die Barone bei ihrer Wahl gedacht hatten. Es schien eindeutig, dass der Sohn vom von Harschenklamm nichts mit dieser Sache zu tun haben wollte. Zudem schien es einen Zwist zwischen ihm und der Gwiduhenna von Falkenhaupt zu geben. Dies mochte auf ihrem kommenden Unterfangen zu Problemen führen.

Frederun hatte es den anderen hohen Herrschaften gleichgetan, sich erhoben und das Haupt geneigt. Unsicher ob der Bürde, die ihnen allen auferlegt worden war, schaute sie sich dann wieder um. Manch jenen, etwa Ealfred oder Gwiduhenna, schien die Zuversicht geradezu ins Gesicht geschrieben zu stehen. Farold schien hingegen nicht erpicht, sich in den Bergen in die vorderste Reihe zu stellen. Wer konnte ihm das nachsehen… Gleichwohl war da noch der Jungspund, der nun nichts mehr von sich hatte sehen lassen. Frederun versuchte, sich nur nicht zu sehr von der Hochstimmung packen zu lassen. Selbstredend konnte es nur gut für sie werden, hier mit den anderen hohen Herrschaften, und von der Baronin auch noch persönlich, herbei beordert worden zu sein. Doch, wie oft schon hatte sie schon erfahren müssen, dass mit Euphorie allein kein Lanzengang zu gewinnen war. Kressenburg kam ihr in den Sinn: Mit so viel Zuversicht war sie angetreten, die Scharte vom kaiserlichen Turnier wettzumachen. … Und dann wurde sie doch im zweiten Ritt vom Ross gestoßen… Nein, dies war Gewiss nicht die Stunde, sich selbst vorzugeben, als wäre der Tommel schon gerettet. Die Baronin hätte doch wohl nicht alle Edelleute aus nah und fern herbeordert, wäre das Unterfangen im Handstreich zu nehmen. Frederun kam Karline in den Sinn. Ihre Knappin war ja noch wenig erfahren. Vor dem Lanzengang den Kürass zu verbinden, war ja das eine. … Karline würde nun große Augen machen, auf welche Queste sie ihre Schwertmutter zu begleiten hätte… Nun gut, bis hierhin hatte sie sich gut angestellt.

Farold erhob sich ebenfalls und verneigte sich kurz für den Abschied. 

Auch Damian erhob sich und deutete eine Verbeugung an.

Gwiduhenna, die während der ganzen Unterredung am Tresen gestanden hatte, neigte respektvoll das Haupt. 

Hagrian blieb wieder sitzen und beobachtete mit seinem frostigen Blick die anderen Edelleute. Er ließ es sich zwar nicht anmerken, doch innerlich amüsierte er sich prächtig. ‘Nicht mehr lange’, dachte Hagrian vorfreudig, ‘und einem von diesen aufgeblasenen Vollidioten reicht es mit mir. Wahrscheinlich dreht diese widerliche von Falkenhaupt am ehesten durch und schlägt meinen Ausschluss von der Queste vor. Und dann wird Vater sehen, was er davon hatte, mich hierher zu schicken. Dann wird er endlich einsehen, dass ich für derlei Dinge nicht gemacht bin.’

Baronin und Vogt hatten sich beide erhoben,der Sohn der Baronin ging ein paar Schritte hinter den beiden, wünschten den Anwesenden eine gute Nacht und zogen sich schließlich zur Nacht zurück, nicht ohne den Edlen am nächsten Tag einen frühen und geschwinden Aufbruch sowie den Segen der Zwölfe auf ihrer Unternehmung anzuempfehlen. Mit einem Schwall warmer Abendluft, der von draußen zusammen mit dem Gesang der Heupferde und einiger Nachvögel hereindrang, verließen die drei die stickige und übervolle Gaststube, in der die Wirtin vorsichtig wieder aus ihrer Ecke lugte und kaum verstehbar fragte, ob die hohen Herrschaften ebenfalls noch einen Schoppen zur Nacht wünschten.

Ealfred setzte sich wieder. Ein wenig frische Luft, war genau was er jetzt brauchte. Er würde jedoch warten bis.  Das war es also. Die Truppe die , die Tommel retten sollte. Das würde ein Abenteuer werden. Mit  Frederun und Durinja  hatte er bereits ein paar Worte gewechselt. Den Rest kannte er nicht, wusste nichts über sie. Das sollte, das musste sich ändern. Er lächelte  Frederun und Durinja  zu und nickte Darion freundlich zu. Findan bedachte er mit einem Augenzwinkern und auch Gwinduenna und Feeold bedachte er mit einem kurzen Kopfnicken. Riochild und Praiophan nickte er ebenfalls zu. So auch dem jungen Herrschenklamm.  Dann stand er auf. " Frau Wirtin, ich sehe nach meinem Ross, sollte nicht lange dauern". Die Nachtluft war kühl, angenehm geradezu.  " Gute Herrin Marbo, worauf habe ich mich da nur eingelassen" flüsterte er auf dem Weg zum Stall. 

Gwiduhenna blickte den gehenden Hochgeboren kurz hinterher. Dann wandte sie sich kurz Adelrat zu. "Verzeiht, ich wechsel kurz ein paar Worte mit dem Seilführer.",sprach sie und ging zu Praiophan. 

Die hagere Edle von Falkenhaus suchte den Herren von Lerchentrutz auf. "Praios mit Euch, Herr von Lerchentrutz. Habt Dank für eure Erfahrung und Bereitschaft. Ich selbst habe meine Zeit als Pagin und Knappin auf Reussenstein verbracht und ein wenig Erfahrung im schwierigen Gelände gesammelt. Sicher nichts im Vergleich zu den eurigen Fertigkeiten. Wenn ich euch unterstützen kann, dann lasst es mich wissen.

"Praios sei auch mit Euch, Euer Wohlgeboren. Es ist mir eine Freude, Eure Bekanntschaft zu machen. Ich vermag nicht einzuschätzen, welche Erfahrungen Ihr bereits gesammelt habt. So liegt es mir fern, meine bescheidenen Kenntnisse über die Euren oder die irgendjemand anderen hier zu stellen. Ich sprach laut aus, es möge sich jemand anderes melden mit mehr Erfahrung. Dennoch hatte ich den Eindruck, es sei eine Aufgabe, welche nicht jedem zusagt. Mit Firuns Hilfe und Phexens Beistand werden wir der Aufgabe jedoch gemeinsam gewachsen sein. Ich komme gerne auf Eure Unterstützung zurück und werde euren Rat zu schätzen wissen." “Sagt, wo genau liegt euer Lehen?” “Ihr findet es im Praios der Grafenmarkt an der Grenze zum Kosch. Jedoch noch im Vorgebirge, daher konnte ich meine Erfahrungen aus der Knappenzeit nicht weiter vertiefen. Und das eure?”, fragte sie interessiert. “In der Baronie Tommelsbeuge. Direkt an der Tommel, gleich hinter Vairningen. Es erstreckt sich von dort recht weit nach Firun” Nachdem die hohen Herren und Damen den Schankraum verlassen hatte, verabschiedet sich Farold kurz von Thimorn und begab sich ebenfalls Richtung Praiophan und Gwiduhenna: “Ich grüße euch, eure Wohlgeborene, wir hatten heute noch nicht das Vergnügen uns direkt vorzustellen, ich bin Farnold vom Haus Eychstädt. Praiophan, ich freue mich dich hier zu sehen und biete dir ebenfalls meine Hilfe an.”  "Farold, seid gegrüßt! Es scheint so, als ob der Tommelbeuge viel an dieser Aufgabe läge." Mit einer kurzen Kopfbewegung Richtung Frederun von Weitenfeld und Thimorn von Hauerberg deutete er an, dass einige Tommelsbeuger hier versammelt waren. "Ich danke dir für dein Angebot. Wir müssen allen unseren Beitrag leisten und wenn die Götter uns  gewogen sind, werden wir Erfolg haben. Ich habe für deinen Rat immer ein offenes Ohr, also zaudert nicht etwas in mein Blickfeld zu rücken, sollte es mir entgangen sein."  Hagrian beäugte Gwiduhenna, die speichelleckend, wie es nun einmal die Art der Falkenhaupts war, an zwei Ritter herangetreten war. Einer von denen war wohl derjenige, der sich eigenmächtig zum Führer der Unternehmung auserkoren hatte. Hagrian griff nach seinem Messer, zog es aus der Tischplatte und befestigte es an seinem Gürtel. Dann erhob er sich so bedrohlich wie möglich und schritt in Richtung der drei Adligen.   Findan stand auf und nickte den anderen an seinem Tisch zu. “Verzeiht, ich werde mir ein bisschen draußen den Kopf kühlen und einen kleinen Spaziergang in diesem Ort machen.” Mit den Worten verließ Findan vorerst den Schankraum.

Adelrat zögerte kurz, nachdem sich Gwiduhenna den Tisch zum Gespräch mit diesem, wie hieß er doch gleich, irgendwas mit Vögeln, genau, von Lerchentrutz, erhoben hatte, ihr wieder zu folgen. Andererseits war von Lerchentrutz der Einzige, der bisher einen praktischen Vorschlag unterbreitet hatte. So schloss er sich der Vorstellung Farnold von Eychstätts an. Nachdem von Eychstätt geendet hatte, stellte Adelrat sich ebenfalls etwas ungeschickt vor und wollte gerade auf einige praktische Fragen zur bevorstehenden Queste zu sprechen kommen, als er bemerkte, daß sich dieser ungehobelte Kerl, der ihm heute Abend schon mehrfach aufgefallen war, mit bedrohlicher Geste auf ihre Gruppe zubewegte. Der Auftritt des Mannes ließ Adelrat verstummen, und es gelang ihm gerade noch, das Zucken in seinem Schwertarm zu verbergen. Etikette wahren, hätte die gute Hemma ihm geraten, immer schön Etikette wahren! Praiophan wollte gerade ein paar Worte mit dem rothaarigen Hünen Adelrat Thomundson austauschen, als dieser im Gespräch plötzlich inne hielt und an Praiophan vorbei etwas mit den Augen fokussierte. Kaum merklich nahm Praiophan die Anspannung seines Gegenüber wahr, ganz ähnlich wie es auf der Jagd gelegentlich vorkam, wenn der Wind dreht und das Reh plötzlich die Anwesenheit eines Jägers bemerkt. Wohlwissend, dass er sich hier in guter Gesellschaft befand, trat Praiophan ruhig neben Adelrat und richtete seinen Blick ebenfalls in jene Richtung. Gwiduhenna stellte sich bei denen vor, wo es zuvor noch nicht erfolgt war. Auch sie bemerkten den Stimmungswandel und wandte sich mit dem Blick ebenfalls um. ‘Praios steh mir bei, es beginnt.’, dachte sie sich. Das Offene entfloh ihrer Miene und sie blickte den Finsterling genervt an.

Ealfred  war im  Stall und bürstete sein Elenviner Vollblut Farix. Farix war noch jung und etwas ungestüm, aber ein treuer Gefährte. Langsam glitt die Bürste über das Fell des braunen Hengstes. Ealfred roch den Hafer und den Geruch von Pferd und Holz. Seine erste Aufgabe bei den Abilachtern  war das Ausmisten des Stalls gewesen und das Versorgen der Pferde. Hauptmann Haggard hatte es ihm gleich zu Anfang zu verstehen gegeben: "Ritter was? Ist mir scheiss egal, auch wenn Du der verflixte Kaiser von Maraskan bist, der Stall wird blitzblank geputzt. Und bilde Dir nix ein, Sohn, Dein Arsch gehört mir." Ealfred  musste lächeln. Nachdem  das Pferd versorgt war, würde er zurück in die Herberge gehen.

Hagrian trat herausfordernd an die drei Adligen heran. Sein grimmiger Blick ließ nichts Gutes ahnen. "Hey, ihr!', eröffnete der wild aussehende Bursche von wahrscheinlich nicht einmal zwanzig Jahren an Praiophan gewandt. "Lasst euch nur gesagt sein, dass ich mich keinesfalls euer Führung unterordnen werde. Ich bin mit Wald und Wildnis vertraut seit ich denken kann und weiß mein Leben nur in meinen eigenen Händen in Sicherheit." Damit war, was den Herren Praiophan anging, alles gesagt und Hagrian wandte sich Gwiduhenna zu. "Und ihr. Gebt lieber acht auf der Reise, dass es euch nicht so ergeht, wie anderen euer Familie und ihr plötzlich verloren im Wald steht. Man hört wohl, ihr Falkenhaupts hättet einen schrecklichen Orientierungssinn." Hagrian lächelte Gwiduhenna aus seinen grauen Augen boshaft an.

Über Gwiduhennas Gesicht fuhr kurz ein Ausdruck des Zorns, doch dann wechselte sie zu einer überraschten Miene. "Seid ihr wirklich so minderbemittelt, Herr Harschenklamm? Ihr droht mir hier vor Zeugen und deutet an, dass ihr mir ans Leben wollt?” Sie lachte auf. “Nun solltet ihr euch um so mehr bemühen, dass mir nichts passiert, weil sonst alle Finger auf euch zeigen, wenn mir etwas passiert?” Sie hob die Arme in gespielter Entrüstung. “Praios nochmal, was ist nur los mit euch Harschenklamm?”

Damian, der das Geschehen amüsiert verfolgt hatte, erhob sich und ging auf die streitenden Adligen zu. “Also bitte”, schaltete er sich in das Gespräch ein,”wir wollen hier doch kein Blutvergießen, hohe Herrschaften. Ich bin mir sicher, dass man diese kleine Meinungsverschiedenheit ohne eine Eskalation aus der Welt schaffen kann.” Während er redete, ließ er seinen von Hohn triefenden Blick zwischen Gwiduhenna und Hagrian hin und her schweifen. „Nun, werter Herr von Harschenklamm, ich würde euch natürlich nie meine Führung aufzwingen wollen. Vielmehr werde ich berücksichtigen, dass Ihr bei einer Seilschaft von nun an für euch selbst verantwortlich seid. Dies kommt mir durchaus entgegen, so lastet eine kleine Winzigkeit weniger Verantwortung auf meinen Schultern und steht Phex uns nicht bei, so muss ich mich weniger grämen.“ Hagrian war wie vor den Kopf gestoßen. So leicht wie er gedacht hatte, ließen sich diese Adligen wohl doch nicht erzürnen. Der Anführer, Praiophan, verhielt sich vollkommen ruhig und gelassen. Und diese Gwiduhenna war ebenfalls nicht aufgebraust, wie Hagrian es gehofft hatte, sondern hatte den Spieß sogar noch umgedreht. Hagrian war jetzt in der Defensive. Fast schon angstvoll huschten seine Augen zu dem Neu dazugestoßenen. "Was mischt ihr euch in unsere Angelegenheiten ein?", blaffte Hagrian Damian von Rauchenstein an.

“Ich fürchte eure Angelegenheiten sind nun auch meine Angelegenheiten.”, erwiderte Damian bissig, “Wir sitzen hier doch alle im selben Boot. Und einem jungen Burschen wie euch greife ich doch gerne unter die Arme.”

“Ich stimme Damian zu”, warf Farold ein ”Es geht hier um mehr als eine Streitigkeit unter Adeligen. Ich stimme dafür, solange wir den Auftrag nicht nicht erledigt haben und zurück zum Sitz der Baronin sind, wir einen Art Burgfrieden eingehen und solche Streitigkeiten liegen lassen. Und wer damit ein Problem hat, der kann ja gehen. Mir ist es lieber, auf jemanden verzichten zu müssen, als dass ich mich nicht auf jeden an meiner Seite verlassen kann.” 

“Bravo, meine Herren. Ein gelungener Vorschlag, dem ich mich mit Freuden anschließe. Unser Hader mag für die Dauer dieser Aufgabe unbedeutend sein." Gwiduhenna nickte lächelnd in Richtung Hagrian. Dann blickte sie zu Damian und Farold. “Verzeiht, die Herren, ich denke, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Gwiduhenna von Falkenhaupt, Edle zu Falkenhaus. Mit wem habe ich die Ehre?”, fragte sie freundlich

Damian nickte Gwiduhenna zu und versuchte seinen Ärger darüber zu verbergen, dass die Situation so schnell deeskaliert war: “Damian von Rauchenstein, mein Bruder ist der Edle von Eberweiler. Ich bin erfreut, eure Bekanntschaft zu machen.”

“Farold von Eychstädt, Ritter des Gutes Brinnborn in der Tommelbeuge”stellte sich Farold kurz vor.

Hagrian kochte innerlich vor Wut, versuchte sich allerdings möglichst wenig anmerken zu lassen. Gwiduhennas Lächeln erwiderte er keinesfalls, sondern warf der Ritterin einen weiteren eiskalten Blick zu. "Gehen wir diese Aufgabe also gemeinsam an, auch wenn ich nicht denke, dass wir mit einer so bunten und kaum fähigen Gruppe großen Erfolg haben werden."

“Ihr solltet von eurer Unfähigkeit nicht auf die Anderer schließen. Aber wie auch immer, ich denke, ich werde mich nun ins Bett begeben. Ich wünsche euch allen eine gute Nacht", sagte Damian und verließ den Schankraum.

“Ich gebe Damian in allen Punkten recht. Wir sollten uns zeitig zur Ruhe legen, uns erwartet eine lange Reise ins Ungewisse." Fügte Farold hinzu “Ich wünsche euch ebenfalls eine geruhsame Nacht”

“So sei es.”, antwortete Gwiduhenna kurz und knapp. “Boron mit Euch.”

“Dies sind gar hervorragende Ideen. Lasst den Hader bei Seite und lasst uns gut zusammenarbeiten. Ich wünsche allen eine erholsame Nachtruhe.”

Durinja blieb nach dem Verlassen der hohen Herren noch etwas nachdenklich am Tisch sitzen. Ihr wurden langsam die Ausmaße der gestellten Aufgabe bewusst. Nachdem sie ausgetrunken hatte, beschloss sie, dass etwas frische Luft ihre Gedanken zur Ruhe bringen würde. Sie trat in die Nachtluft und wand ihren Kopf nach allen Seiten um eventuell nach anderen Menschen zu sehen. Als sie niemanden fand, betrat sie den Stall und ging auf Ealfred zu. 

Ealfred strich über das Fell des Tieres  und war in Gedanken versunken. Er hörte Durinja  nicht einmal.

“Ealfred, Praios zum Gruße, ein stattliches Ross hast du da” Sie grinste ihn an.

"Peraine zum Grusse". Ealfred  hatte immer noch die Bürste in der Hand. "Ich habe euch nicht kommen hören". Er klopfte dem Pferd auf die Seite. "Farix hört Lob gern," lächelte Ealfred zurück.  "Was kann ich für Euch, für Dich tun" fragte er und griff beiläufig in einen Eimer mit Heu um Farix zu füttern. Dieser liess es sich schmecken.   “Ich würde gerne deine Meinung oder Vermutung zu der Aufgabe der hohen Herren hören” Durinja betrachtete Farix mit Ehrfurcht.

"Ich bin für 130 Seelen verantwortlich. Frau und Kind und Familie nicht eingeschlossen. Ein Versiegen der Tommel wäre eine Katastrophe. Bei Rondra, ich habe geschworen, die Schwachen und Schutzlosen zu verteidigen und das werde ich tun. Meine Meinung, es ist nur Recht, dass die hohen Herrschaften uns beauftragen." Ealfred  schwieg. "Was für ein Ritter wäre ich, wenn ich nicht für das einstehe, wofür ich glaube. Dafür mache ich mir gerne die Finger schmutzig". Ealfred  lachte leise auf. “Wer hinter dieser Schweinerei steckt? Das weiss ich nicht. Und du? Was denkst du?”

Aufbruch

Dorf Grenzmark, 16. Rahja 1045 BF

Lautes Krähen des schwarzen Gockels auf dem Misthaufen vor dem Stall des Birnbaums kündigte die ersten Strahlen des Praiosmals an. Wiederholtes lautes, energisches und durchdringendes Krähen.  Nicht verbessert dadurch, dass kaum ein Viertel Wassermaß später die eine Kuh im Stall hungrig und unleidlich zu rufen begann, worin auch die hungrigen Ziegen der Wirtin einstimmten. Als würde das Getöse nicht ausreichen, begann in der Küche das emsige Gewerke der Wirtin und ihres Knechts, der Feuer anschürte und wenig später vom Brunnen auf dem Dorfplatz Wasser holte, um das Frühstück für die hohen Herrschaften zu bereiten. Die dünnen Wände und der knarrende Boden ließen jeden Schritt wie einen Donnerschlag durch das ganze Haus widerhallen. Das Geschrei im Stall verstummte jäh, als die Wirtin den Ziegen Futter brachte und der Stallknecht die Kuh molk, die daraufhin zufrieden ihr Muhen einstellte. Nicht lange, und die ersten Strahlen von Praios’ Schild zogen über das Land, zugleich mit herrlichem Duft aus der Küche, der den Gastraum flutete, in dem sich nach und nach die ersten Gäste einfanden. Die Nacht war jedoch keineswegs erholsam - wie gerädert fühlten sich alljene, die die „Freude“ dieser kargen Unterkunft genossen. Dass so mancher sein Lebtag lang seine Glieder auf keiner anderen Pritsche ausstrecken konnte, war für die meisten hohen Gäste nahezu unvorstellbar.

Adelrat betrat den Gastraum durch die Außentür, diesmal war er wirklich vorsichtig, obwohl er die Tür ja selbst repariert hatte. Er hatte sich bereits davon überzeugt, daß zumindest sein Reittier gut genächtigt hatte. Ihm persönlich machte die harte Bettstatt nicht allzu viel Ungemach, als Frühaufsteher und auch gewöhnt, manche Nacht draußen zu verbringen, um früh zur Jagd oder bei der Überwachung der Landarbeiten dabei zu sein. Nun wollte er die Wirtin erstmal um Eier, Speck und am besten auch, wie die Amme es hielt, geräucherten Fisch in reichlich Öl zum Brottunken bitten. Nichts Großes also, um sie nicht wieder in Verlegenheit zu bringen. Naja, vielleicht noch etwas Süßes für den Nachgang …

Ealfred war nach dem Gespräch mit Durinja auf seine Kammer gegangen, hatte Waffen und Rüstung poliert. Nach einem kurzen Gebet zu Marbo, legte sich Ealfred zur Ruhe. Lange war die Nacht nicht. Eafred wusch sich, zog Unterhemd, Kettenhemd und Lederwams, das er über dem Kettenhemd trug, an. Nahm Waffen und Schild und ging in die Schanckstube. Ein Lied pfeifend setzte er sich an einen freien Tisch. Er nickte Adlerat zu.

Müde und mürrisch betrat Damian den Schankraum. “Verflucht möge dieses Gasthaus sein”, murmelte er vor sich hin, während er auf einen leeren Tisch zu schlurfte, “hätten die Baronin und der Vogt uns nicht auf eine Burg bestellen können? Eine Schande, so viele Adlige in das schäbigste Gasthaus der Nordmarken einzupferchen. Die meisten von denen riechen doch auch nicht besser als Bauern.” Erschöpft ließ sich der Ritter auf einen Stuhl fallen und wartete auf das Frühstück.

Findan betrat den Schankraum mit einem Lächeln im Gesicht. Das Bett war zwar nicht ganz so gemütlich wie das zu Hause, aber der morgendliche Lärm war ihm nicht Fremd und erinnerte ihn an seine Heimat. “Einen wunderschönen guten Morgen”, grüßte er die bereits anwesenden hohen Herren und Damen. Mit dem heutigen Tag würde sich zeigen, wer tatsächlich für den Auftrag geeignet ist. Findan war guter Dinge, eine Wanderung in den Bergen war auf jeden Fall einfacher als die fallenreiche Interaktion mit den höheren Adeligen.

Durinja wachte an diesem Morgen recht spät für ihre Verhältnisse auf. Nach dem Verrichten der morgendlichen Aufgaben ging auch sie wieder in den Gastraum. Ihr gingen die letzten, informationsreichen Tage durch den Kopf. Heute würde es losgehen, los ins Ungewisse. “Guten Morgen allerseits”, murmelte sie in die Runde der bereits anwesenden und setzte sich zu Ealfred.

"Tsa zum Gruße. Ich hoffe, das Bett war bequem", grinste der Albernier. "Wasser?" Er griff nach einem Krug und stellte Durnija einen Holzbecher hin.    Darion hatte die Laune der schlechten Nacht bereits abgeschüttelt und seinem Knecht aufgetragen, was an diesem Morgen vorzubereiten war. Nun trat er ein und setzte sich stumm grüßend dazu. Gedankenverloren fuhr er mit den Fingern das Muster im Tisch nach, welches Hagrian gestern hineingeschnitzt hatte. Darion war hier am Oberlauf des Tommels aufgewachsen und nie war ihm eingefallen, den Ort aufzusuchen, an dem dieser Lebensquell aus dem Leib Sumus sprudelte. Jetzt kam ihm dies wie ein großes Versäumnis und eine Torheit vor. Seltsam, wie blind man für Naheliegendes sein konnte. Unbedingt wollte er nun wissen, was dort in den Bergen zu finden war. Welches Geheimnis barg der Tommel, der Darions Leben und das vieler anderer so maßgebend bestimmte, an so abgeschiedenem Orte?

Findan schien ausgesprochen guter Dinge zu sein. "Es freut mich euch so munter zu sehen, Findan. Seid ihr wohl eben so gespannt wie ich, in die Berge zu steigen und dieses Rätsel zu lösen?"

“Nun Darion, ich bin ein Mensch der sich in der Natur und in den Bergen wohl fühlt, zumindest wohler als in einem überfüllten Schankraum. Und ich denke unsere Aufgabe wird es sein, zuerst überhaupt das Rätsel zu finden, bevor wir es lösen können.” Findan lächelte Darion an. “Was ist mit euch, seid ihr bereit für einen Aufbruch ins Unbekannte?"

Darion nickte. So wie Findan hätte er damals auch geantwortet. Die Flucht in die Natur; die war er in seiner Jugend oft angetreten. Zu oft vielleicht? Seine besten Jahre hatte er dem Herrn Firun geopfert - und seine Frau. "Das Unbekannte - oft war ich ihm auf der Fährte und nicht mehr hatte ich gehofft, dass mir das spannendste aller Waidwerke noch einmal vergönnt sein würde. Wir sollten bald diesen Schulzen Hintermooser aufsuchen." Von einer plötzlichen Unruhe ergriffen, sah Darion sich um, ob bald auch der Rest der Gruppe in der Stube eintreffen würde.

Hagrian hatte schlecht geschlafen. Zu sehr hatten ihn die Ereignisse des vorangegangenen Abends noch beschäftigt. Und auch das, was die nächsten Tage für ihn bereithalten sollten, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Schon jetzt vermisste er den Wald seiner Familie, die Ruhe und Geborgenheit der Natur. Entsprechend grimmig betrat Hagrian am Morgen den Schankraum, seine Laune verschlechterte sich weiter, als er den munter lächelnden Findan und den fröhlich vor sich hinpfeifenden Ealfred erblickte. Konnte denn gar nichts diesen Leuten die gute Laune vermiesen? Mürrisch nahm Hagrian an seinem Tisch vom vorangegangenen Tag Platz und sah grimmig in die Runde.

Ealfred blickte über den Rand seines Bechers dem misslaunigen Hagrian hinter her. "Guten Morgen, wünsche ich." Der Gruß galt Hagrian und wurde mit einem freundlichen Lächeln untermalt. Ealfred hatte für Standesdünkel und unnötige Boshaftigkeiten keine Zeit oder weder Lust. Musste er kämpfen oder gar töten, würde er es tun. Ränkespiele lagen ihm nicht. Für ihn galten Taten. So musste jeder hier wegen seiner Fähigkeiten ausgesucht worden sein und nicht wie gross das Wappen war oder gar das Maul war. Maulhelden hatte er genug gesehen. Ealfred hatte mit Gemeinen in der Reiterei gedient, die sich ritterlicher benommen hatten, also manch einer, der sich Ritter nannte. Die 5 Jahre in der Reiterei waren und hatten ihm ein gesundes Maß an Menschenkenntnis, Ehrfurcht und Respekt gelehrt. Mit dem Respekt war es jedoch so, der musste sich verdient werden. 

Praiophan war gestern Abend zwar müde in sein Bett gesunken, doch die Gedanken ließen ihn lange nicht einschlafen. Er grübelte über die vor Ihnen liegende Aufgabe. ‘Wieso war noch nie jemand bis zur Quelle der Tommel gezogen? Wieso weiß man nicht einmal in welchem Lehen sie sich befindet? Und was sorgte dafür, dass das Wasser immer weniger wurde?’ Praiophan konnte sich kaum vorstellen, dass dies zu irgendeinem Zwecke von Menschen gemacht würde, um irgendetwas zu bewirken. ‘Flüsse umzulenken und austrocknen zu lassen war allein mächtigen Wesen und Göttern vorbehalten. Und ein einfacher umgestürzter Baum würde wohl kaum die Ursache des Ganzen sein.’ Als er dann in Borons wohlverdiente Ruhe sank, plagte ihn Bishdariel mit unruhigen Träumen. Unruhig wälzte er sich hin und her. Zu früh, schreckte er in der Nacht auf. In den Sekunden nach dem Aufwachen waren die Träume noch klar, doch schon gleich verschwammen die Bilder und Gedanken in seinem Kopf wieder. Was blieb war der Gedanke, ob ER dieser Aufgabe gewachsen war. Müde lag er noch einige Zeit wach, bevor er noch einmal kurz bis zum Morgengrauen einschlief. Mit den ersten Strahlen aus Praios flammendem Auge machte er sich fertig und ging alsbald runter in die Stube. „Seid gegrüßt allerseits“, verkündete er in der Schanktube, sah sich kurz um, und setzte sich dann zu Ealfred an den Tisch.

Gwiduhenna war erfreut von dem allgemeinen Lärm geweckt worden zu sein. Die ganze Nacht hatte sie die Sorge umgetrieben, dass sie den Aufgang des Praiosmals verpassen könnte. Mit dem ersten Hahnenschrei hatte sie sich erhoben und in Bruche, Leibhemd und Umhang hinausgegangen. Sie suchte sich einen Platz, an dem die ersten Strahlen des Praiosmals gelangen, kniete sich nieder und fing an zu beten. So verharrte sie eine ganze Weile und erhob sich erst, als sie schon in goldenes Licht getaucht war. Rasch zog sie sich ihre Ausrüstung an und ging in die Stube zum Frühmahl.

Durinja nahm den Krug, den Ealfred ihr vorgesetzt hatte. Der Blick in die Runde verriet, dass noch einige der Anwesenden von gestern noch fehlten. “Der Rest muss noch ein wenig ausschlafen, nehme ich an ?” sagte sie grinsend in ihren Krug. “Aber das ist auch nur zu verständlich, ich selbst habe gestern noch lange wachgelegen. Was bringt jemanden dazu, einen ganzen Fluss zum Versiegen zu bringen ? Es muss doch klar sein, dass damit viele Familien in größte Not gebracht werden. Ich bin auf jeden Fall bereit, dem ein Ende zu setzen.” Sie sah erwartungsvoll in die Runde.

Damian räusperte sich und sagte in den Raum hinein: “An dieser ganzen Sache stinkt meiner Meinung nach etwas gewaltig. Ich denke, der gute Herr Vogt hat uns etwas verheimlicht. Welcher Verwalter weiß nicht über das Bescheid, was in seinem Lehen vorgeht? Ich traue dem Mann nicht, und der Baronin genau so wenig.” Mit steinerner Miene musterte er die anderen Anwesenden.

Ealfred der lässig auf der Bank sass, den Rücken an die Wand gelehnt. Richtet sich auf.  "Ich bin für 130 Seelen verantwortlich. Bei Rondra, ich habe geschworen, Schwache zu verteidigen und bei Travia, ich werde nicht zulassen, dass meine Leute nichts mehr zu Essen haben, weil die Tommel versiegt. Ich sehe mir die Sache an, stinkend oder nicht."

"Was sollen diese haltlosen Anschuldigungen, von Rauchenstein!" donnerte Darion. "Habt ihr einen Vorschlag für einen besseren Plan, als die Quelle zu suchen? Wenn nicht, dann behaltet solch Gerede, dass niemandem von Nutzen ist für euch." Darion stand nun auf; die Miene erbost. "Außerdem verbitte ich mir jeden Zweifel an der Baronin von Kranick. Dieser steht euch nicht zu. Zügelt euch besser und tut mit uns allen eure Pflicht." Damian fixierend verharrte er und versuchte sich zu beruhigen.

Ein falsches Lächeln aufsetzend, musterte Damian Darion mit seinen eiskalten Augen: “Beruhigt euch doch bitte, Herr von Aelgarsfels. Ich habe keinerlei persönlichen Zwist mit dem Vogt, der Baronin oder euch und wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass ich ungern die Drecksarbeit für die hohen Herrschaften erledige und im Hinterland der Grafenmark umherkrieche. Meine Pflicht werde ich erfüllen, jedoch nicht blind und ohne Verstand.”

"Eure Einstellung ist mir zuwider, Herr von Rauchenstein, und auf noch mehr von solchem Geschwätz kann ich verzichten." sagte Darion. Er suchte nun Praiophans Blick. "Herr von Lerchentrutz - ihr wurdet zum Anführer erkoren. Ich danke euch, dass ihr euch dazu bereit erklärt habt. Sobald wir uns gestärkt haben, hoffe ich, dass wir geschwind diesen Schulzen für unsere Ausrüstung aufsuchen werden, anstatt über die Redlichkeit unserer Oberen zu diskutieren." Ohne Damian eines weiteren Blickes zu würdigen, setzte er sich wieder.

“Gewiss meint Ihr es gut, aber ich habe mich lediglich bei der Seilschaft als Kundigen angeboten. Beim vorherigen Marsch entlang der Tommel sind wir alle nach unserem Stande gleichberechtigt.” Er macht eine kleine Pause. “Ich sehe es aber genauso! Es ist merkwürdig, dass noch nie jemand an der Quelle eines solch wichtigen Flusses war. Ebenso ist es jedoch von größter Wichtigkeit, dass die Tommel uns allen erhalten bleibt und eine solch wichtige Lebensader nicht versiegt. Und, so es im Sinne der Götter liegt, mögen wir dieses merkwürdige Rätsel ergründen und die Tommel wieder zum Fließen bringen.”

Farold war ebenfalls mit den ersten Morgenstrahl aufgewacht und hatte als erstes nach seinem Pferd geschaut und ließ sich die gestrigen Ereignisse durch den Kopf gehen. Er hatte seine Waffenknechte auf seinem Gut zurückgelassen, Aureus hatte schon seinem Vater gedient und wurde langsam zu alt und Wiltrut wurde erst letztes Jahr angeheuert und noch zu unerfahren für die Aufgabe. So musste er ohne weitere Hilfe hierherkommen. Nachdem er sein Nordmähne versorgt hatte, kehrte er zurück in die Schankstube. Dort blickte er sich kurz um und beschloss, beim Frühmahl noch weitere Teilnehmer kennenzulernen. “Eure Wohlgeborene Gwiduhenna, ist bei euch noch ein Platz frei?”

Ealfred nickte Praiophan freundlich zu. "Schlecht geschlafen?" Er lächelte. Den kurzen Schlagabtausch zwischen den Herren von Rauchenstein und Aegarfals beobachtete er still und hob nur kurz eine Augenbraue. "Ich war Leutnant in der Abilachter Reiterei und wenn ich eines gelernt habe: achtet auf zwei Dinge. Eure Flanken und eure Truppe. Glaubt mir, ein Hauptmann, der guten Schlaf vor einer Schlacht hat, macht mir Angst." Ealfred nickte Praiophan aufmunternd zu. "Vergesst aber das Saufen und Fressen nicht, wenn Ihr tot vom Pferd fallt, ist keinem geholfen.” Ealfred brach das Brot und steckte es sich in den Mund. 

Praiophan nickte Ealfred zu und nahm sich ebenfalls etwas zu Essen und einen großen Schluck aus seinem Becher.

Gwiduhenna hatte sich ein sehr einfaches Mahl genommen und bislang schweigend den teils lauten Äußerungen der Anwesenden gelauscht. Ihre Miene gab keinen Aufschluss über ihre Gedanken. Sie blickte den anbei stehenden Farold an. Mit einem zurückhaltenden Nicken und einer Geste deutet sie an, dass der Platz neben ihr frei ist. “Praios Segen mit Euch und diesem Tag, Hoher Herr. Ich hoffe, ihr habt gut geruht und seht die folgende Aufgabe mit Gelassenheit?”

“Rondra zu Gruße. Natürlich. Ich befürchte nur, dass die nächsten Nächte nicht mehr so bequem zu nächtigen sein werden, wenn wir in der Wildnis der Berge unterwegs sind. Auch wenn ich mich nicht so in den Bergen auskenne, ist es selbst mir klar, dass wir unser Gepäck so leicht wie möglich halten sollen. Ein großer Troß würde uns nur verlangsamen. Was denkt ihr, ist diesem Hagrian von Harschenklamm zu trauen, dass er den Burgfrieden hält oder wird er mit seiner ungestümen Jugend eine Dummheit machen? Es scheint mir, dass er eine regelrechten Hass auf euch zu hegen.”

"Nun, die Harschenklamms hegen einen sehr innigen Firunglauben. So innig, dass sie uns jegliche Hilfe verweigerten, als meine Muhme Praioberga in deren Wäldern verschwand." Sie schnaubte empört auf. "Wer im Wald nicht stark genug ist, bleibt im Wald. Oder so ähnlich, war ihre Antwort. Daher machen wir seit vielen Götterläufen unseren Einfluss geltend. Ich halte das Haus für nicht geeignet, über ein Lehen zu regieren und die Harschenklamms halten uns Falkenhaupts für verweichlichte Schwächlinge." Sie hob resignierend die Schultern. "Ich muss Euch leider, bezüglich des junge Harschenklamms, zustimmen. Sein Temperament und sein sehr starkter Glaube werden es für uns alle schwer machen. Sein Vater ist mit seiner Entsendung ein großes Risiko eingegangen. Das Haus kann ich eigentlich nicht noch mehr Unfrieden mit dem Vogt erlauben. Er wird uns jedoch sicher nicht hintergehen, aber erwartet keine große Hilfe in der Wildnis. Dort ist jeder für sich selbst verantwortlich, laut seiner Überzeugung."

“Das erklärt die Eigenbrötlerei und ich stimme euch zu, wer nicht die Ehre Rondras in sich hat oder die Ordnung Praios anerkennt, hat nicht das Recht zu herrschen.” Er machte eine kurze Pause. “Gut, es beruhigt mich, keine Falschheit von ihm erwarten zu müssen.” Sein Gesicht wurde nachdenklich, mehr zu sich als zu Gwiduhenna fügte er hinzu: “Es könnte auch eine Chance sein, er ist noch Jung und hat noch seine Erfahrungen nicht gemacht, vielleicht merkt er, dass die Gemeinschaft für sich eine Stärke ist. Vielleicht kann man ihn noch zum richtigen Glauben führen.” Dann wandte er sich wieder ihr direkt zu: “Dann lasst uns stärken, ich befürchte, dass die nächsten Nächte noch unangenehmer und die Tage anstrengender werden. Es war schön, mit euch noch in Ruhe dieses Gespräch zu führen.” Danach vollendete er noch sein Frühstück.

“Wir sind in einer gerechten Sache unterwegs, die Götter, Praios voran werden mit uns sein. Und so sie es wollen, wird auch der junge Harschenklamm daraus lernen.”, antwortete sie und schloss sich dem Frühmal an.

Nachdem alle aufgewacht waren und gefrühstückt hatten, stand Findan auf. "Werte Gesellschaft, der Tag wird nicht länger und ich denke wir werden heute noch einiges wandern müssen. Darum würde ich vorschlagen, dass wir bald aufbrechen und uns auf den Weg ins Gebirge machen."

Durinja lächelte Findan an. “Ich stimme euch zu, lasst uns aufbrechen, wenn wir hier noch länger herumsitzen, werden wir den Abend eher sehen als die Quelle der Tommel”

Ealfred aß in Ruhe auf. Gut gelaunt stand er auf, nahm seine Habe, schulterte Schild, gürtete Schwert und trat vor die Tür. In der Sonne musste er blinzeln. Es versprach ein sonniger und warmer Tag zu werden. Bevor es jedoch darum ging, die Ausrüstung abzuhohlen, galt es, das Pferd zu versorgen. Gelassenen Schrittes ging er in den Stall. Versorgt war das Tier bereits. Dennoch kontrolliert Ealfred die Hufe des Elvinaer Vollbluts, strich über das Fell. Mit der Bürste fing er das Fell des Tieres zu striegelen. Wohlwohlendes Schnauben deuteten an, dass der Hengst die morgendliche Schöhnheitskur zugetan war.

In der allgemeinen Aufbruchstimmung stand auch Praiophan auf. Er hatte seine sieben Sachen auf seiner Stube gelassen. Rasch ging er sie holen und kam nach kurzer Zeit mit Schwert, Bogen und Mantel wieder herunter und trat vor die Gaststube, um nach seinem Pferd zu sehen.

Frederun konnte sich im Nachhinein kaum gescheit an Einzelheiten an diesem frühen Morgen erinnern. Nach einer unruhigen Nacht war sie noch bei Dunkelheit mit brummendem Schädel erwacht und hatte dann auch keine Ruhe mehr finden können. Ein wenig mehr Nachtruhe hatte man hier sicherlich nicht erwarten dürfen; doch, ob einer Einladung von der Baronin her, wurde Frederun den Eindruck nicht los, dass das Anliegen zwar äußerst dringlich sein und alle Anwesenden gleichauf betreffen mochte, doch die hohen Herrschaften auch keinen Zweifel daran gelassen hatten, wer herda wem zu Dienste zu sein hatte. Im Schankraum hatte dann auch eine rege Unruhe stattgefunden. Frederun hatte noch schläfrig bei Praiophan und Ealfred gegessen und sicherlich auch ein paar Mal zustimmend genickt; doch war deren Gespräch schon an ihr vorbei gegangen. Mit halb geschlossenen Augen sitzend und den Kopf auf die linke Hand gestützt, rieb sie sich über die Stirn und hoffte, dass der Brummschädel endlich vom nächsten Schluck hinfort gespült werde.

Frederun hatte den Reisemantel um sich gewickelt und war nach draußen getreten. Die frische Morgenluft hatte ihre Schläfrigkeit vertreiben sollen. Sie gab Karline einen Wink, ihr zu folgen. “Karline, versorge die Pferde. Stelle sicher, dass sie genug Futter und Wasser bekommen haben. Schau‘, der hohe Herr von Lerchentrutz trägt an dich heran, seine Stute zu versorgen. Ich bin sicher, du wirst dabei fleißig sein! Ich erwarte dich in einer kurzen Weile oben, um mich auszurüsten.“ Frederun ging dann eine gute Weile vor der Schenke auf und ab. Die frische Morgenluft war eine Wohltat. Dann ging sie hinein. Oben zog sie Wams und Stiefel an und wartete auf Karline, die ihr mit dem Kürass und den Haaren helfen musste. Frederun neigte dazu, zwar gerüstet, aber doch beweglich unterwegs zu sein. So hatte sie sich entschieden, auf dieser Unternehmung über dem Wams einen Kürass zu tragen. Der hatte zwar schon ein paar Götterläufe hinter sich; gut poliert vermochte er aber dennoch, Wehrhaftigkeit zu zeigen. Karline war auch schon gut geübt darin, den Kürass sicher zu verbinden. So dauerte es nicht allzu lange, bis Frederun und Karline wieder draußen waren. Frederun trat zu Praiophan: „Wohl’an denn… Praiophan, verzeiht, dass ich morgens so wenig beitragen konnte. Der Tommel hat mich wohl um die Ruhe in der Nacht gebracht.“ Sie warf Karline einen strengen Blick zu: „Ich nehme an, meine Knappin hat eure Stute gut versorgt?!“

“Ja, das hat sie sicher! Ich danke dafür!” sagte Praiophan mit Blick auf Karline.

Vor dem Birnbaum kitzelte die Morgensonne die Nasen der Adligen. Im Dorf herrschte geschäftiges Treiben, und Menschen und Tiere lärmten fröhlich vor sich hin - wie jeden Morgen. Eine Gruppe schnatternder Gänse wurde von einer Gänsemagd vor dem Birnbaum über die Straße getrieben, offenbar unterwegs zu einem kleinen Weiher in der Nähe, und am tiefblauen Alveranszelt war nicht der Hauch einer Wolke zu sehen. Es versprach ein heißer Tag zu werden. Es blieb die Frage: wohin?

Durinja nahm das geschäftige Treiben vor dem Gasthaus auf. Sie hatte die Initative ergriffen und war vor die Tür getreten. Das Ziel war wohl die Quelle der Tommel, dachte sie sich, denn das Übel an der Wurzel zu packen, erschien ihr, wie sie es bereits im Gasthaus formuliert hatte, am Sinnvollsten. Sie blieb vor der Tür des Gasthauses zunächst stehen.

Die Wanderer im Aufbruch hatten sich noch nicht wirklich umgeschaut und das etwas bessere Wetter des Morgens genossen, als wie aus dem Nichts ein uralter Mann vor ihnen auftauchte. Woher der Kauz kam, konnte keiner von ihnen gewiss sagen. Er musste sich wohl aus der Menge gelöst haben, doch so viele Menschen waren hier nicht unterwegs, dass so eine Gestalt nicht aufgefallen wäre. Jetzt jedenfalls war er da, starrte sie mit Argusaugen an und schien sich nicht von der Stelle zu rühren. Nicht einmal seine Wimpern flatterten, als er sie beäugte.

Der Herr von Grenzmark

Der Alte gab keinen Mucks von sich. Wortlos erwiderte er Durinjas Blick und wartete. Und wartete.

Damian, der die Schenke ebenfalls verlassen hatte, warf sich gerade seinen Mantel über, als ihm der alte Mann auffiel. “Hey, du da. Was starrst du so?”, fuhr der Ritter den Kauz an, “Scher dich fort, hier gibt es nichts zu sehen.”

Gwiduhenna blickte Damian mit einer in Skepsis erhobenen Augenbraue an. ‘Praios sei mir gewahr, doch dieses Heißblut verspricht noch Ärger.’, dachte sie abschätzend, schwieg jedoch. Mit einem letzten Handgriff prüfte sie nochmal den Sitz ihres Schwertgurtes.

“Was wollt Ihr hohen Herrschaften hier?”, war die einzige Antwort, die Damian erhielt, so als stünde der Alte in der sozialen Hierarchie weit über den Adligen. “Ist gar etwas vorgefallen, das mir entgangen sein soll?”, krächzte er schauerlich. Die Stimmbänder waren offensichtlich nicht mehr intakt, doch hielt das den gebeugten Greis nicht vom Sprechen ab. Auf einen Stock gestützt, mahlte er mit dem Kiefer, während er eine Antwort zu erwarten schien. Die Direktheit des jungen Ritters focht den Greis offensichtlich kein Stück an.

Gwiduhenna runzelte ob der unangemessen drängenden Frage die Stirn. Ihr lag schon eine Antwort auf der Zunge, doch sie hielt sich zurück. Damian hat angefangen, sollte er es auch zu Ende bringen.

“Wir reisen im Auftrag der Baronin von Kranick und des Vogtes der Mark Gratenfels, unser Auftrag geht nur uns und die hohen Herrschaften etwas an, doch ich sage euch, er ist von größter Wichtigkeit., erwiderte Damian,”Und jetzt raus mit der Sprache, wer bist du und warum starrst du uns an wie ein Wahnsinniger?"

“Nein nein, hoher Herr. Ich starre nicht. Ich frage, weil mir sonst nichts entgeht! Ein wichtiger Auftrag! Ein wichtiger Auftrag für die Baronin und den Herrn Vogt! Euer Auftrag wird schnell erledigt sein, wenn ihr Herrn Taran Köchelpötter in Eure Überlegungen einbezieht!” Der alte Mann nickte wiederholt und trotzdem wirkte es so, als beobachtete er alle, die das Gasthaus verließen, unaufhörlich.

Gwiduhenna verdrehte genervt die Augen. ‘Wirrer alter Mann.’, dachte sie sich. Letztendlich konnte sie nicht mehr schweigen. “Wie will uns dieser Köchelpötter helfen?”, fragte sie mit ruhiger Stimme.

„Dieser Köchelpötter?“, frug der Alte verständnislos. Man konnte schier sehen, wie ihm ein Licht aufging. “Nein, hohe Herrschaften, nein. Taran Köchelpötter ist mein werter Name. Also, wie kann Euch Taran Köchelpötter weiterhelfen, wollt Ihr wissen? Na, Taran Köchelpötter ist der Dorfälteste. Er kennt sich hier aus, kann alles organisieren. Ohne ihn läuft hier nichts.”

Gwiduhenna schnaubte auf. ‘In der dritten Person? Praioszeiten nochmal, was sind das für Anmaßungen. Liegt vermutlich am kreisförmigen Stammbaum.’, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie beherrschte sich aber und überließ Durinja das Wort. 

Praiophan hatte sich die Szene eine Weile stumm angesehen, ergriff aber nun das Wort: “Seid gegrüßt Herr Köchelpötter wir wurden von den Hohen Herrschaften gebeten die Tommel hinauf zu wandern. Bis zu Ihrer Quelle! Wissen Sie, wo Herr Hintermoser, der Bürgermeister, sich aufhält? Er soll uns wohl Ausrüstung für unser Unterfangen bereitstellen.”

Der kleine Mann brach in ein kehlig-raues Lachen aus. Dabei wehten ihm die drei Haarsträhnen, die auf seinem sonst kahlen, fleckigen Haupt übrig geblieben waren, von der Stirn in den Mund. Er verschluckte die Haare kurzzeitig, weshalb das Lachen in ein abscheuerregendes Spucken überging. Mit der Linken griff er die Strähnen und klebte sie sich mit einem saftigen Schmatzen auf den Kopf. “Na, der Herr Bürgermeister wird Euch nicht viel helfen, hoher Herr äh…" Eine peinlich berührte Pause folgte, weil der Alte Praiophans Namen nicht kannte. Doch anstatt auf eine Vorstellung zu warten, setzte er fort: "Der kleine Giselmund ist ein ganz vortrefflicher Erdäpfelzüchter, jawohl. Aber, hohe Herrschaften, er vertraut zu sehr auf das Gute im Menschen! Sein Lebtag bringt er auf seinem Acker zu und züchtet seine Gewächser. Damit es hier rundläuft -”, der Vortrag wurde durch ein kurzes, gezieltes Husten unterbrochen, “dafür braucht man den alten Taran Köchelpötter! Die guten Götter seien meine Zeugen!” Dabei schüttelte es den ganzen alten Mann vom Scheitel bis zum scharrenden Stockende. "Was Ihr braucht, bekommt Ihr von mir!"

“Na sei´s drum Herr Köchelpötter.” Praiophan machte eine kurze Redepause. Er hatte gehofft, der Bürgermeister wäre aufgeschlossen und etwas zuvorkommend. Aber scheinbar musste man sich nun mit diesem alten Zausel begnügen. Er hoffte dennoch, dass die Aufrüstung ordentlich und die Verpflegung ausreichend sein würde. “Ich bin Praiophan von Lerchentrutz. Wie erwähnt führt uns unsere Aufgabe die Tommel hinauf. Dafür wurde uns Ausrüstung zugesagt und Verpflegung für einige Tage scheint mir auch angemessen.” 

"Jaja, dafür ist gesorgt! Der Herr Köchelpötter hat bereits alles hergerichtet. Die vielen Leute im Dorf bleiben ja nicht unbemerkt!", erklärte der alte Zausel. Dass er sich damit fundamental selbst widersprach, schien ihn nicht zu stören. Er winkte mit seinem knorrigen Gehstock. 

Ein Blick in den Stall offenbarte, dass die Pferde bereits gefüttert, aber noch nicht gestriegelt waren - aber letzteres wäre von der armen Wirtsfrau vielleicht auch etwas viel verlangt gewesen.

Im Stall war Ealfred immer noch mit dem Bürsten des Tieres beschäftigt. Er legte Zaumzeug an, überprüpfte jedoch das Leder. Das Selbe galt für den Sattel. Um ein Scheuern auf dem Rücken des Tieres zu verhindern, legte Ealfred eine Decke auf , bevor er den Sattel festschnalte. Das Tier schnaubte und heute kurz den Kopf.  "Euer Pferd ist eure Familie, eure Mutter, also behandelt es gut und es wird euch sicher in jede Schlacht tragen und wenn ihr Maßen Glück habt auch wieder zurück " hörte Ealfred Hauptmann Haggard in seinen Gedanken und schmunzelte.

Adelrat hatte das Pferd schon vor dem Frühstück gepflegt, nun war es fertig gesattelt und bepackt. Er führte es gerade aus dem Stall, als er der zornigen Stimme Damians gewahr wurde. Den alten Mann betrachtend erinnerte er sich an die Mahnungen der Amme, das Alter zu würdigen und den Greisen stets zuzuhören, um aus deren Erfahrungsschatz zu schöpfen. Vielleicht müßte man das diesem Damian ja auch einmal erklären…

Darion ließ sich von der Szene nicht stören. Andächtig strich er mit der Hand durch die Mähne seines Elenviner Vollbluts und kontrollierte die Arbeit seines Knechtes, der gerade das Maultier aus dem Stall holte. Dass es in die Wildnis gehen würde, hatte bereits der Brief der Baronin klar gemacht. Also hatte er vorsorgen lassen, wie für eine Jagd. Bogen, Armbrust und Jagdspieß waren auf dem Lasttier gebündelt. "Gute Arbeit Jost. Schau, ob du dich im Stall weiter nützlich machen kannst."

Der blonde Jüngling huschte zurück in den Stall und sah sich um. Da stand wohl noch einer der Ritter - er hoffte nur, dass es keiner der so furchtbar grimmig Wirkenden sei. Jost trat näher und erkannte im Dämmerlicht erleichtert, dass dem nicht so war. Dieser Ritter hatte auf ihn vorher einen freundlichen Eindruck gemacht. Allerdings stand er dort regungslos und ihm abgewandt im Halbdunkeln bei seinem Pferd. Jost fasste sich ein Herz und räusperte sich: "Euer Wohlgeboren - benötigt ihr noch Hilfe mit der Pferd?”

 Ealfred schob den Sattel weiter nach vorne, kontrolierte die Lederriemen und war gerade dabei , die Riemen um den Bauch des Tieres zu gürten, als er Schritte und dann eine Stimme hörte. Die Stimme war jung. Ealfred blickte auf. Ein Jüngling mit blonden Haaren, wohl noch nicht alt genug, um als Mann zu gelten, für ein Kind jedoch schon zu alt. "Hilfe mit dem Pferd?" Der Albernier spitzte den Mund. "Aye, hilf mir mit dem Sattel. Warte, komm her, Ferrick muss Dich erst einmal kennenlernen." Ealfred blickte den Jungen an und nickte freundlich.

Jost grinste verlegen. "Wir kennen uns schon. Ich habe die Nacht hier im Stall verbracht - da hab’ ich mich schon vorgestellt." Dann näherte er sich dem Pferd und murmelte "Ferrick heißt du also." Er nahm den Sattelgurt entgegen, zog ihn auf seiner Seite fest und positionierte die Schnalle möglichst so, dass sie dem Reiter nicht am Bein lästig werden konnte. Anschließend sah er sich suchend nach dem Gepäck des Ritters um, das noch angebracht werden musste.

Ealfred nickte anerkennend. "Mit Pferden kennst du dich aus!” stellt der Albernier fest. Die Bewegungen des Jungen waren geschickt und zeugten von Erfahrung. Auch war Ferrick ruhig und schien sich tatsächlich an den Jungen gewöhnt zu haben.  Ealfred half mit dem Gepäck. Sattel, Zaumzeug und Seitentaschen waren militärische Standardausrüstung, einfach aber robust. Die "5" ware in alle eingraviert und der Leitspruch der 5 Schwadron des Abliachter Reiterregiment "Cui honorem, honorem" konnte man auf den Seitentaschen lesen, so fern man bosparan lass.  "Gut, Sohn. Danke für Deine Hilfe". Eakfred zwinkerte dem Burschen zu . Dann hob er die linke Hand , führte sie mit der Außenhand flach zur Stirn und salutierte. "Herr Oberst, melde Gehorsam. Reiter und Reitier zum Dienst angetreten". Ealfred lächelte breit.   Er klopfte Ferrick an den Hals, bevor er sich erneut an den Jungen wandte. "Wie heißt Du eigentlich, Junge?" fragte er und griff die Zügel, um Ferrick herauszuführen.

Über Ealfreds militärischen Gruß machte Jost zuerst einen erschrockenen Eindruck. Als er aber verstand, dass es sich um einen Scherz handelte, lachte er beinahe erleichtert auf. Er schulterte sein eigenes Gepäck und eilte dem Ritter und seinem Pferd hinterher "Ich heiße Jost, Euer Wohlgeboren". Draußen verlangsamte Jost seinen Schritt und strich sich die Haare zurecht. Er war stolz darauf, sich wie selbstverständlich unter den Rittern bewegen zu können, ihnen nützlich zu sein und manchmal sogar ein ungezwungenes Gespräch mit ihnen führen zu können. Vor allem gefiel es ihm, wenn sie in Ortschaften verweilten. Er beobachtete dann, wie die anderen Gemeinen nicht selten verhalten und scheu wurden, während er selbst Gelassenheit zeigen konnte. Oft kamen sie dann auch neugierig zu ihm, um Fragen über die Edlen und ihre Belange zu stellen. Gerne stand er ihnen dann Rede und Antwort und nahm auch gerne den Schluck Bier oder das Stück Käse an, dass sie ihm anboten. Nun aber würden sie wohl für längere Zeit in die Wildnis reisen, aber immerhin würde er anschließend etwas zu erzählen haben - da war er sich sicher. Der Herr von Aelgarsfels hatte ihm zwar nicht erzählt, worum es auf der Reise ging, aber das würde er noch herausfinden.

Ealfred führte Ferrick aus dem Stall der langsam hinter her trottete. Die Nüstern des Pferdes nahmen neue Gerüche auf und das Pferd schnaubte zufrieden.  Keine Wolke war am blauen Himmelzelt zu sehen und die Praiosscheibe ließ ihre Strahlen wärmend auf die, ihr unterliegende Landschaft , fallen. Es versprach ein heißer Tag zu werden.  Ealfred erkannte eine Gruppe der Wohlgeborenen und Ritter, die es wohl auch zeitig aus den Federn geschafft hatten.  Der Herr von Rauenstein und die Dame zu Falkenhaupt schienen in einem Gespräch mit einem Gemeinen zu sein. Der alte Mann wurde fast von den beiden umringt. An seiner Körpersprache war abzulesen, dass er sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen ließ. Ealfred beschloss die Szene etwas zu beobachten.

"Mir nach!", knarrte seine raue Stimme. Trotz seiner gebeugten Haltung und dem demonstrativ klackenden Stock bewegte sich der Alte unfassbar flink über den Platz, sodass man ihm nur mit gewissen Schwierigkeiten folgen konnte. Am anderen Ende des Dorfplatzes verschwand er kurz hinter einer Häuserecke. "Die hohen Herrschaften kommen?", lugte er um die Ecke. Findan schüttelte leicht verwundert den Kopf, der Alte war eine verwunderliche Figur. Nun, so jemanden sollte man nicht warten lassen und Findan machte sich geschwind auf den Weg, um ihm zu folgen.

Etwas verdutzt über die flinken Bewegungen des Alten machte sich Praiophan auf den Weg, um den alten Kauz nicht aus den Augen zu verlieren.

Hagrian war ebenfalls vor die Tür der Schenke getreten und konnte sich beim Anblick der komischen Szene auf dem Dorfplatz ein Lächeln nur schwer verkneifen. Das geschah diesen arroganten Edelleuten recht, auf diesen wirren alten Kauz angewiesen zu sein. Die Begegnung mit dem Greis, war wohl nur der erste in einer Reihe von Dämpfern, die die versammelten Adligen erhalten würden, dachte Hagrian und freute sich bereits auf die Miene dieser verwöhnten Gwiduhenna, wenn ihr später im Bergland der Wind über ihr dummes Gesicht peitschen würde. Es Findan gleichtuend folgte Hagrian dem verschrobenen Zausel über den Dorfplatz.

Gwiduhenna hatte die Szene mit dem Kautz so hingenommen und war Prahiophan für seinen Langmut dankbar. Ein wenig fatalistisch hob sie ihre Schultern kurz an und folgte dann dem Kautz.

Durinja war dem Auftritt des Alten mit überraschter Mine gefolgt. Zwar war ihr immer noch nicht ganz klar, wieso man ausgerechnet ihm vertrauen sollte, dass er nicht die Gelegenheit nutzte, um die versammelte Mannschaft auszurauben, jedoch behielt sie diese Einschätzung zunächst für sich. Unauffällig fühlte sie nach dem kurzen Dolch, den sie in einer Scheide an ihrem Gürtel zu tragen pflegte. Auch sie folgte dem Alten. 

Schulterzuckend schloss Damian sich den anderen an und folgte Taran Köchelpötter.

Auch Darion schloss auf. Er hatte das Gespräch zwischen dem Alten und den Rittern nicht vollständig mit angehört. Er wunderte sich zwar, weshalb man einem Bettler folgte - nahm aber an, dass dieser sie zum Bürgermeister führen würde.

Farold hatte zwar von den Gesprächen nicht sehr viel mitbekommen, wunderte sich, wohin die Gruppe auf dem Weg war. Begann dann aber ihr zu folgen “Irgendwer wird schon wissen, wo das richtige Ziel ist”brummte er in sich hinein.

Der Alte führte die Gruppe an den Rand des Ortes. Kaum hatten sie die wenigen Bürgerhäuser hinter sich gelassen, die den Kern der kleinen Gemeinschaft bildeten, konnten sie die Weite der Landschaft erahnen, die sich vor ihnen eröffnete. Am Ende der Ortschaft erstreckte sich ein weitläufiger Bauernhof. Wie selbstverständlich eilte der agile Greis dem großen Gehöft entgegen. Die wenigen Dorfbewohner, die dem eigentümlichen Zug begegneten, beäugten die Adeligen mit einer Mischung aus Misstrauen und Respekt, doch gegrüßt wurde (nur) der alte Mann an der Spitze. Ganz offensichtlich genoss er einen besonderen Status im Dorf. Genauso war erkennbar, dass Taran Köchelpötter allen Passanten mit Argusaugen hinterher blickte. Spionierte sie der Zausel etwa aus?

Auf dem Hof wurde Taran Köchelpötter von einigen jungen Männern empfangen. Die Burschen waren offensichtlich Knechte auf dem Hof. Mit knappen, ruppigen Worten scheuchte er sie davon und die Männer folgten aufs Wort. “Die hohen Herrschaften dürfen sich davon nicht stören lassen”, kommentierte der Bauer die Szene nur knapp und führte sie in eine Scheune. Am Boden hatte man eine Filzdecke ausgebreitet. Darauf standen geschnürte lederne Rucksäcke; jeder mit einer wollenen Deckenrolle oben drauf und einem Pickel an der Seite. Die Ausrüstung war abgezählt, für jeden der Anwesenden war das Marschgepäck vorbereitet - und kein Einziges mehr. “Wie gesagt: Taran Köchelpötter sorgt vor”, konstatierte der Alte nüchtern und zeigte dabei nur noch wenige intakte Zähne.

Hagrian trat vor und nahm sich wortlos einen der Rucksäcke. Dabei achtete er auf die Qualität der Ausrüstung und wählte die in seinen Augen beste. Der Alte war Hagrian sympathischer als alle der hier versammelten Adligen, deshalb sah er ihn mit seinen eisigen grauen Augen kurz an und brachte einen knappen Dank hervor. "Na selbstverständlich. Der Köchelpötter hilft!", erklärte der Greis lapidar, doch funkelten seine Augen schalkhaft. Hagrian beschlich das Gefühl, dass der Alte eine ganz eigene Agenda verfolgte. Die Ausrüstung war durchwegs in ausgezeichnetem Zustand. Von Feldflaschen über Fackeln und Seilen war alles da, was das Bergsteigerherz begehrte - und das in einer Qualität, die mit guten Märkten in Elenvina konkurrieren konnte.

Darion bedeutete seinem Knecht, sich ihren Teil der Ausrüstung zu nehmen. Ihm missfiel, dass sich der Alte so aufspielte. "Dem Vogt Melcher von Ibenburg sei es gedankt", korrigierte er. "Doch zweifelsohne habt ihr eure Aufgabe gut erledigt."

Gwiduhenna prüfte ebenso die Ausrüstung und probierte den Rucksack aus. “Gut, er hat seine Pflicht getan. Können wir dann zügig aufbrechen. Nun ruft unsere Pflicht gegenüber der Baronin, dem Vogt und den Zwölf.”

Praiophan nahm sich ebenfalls einen der Rucksäcke und war sehr überrascht. Es scheint so, als ob die ganze Reise doch von langer Hand her geplant war. “Ich muss der Baronin und dem Vogt meinen Dank aussprechen. Dies scheint eine wohl durchdachte Vorbereitung zu sein!” Praiophan sagte diese Worte laut und nickte Herrn Köchelpötter zu und sagte dabei zu Ihm: “Und Ihnen ebenfalls vielen Dank.”

Ealfred überprüpfte die Ausrüstung: Schlafdecke, Trinkbeutel, Kletterseil, Zunder und Stahl, Fackel, Kletterhaken und Nägel. Zufrieden nahm Ealfred die Ausrüstung an sich.

"Der Pfad bergauf führt am Bachlauf entlang. Man kann ihn nicht verfehlen. Passt auf, wenn das Wetter umschlägt. Es kann dann schnell gefährlich werden", verabschiedete der Alte die Adeligen. "Den hohen Herrschaften wünscht der Herr Köchelpötter alles Gute! Auf dass Ihr heil zurückkehrt!" Zum Abschied winkte der Greis mit seinem Gehstock und betrachtete den Zug der Edlen, bis diese am Horizont verschwanden.

Beim Verlassen von Grenzmark wurde Hagrian zum ersten Mal seit dem gestrigen Abend wohler zumute. Der gesellschaftliche Umgang mit den anderen Adligen war ihm zuwider, doch hier draußen in der Wildnis befand er sich in seinem Element. Hagrian freute sich regelrecht darauf, wie der ein oder andere der Reisegruppe hier im Bergland an seine Grenze stoßen würde. Still sandte er ein Gebet zu Firun und bat den Weißen Jäger darum, dass er ihnen den Aufstieg nicht zu einfach machen würde.

'Hinaus in die Berge, da würde es angenehmer werden. Frische Bergluft und eine Wanderung würden hier allen gut tun und vielleicht würde auf dem Weg sogar Hagrian einmal ein bisschen lächeln.' Findan nahm seinen Rucksack auf und bedankte sich bei dem Alten mit einem Lächeln auf den Lippen. 

In die Berge

Die Praiosscheibe strahlte schon früh mit aller Macht vom Himmel herab, es würde ein warmer Tag werden. Die Reise der versammelten Edelleute stand offensichtlich unter guten Vorzeichen. Dementsprechend ging es zu Anfang mit strammem Tempo voran. Der trockene Bachlauf wand sich zunächst durch flaches, grünes Terrain, das von den Bauern des Örtchens Grenzmark bewirtschaftet wurde. Das Gelände wurde jedoch mit jedem Schritt rauer. Bald löste Nadelwald die Almwiesen ab, durch die der Weg in Schlangenlinien um die hoch aufragenden Bäume verlief. In den Nadeln der Bäume verfingen sich Kleidung, Haare und Bart. Nachdem die Gruppe sich durch den dichten, nach Harz duftenden Forst gekämpft hatte, breitete sich vor ihnen eine wüste Schotterhalde aus. Hier waren in der Vergangenheit wohl wiederholt Muren abgegangen. Schwere Felsen und feiner Schotter breiteten sich über eine ausladende Senke aus. Mittendurch plätscherte sonst der Bach - der jetzt trocken eine Schneise durch die Steinwüste zog.

Das Geröllfeld wirkte zwar düster und unbelebt, doch ließ es sich auf trockenem Fuße zügig durchqueren. Darüber ragten die hohen Gipfel vor blauem Himmel auf und warfen lange Schatten auf den Weg. Bisher hatten die Wanderer das Gefühl, gut voranzukommen, doch je öfter der Blick auf die majestätischen Bergspitzen fiel, desto ferner wirkten sie. Wenigstens machte die Orientierung keine Schwierigkeiten - es reichte, dem Weg dem Bach entlang zu folgen. Doch dieser endete jäh vor einer felsigen Wand. Rechterhand schien normalerweise das Wasser zwischen den Steinen hindurchzusprudeln. Doch der glatte, moosbewachsene Stein mitten im Weg versperrte diesen. Wer auch immer versucht hatte, dem Wasser zu folgen, war wohl vor dem selben Problem gestanden, verlief der Trampelpfad doch links entlang des Felsens und führte dann, das Plateau vermeidend, steil die Bergflanke hinauf. Zuerst konnte man abseits des Weges noch nebeneinander gehen, doch schon bald wurde das Gelände links und rechts neben dem Pfad immer abschüssiger. Der Weg teilte sich; die Abzweigung verlief nach links parallel zum Berg - weit ab der Richtung, in der der Bach verlaufen musste. Weiter führte der schmale Trampelpfad den Berg hinauf. Die Seilschaft war nunmehr einen halben Praioslauf unterwegs, als offensichtlich wurde: Es würde nur noch im Gänsemarsch vorangehen. Die Pferde würden die Seilschaft jedenfalls hier nicht mehr begleiten können.

Es war abzusehen gewesen, dass die Pferde sie früher oder später nicht mehr hätten begleiten können. Nun war es früher geschehen, als es Darion lieb war. Er erhob die Stimme, damit die gesamte Reisegruppe ihn hören konnte: "Hört werte Gefährten. Ich schlage vor, dass wir uns an dieser Stelle aufteilen. Ein Teil von uns verweilt hier beim Gepäck und den Tieren, während wir Kundschafter ausschicken um einen Weg für die Pferde zu finden. Sollte es einen solchen nicht geben, müssen wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen." Als er die Kundschafter erwähnte, suchte er in der Gruppe die Blicke von Findan, Praiophan und Hagrian.

Adelrat ging nochmal ein Stück des Weges zurück, einen Ort zu finden, wo man die Tiere einigermaßen geschützt unterstellen könnte. Vielleicht ließ es sich ja noch vermeiden, die Gruppe aufzuteilen… Ansonsten sah er sich durchaus bereit, bei den Tieren zu warten, man würde allerdings einen spätesten Zeitpunkt zur Rückkehr der Späher vereinbaren und das Verhalten der Zurückgebliebenen festlegen müssen, falls dieser Zeitpunkt nicht eingehalten würde.

Durinja fluchte leise vor sich hin, während sie immer neue Nadeln in ihren Haaren und ihrem Mantel fand. Nachdem Darion geendet hatte, erhob sie die Stimme. “Ich würde mich freiwillig für die Wache der Pferde melden, der Weg, der vor uns liegt, scheint mir mehr für geübte Kletterer als für mich geeignet zu sein.” Sie warf Darion einen forschenden Blick zu. War dies als Zeichen der Schwäche aufzufassen?

"Ich werde als Kundschafter vorangehen", sprach Hagrian mit finsterer Miene. Zwar hatte er die Gipfel des Gebirges die meiste Zeit seines Lebens nur aus der Ferne gesehen und er würde sich keinesfalls als geübten Felskletterer bezeichnen, dennoch war er für die bevorstehende Aufgabe sicher besser geeignet als die meisten Mitglieder der Seilschaft.

Noch war genug Platz, um die Pferde unterzustellen. Eine nahe Felsnase bot den Tieren etwas Schutz und die Stelle war breit genug, um mit den Tieren auszuharren. Der Berg selbst war hoch - und würde voraussichtlich nicht in einem Tag bestiegen sein. Und auch wohl nicht in zweien. Wer auch immer sich für die Wache bei den Pferden meldete, für den versprach es eine mehrtägige Aufgabe zu werden.

Gwiduhenna blickte abwechselnd den Berg hinauf, zu Hagrian und zu den Pferden. Ihre Stirn war mit tiefen Runzeln versehen. Sie schien intensiv nachzudenken. Schließlich entfuhr ihr ein leicht genervtes Seufzen. “Bei Praios, ich gehe auch kundschaften.”

"Ich bin im Vorderkosch geboren und im Schatten der Berge aufgewachsen. Bei Firun ich denke meine Talente wären bei der Wache über die Tiere verschwendet. Ich werde mit kundschaften."

"Nun da bleibt wohl mir auch die Ehre auf die Pferde aufzupassen", kündigte Ealfred an. Er klopft Ferrick an den Hals. "Hals und Beinbruch wünsche ich", sprach Ealfred mit einem nicht unfreundlichen Lächeln. Tatsächlich kannte sich der Albernier mit Pferden aus. In Ferrick sah er mehr als ein Fortbewegungsmittel, Ferrick war ihm Gefährte und Ealfred zahlte es mit einer guten Pflege, guten Hafer und frischem Wasser und natürlich Obst. Äpfel liebte der Fuchs ganz besonders und Ealfred hatte immer ein paar in seiner Tasche.

"Lasst uns nicht zu lange warten", sagte Darion zu den Freiwilligen. "Der Tag ist zur Hälfte vorbei. Spätestens im Morgengrauen des nächsten Tages werden wir euch nachfolgen. Doch besser wäre es, wenn ihr vor der Dunkelheit zurück wäret. Wenn ihr kein Durchkommen für die Pferde findet, werden wir sie mit den Knechten zurückschicken müssen und selbst nur noch mit leichtem Gepäck weiterreisen."

Hagrian musterte diejenigen ausgiebig, die sich neben ihm als Späher gemeldet hatten. Findan erschien ihm als durchaus geeignet für diese Aufgabe, war er doch athletisch gebaut und legte eine gewisse firungefällige Wortkargheit an den Tag. Die Narbe auf seiner linken Wange hatte sich Findan vielleicht bei einer Prüfung des Herren der Kälte in der Wildnis zugezogen, dachte Hagrian. Sein Blick wanderte weiter zu Gwiduhenna und sofort verschlechterte sich seine Stimmung. Was wollte diese verzogene von Falkenhaupt als Späherin schon ausrichten? Vertraute sie Hagrian so wenig, dass sie ihn nicht aus den Augen lassen wollte? Unter Umständen wollte sie die Trennung von der Gruppe auch zur Aussprache mit ihm nutzen. All dies kam ihm in den Sinn und doch wollte ihm nicht so wirklich einleuchten, warum Gwiduhenna sich den Kundschaftern angeschlossen hatte. Letztlich würde nur der Tag zeigen, was sie plante. Hagrian zurrte seinen Rucksack fest und wandte sich an die Gruppe: "Wir sollten nun aufbrechen."

“Wartet”, sagte Damian, nachdem er das Geschehen eine Weile still beobachtet hatte. “Ich werde euch ebenfalls begleiten. Irgendjemand muss schließlich verhindern, dass der gute Hagrian Gwiduhenna vom Berg stößt, wenn niemand hinguckt", fügte der Ritter mit einem Grinsen hinzu. “Außerdem befürchte ich, mich hier unten zu Tode zu langweilen", schloss Damian während er seinen Rucksack schulterte und seinen Schwertgurt überprüfte.  Gwiduhenna hob eine Augenbraue und betrachtete Damian und im Anschluss den Harschenklamm. ‘Unfähiger Troll…wobei, nein, die kommende Prüfung im Berg wird vielleicht einmal zeigen, zu was diese verkommene Sippe von Wildlingen im Stande ist. Irgendetwas außer Schweigen müssen sie ja können’, dachte sich die Ritterin und wartete auf die Reaktion Hagrians.

Hagrian musterte mit seinen eisigen grauen Augen Damian. Für einen kurzen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, einfach auf eigene Faust voranzugehen und die anderen hinter sich zu lassen. Dieses ewige Hin und Her und die Sticheleien Damians waren ihm zuwider. Doch letztlich zügelte er sich und sagte mit möglichst beherrschter Stimme in Richtung Damian: "Kommt meinetwegen mit, wenn ihr müsst." Und an Gwiduhenna gewandt: "Wenn die von Falkenhaupt sich dann sicherer fühlt."

Findan sah sich die anderen an. Das würde nicht leicht werden, Hagrian war wohl wie er auch eher in der Wildnis zu Hause als in der Gesellschaft hoher Herren und Damen, aber bei den anderen war er sich nicht sicher. Findan hatte oft das Gefühl gehabt, dass sich Ritter auf einem Sattel wesentlich besser hielten als auf den eigenen zwei Füßen wenn es um Reisen ging. “Ich würde mich darüber freuen, wenn bei unserer Expedition weniger davon geredet wird ob nicht der eine die andere vom Berg stößt. Sich in den Bergen zu bewegen ist an sich schon gefährlich genug ohne dass man gestoßen wird.” Findan hoffte, dass die anderen irgendwann einmal zur Vernunft kommen würden.

Adelrat gab zu verstehen, daß er bei den Tieren wachen würde - eine Entscheidung, die ihm aufgrund der “guten Stimmung” innerhalb der Erkundungstruppe leicht fiel. Er wußte schon, warum er die “gesellschaftlichen Kontakte” zu Hause auf die einfache Bevölkerung beschränkte und den Rest den Frauen des Hauses überließ…


Ealfred machte sich ans Werk, während  die Anderen der hohen  Gesellschaft  auf Kundschaft gingen. Er nahm Ferrick  den Sattel ab. Gemeinsam mit Jost wurden nach und nach alle Sättel abgenommen und  die Pferde versorgt.

Praiophan hatte sich die Situation lange ruhig angesehen. Darions Blick, als dieser zu Beginn die Späher ins Spiel brachte, hatte er wohlwollend erwidert. Praiophan hielt es für einen guten Vorschlag und fühlte sich selbst wie berufen dafür in der Wildnis nach einem guten Pfad zu suchen, obwohl er kaum daran glabte, dass die Pferde weiter als hier mit der Gruppe laufen konnten. Es kam ihm fast so vor, als läge ein großer Teil der Verantwortung für diese Gruppe Menschen, ja für das ganze Unterfangen auf seinen Schultern. Dies machte ihn etwas nervös. Aber wenn nun jeder seiner Aufgabe nachging, war auch jeder für sich selbst verantwortlich.  Diese Art von Verantwortung auf seinen Schultern war ihm unangenehm. Trotz seiner standesgemäßen Erziehung als Erbe des Lehen hatte er Zuhause bisher Aufgaben mit größerer Verantwortung eher gemieden, ganz zum Unmut seiner Eltern. Praiopahn ging langsam zu Frederun herüber und machte ihr schon auf dem Weg mit einem Blick deutlich, dass auch sie als Späherin mitkommen solle.

Frederun hielt es für angebracht, die Umgebung hier zu Fuß näher in Augenschein zu nehmen. Mit den Pferden würde dies auf lange Strecke doch zu schwierig sein. Und auf ein zufälliges helles Licht der Erkenntnis zu hoffen, während die Gruppe durch das Land um die Berge galoppierte, erschien doch irgendwie töricht. Als sie dann Praiophan auf sich zukommen sah, brauchte Frederun nicht lange, um zu erkennen, dass er wohl ähnlich dachte. “Wohl’an denn, Praiophan, ein paar Schritte bergan können doch nicht schaden; meint ihr nicht? Karline wird mit den anderen nach den Pferden schauen. Dann können wir mit Bedacht einmal ins Auge fassen, was es hier zu entdecken gibt.” Frederun war zwar durch die Teilnahme an den Turnieren in den letzten Götterläufen schon etwas herumgekommen; doch in die Berge selbst hatte sie es zuvor noch nicht so recht gezogen. Vielleicht könnte es etwas zu entdecken geben; und wenn’s auch nur eine schöne Aussicht wäre… Ach’ es wäre doch schön, mal andere Geschichten erzählen zu können, als immer nur zu wiederholen, wie man beim ersten oder zweiten Lanzengang schon den kürzeren gezogen hatte.

“Karline wird sich sicher gut um die Pferde kümmern.” Praiophan lächelte Frederun zuversichtlich zu. “Mir ist es den ganzen Tag auf dem Rücken eines Pferdes bisweilen zu langweilig. Auf meinen eigenen zwei Beinen bewege ich mich noch am liebsten fort. Und was die Geschichten angeht, erzähle ich meist sowieso lieber von meinen langen Jagdausflügen im Wald als von meinen kurzen Auftritten auf Turnieren.”

Farold hatte bisher bisher schweigend das ganze angesehen: ”Ich hatte gehofft, nicht klettern zu müssen, aber schlimmer als ungewiss warten zu müssen, kann es auch nicht sein, wenn noch ein Platz bei den Kundschafter frei ist, werde ich auch mitkommen”. ~*~

Die Bergsteiger

Der Berg ragte vor den Wanderern steil auf. Der Pfad, der den Berg hinauf in Richtung des Baches führte, konnte nur von einem Streiter nach der anderen begangen werden. Deshalb entschlossen sich die Bergsteiger, eine Seilschaft zu bilden und reihten sich auf. Hagrian trat entschlossen voran. Er wollte an erster Stelle gehen. Lieber hatte er die anderen in seinem Rücken, als andauernd vom Tempo seines Vordermanns abhängig zu sein. Damian folgte Hagrian und blickte hinter sich, gespannt wer sich hinter ihm einreihen würde. „Wir sollten uns immer zu dritt in ein Seil einbinden. Jedenfalls nicht mehr als vier zugleich!“ sagte Praiophan zu den anderen. „So kann man auf die anderen acht geben, aber die zweite Gruppe ist nicht gebunden, wenn man sie mal braucht.“ Er nahm sein Seil vom Rucksack und reichte Frederun das eine Ende. „Am besten sind 10 bis 12 Schritt Seil zwischen jedem Kletterer. Damit man Bewegungsfreiheit hat.“ In sein Ende des Seils machte Praiophan eine lose Schlinge, in die er ohne Rucksack hinein stieg und sie dann auf der Brust fest zurrte. Danach schaute er, ob Frederun es ihm gleich tat. „Ich würde der letzte in der Kette sein, Hagrian zieh nicht zu schnell los, hier gibt es einige die nicht unsere Übung haben.“ Frederun hatte vom Bergwandern - das musste sie sich wahrlich eingestehen - doch überhaupt keine Erfahrung. Sie war sichtlich froh, von Praiophan etwas zu erfahren, dass ihr fürs erste sehr glaubhaft erschien. Sie ergriff das Seil, welches Praiophan ihr angereicht hatte und band jenes, wie geheißen, zu einer Schlinge. Diese zurrte sie gut fest. „Praiophan, so könnte es gehen; nicht wahr? Aber, bitte, es scheint mir doch klug, wenn ihr voranschreitet… ich kam bislang doch selten hoch in die Berge.“ Frederun konnte nicht vermeiden, etwas rot im Gesicht zu werden. Sie hoffte, es ginge doch nicht zu steil bergan oder zu hoch hinaus ...

„Nun, dann werden Findan und ich die zweite Gruppe bilden.“, sprach Gwiduhenna und fing an ihr Seil vorzubereiten. „Ich werde in die Mitte gehen oder besteht ihr darauf“ warf Farold noch ein, der als Nachzügler gefolgt war.

Mutig schritt Hagrian voran, dahinter folgten die Mitglieder seiner Seilschaft. Dann folgte Gwiduhenna mit Findan und Praiophan mit Frederun. Schritt für Schritt kämpften sich die Reisenden auf dem engen Pfad entlang. Ein beschwerlicher Weg, der die Wanderer herausforderte. Der steile Abschnitt endete abrupt an einer weiteren Abbruchkante. Der Fels war hier grau und hatte dort, wo einzelne Brocken herausgebrochen waren, scharfe Kanten. Wer ohne Handschuhe hineingriff, lief Gefahr, sich die Finger aufzuschneiden. Die Abbruchkante ragte mindestens 100 Schritt auf und schien über den Weg überzuhängen, der sich rechterhand an der drohend aufragenden Felswand entlang drückte. Der Pfad war breit genug für eine normal gewachsene Frau, soweit man ihn erkennen konnte, schwerer gangbar für eine Hochgewachsene. Nach etwa 60 Schritt folgte der Weg dem Berg um eine scharfe Kurve. Rechts gähnte drohend ein tiefer Abgrund. Als Hagrian um die Ecke lugte, erkannte er, dass der Pfad plötzlich in den Berg führte. Hier hatte sich eine Spalte geöffnet, die breit genug war, um hindurchzupassen. Eine Alternative bot sich nicht: Der Überhang machte einen Weg direkt die Felswand hinauf unmöglich. Das schmale Plateau, auf dem der Weg bisher verlaufen war, gab es nicht mehr. Düster drohte die Dunkelheit direkt vor den Wanderern. Ohne eine Fackel war die Gefahr groß, sich den Kopf zu stoßen - doch zu tasten hätte bedeutet, eine Hand weniger freizuhaben, um sich am Fels entlangzutasten. Platzangst durfte man hier nicht haben. 

Steinschlag

Wenige Schritt tiefer in dem Spalt drang wie wie aus weiter Ferne ein rhythmisches Dröhnen. Das Geräusch schien wie die Pauke einer Vinsalter Oper durch den Berg zu donnern.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, die doch etwa nur 220 Schritt umfasste, öffnete sich die Spalte und ließ das strahlende Licht der Praiosscheibe herein. Die gleißenden Strahlen waren blendend hell nach der tiefen Finsternis. Zwar verlief der Weg noch immer in Breite für gerade mal einen Menschen zwischen den massiven Felsen, doch ließ er sich im Tageslicht einfacher begehen. Mit einem Mal jedoch rieselte von oben zuerst feiner Sand, dann kleine Steinchen auf den Weg. Hagrian bliebt wie angewurzelt stehen. Die Hand schützend über die Augen haltend schnellte sein Blick nach oben, von wo die Steinchen auf den Weg gefallen waren. Ihm schien das Licht der Sonne entgegen. So geblendet konnte er kaum etwas erkennen, nur kleine schwarze Punkte, die in den Spalt eindrangen. Und es roch nach Steinstaub, wie in einer Granitmine. „Schau nicht nach Oben! Sonst bekommst du noch einen Stein auf deinen …“ Praiophan konnte sich gerade noch rechtzeitig zurückhalten und sagte den Beleidigenden Teil „Holz-“ nur ganz leise, so dass es gerade ein mal die Personen an seinem Seil hören konnten. Den Rest des Satzes sprach er wieder so laut, dass alle es hören konnten. „-kopf. Halte dir lieber die Hände über den Kopf, das ist sicherer bei einem Steinschlag.“ Leise rieselten Gesteinsbrocken und feiner Sand in die Spalte. Der aufgewirbelte Staub zerstob im Sonnenlicht und trübte die Sicht. Dann war es wieder still - bis auf das rhythmische Klopfen, das die Wanderer auf dem gesamten Weg durch die Spalte begleitete. Die Schläge schienen aus dem Innersten des Berges zu dringen, dumpf und hohl, wie der Schritt eines Riesen. Man gewöhnte sich schnell an diesen gleichmäßigen Ton, doch hier, in der Enge der Felsspalte, dröhnte der Klang in den Ohren und spannte die Nerven zum Zerreißen an. Hagrian konnte nicht mehr an sich halten. Das Pochen, das aus dem tiefsten Schoß des Berges zu kommen schien, war ihm nicht geheuer. Er wandte sich zu den Anderen um und fragte mit bitterer Miene: "Was ist das?" „Bei den Göttern, ich weiß es nicht. Und genauso wenig weiß es ein anderer, der hier Anwesenden“, antwortete Damian mit angespannter Stimme. „Ich würde vorschlagen wir finden es heraus und lassen dieses widerliche Loch schnellstmöglich hinter uns.“ „Was das ist, weiß ich nicht, dass das in den Bergen nicht gerade normal ist, würde ich jetzt aber schon behaupten.“ Findan runzelte die Stirn. „Ich denke Damian hat recht, hier uns den Kopf fast wortwörtlich zu zerbrechen, ist, denke ich, nicht die richtige Vorgangsweise, am besten verlassen wir die Spalte schnellstmöglich.“ Farold, bewegte sich vorsichtig voran, konzentriert war seine Aufmerksamkeit den Felsen gewidmet und beteilige sich nicht am Gespräch. Der Beschluss war gefallen, die Gruppe wollte so schnell wie möglich die Spalte verlassen. Als Hagrian kehrt machen und in Richtung Eingang eilen wollte, hielt er im letzten Moment inne. Ein fernes Poltern drang an seine Ohren, kaum, dass es die Schwelle seiner Wahrnehmung überschritt. Doch keine Sekunde später wurde aus dem Poltern ein lautes Rauschen - wie von Wasser, das in hohem Tempo den Berg hinab schoss. Geistesgegenwärtig schrie der Waidmann: „Geht in Deckung!“ Gerade noch rechtzeitig drückten sich die Wanderer an die Felswand. Mit einem ohrenbetäubenden Grollen rollten massige Felsbrocken grauen Schiefers über die Flanke des Berges. Statt in die Tiefe zu stürzen, brachen einige Steine an der Kante der Felsspalte, drangen in den schmalen Pfad ein und zerschellten an der gegenüberliegenden Wand. Eine gewaltige Staubwolke explodierte in dem schmalen Gang und drang kratzig in Augen und Lungen. Der Steinstaub in der Luft verschleierte den Blick auf alles, was über Armeslänge entfernt war. Die Haut brannte und juckte von feinen Steinpartikeln. Als sich die grauen Schwaden legen, zeigte sich die Bescherung: ein schier unverrückbarer Schieferbrocken versperrte den Pfad. Der Rückweg war versperrt. „Na dann, auf nach vorne würde ich sagen.“ Findan versuchte ein Lächeln, schaffte es aber nicht so ganz. Jetzt wurde es ernst, einen Weg zurück zu finden war jetzt zur überlebenswichtigen Notwendigkeit geworden. Hagrian hustete Staub und rieb sich seine tränenden Augen. Diese Sache wurde langsam unangenehm. Firun schien ihn und die Anderen tatsächlich auf eine harte Probe stellen zu wollen. Nun ja, er selbst würde den Prüfungen des Weißen Jägers schon standhalten, doch bei den anderen Adligen, war es sicher nur ein Frage der Zeit, bis einer von ihnen brechen würde. Widerwillig fragte er in die Runde: "Geht es allen gut?" Wie durch ein Wunder waren alle, bis auf ein paar marginale Schrammen von herumfliegenden Steinsplittern, heil geblieben. Vielleicht war es tatsächlich eine Probe der Götter? „Ich bin unverletzt.“ antwortete Damian, während er sich die Augen rieb, um den Staub herauszubekommen. „Ja, so langsam bereue ich, dass ich nicht im langweiligen lager geblieben bin.“ „Mir geht es auch gut!“ rief Praiophan. „Wenn der Rückweg nun versperrt ist, dann ist es der Wille der Götter, dass wir nun langsam einen Fuß vor den anderen setzen und weiter gehen! Wir sollten uns beeilen! Hier spielt uns sicher jemand übel mit. Je länger wir in dieser Spalte sind, desto größer ist die Gefahr, dass uns keiner der Zwölfe mehr beistehen kann und wir von einem Stein erschlagen werden.“ „Sehe ich genau so.“, sagte Damian, “Lasst uns weitergehen und endlich herausfinden, was dieses Geräusch verursacht.“ Frederun hatte vor Schreck tief eingeatmet und einiges an Staub geschluckt. Laut hustend rang sie nach frischer Luft. „Ich … [husten] … es geht schon … [husten] … geht schon wieder.“ Sie klopfte, schüttelte sich unbeholfen Staub aus den Haaren und schaute sich um. „Praios, ich danke Dir! Wir folgen Dir unbeirrt. Deine leuchtende Scheibe weist uns den Weg!“ Das rhythmische Schlagen war wieder deutlich vernehmbar, seitdem das Gestein zum Stillstand gekommen war. Die Wanderer erschauderten ob der ungerührten Monotonie des Halls. Als ob sie vor dem schrecklichen Geräusch flüchten wollten, machten sich die Wanderer auf, die Spalte zu durchqueren. Wie durch ein Wunder war der Pfad vor ihnen nicht in Mitleidenschaft gezogen worden, sodass sie die enge Passage durchqueren konnten. Als endlich die Sonne vor ihnen sichtbar wurde, konnten die verstaubten, verschwitzten Bergsteiger aufatmen. Einige brachen in gelöstes Lachen aus, als sie die frische Luft riechen konnten und sahen, wie sehr sie alle mit grauem Gesteinsstaub bedeckt waren. Die anderen blickten derweil sorgenvoll die Bergflanke hinauf. Hatte sie der Spalt womöglich vor Schlimmerem bewahrt? Was, wenn sich noch einmal ein Erdrutsch lösen würde? „Da!“, rief Findan, der den Blick zum Hang gewandt hatte. „Dort oben sitzt etwas.“ Er deutete auf drei nur schwer auszumachende Schemen. Bei genauerem Hinsehen waren diese etwa menschengroß, doch wiesen sie zwei markante Schwingen auf, die die selbe Farbe wie das Gestein zu haben schienen, auf dem sie seelenruhig hockten und die Gruppe mit Argusaugen betrachteten. Hagrian blieb wie angewurzelt stehen und griff nach seinem Kurzbogen, den er auf dem Rücken trug. Ohne die Kreaturen aus dem Blick zu lassen, hakte er die Sehne seines Bogens ein, griff nach einem Pfeil und harrte schussbereit aus. Der Waidmann konnte ein schnatterndes Gegacker hören. Machten sich die drei Wesenheiten etwa über sie lustig? „Bei PRAIOS! Was ist das?“, entfuhr es erschrocken der Falkenhaupt und zog ihr Schwert. „Unheilige Kreaturen gebt euch zu erkennen!“, rief sie zu den Gestalten herauf. Findan begann seinen Bogen zu spannen. „Ich weiß nicht ob sich unheilige Kreaturen im Namen Praios zeigen werden. Des weiteren sind wir hier unten sehr ungeschützt. Ein größerer Stein der uns hier am Schädel trifft und wir können die Schwingen Golgaris hören.“ Auch Praiophan holte eilig Bogen und Sehne hervor und fing an seinen selbst gebauten Bogen zu spannen. Nach wenigen Sekunden holte er einen Pfeil aus seinem Köcher und fasste sofort wieder diese seltsamen Geschöpfe ins Auge. „Ist es der Staub in meinen Augen, oder sind das Flügel?“ Er legte den Kopf etwas schief und sah genauer hin. „Hat einer von euch so etwas schon mal gesehen?“ fragte Praiophan etwas halblaut. Frederun schaute nach oben und folgte der Richtung der gespannten Bögen. Sie rieb sich ungläubig die Augen und versuchte angestrengt, mehr zu erkennen. Sie murmelte: „Praios, sei mit uns, deinen Getreuen!“ Nach einer kurzen Pause: „Nein, so etwas haben meinen Augen noch nie erspähen können … wahrhaftig nicht!“ Frederun griff mit der Rechten nach ihrem Schwert. Den Umgang mit dem Bogen, ja, dachte sie sich, das hätte sie doch auch einmal erlernen können. Denn, ob sich jene Kreaturen von dort oben der Gruppe in den Weg stellen würden … Und wenn, dann müssten sie auch erst einmal nah genug herankommen … Frederun fasste sich: Nun gut, wenn sie kämen und es so sein musste, würde am Ende das Schwert entscheiden. „Diese Reise wird ja immer besser“, knurrte Damian, während er in einer fließenden Bewegung sein Schwert aus der Scheide zog. Aufgeregt suchten seine Augen die Umgebung nach potentieller Deckung ab, die ihm Schutz vor diesen seltsamen Wesen bieten könnte. Farold zog ebenfalls Schwert und hilt sich bei den Anderen um gegebenenfalls beistehen zu können. Hagrians Miene verfinsterte sich. "Haut bloß ab, wenn ihr nicht wollt, dass ich einen meiner Pfeile nach euch schicke", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Frederun zog ob der Drohung von Hagrian die Augenbrauen hoch. „Hagrian, bitte, ein wenig Mäßigung sollte hier nicht schaden. Werden jene Kreaturen kommen, setzen wir uns schon zur Wehr. Aber Unheil heraufbeschwören, brauchen wir nun wirklich nicht.“ "Nun, dann geht ihr doch voran und ich decke euch mit dem Bogen den Rücken", sagte Hagrian fast flüsternd an die Ritterin mit den schulterlangen blonden Haaren gewandt. Die beiden Wesen über den Köpfen der Wanderer lachten mit knarrender Stimme. Das Linke flatterte mit seinen Schwingen, die fast zwei Schritt in der Breite maßen. Offensichtlich schienen sie sich zu unterhalten. Das Rechte deutete auf die Menschen hinab und schlug sich dann auf die Schenkel. Es schien, als ob es ganz genau erkannte, was auf sie gerichtet war und sich davor nicht ängstigte. Plötzlich hob die linke Kreatur ab und schwang sich einige Schritt den Hang hinab in Richtung Pfad. Am harten Fels krallte sich das Wesen fest. Jetzt konnte man die schmalen, grauen Gliedmaßen und das harte Gesicht mit der langen, hervorspringenden Nase erkennen. „Buh!“, schrie das Vieh ganz plötzlich, dass es von der Bergwand widerhallte, und brach in schallendes Gelächter aus. Hagrian gab das Verhalten der Kreaturen Rätsel auf. Sie schienen eine eigene Sprache zu besitzen, auch wenn diese aus kaum mehr als Schnattern und Gackern zu bestehen schien. Dennoch wirkten sie wild und in ihrem Verhalten unberechenbar. Machten sie sich nur einen Spaß aus den Bergsteigern oder waren er und die anderen die Jagdbeute der Kreaturen? Hagrian senkte den Bogen. Er war nicht hier, um die Tierwelt der Berge zu dezimieren, schon gar nicht, wenn er nicht angegriffen wurde. Den Bogen fest umgriffen in der Hand jedoch ohne eingelegten Pfeil ging er entschlossen einige Schritte auf die Kreatur zu, die sich am weitesten unten am Hang befand und sprach mit eindringlicher beherrschter Stimme: "Lasst uns passieren!" „Sie spielen mit uns! Schändlich!“, spie Gwiduhenna aus. „Wir sollten sie einfach nicht achten und weitergehen.“ „Hihi, Hast du gehört? Die dummen Menschen wollen einfach weitergehen?! Hinauf, hinauf! Dann rollen wieder die Steine!“, kreischte das Vieh in knarzendem Garethi zu ihrem Gefährten hinauf. „Sie verhöhnen uns. Bleibt wachsam, sie warten nur darauf, dass wir unsere Deckung senken.“ sprach grimmig Farold. „Gegen geflügelte Wesen gibt es so etwas wie Deckung kaum oder siehst du hier einen sicheren Felsvorsprung in dem wir uns aufhalten können? Beim Herrn Firun, wir werden diese Herausforderung meistern. Sollten sie auf uns mit Steinen schmeißen bekommen sie es mit Pfeilen zurückgezahlt.“ Findan legte einen Pfeil an die Sehne. „Ich denke wir sollten weiter gehen und unsere Augen und Ohren offen halten. Mir behagt das ganze hier nicht. Diese geflügelten Wesen habe ich noch nie gesehen.“ „Gnigni, weitergehen, gnigni. Auf ihren langen Stacksebeinen!“, höhnte das steinerne Tier. „Sie müssten sich Flügel wachsen lassen, dann könnten sie einfach den Berg hinaufgleiten, hihi!“ "Diese erbärmlichen Kreaturen können nichts außer Drohen und Kreischen", sagte Hagrian. "Findan hat recht. Wir sollten weitergehen." „Und wohin? Wisst Ihr das überhaupt? Einfach immer rauf, rauf, ja…gnigni!“ „Ich Grüße euch“ rief Praiophan den Wesen entgegen, nachdem er seinen Bogen wieder gesenkt hatte. „Wir wollten den Flusslauf folgen! Leider haben wir keine Flügel wie Ihr, so sind wir gezwungen dem Weg zu folgen der sich uns bietet. Habt Ihr diese Steine nach uns geworfen?“ Frederun kamen diese Geschöpfe derart seltsam vor: Sie riefen und kicherten wie törichte, kleine Kinder; sie machten sich offenkundig eine Freude daran, die Gruppe von hoch oben herab zu verhöhnen … doch bargen sie denn tatsächlich eine Gefahr? Schauermärchen von irgendwelchen Ungeheuern, die in Höhlen oder in den Bergen auf die Menschen lauern sollten, hatte sie schon einmal gehört. Doch Frederun besann sich: Im Angesicht des drohenden Unbehagens, welches die Edlen abzuwenden suchten, war dies nicht der Augenblick, dem alten Ammenmärchen hinterher zu hängen. Frederun behielt also das Schwert fest in der Hand und ließ die Kreaturen nicht aus den Augen. „Praiophan, lasst doch ab von diesen johlenden Untieren. Jene werden uns nur weiter verhöhnen und dann doch nichts Brauchbares preis geben. Ich spreche es Findan und … Hagrian nach: Schreiten wir voran.“ Das geflügelte Wesen schüttelte den Kopf. „Die Steine fallen ganz von selbst vom Berg. Bei dem ganzen Lärm! Macht ihr den eigentlich? Bum, Bum, BUM?!“, ahmte die steinerne Gestalt die Schläge nach, die noch immer von den Bergflanken erschallten. „Warum geht ihr den Berg rauf, wenn ihr keine Flügel habt? Was bringts euch?“ „Wir wollen diesem Lärm auf den Grund gehen.“, wandte sich Damian an die Kreaturen. „Die Quelle des Tommel versiegt, wir sind hier um herauszufinden warum. Ist euch seltsamen Kreaturen, die ihr wohl hier in den Bergen haust, in letzter Zeit etwas besonderes aufgefallen?“ „Gnigni was ist eine Tommel? Gnigni!“ Das graue Vieh flatterte kräftig mit den Flügeln. „Wir wohnen hier. Die Berge sind wie immer. Außer das Krachen. Und so Kreaturen wie ihr. Immer laufen sie den Berg rauf. Alle wollen sie zum Wasserloch.“ Findan bekam langsam Kopfschmerzen von dem Lachen dieser lästigen Kreaturen. Findan rieb sich am Kinn und sage leise: „Das Lärm Steinschläge oder auch Lawinen auslösen kann, kann ich bestätigen. Was mich aber wundert ist, dass diese hässlichen Viecher etwas von anderen Kreaturen wie uns gesprochen haben, wenn ich mich richtig erinnere ist die Quelle der Tommel nicht bekannt und wenn da andere Menschen schon gewesen wären hätten die es doch berichten können, außer …“ Findan machte eine kurze Pause. „Nun ich denke wir sollten uns auf jeden Fall in Acht nehmen, ob jetzt die Gefahr von diesen Kreaturen ausgeht oder von etwas anderem, sicher sind die Berge auf jeden Fall nicht. Wir sollten vermeiden noch mehr auf uns aufmerksam zu machen und uns selbst so leise wie möglich verhalten.“ Hagrian war überrascht. Aus diesen Wesen war wohl doch die ein oder andere Information herauszubekommen. "Wie lange hört ihr dieses Krachen nun schon?", fragte er in der Hoffnung noch etwas mehr von den geflügelten Kreaturen zu erfahren. Das Tier schlug die Flügel ganz wild auf und ab. „Wie lang? Was heißt das? Wie lang? Die Schläge donnern und donnern, rumpeln und poltern. Ja, sie wecken unser Gelege! Gnigh, schon ganz viele Sonnen! Rauf und runter! Aber davor, gnigni, da war es häufig ruhiger. Viele Sonnen hat es da nicht gerumpelt. Aber jetzt schlägt es ohne Pause.“ „Wir folgen dem Wasser, wir nennen den Fluss Tommel und sein Wasser wird immer weniger. Wir versuchen heraus zu finden wieso! Sagt, wie viele Wesen wie wir sind denn bereits den Berg hinauf gekommen in letzter Zeit?“ Praiophan konnte sich immer noch keinen Reim darauf machen, was es einem Menschen bringen würde die Quelle der Tommel zu stören, aber es schien alles darauf hin zu deuten, dass es eine ganz irdische, menschliche Ursache ist, warum die Tommel trocken fällt. Die ganzen Vermutungen über göttliches Wirken oder übernatürliches Schaffen schienen unbegründet. Das Wesen streckte drei seiner Klauen von sich. Damian wandte sich an die Gruppe: „Ich glaube mehr kriegen wir aus diesen Kreaturen nicht heraus. Ich denke wir sollten weitergehen und endlich herausfinden, was es mit diesem Poltern auf sich hat.“ „Wenn sie die Wahrheit gesagt haben. Dennoch stimme ich zu, wir sollten vorsichtig weiter gehen und der Sache auf den Grund gehen“. Praiophan nickte nur kurz und setzte sich dann in Bewegung. Er sah sich argwöhnisch um, ob in der Nähe noch weitere Überraschungen warten. Neben den beiden komischen Vögeln fiel ihm einzig das seltsame rhythmische Dröhnen auf, was keiner richtig zuordnen konnte. Krächzend hob das steinerne Wesen ab und flatterte über den Köpfen der Wanderer hinweg. Zu seinem Kumpan rief es: „Immer diese Zweifüßer!“ Dann war es am Horizont verschwunden. Die Bergsteiger indes mussten weiter auf Schusters Rappen dem Weg folgen. Der Weg stieg weiter steil an. Die Passage verlief jedoch auf offenem Gelände. Links und rechts des Weges lagen große Brocken Gerölls; Teile davon waren ersichtlich erst frisch zum Liegen gekommen, während andere Felsen schon von Moos und Reif bedeckt waren. Hier oben war es kühl. Der Wind pfiff den Wanderern um die Ohren und ständig begleitete sie das rhythmische Dröhnen aus dem Berg. Endlich öffnete sich der Weg und führte in eine weitläufige Senke.Weitab des Bachlaufs hätte der sengend heiße Hochsommer im Gebirge eine trockene Angelegenheit werden mögen, doch tatsächlich schien das Areal überdurchschnittlich grün. Sogar einige niedrige Stauden wuchsen hier - im Gegensatz zu den karstigen Felsen zuvor ein wunderschöner Anblick. Direkt vor den Wanderern erhob sich eine majestätische Felswand, die im Licht der sinkenden Praiosscheibe rotgolden leuchtete. Mitten in der steil aufragenden Wand, auf etwa 80 Schritt Höhe, war ein großes Loch zu erkennen. Hier musste normalerweise der Bach aus dem Berg schießen, auch wenn heute kein einziger müder Tropfen heraus rann. Würde der Wasserfall sprudeln, wäre dies sicherlich ein beeindruckendes Schauspiel, wenn sich das Licht myriadenfach in den feinen Wassertröpfchen brach und Tsas Regenbogen erstrahlen ließ. Fürwahr ein Wunder der jungen Göttin! Unterhalb der Felswand erstreckte sich ein ausgewaschener Basin, von dem aus das Wasser weiter in munteren Sprüngen den Fels hinabfloss. Hinabfließen würde, wäre es denn vorhanden. Mitten in dem natürlichen Becken kniete eine Frau und starrte gebannt auf das Loch im Felsen. Ihr strohblondes Haar stand in alle Richtungen ab, weil sie sich die Haare raufte. Sie wippte mit ihrem Oberkörper vor und zurück - weinte sie gar? Am rechten Rand des Beckens standen zwei Männer, in Lumpen gehüllt und in kaum besserem Zustand als die Frau. Als die Wanderer näherkamen, konnten Sie das Geschrei vernehmen, das die Blonde ausstieß. “Oh ihr Götter, habt Erbarmen mit unseren armen Seelen! Nehmt uns in Euer alveranisches Paradies auf! Erlöst uns von dem Leiden, bevor ihr die gerechte Strafe über Dere herabruft. Wir haben Euren Zorn nicht verdient! Jahr um Jahr pilgerten wir hierher, um Euch von Angesicht zu Angesicht entgegenzutreten. Womit haben wir Eure Strafe heraufbeschworen?” Hagrian bedeutete den anderen Adligen, sich ruhig zu verhalten. So lange die Fremden sie nicht entdeckt hatten, konnte man ruhig noch etwas im Verborgenen bleiben und beobachten, was hier vor sich ging. Farold stimmte nickend zu und beobachtete immer noch den Himmel, dann deutete er auf die Gruppe beim Berg und auf sein Ohr. Praiophan machte sich klein und schlich in eine gute, nicht all zu auffällige Position, ganz wie bei der Pirsch. Frederun versuchte, möglichst still zu stehen und lauschte. Es war für sie durchaus anstrengend, ob des Geschreis die Ausrufe der Gestalten richtig zu verstehen. Sie legte beide Hände an die Ohren.

Der Wasserfall

„Zwölfe, allmächtige Herren Alverans! Warum lasst Ihr das Wasser des Lebens, den Quell der Ewigjungen versiegen? Womit haben wir Euren Zorn erregt? So sendet uns ein Zeichen, auf dass wir die Last der Sünde tragen und unsere Seelen reinwaschen können - im Wasser des schillernden Flusses!“ Die Stimme der Frau war schrill. Ihre Verzweiflung trat mit jedem Wort zu Tage. Ihre Begleiter schienen wie sie im Gebet - oder aber der Wehklage - gefangen. Leise sprach Praiophan zu den anderen Hohen Herrschaften: „Es scheint mir, diese drei sind ebenso überrascht und erzürnt über das versiegen der Quelle wie unsereins. Oder meint ihr, die Götter haben uns alle gestraft, wegen Taten dieser wenigen da drüben? Ich glaube das kaum.“ „Wir sollten uns zu erkennen geben. Sie scheinen sich hier oben auszukennen.“ „Dafür, dass die Quelle unbekannt ist kennen sie sich tatsächlich gut hier aus, ich würde empfehlen Augen und Ohren offen zu halten.“ Findan machte wieder seinen Bogen bereit. Das ganze hier war ihm ein bisschen suspekt. Wirklich gefährlich erschienen die drei jedoch nicht - besonders angesichts ihres verlotterten, abgerissenen Zustands. Hagrian sah die Gestalten abschätzig an. "Schmeißen sich hier in den Dreck und flehen vor den Göttern um Gnade. Dieses karge Bergland ist eindeutig dem Weißen Jäger unterworfen und dieser verlangt Disziplin und Stärke, keinesfalls aber Gewimmere und Geschrei. Wir müssen diese Prüfung, die uns von Firun auferlegt wurde, akzeptieren und sie nicht um Erlösung bettelnd zurückweisen." Die dreie hatten die Gruppe bislang noch geflissentlich ignoriert und waren vollauf mit ihrer Litanei beschäftigt. Doch schien es zumindest Hagrian, als ob sie alle beobachtet würden. „Ich denke wir sollten mit ihnen reden.“, flüsterte Damian. „Vielleicht können sie uns bei unserer Aufgabe helfen.“ „Das sehe ich ebenso.“ sprach Praiophan mit einer gewissen Entschlossenheit in der Stimme. Nachdem er kurz zu Frederun und Findan geschaut hatte, stand er auf und ging auf die Fremden zu. Er lief nicht all zu schnell, so dass sie Ihn rechtzeitig sehen konnten. Er versuchte keinen all zu bedrohlichen Eindruck zu machen und legte ein Lächeln auf. Auf halbem Wege, als er sicher war, dass die Fremden ihn sehen konnten, hob er den Arm und winkte ihnen zu. „Den Göttern zum Gruße, Fremde.“ rief er ihnen entgegen. Während die kreischende Frau von Praiophan keine Notiz zu nehmen schien, drehte sich einer der Männer zu ihm herum. Er schüttelte zunächst den Kopf - wollte er etwa wirre Gedanken herausschütteln? - und betrachtete dann die bunte Wandertruppe. „Wer seid Ihr? Bei den Göttern, kommt Ihr, um den Willen Alverans auf Deren zu vollstrecken?“ „Wir sind Adlige, die im Auftrag der Baronin von Kranick und des Vogtes der Grafenmark Gratenfels unterwegs sind.“ ergriff Damian das Wort. „Unsere Aufgabe ist es, das Versiegen der Quelle des Tommels zu untersuchen. Ihr habt nichts von uns zu befürchten, wenn ihr nicht für diesen Schlamassel verantwortlich seid. Sprecht, was führt euch her und was wisst ihr über das Versiegen der Quelle.“ Hagrian trat mit Damian und Praiophan nach vorne, hielt sich aber leicht im Hintergrund. Dem Mann, der sie angesprochen hatte, warf er einen eisigen Blick zu. Frederun schloss zu den anderen auf und stellte sich Praiophan zur Seite. Freundlich sprach sie: „Bitte, sprecht doch mit uns. Erzählt uns, was ihr wisst. Es soll euer Schaden nicht sein.“ „Wir sind Pilger auf der Suche nach der Götter Gnade. Dieser Wasserfall“, der Mann deutete auf das Loch im Fels, „ist der Ewigjungen und dem Grimmen zugleich heilig.“ „Wenn dieser Wasserfall dem Grimmen heilig ist, dann wird herumjammern wenig helfen. Wir werden uns mit strammen Herzen dem stellen müssen, was uns bevorsteht.“ Findan machte sich auf zu dem Loch zu gehen vor dem die Frau kniete. Damian folgte Findan. Während er die Felswand und das Loch, das ihn ihr klaffte, begutachtete, fragte der Ritter sich, ob man dort hinaufklettern konnte. Das Wasser hatte eine Grotte in die Wand gewaschen, über die üblicherweise wohl der Wasserfall schoss. Doch rechts und links gab es genug Simse und Kanten, an denen sich ein geübter - oder waghalsiger - Kletterer hätte emporarbeiten können. Findan sah sich die Wand an. Eigentlich war es machbar da hinauf zu klettern. „Kann wer meine Ausrüstung im Auge behalten? Ich werde mich auf den Weg hinauf machen.“ Findan wartete keine Antwort ab, sondern stellte seinen Rucksack zusammen mit seinem Bogen ab und begann nur mit einem Dolch als Waffe den Aufstieg zu wagen. Damian nickte Findan zu und beobachtete wie der Adlige anfing zu klettern. Die Pilgerin begann, wie wild zu kreischen. Von ihrer Vorstellung der Anbetung war das Erklettern der Wand weit entfernt. Auch die zwei Männer übten lautstark Protest, doch unternahmen sie alle drei nichts, Findan an seinem tapferen Unternehmen zu hindern. Der junge Adlige hatte einige Mühe, die Wand zu erklimmen. Kalt fühlte sich der Stein an. Die Oberfläche war nass vom Regen und roch nach Moos. Griff für Griff, Schritt um Schritt hangelte sich Findan nach oben. Kurz bevor er das Loch erreichte, fühlte der Wanderer den eiskalten Blick eines Beobachters in seinem Nacken. War es gar Herr Firun selbst? Das gleiche Gefühl beschlich auch Damian, der vom Fuß des Felsens nach oben blickte. Der Vorsprung, den das Wasser aus dem Stein geformt hatte, bot Findan genügend Halt, um sich auszuruhen und umzusehen. Deutlich konnte er die Rinne erkennen, aus der das Wasser üblicherweise schoss. Doch gleichsam konnte er erkennen, dass diese kein Wasser führte - und schon einige Wochen - wenn nicht Monde - vollkommen trocken lag. Die Grotte führte ein Stückweit ins Innere des Berges hinein; vielleicht ein oder zwei Schritt. Das Wasser schien aus einer deutlich erkennbaren Öffnung in der Felswand zu fließen. Der junge Adlige betrachtete die Öffnung genauer. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas kam ihm fremd vor - unnatürlich. Erst bei näherer Betrachtung konnte er das Störgefühl festmachen: Etwas oder vielmehr jemand hatte dieses Loch aus dem Stein geformt. Das war kein natürlicher Wasserfall, das war ein Auslass! Findan rieb sich die Schläfen, das ganze machte keinen Sinn. ‚Wenn dieser Wasserfall wirklich dem Grimmigen und der ewig Jungen geweiht sein sollte, was macht dann der Auslass hier? Das würde höchstens Ingerimm gefallen.‘ Findan ging zum Rand des Vorsprungs. „Hier gehen komische Dinge vor sich, ich weiß nicht, was genau hier vorgeht. Kennt sich hier einer mit bautechnischen Dingen aus?“ rief Findan von oben herab. „Leider nein!“, rief Praiophan zurück. „Was hast du denn Merkwürdiges entdeckt in diesem Loch? Hat ein Zwerg dort etwa einen Tunnel gegraben?“ Praiophan konnte nicht glauben, dass dort oben in einem Wasserloch in einem Felsen wirklich etwas wichtiges für den Auftrag zu finden war. Sicher war der Wasserfall aus dem selben Grund trocken gefallen wie die Tommel. Es mochte sicher nicht zufällig zur selben Zeit passiert sein. Findan fing vorsichtig an herunterzuklettern. Als er unten ankam, drehte er sich zu den anderen um. „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass dieser Wasserfall der Ewigjungen oder dem Grimmigen heilig ist. Wenn er überhaupt einem Heilig ist, dann wäre das Ingerimm.“ Findan machte eine kurze Pause. „Dieser Wasserfall ist nicht natürlich. Er ist ein Auslass. Ich schlage vor, wir machen uns auf den Weg höher zu steigen.“ Während Findan oben seine Erkundungen anstellte, wandte sich Hagrian mürrisch den Pilgern zu. "Ein Wasserfall, der Ewigjungen und dem Grimmen heilig. Wie passt denn das zusammen?" „Was? Warum denn nicht? Habt Ihr schon mal in einem Wasserfall eines Bergbachs gestanden? Das ist saukalt … ähm … sehr frisch, Euer Wohlgeboren. Und dennoch leuchtet er in den Farben des Regenbogens“, schwärmte die Frau mit heiserer Stimme. „Bei Sonnenlicht ist es ein wunderbarer Anblick. Ist der Himmel grau, ist das kalte Wasser rauh und abschreckend.“ Sie fuchtelte in Richtung der Felswand. „Und da rauf schaffen es sowieso nur die Rechtgläubigen.“ Hagrian musste der Pilgerin zustimmen. Findan hatte Mut bewiesen, dort hinauf zu klettern und sich vor dem Weißen Jäger bewiesen. Interessiert wandte sich Hagrian dem soeben hinabgekletterten Findan zu. Hagrian konnte sich unter Findans Beschreibung kaum etwas vorstellen. "Was soll das heißen, ein Auslass?", fragte er etwas streng. "Groß genug, um hineinzuklettern?" „Du meinst also, er wurde erbaut?“ Er sah Findan an und runzelte die Stirn. Praiophan drehte sich zu den Pilgern und fragte: „Wie lange kennt ihr diesen Wasserfall bereits?“ „Oh, dieser Wasserfall wird seit Generationen von den Eingeweihten verehrt, die die Herausforderung des Herrn Firun zu meistern wissen. Es ist uns verboten, das Wissen um diesen wunderbaren Ort weiterzugeben!“, fabulierte die Frau in religiöser Extase. Findan wandte sich ein Hagrian zu: „Was ich sagen will, ist, dass dieser Wasserfall nicht natürlich entstanden ist. Wenn du dich da hineinzwängen willst, kannst du das machen ich persönlich habe darauf keine große Lust.“ Findan drehte sich zu den Pilgern: „Ihr seid mir sehr geheimniskrämerisch, wenn man betrachtet wem ihr hier gegenübersteht.“ Findan wollte nicht seinen Stand ins Spiel bringen, aber die Gemeinen gingen ihm langsam auf die Nerven. „Aber mein Herr, es ist ein Geheimnis der Götter!“, protestierte die Frau mit den wirren Haaren, während ihr ihre Gefährten mit zustimmendem Brummen beisprangen. Sich in den von Findan beschriebenen Auslass zu zwängen, wäre sicherlich kein Spaß, dachte sich Hagrian missmutig, dennoch würde es sie in dieser mysteriösen Sache vielleicht voranbringen. "Dann mache ich es", teilte Hagrian den Anderen mit. "Ich klettere die Wand hoch und schaue nach, was dieser Auslass verbirgt." Hagrian legte seinen Rucksack ab sowie alles, was ihm beim Klettern und Erkunden des Lochs behindern würde. Auch seinen Bogen legte er beiseite. Nur sein Jagdmesser, ein mehrere Schritt langes Seil und eine Fackel, die man den Wanderern vorausschauenderweise mitgegeben hatte, klemmte er unter seinen Gürtel. "Wartet hier auf mich", sagte er zu den Anderen und setzte dann zum Klettern an. Kleine Felswände war Hagrian auf seinen langen Streifzügen in den Wäldern seines Vaters schon des Öfteren hinaufgeklettert. Diese hier würde für ihn kaum ein Problem sein. Und tatsächlich meisterte der junge Adlige den Aufstieg schnell - womöglich schneller als Findan vor ihm. Man mochte fast meinen, ein eisiger Windhauch trug ihn die steile Felswand empor und hinauf auf den Felsvorsprung. Direkt vor ihm lag das Loch im Fels. Es handelte sich um eine 1/2 Schritt breite und lange Öffnung. Bei genauer Betrachtung war sie fast auf den Millimeter quadratisch. Kalkablagerungen hatten den dunkelgrauen Stein am unteren Rand weißlich beschlagen. Hagrian betrachtete das Gestein, weil er herausfinden wollte, ob man in dieses Loch hineinkriechen konnte. Dabei fiel ihm auf, dass das Loch nach innen fein säuberlich ausgeschlagen war. Jemand hatte sich sogar die Mühe gemacht, eine feine Rinne in den Berg zu hauen, um das Wasser in der Mitte des Schachtes zu kanalisieren. Etwas neben der Rinne an der unteren Innenseite des Auslasses erkannte er eine Art Schriftzeichen oder Siegel. Der Schacht verlief von oben herab zu dem Vorsprung, auf dem Hagrian stand. Die Neigung schien ihn, soweit er hineinblicken konnte, womöglich zu bewältigen zu sein, doch konnte er nicht erkennen, ob man sich an dem Stein festhalten konnte. Die Oberfläche war, mit Ausnahme der Rinne, glatt - aber wenigstens trocken. Frederun kam nicht umhin, Findan und vor alledem Hagrian für deren Entschlusskraft zu bewundern. Auf einmal alles herda stehen und liegen zu lassen, um sich in einen Wasserschacht zu zwängen … während sie Hagrian dabei zu sah, wie jener zunächst die Felswand emporkletterte und dann auf einem Vorsprung stand, überkam Frederun das Gefühl, Hier etwas beitragen zu müssen. Eine Weile ging sie zu Füßen der Feldwand hin und her. Sie fuhr sich derweil ein paar Mal gedankenverloren durch die Haare. Dann hatte sie es: Vielleicht sollte man den Weg Findans weitergehen; es müsste sich doch aus den drei Gemeinen noch etwas herausbekommen lassen. Frederun schritt also mit festem Schritt auf die Frau zu. Bestimmt sprach sie Mit gedehnter Stimme: „Noch einmal: Eben wir sind ausgesandt, um das Versiegen der Tommelquelle zu untersuchen. Es wird doch in keinem Sinne der Götter sein, so vielen Menschen das Wasser und damit den Quell des Lebens zu nehmen. Bei Praios! Mit wem, wenn nicht mit uns: Teilt das Wissen um diesen Wasserfall.“ „Bei allen Göttern, seht Ihr hier einen Wasserfall? Ich sehe keinen“, antwortete der Mann, der dem trockenen Basin am nächsten stand. „Wir sind genauso verzweifelt wie ihr und beten zu den Göttern, dass…“ In diesem Moment hallte der Ruf Hagrians zu den versammelten Adligen hinab. Hagrian trat zurück an den Abgrund und rief zu den Anderen hinunter: "Der Erbauer dieses Schachts hat hier oben sein Zeichen hinterlassen, wie das eines Handwerkers. Der Schacht an sich ist trocken und ich werde hinaufklettern können, sofern ich genug Halt finde." Dann trat er wieder auf den Schacht zu, überprüfte noch einmal, ob er alle seine Sachen fest am Körper verstaut hatte und begann sich in das Loch hineinzuzwängen. Der Schacht war eng und finster. Hagrian presste seine Schultern durch das Loch, dann stieß er sich mit aller Kraft vom Boden ab, um seinen Körper in die Öffnung hineinzuschieben. Dabei kam ihm der Winkel des abschüssigen Gesteins zu Hilfe. Jedoch war es nicht leicht, Halt an dem behauenen Fels zu finden. Jemand hatte präziseste Arbeit geleistet, als er diesen Tunnel grub. Kaum, dass Hagrian die Bodenhaftung verloren und ein wenig Halt am Stein gefunden hatte, rumpelte es kräftig hinter ihm. Etwas schleifte über den Boden. Dann polterte eine kratzige, rauchige Stimme: „Bei Väterchens flammendem Barte, was zum Henker sucht der Lange in meinem Entwässerungsschacht?!“ Die Zuschauer am Fuß der Klippe konnten sehen, dass sich die Flanke des Berges aufgetan hatte und aus dem entstandenen Loch ein Angroscho heraustrat, der offenbar lautstark schimpfte. Hagrian, immer noch in den Tunnel gequetscht, schüttelte irritiert den Kopf. Mit den Armen stieß er sich stückweise wieder zurück ins Freie und besah sich verwundert die sich im darbietende Szenerie. „Wertes Väterchen, wie viel Wasser habt ihr euren Entwässerungsschacht herabgeschüttet, dass wir Menschen glaubten es wäre ein normaler Fluss? Wir kamen hier her um das Versiegen der Tommel zu untersuchen und jetzt schaut es so aus, als ob Eure Entscheidung, den Entwässerungsschacht nicht mehr zu benutzen, dafür verantwortlich ist.“ rief Findan zurück, während er sich etwas verwundert den Kopf kratzte. „Waaas?“, brüllte der Zwerg mit der rauchigen Stimme zu Findan herunter. „Kommt rauf, ich kann Euch nicht gut hören!“ Er schüttelte ersichtlich irritiert den Kopf. Der eine Mensch kroch in seinen Entwässerungsschacht, der andere Mensch rief einen Abhang hinauf. Alles komisch. „Habe ich das richtig verstanden? Ihr sucht einen Fluss und seine Quelle? Da seid Ihr schon richtig!“ Die Worte hallten von der Bergflanke wider wie polterndes Geröll, kaum anders, als es die Wanderer vor wenigen Stunden selbst erlebt hatten. Praiophan kam die Situation befremdlich vor. Verdutzt sah er den Zwerg aus dem Fels treten. Irgendwas sagte Praiophan jedoch, dass dies der Weg ist, der von den Göttern vorbestimmt ist. Dieser Angroscho war Teil des Rätsels, dass ihnen aufgetragen wurde. „Bei den Göttern, dann geht es nach oben!“ sagte er halblaut. Er legte den Rucksack ab, schnappte sich nur die Fackel, befestigte sie neben seinem Dolch am Gürtel und warf sich das Seil über die Schulter. Dann machte sich Praiophan auf, ebenfalls bis zu dem Felsvorsprung empor zu klettern. Eigentlich dachte er zunächst, dass das Loch viel kleiner wäre. Und nun scheint sich seine scherzhafte Vermutung, dass ein Zwerg hier ein Loch gegraben habe, auch noch zu bewahrheiten … Diese Queste wird immer verworrener, je höher man dieses Gebirge besteigt. Auch Damian machte sich daran, zu dem Zwerg hinaufzuklettern. ‚Diese ganze Geschichte wird immer verrückter‘, dachte der Ritter bei sich und begann den Aufstieg. Das Schreien und Poltern von oben hatte Frederun aus ihren Gedanken gerissen. Der Zorn über diese Pilger, die obzwar viel und wirr reden mochten, doch aber auch nichts zu begreifen schienen, war einer starken Verwirrung gewichen. Sollte etwa ein Zwerg schon die Antwort geben könnten? Konnte das wahr sein? Praiophan und Damian taten sicher recht daran, Hagrian zu folgen. Doch, wenn nun alle ohne Last dort heraufstiegen, verging sich am Ende noch einer diese Wirren an der Ausrüstung … Um erst das Gesicht zu wahren sprach sie zu dem Mann, der ihr zuletzt geantwortet hatte: „Vernimmt er das Gepolter von dort heroben? So weise es zweifelsohne ist, zu den Göttern zu beten; wir, die wir ausgesandt wurden, schreiten derhier zur Tat!“ Frederun drehte sich um und rief Damian und Praiophan hinterher: „Damian! Praiophan! Sobald wir alle weiter nach da oben müssen, verdirbt uns das Gepäck! Ruft nach uns hier unten, wenn klar ist, wohin wir weiter müssen.“ "Ist dies die Quelle der Tommel?", fragte Hagrian den Zwerg und deutete etwas verwirrt auf den unscheinbaren Ausfluss, in dem er selbst vor wenigen Momenten noch gesteckt hatte. Der Zwerg rümpfte die Nase. „Von einer TOMMEL habe ich noch nichts gehört. Das hier ist mein Entwässerungsschacht, aber wenn Ihr es genauer wissen wollt: Damit leiten wir Wasser aus dem Inneren des Berges an unserem Hammerwerk vorbei, wenn es nicht …“ In diesem Moment schien dem Angroscho etwas ganz Wichtiges zu dämmern. „Warum ist der Auslauf trocken? Da sollte das Wasser doch ganz munter herausgluckern! Sag bloß …“ Von einem Moment auf den anderen verfinsterte sich das rußverschmierte Gesicht. „Kommt rauf, zügig! Ich habe einen Lehrling zu versohlen!“ Praiophan kam gerade über den Felsvorsprung geklettert, als der Zwerg die Adeligen zum mitkommen auffordert. „Habe Ich Euch richtig verstanden: Wir werden euch begleiten?“ Praiophan schaute den Zwerg an, wartete aber nicht auf eine Bestätigung. Er hatte den Zwerg eigentlich gut genug gehört. Noch vor einer Regung des Zwergs, der bestätigend nickte, drehte sich Praiophan zu den anderen unter ihm um und rief: „Er will, dass wir mitkommen. Frederun, binde die Rucksäcke an das Seil.“ Dann lies er das Seil von seiner Schulter nach unten und wartete ab, bis sie alles befestigt hatte. Frederun hatte Praiophans Ruf vernommen. Sogleich hatte sie ihren Rucksack und denselben von Praiophan fest ans Seil gebunden. Darauf blicke sie den Fels empor und rief: „Praiophan! Du kannst das Seil heraufziehen. Gepäck ist dran. Ich komme sogleich hinauf!“ Findan machte sein Zeug am Seil fest und kletterte Praiophan nach. Als er oben ankam verneigte er sich vor dem Zwerg. „Seid gegrüßt Väterchen.“ Der brummelte freundlich zur Antwort, wodurch sich sein schwarzer, aschebedeckter Bart hob und senkte. Der Angroscho war auch für die Angehörigen seines Volkes klein gebaut, aber sichtlich muskulös. Seine starken, muskelbepackten Arme lugten unter einer ledernen Schürze hervor, wie sie Schmiede verwendeten, wenn sie Stahl frisch aus der Esse in Form brachten. Braune, aufgeweckte Augen spitzten zwischen der Gesichtsbehaarung unter leicht angesengten Augenbrauen hervor. "Euren Namen habt ihr uns noch gar nicht gesagt", sagte Hagrian und musterte den Angroscho misstrauisch. „Hm. Ja. Hm. Verzeiht. Xormil, Sohn des Mirxol ist mein Name“, erklärte der Zwerg. „Wie schon mein Vater und mein Großvater und mein Urgroßvater und das altvordere Väterchen vor mir bin ich der Meister des Hammerwerks.“ Praiophan stand aufrecht an der Klippe und zog das Seil nach oben, als Xormil sich vorstellte. Als der Rucksack oben war, lehnte Praiophan ihn an die Felswand und wand sich dem Zwerg zu. „Sei gegrüßt Xormil, Sohn des Mirxol.“ Praiophan warf noch beim Sprechen seine Stirn in falten und überlegte, ob er den Namen richtig ausgesprochen hatte. Als jedoch keine Einwände des Zwergs zu erkennen waren, fuhr er schnell fort: „Ich bin Praiophan von Lerchentrutz, ich bin erfreut Ihre Bekanntschaft zu machen.“ „Bitte sagt uns, Herr Zwerg, was geht hier vor sich?“, fragte Damian an den Angroscho gewandt. Der Ritter hoffte, der Lösung des Rätsels nun endlich näherzukommen. „Das freut mich ebenso, auch wenn ich nicht weiß, was Ihr in meinem Entwässerungsschacht gesucht habt. Was hier vor sich geht, fürchte ich, werden wir gleich ganz genau wissen, wenn ich mir meinen Lehrling vorknöpfe. Da zieht man sich einmal zurück, um ein lang überfälliges Meisterstück fertigzustellen, und dann bringt der den ganzen Laden durcheinander!“ grummelte das Schmiedemeister. "Wieviele Zwerge wohnen in diesem Berg?" fragte Hagrian den Angroscho und deutete auf das sie überragende Felsmassiv. „Alles in allem und rund herum 150 Zwerge.“ Frederun war wahrlich keine besonders geübte Kletterin. Es war sicherlich nicht schwer auszumachen, dass Praiophan das Gepäck merklich schneller den Fels hinaufziehen konnte als das Frederun hinterdrein geklettert kam. Langsam, stets darauf bedacht, dass ihre Stiefel auch einen festen Halt gefunden hatten, zog sie sich den Fels hinauf. Nach einer guten Weile erreichte sie schließlich das Plateau. Froh darüber, den Aufstieg geschafft zu haben, schaute sich Frederun erst einmal um. Sie atmete tief ein und aus und stütze die Hände in die Hüften. Farold hatte schweigend sich das ganze angeschaut und brummte in sich hinein „Zuerst da rauf klettern und dann in einen Zwergenschacht kriechen. Wäre ich doch im Lager geblieben“ Missmutig folgte er dann aber den Anderen, um nicht zurück gelassen zu werden Als Praiophan alle Rucksäcke nach oben gezogen hatte und die anderen Mitreisenden wohlbehalten oben auf dem Felsvorsprung angekommen waren, sagte er: „Es wird langsam etwas eng hier oben! Wir werden dir folgen Xormil. Lasst uns sehen wohin uns das hier führt.“ Dabei machte er eine wegweisende Geste mit seiner Hand in Richtung des Tunnels aus dem der Zwerg geklommen war. „Dann bitte sehr, nach Euch: Tretet ein in die Tiefen der Binge von Rugoschrom. Ihr dürftet die ersten Langen seit … seit … naja … ihr wisst schon. Da hatte mein Ur-ur-Großvater noch gelebt.“ Xormil deutete mit seiner Linken auf das geöffnete Portal im Berg, durch das ein schwacher Lichtschein drang. Fast gleichzeitig setzte das Dröhnen aus dem Berg wieder ein - das selbe rhythmische Hämmern, das die Wanderer den Aufstieg lang begleitet hatte. „Bei Angroschs goldenem Hammer, dieser Bursche!!!“ Praiopahn trat ein. Er verweilte einen kurzen Augenblick im Gang, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann ging er einige Schritte weiter hinein und betrachtete alles aufmerksam. Er ging langsam, achtete darauf, nicht mit seinem Kopf gegen die Decke zu stoßen oder mit den Füßen an einem Stein hängen zu bleiben. Außerdem machte er langsam, weil er erwartete, dass der Zwerg ihn überholen würde. Immerhin kannte dieser sich hier unten aus und wusste als einziger wo es hin ging. Das rhythmische Hämmern und die Ausrufe von Xormil mochten für Ihn noch nicht so recht Sinn ergeben und was das Ganze mit dem Versiegen der Tommel zu schaffen hat erschloss sich Ihm noch nicht, aber er war gewiss, dass sie der Lösung näher kamen! Auch Hagrian folgte, auch wenn ihm etwas unwohl dabei war, diesen einschüchternden Berg zu betreten. Dies war eindeutig nicht mehr sein Element und er war froh darüber, dass Praiophan die Initiative übernommen hatte und offenbar halbwegs wusste, wie mit dem Zwerg umzugehen war. Findan trat hinter Hagrian in den Berg. Auch wenn er sich ebenfalls nicht so wohl fühlte, hatte er doch eine gewisse Zuneigung zu den Bewohnern der Berge und freute sich in eine ihrer Bingen eingeladen zu werden. Frederun war nach Hagrian und Findan die letzte, die in den Tunnel eingetreten war. Sie musste dabei leicht den Kopf zur Seite neigen. Hier im Inneren des Berges fühlte sie sich merklich wohler als noch ‚draußen‘ auf dem Plateau. Angst in großen Höhen verspürte Frederun im Allgemeinen zwar nicht; dennoch musste sie sich ja nicht länger als notwendig auf einem schmalen Plateau an der Felswand aufhalten. Während sich derweil ihre Gedanken um die Tunnel der Angroschim drehten und sie sich fragte, wohin sie dieser Gang wohl nun führen und ob dann die Mühen nun endlich belohnt würden, passierte es: Frederun hing mehr ihren Gedanken nach als das sie nach dem Weg schaute. Sie stieß sich den Kopf an der steineren Decke an. Sie schwankte und stieß stöhnend aus: „Och … Bei Praios hellem Schein! Das darf doch … “ Das nächste Dröhnen verschluckte ihre Worte. Frederun fasste sich an den Kopf und tastete nach einer Beule. Hagrian warf Frederun ob ihrer Ungeschicktheit einen missmutigen Blick zu. Eigentlich grenzte es an ein Wunder, dass sie es so weit geschafft hatten, ohne dass einer der anderen in eine Felsspalte gestürzt oder von einem herabstürzenden Stein getroffen worden war. Auch Damian betrat den Tunnel. Angespannt legte er die Hand auf den Griff seines Schwertes. Als Frederun sich vor ihm den Kopf stieß, fragte er sie: „Ist alles in Ordnung? Habt ihr euch verletzt?“ Frederun drehte sich vorsichtig zu Damian um. Sie rieb sich dabei mit der Hand über den Kopf. „Damian, danke, das Ihr fragt. Es geht schon. Die Tunnel der Angroschim sind mir wohl schlicht zu eng. Und dann jenes Hämmern und Dröhnen … Hoffen wir, dass es nicht mehr weit sein kann.“ Praiophan hielt inne, als Frederun laut ausrief. Besorgt drehte er sich um und eilte rasch in ihre Richtung. Als er sah, dass sie sich den Kopf nur leicht gestoßen hatte, kam in ihm wieder eine gewisse Erleichterung auf. Langsam ging er die letzten Schritt in Ihre Richtung. Frederun vernahm Schritte hinter sich und drehe sich demnach wieder um. Als sie Praiophan erkannte , sagte sie: „Praiophan, es ist schon in Ordnung. Ich habe mich nur gestoßen. Mir scheint, ich muss in diesen Gängen besser Acht geben.“ Als die Gefährten in den Berg getreten waren, verschloss Xormil hinter ihnen wieder das Portal und die Dunkelheit und das Gewicht des Berges kam über die Gruppe. Der rhythmische Schlag des Hammerwerks war im Berg noch dröhnender und lauter als draußen.


Die Nachzügler

Die Kundschafter verschwanden, den kaum sichtbaren Trampelpfad bergan, und waren nach zwei Wegkehren bereits außer Sicht. Hier bedeckte noch Nadelwald die Hänge der Berge, doch schon ein, zwei Wegstunden über den Wanderern ging dieser in ein lichtes Gestrüpp aus Krüppelkiefern über, bis schließlich, viel weiter oben, nur noch Kräuter, Fels und Grasmatten unter der Praiossonne buken. Der Lagerplatz war indes gut gewählt - eine Almwiese bot Futter für die Pferde, und ein winziger Gebirgsbach, der sich durch den Wald schlängelte, bot etwas Wasser, auch wenn er nicht mehr als ein dreifingertiefes Rinnsal war. Es wurde mit steigendem Praiosmal schnell heiß, so dass der Schatten unter einer alten Tanne am Rand der Wiese mehr als willkommen war. Der Duft des Harzes erfüllte die Luft und von der Wiese drang das Gebrumm von Myriaden Insekten an die Ohren der Adelsleute. Zufrieden rupften die Rösser das schmackhafte Gras, während die träge Stille des kurzen Bergsommers die Adelsleute einhüllte. Diese Umstände veranlassten Adelrat, die auferlegte Queste nun doch nicht mehr als so unangenehm zu empfinden. Er machte sich ein Lager zurecht und überprüfte noch einmal die Ausrüstung. Schließlich bewaffnete er sich für die Jagd (was sich für die Lagerwache ja ebenfalls als praktisch erweisen würde) und fragte in die Runde, ob ihn jemand zur Auffrischung der Vorräte begleiten wolle. Die Gruppe befand sich noch im bewaldeten Gebiet - Schwarzwild, Rotwild und Rehe waren hier an Hochwild zu erwarten (nebst Goblins), und vielleicht auch die eine oder andere Gämse auf den Almwiesen. Ein Schwarm kleiner Mücken machte die Wanderer aus und stürzten sich, angezogen von ihrem Schweiß, auf die zweibeinigen Eindringlinge in ihr steiniges, abgeschiedenes Reich. "Ich begleite Euch gerne. Sehen wir uns in der Nähe etwas um - und wenn es etwas zu erlegen gibt umso besser." Darion nahm Bogen und Köcher aus dem Gepäck, um welches Jost das Packtier bereits erleichtert hatte. Der Schatten des Nadelwaldes kam ihm in der Hitze verlockend vor. Vielleicht würden sie weiter oben einen Wildwechsel hinunter ins Bachtal finden, oder sie würden im nächsten Tal einen besseren Ausblick über den Berghang haben. "Dass ihr die Jagd schätzt, war mir nicht bekannt, Thomundson. Ich hätte euch sonst schon längst einmal auf die Jagd in meinen schönen Wäldern eingeladen. Weit zu reiten hat man von Weihern bis Aelgarsfels wahrlich nicht." Während Darion sprach, spannte er vorsorglich den Bogen. "Sobald wir verhindert haben, dass uns der Tommel versiegt, wäret Ihr mir auf unserem Turm herzlich willkommen. Von dort hat man einen malerischen Ausblick über das Tommeltal!" Kurz wandte er sich Jost zu und trug ihm auf Feuerholz zu sammeln, sich aber nicht zu weit vom Lager zu entfernen. "So hoch wie hier ist unser Turm freilich nicht gelegen, doch wirkt all das götterfromme Leben und menschenfreundliche Land, was man unter sich erspähen mag viel weniger fern als hier." Er lächelte Adelrat freundlich an und bedeutete ihm, dass er bereit wäre ihm zu folgen. Ealfred blicke zu den beiden Sprechenden. "Mit dem Bogen vermag ich nicht umzugehen. Die Beine vertrete ich mir gerne. Als Kind war ich oft im Tann. Mit Schwert und Schild jagt es sich so schlecht und Jemand muss bei den Pferden bleiben. Aber Reisig und Holz werde ich wohl sammeln.“ „Nun, zunächst einmal zu den drängenderen Problemen.“ Adelrat holte ein Fläschchen Nelkenöl aus seinem Vorrat, strich sich etwas davon über die unbekleideten Stellen und bot es in die Runde: „Schließlich wollen wir Jäger sein und nicht Gejagte“, grinste er. Innerlich versuchte er die Gesprächspartner zuzuordnen, Hemma fehlte ihm mal wieder. Richtig, Aelgarsfels war gar nicht so weit von ihm den Tommel rauf, wo er den Bogen von Norden her machte. Und Ealfred wohl von weiter den Tommel runter irgendwo … „Nun, Darion, vielleicht sollten wir zunächst näher, dann weiter, einige Kreise ums Lager drehen, so erkunden wir den Umkreis unserer Lagerstätte, und vielleicht läuft uns etwas Brauchbares vor den Bogen. Ealfred, Euch sei Dank für die Suche nach Feuerholz, wer will sein Wildbret schon roh? Und falls Ihr ein paar Kräuter und Beeren fändet, könnte das karge Abendmahl gar noch zu einem Festschmaus gedeihen.“ Ealfred nickte knapp und schmierte sich die ungedeckten Teile seines Körpers, besonders Nacken, Hals, Arm und Kniebeuge ein. „ Im Sommer wimmelte es nur von Mücken an der Tommel.“ Er zwinkerte Beiden zu. „Waidmannsheil!“ Ealfred suchte am Rande des Waldes nach wildem Thymian, Oregano, Basiliskum, Minze und Bärlauch. Kochen konnte er. Vorsichtig verstaute er die Kräuter in einen Lederbeutel und machte sich daran Feuerholz zu sammeln. Oft war der junge Ealfred mit den Jägern in den Tann und wusste so manche Stelle wo es Kräuter, Pilze und Waldfrüchte zu finden gab. Auch hatte Cedrick, sein Rittervater, den jungen Knappen losgeschickt, Kräuter zu sammeln. Bei den Abilachtern schließlich kamen ihm diese Kenntnisse zu gute. Schnell suchte Ealfred noch nach Blau- und Waldhimbeeren. Die Beeren waren schnell gefunden, winzig und höchst langsam geerntet. Die Sonne stach durch das Blätterdach und biss in Ealfreds Nacken, wo immer sich ein Strahl durch die schütteren Zweige der Schwarztannen stahl. Schritt für Schritt führte Ealfred seine Suche voran, und seine Hände füllten sich zunehmend mit den süßen, dunkelblauen, hell überreifen Früchten, die seine Finger in ein tiefes Rot färbten. Der Wald wich, und Ealfred erhaschte einen Ausblick auf die steil aufsteigende Felswand der Giganten aus Granit und Kalk, die wie Zähne aus dem dunklen Waldgrün brachen und den Vorderkosch bildeten. Irgendwo da oben, an diesem Berg, der Kranick und die Grafenmark Gratenfels trennte, musste die Quelle der Tommel liegen. Die Sicht die sich dem Albernier bot, suchte Ihresgleichen. An einer großen Tanne ließ sich Ealfred nieder um zu verschnaufen. Während er so an dem Baum lehnte und ihm der Schweiß über die Stirn rollte griff er nach seinem Wasserschlauch. Das Wasser war inzwischen lauwarm, würde aber den Durst stillen. Nach einem mächtigen Zug machte sich Ealfred daran, die klebrigen Finger zu waschen die rot und blau waren. Erinnerungsfetzen der Mutter kamen auf und der Geruch von Blaubeerkuchen, frisch gebacken. Ealfred lächelte versonnen. Erst jetzt merkte er, das sein Nacken brannte. Er ließ etwas Wasser auf das blaue Seidentuch tröpfeln, das ihm Esme mitgegeben hatte. Es war angenehm kühl und Ealfred schloss die Augen. Die Wärme des Sommertags hüllte ihn ein wie eine weiche Decke und mit geschlossenen Augen füllten die vielen Geräusche des Waldes, das Knacken der Äste, das Rascheln einer Maus und das myriadenfache Konzert der Heuschrecken und Summen der Fliegen, die diesen herrlichen Sommertag lebten, seine Empfindungen. Der Duft nach wildem Thymian, Bergrausch, Harz und Walderde drang in seine Nase und ließ seinen Atem tief und gleichmäßig werden. „Komm schon, sei kein Feigling“, riefen die Kinder dem achtjährigen Jungen mit dem braunen Haar und den Sommersprossen entgegen. Dieser stand todesmutig auf einem Felsvorsprung und haderte. Die Tommel glitzerte in der heißen Praoisscheibe und brach sich rauschend an ein paar Steinen. Und doch war die Tommel hier tief. Es war der letzte Summer. Schon bald würde Ealfred seine Ausbildung zum Knappen beginnen und Vater in den Krieg ziehen. „Tommeltann worauf wartest Du, los spring!“ Der Junge schloss die Augen, atmete einmal tief durch und sprang. Mit einem tiefen Luftzug schob sich der Körper des Achtjährigen aus dem weiß schäumenden Wasser. Er biss die Zähne zusammen das Wasser war eiskalt. Die triumphierenden Jubelschreie galten ihm. Vier Burschen nicht viel älter als er lachten und planschten vergnügt im Wasser der Tommel. Ealfred wachte kurz auf, nickte dann aber wieder ein. Es roch nach Blut. Ealfred starrte auf die zerbrochene Klinge seiner Waffe. Der Schild war geborsten, sein linker Arm schmerzte. Wellen der Übelkeit überkamen ihn, seine Beine wollten nachgeben. Neben Ihm hörte er ein leises Stöhnen. Jemand rief nach seiner Mutter. Ealfred blickte sich hastig um. Er atmete tief durch. „Komm schon, Tommeltann“, sprach er zu sich. Er unterdrückte Schmerz und Übelkeit und wankte zu dem Verletzten. Die junge Frau mochte vielleicht keine 20 Götterläufe haben. Orkpfeile drangen aus Bein und Brust. Jetzt erkannte er, wo er war. Die kleine Patrouille war in einen Hinterhalt geraten. Abillachter Reiterei, das verriet die blutverschmierte Leider-Rüstung. Ealfred Gehirn raste. Er hob die Verletzte auf, schulterte Sie und lief. Das Gefühl der Übelkeit war wie verflogen und Ealfred hatte nur ein Ziel, der nahe Wald. „ Helige Marbo, voll der Gnaden, Heilige Marbo, voll der Gnaden.“ Wie oft er das Gebet sprach wusste er nicht. Auch hörte er die Orkpfeile nicht, die an ihm vorbei surrten. Ealfred wachte auf reflexartig griff er nach seinem Schwert. Dann atmete er tief durch. Es war nur ein Traum. Er lehnte an einem Baum und vor ihm lagen die Kräuter und Beeren, die er gesammelt hatte. Ealfred steckte sich und rieb sich durch das Gesicht, nahm einen Schluck des Wassers und spülte sich den Mund aus. Dann nahm er die Kräuter und die Beeren an sich und machte sich auf den Rückweg. Ealfred schien noch immer etwas benommen von dem intensiven Traum. So musste er ein-, zweimal innehalten wollte er nicht über eine Wurzel fallen Das Moos an den Bäumen jedoch verriet ihm, das er gen Firun und damit in die richtige Richtung musste. Schon bald kam er an Stellen an, die ihm vertraut waren. Weiter ging es. Und der Albernier brach durch das Tannenwerk, bog gen Rahja und erkannte den kleinen Pfad. Pferdehufe, im trockenen Boden ließen Ealfred erleichtert Luft holen. Er folgte den Spuren, die im lockeren Trap hier lang geritten waren und nach einer Meile sah er das provisorische Lager und erkannte den Knecht und die Magd der hohen Herrschaften. Ealfred hob die Hand zum Gruß. Schnell zupfte er sich ein paar Gräser aus dem Haar und wischte sich Nadeln vom Waffenrock. Nach einer kurzen Verschnaufpause und nachdem er nach den Pferden gesehen hatte, half er den beiden Knechten das Feuerholz zu zu schneiden. Das Holz war trocken und würde recht gut brennen. Er schlug auch ein paar Holzspiesse zurecht. Diese sollten, was auch immer die zwei Rittersleute gejagt hatten über dem Feuer braten. Um das zukünftige Lagerfeuer legte er einen Ring aus Steinen. Der Boden war trocken und jeder Funke konnte ein Feuer auslösen. Durch die Äste der hohen Tannen konnte er die Wand erahnen, zu welcher der Weg der Kundschafter führte. Eine leichte Staubwolke stieg oben an der Wand auf, die einem Rinnsal gleich zu Boden rollte, eine gewaltige Flut an Staub und Steinen mit sich reißend. Einen Atemzug später drang ein lauter werdendes Rauschen an die Ohren Ealfreds, als ginge ein polternder Wasserfall während der Schneeschmelze nieder, gefolgt von einem tiefen, dumpfen Poltern. Der Staub stieg auf, hüllte einen Teil der Wand ein und blieb dann in der Luft hängen, über einem Kegel aus Steinen, den die Mure mit sich gerissen hatte. Die Geräusche der Tiere im Wald waren mit einem Mal verstummt. Ealfred atmete erleichtert auf. Die Feuerstelle war gesichert und bereit. Der Albernier schreckte hoch. Wasser? Fragte er sich? Einen Wasserlauf hatte er nicht bemerkt. Dann wurde es lauter. Nein, es war das Geräusch von Steinen, die wie zwei alte, schartige Messer, die aneinander gesetzt wurden. Ealfred zuckte zusammen und sprang auf. Mit einer Hand am Schwert, blickte er auf. Dann sah er den Staub. Erdrutsch! Kam es ihm in den Sinn. Ealfred runzelte die Stirn und versuchte sich zu orientieren. Der Staub legte sich langsam und Ealfred stieß einen leisen Fluch aus. Der Steinschlag war grob an der Stelle niedergegangen, an der Ealfred den Weg der Kundschafter vermutete. Und es war, nach Länge und Lärm des Abgangs zu urteilen, ein ordentlicher Abbruch gewesen - nicht nur eine vereinzelte große Steinplatte. Ealfred pfiff durch die Zähne. Der Steinrutsch konnte nicht natürlichen Ursprungs sein, nicht an so einem heißen Tag. Der Albernier war kein Gelehrter, der das Wetter studierte. Er wusste aber das Steinrutsche und Erdrutsche bei Regen vorkamen. Er blickte sich um, versuchte zu lauschen. Gab es Verletzte, die unter den Steinen begraben waren? Oder konnte er gar zerschundene Leiber zwischen den Steinen erblicken? Ein mulmiges Gefühl überkam ihn. Etwas stimmte hier nicht. Doch zu weit war die Stelle des Steinschlags entfernt - die Späher hatten mehrere Stunden Vorsprung und waren demzufolge vermutlich schon weit ins Gebirge vorgedrungen. Von hier aus ließ sich nichts Handfestes ausmachen. Ealfred beobachtete das Geröll noch eine Weile, entschied dann aber zurück in das Lager zu gehen.

Die Jäger

Darion und Adelrat schritten mit leisen Sohlen in den Wald, auf der Suche nach jagdbarem Wild. Köttelspuren wiesen auf Kaninchen hin, ein schmaler Trampelpfad in den dünnen Bergahornschößlingen, die über dem krautigen Bodenbewuchs das mittlere Stockwerk des Waldes bildeten, auf einen offensichtlich von Rehen benutzten Weg. Der Boden selbst war dicht mit Nadeln bedeckt und federte bei jedem Schritt. Hin und wieder jedoch stach blanker Fels aus dem Grund und zeigte dem kundigen Auge, dass die Humusdecke hier dünn war - so dünn, dass nur flachwurzelnde Bäume hier ihr Auskommen fanden. Bergan führte der Weg, und die warme, stille Luft und das grüne Licht unter den Bäumen erinnerten fast an einen Tempel der Storchengöttin. Frische Losung eines Rehs auf dem Weg gab Hinweis darauf, dass die Jäger in das Revier eines der schlanken Vierbeiner eingedrungen waren. Adelrat gab mittels Gesten zu verstehen, ruhig zu sein und an dieser Stelle Deckung zu nehmen. Er machte seinen Bogen schussbereit und hielt Ausschau nach dem Wild. Darion folgte dem Beispiel Adelrats. Die Geduld des pirschenden Jägers war der stillen Aufregung gewichen, die stets mit der nahenden Beute einher kam. Er beruhigte seinen Atem und ließ seinen Blick zwischen den Bäumen hindurch in alle Richtungen schweifen, während er langsam einen Pfeil aus dem Köcher zog. Der Weg führte leicht bergab, und ein Rauschen kündet von einem Bach. Einem Bächlein, das in einer sicher fünf Schritt tiefen Schlucht bergab rauschte, vorbei an gewaltigen Felsbrocken und entwurzelten, moosbedeckten Bäumen, die es in stärkeren Tagen als reißender Strom mit sich getragen hatte. Im feuchten Grund waren die Klauen eines Rehs zu sehen, ganz frisch noch. "Ich steige hinab und lese die Spuren. Du folgst am oberen Rand und behältst den Überblick, bis wir wissen wo es lang ist." raunte Darion Adelrat zu. Dann sah er sich nach einer günstigen Stelle um, an der er zum Flussbett hinabsteigen konnte. Der Abstieg in die kleine Schlucht gestaltete sich schwieriger als es Darion vermutet hatte. Das Laub des letzten Winters lag schlüpfrig auf den Felsenbrocken der Muldenwände, so dass er schlitternd, rutschend und laut polternd den Bachlauf erreichte. Die Spuren des Rehs liefen hangaufwärts am Bach entlang und es gelang seinem geübten Blick immer wieder ein Trittsiegel des Rehs im schlammigen Untergrund zu erhaschen. Nach mehreren hundert Schritt hob sich der Boden der Schlucht an, so dass er wenig später wieder auf annähernd gleicher Höhe wie Adelrat ging. Darion sah sich nach Adelrat um, aber dieser schien auch noch nichts erspäht zu haben. Also folgte er weiter der Spur und verharrte in regelmäßigen Abständen um zu lauschen und den Blick zu heben. Vor den beiden verbreiterte sich die Schlucht zu einem Talkessel in dessen Mitte sich der Bach zu einem kleinen Tümpel erweitert hatte. Am anderen Ufer des Tümpels konnten die beiden nun einen stattlichen Rehbock stehen sehen, der ihnen entgegenblickte. Nachdem dieser einem Wimpernschlag getan hatte, wandte er seinen Kopf ab und stieß ein paar bellende Warnrufe aus. „Jetzt oder nie“, dachte Adelrat, gab Darion ein kurzes Zeichen, es ihm gleichzutun, und schickte einen gut gezielten Pfeil in Richtung des künftigen Wildbrets. Darions Pfeil folgte knapp hinter dem Adelrats. Dabei wartete er nicht ab, ob er treffen würde, sondern legte sogleich den nächsten auf. Durch den Warnruf des Bocks aufgeschreckt, flohen nun auch seine Ricken aus dem Unterholz in dem sie gestanden waren. Die beiden Jäger konnten noch die weißen Spiegel der fliehenden Gruppe im Auf und Ab zwischen den Büschen verschwinden sehen. Derweil machte der Bock noch einen weiten Schritt seinen fliehenden Sprung hinterher, dann knickten ihm die Vorderbeine weg und er brach mit einem letzten keuchenden, pfeifenden Schnauben zusammen. Darion lachte zufrieden. "So möchte man es haben. Ein sauberer Treffer und keine Laufarbeit." Als er bei dem erlegten Rehbock angelangt war, zog er zunächst die Pfeile heraus. Dann drehte er ihn auf den Rücken, zog sein Jagdmesser und schnitt damit vorsichtig die Bauchdecke auf. Anschließend entledigte er sich seines Hemdes, und griff dann beherzt hinein, um die Eingeweide hinauszuziehen und mit ein paar geübten Schnitten zu lösen. "Lass ihn uns im Bach auswaschen. Ich selbst könnte auch etwas Wasser vertragen." Während die beiden das Tier reinigten, drang auf einmal ein leises Rauschen ans Ohr, fast wie ein Wasserschwall an einer Mühle, wenn das Wehr geöffnet wird und die Fluten urplötzlich in den Mühlenkanal rauschen. Nur war dieses Rauschen tiefer, unterlegt mit einem drohenden Kollern und Dröhnen, und schwoll zu einem tiefen Grollen, ehe es nach sieben, acht hastigen Atemzügen wieder verstummte, nur noch untermalt von letztem, dumpfen Poltern. Selbst die Vögel im Wald waren still geworden. Adelrat war zunächst unwillkürlich vom Ufer zurückgewichen, schließlich kannte er Mühlenbachgeräusche nur zu gut. Als diese sich jedoch veränderten und schließlich abbrachen, versuchte er zu ergründen, aus welcher Richtung sie gekommen waren. „Das kam von oben, oder was meinst Du?“ wandte er sich zu Darion. "Ja, von oben". Darion hatte inne gehalten und lauschte gespannt. Seine Miene war besorgt. "Wir sollten zum Lager zurückkehren." Nun hievte er den toten Rehbock auf seine Schultern.

Zurück im Lager

Im Lager trafen Darion, Adelrat und Ealfred sowie die anderen wieder aufeinander. "Gerade als wir unsere Beute machten, hörten wir fernes Grollen und Rauschen als würde der Berg selbst erwachen. Es erleichtert mich euch alle wohlauf zu sehen." Der von Schweiß durchnässte Darion hatte seine Last bei der Feuerstelle abgelegt und blickte voller Argwohn in Richtung Bergspitze. "Was ist eure Einschätzung der Lage von Tommeltann?" „Das hat sich auf jeden Fall nicht gut angehört“, meinte Adelrat. „Vielleicht sollten wir drei …“, er wies kreisend auf Darion, Ealfred und sich selbst, „… das Lager und die Zubereitung des Wildbrets den restlichen im Lager Verbliebenen überlassen und schauen, ob wir denen da oben helfen müssen?“ „Wenn wir können … “, fügte er noch hinzu. „Was haltet Ihr davon?“ „Meine Einschätzung ist, dass der Steinschlag nicht natürlichen Ursprungs war“, antwortete Ealfred und nickte dann Alderat zu. „Die Zubereitung kann warten.“ Ealfred nickte kurz. „Trinkt und ruht Euch einen Augenblick aus. Dann sollten wir los.“ "Gut. Beeilen wir uns. Ich möchte an der Bergflanke nicht von der Dunkelheit eingeholt werden." sagte Darion. Er bezweifelte, dass sie im Gegensatz zu den erfahreneren Bergsteigern in der Vorhut, etwas auszurichten vermochten, falls es tatsächlich zu einem Unfall gekommen war. Aber tatenlos auszuharren und auf die baldige Rückkehr der anderen zu warten wäre ihm auch zuwider gewesen. Adelrat nutzte die kurze Pause zur Erfrischung und um seine Ausrüstung sowie den Proviant für einen Fußmarsch mit eventueller Klettereinlage zu ergänzen. Eine Bedeckung für eine möglicherweise notwendige Übernachtung sollte ebenfalls nicht fehlen …. Nicht lange, und die Gruppe befand sich auf dem Weg, den sie ursprünglich gerne den Kundschaftern überlassen hätten. Steil führte der Pfad bergan, begleitete ein trockenes Bachbett bergan und führte nach anderthalb Stunden Fußmarsch schließlich zu einer Klippe, die über hundert Schritt hoch steil aufragte. Ab hier hieß es zu klettern. Auf halber Höhe der Klippe und an deren Fuß zeigte ein frischer Schuttkegel, wo kürzlich erst ein Steinrutsch hangabwärts geglitten war. "Sie werden doch wohl nicht hier hinaufgeklettert sein", keuchte Darion. Er began nach Spuren der sieben Kopf starken Gruppe zu suchen, die ihm Gewissheit geben würden, dass sie sich den beschwerlichen Aufstieg vornehmen mussten. "Wenn wir uns dazu entscheiden ihnen heute noch nachzufolgen, dann werden wir es vor Einbruch der Dunkelheit nicht zurück schaffen; schon gar nicht, wenn es Verwundete zu bergen gibt." Ealfred kniff , die Augen zusammen. „Scheiße, verdammte", fluchte er leise. Kurz griff er den staubigen Boden und rieb sich die Hände mit Staub und Erde ein, dass sollte Ihm mehr Halt geben. Das Kettenhemd hatte er zurück gelassen. Er hatte nur eine spärliche Ausrüstung, Lederbeutel,Trinkbeutel, Seil, eine Fackel, Zunderschwamm und Stahl und ‚Agnes‘, seine Kriegsaxt. Ealfred kletterte mit Seil voran, befestigte das Seil an einem Felsvorsprung. Am Vorsprung angekommen, sicherte er und wartete auf die Anderen. Ealfred war geschickt und hatte Kraft, auch wenn Er war nicht im Gebirge aufgewachsen , zeigte sich dennoch geschickt. Einmal sprang er sogar 1 Schritt, um an einen gegenüber liegenden Felsvorsprung zu gelangen und zog sich an diesem hoch. Unter Ealfreds Beinen bröckelten kleine Steinchen aus der Wand und hüpften talwärts. Einen Lidschlag war unter ihm nur ein dutzende Schritt tiefer Spalt, er sicher auf die Kante gelangte, nach der er gesprungen war. Der Anstieg war steil, und ohne ein Seil mehr als waghalsig. Es war durchaus möglich, dass die Gruppe diesen Weg genommen hatte - aber wer ihn ging, musste sich auskennen in den Bergen. Schritt für Schritt arbeiteten die drei sich nach oben. Es ging langsam und nur unter äußerster Vorsicht voran - die Steine waren brüchig und einmal rollte ein großer Brocken unter den Füßen der Kletterer mit lautem Poltern und Staubgeflirre und Steineprasseln bergab. Wer sich jetzt hinter oder unter den Wanderer befunden hätte, wäre in große Gefahr geraten. Das schwierige Klettern verlangte seinen Tribut, und die Schatten wurden merklich länger. Ein kleiner Felsvorsprung, nicht weit vom Schuttkegel, bot die Gelegenheit zur Rast - oder für ein winziges, nicht mehr als drei auf anderthalb Schritt großes Nachtlager. Darion zog sich schnaufend auf den Vorsprung. "Beim Barte Firuns - ist dies Hohn?" Mehr als je zuvor verfluchte er seine alten Knochen, die solche Anstrengung nicht gewohnt waren. Wehrlos und den Elementen ausgeliefert war man hier am nackten Hang. Stöhnend setzte er sich. "Lasst mir nur einen Moment. Ich finde schon noch die Kraft - soll mich der Namenlose holen, wenn nicht." Mit Sorge betrachtete er die sinkende Praiosscheibe. Die Vorstellung die Nacht hier verbringen zu müssen, gefiel ihm überhaupt nicht. Der Wind strich über den blanken Fels, brachte den Geruch nach frischem Staub und Geröll mit sich und verweigerte die Antwort. Ealfred lehnte sich an die von der Praioscheibe aufgewährmte Felswand und atmete tief durch. Auf einer Seite war der Vorsprung durch die Wand etwas vor dem stetig blasenden Wind geschützt. Ein Nachtlager hier wäre sicher nicht bequem, aber machbar. Indes gab es weder Feuerholz noch Wasser - das Abendessen, so es die Gruppe hier einnehmen würde, versprach ein frugales Mahl zu werden. Nach einer kurzen Rast erhob sich Darion wieder und nahm die letzte Etappe in Augenschein. Als er zur oberen Kante schaute, wo der Fels wieder dem Himmel wich, ergriff ihn ein Schwindelgefühl und ein Anflug von Leichtigkeit. Er schickte sich an den Aufstieg fortzusetzen. Aber als er schon beim ersten Versuch Halt zu finden abrutschte, kam er dazu sich zu besinnen. Es wäre leichtsinnig heute noch in Eile dem Berg und dem eigenen müden, alten Körper weiter trotzen zu wollen. "Bald haben wir den Felsen bezwungen, der sich so abweisend zeigt. Doch gönnen wir ihm noch Aufschub für die Nacht. Für unsere Gefährten heute noch etwas auszurichten vermögen wir ohnehin nicht mehr." Er suchte sich eine Nische um sich für die Nacht niederzulassen. Die Nacht brach herein und ein kühler Wind strich über die vom Praiosschild aufgeheizten Felsen, die noch immer behagliche Wärme abstrahlten. Von fern drangen leise Geräusche aus dem Wald herauf, mitgebracht von dem Luftzug, der mit Einbruch der Dämmerung aufgekommen war. Das Rufen einer Eule, und wenig später, weit weg, der hohe, schrille Schrei eines Tieres als Schlussakkord eines verborgenen Dramas. Kaum vernehmlich, doch näher, fast, als dränge es aus Deres Knochen selbst, war ein Klopfen zu hören - fast wie der ruhige Schlag eines Herzens, stetig, gleichförmig und dumpf, immer gleich, und nun, da die Geräusche des Tages verklungen waren, selbst für die drei Wanderer auf dem Felsen vernehmbar. Über ihnen funkelte hell und klar Phexens Geschmeide im samtschwarzen Mantel der Nacht, der behütend über die Dreie gebreitet lag. Über den Kämmen des Vorderkosch stieg das Madamal, ein halb gefüllter Kelch, empor, und überzog die Grate mit seinem milchigen Licht. Aus dem Tal erklang der vielstimmige Gesang der Graupelze, ihre Huldigung an die gefallene Mada, eines von vielen Wesen der Nacht, lauter als das gleichförmige Pochen, an und abschwellend und eine Hymne seit Anbeginn der Zeiten. „Was meint Ihr?“, fragte Adelrat seine Wegbegleiter, „Jeder zwei Stunden Wache hintereinander oder abwechselnd immer eine?“ Ealfred blickte in den Nachthimmel. Die Sterne funkekelten und das Madamahl goss sanftes Licht auf den dunklen Wald, der in ein blau-schwarzes Nachtkleid gehüllt war. Ein kühler Wind wehte und der Gesang der Wölfe drang bis zu der kleinen Gruppe herauf. Mada und Phex würden über die drei wachen. „ Ich übernehme die zweite Wache“ sprach Ealfred und blickte zu den beiden Gefährten. Der Albernier zog die kühle Luft mit der Nase ein und lehnte sich gegen die kühle Bergwand. Erinnerungsfetzen rasten wieder an seinem Inneren Auge vorbei. Wieder war in dem Wald, auf dem Rücken der Körper der jungen Frau. Erst als das heisere Gebrüll der Orks verstummte , legte er den Körper der jungen Frau ab. Sie atmete flach und flüsterte leise. Ihre Stimme schwach sprach von ihrem Heimatdorf und sie sah Ihren Großvater. Delirium. Ealfred richtete sich auf und schüttelte die Erinnerungen wieder ab. Er legte seine Feldflasche vor sich hin „Es Ist kein Yaquirtaler , aber wird uns gute Dienste erweisen.“ Die Feldflasche war gefüllt. „Wenn wir sparsam sind, wird es uns bis zum Morgen reichen“. Mit Freude nahm Darion einen Schluck aus der Feldflasche. "Dann werde ich dich in zwei Stunden wecken. Die erste Wache soll die meine sein". Vor wilden Tieren waren sie auf dem Vorsprung geschützt, nahm Darion an. Doch was war mit diesem stetigen Puls, der so machtvoll den Fels und die Nacht durchdrang? Mehr als eine tollwütige Bestie schreckte ihn der Gedanke an das, was vermochte, ihm die sonst so vertraute Natur fremd zu machen. Nicht wie ein Jäger und Herr der Wälder fühlte er sich hier, sondern wie ein heimlicher Eindringling, der darauf hoffte unbemerkt zu bleiben von einer beherrschenden Präsenz. War dies das Reich des Ingerimms, in das sie eindrangen? Würde er ihnen zürnen, wenn sie ihn beim Verrichten seiner heiligen Arbeit störten? Das stete Pochen begleitete die Gruppe die gesamte Nacht hindurch, regelmäßig, einlullend, unablässig. Erst in der Stunde vor Morgengrauen, als Ammern und wenig später die Waldtauben begannen, den baldigen Aufbruch des Praiosmals anzukündigen, übertönte der erwachende Wald in den Tälern das Klopfen. Fast. Denn nun, da die Wanderer um seine Anwesenheit wussten, war es auch am Tag zu vernehmen, leise, doch persistent - wie ein Herzschlag aus des Herrn Ingerimms Reich selbst. Geschlafen hatte Ealfred nicht. Immer wieder, wenn ihm die Augen zufielen, schlich sich das stetige Pochen in seinen Kopf, fast wie ein Herzschlag. Wenn er einschlief, holte ihn die Erinnerung zurück. Er sah das Bauernhaus, gut versteckt zwischen großen Tannen, den Ausdruck der Verwunderung, als Ealfred mitten in der Stube stand, verdreckt mit einer dem Tode nahen Frau auf seiner Schulter, nicht das stolze Bild der Abilachter Reiterei. Und immer wieder das Pochen, fast wie ein Herzschlag. Das Zwitschern der Vögel weckte Ealfred auf. Fast war es eine Stimme, sanft und schön. „Wach auf, Soldat!“ Ealfred erhob sich und blickte sich um. Der Morgen graute. Fetzen des Morgennebels hingen noch in den Wäldern. Von seinem eigenen Gepäck hatte er nur das Schwert, den Trinkschlauch und etwas Proviant mitgenommen. Nachdem er einen Schluck getrunken und etwas Dörrfleisch gekaut hatte wandte er sich an seine Gefährten: "Steigen wir schleunigst hinauf, damit wir den Tag und den Herrn Praios begrüßen können. Ealfred, du zeigtest dich gestern als der geschickteste Bergsteiger von uns dreien. Darum bitte ich dich wieder voran zu gehen.“

Geflügelte

Das Frühstück, wenn es denn den Namen Frühstück verdiente, war karg. Etwas getrocknetes Fleisch, trockenes Brot und Käse, dazu ein Schluck Wasser aus der Trinkflasche, das nach Leder schmeckte. Ealfred griff nach dem Seil. „Hals und Beinbruch“, zwinkerte er Darion und Adelrat zu. Er rieb sich die Hände mit Erde ein. Dann blickte er auf die Steinwand. „Marbo, sei mir gnädig.“sprach er zu sich und setzte dann wieder die Maske des selbstsicheren Ritters auf. Ein letzter Atemzug und Ealfred erklomm die Wand. „ Das wird ein Spaziergang.“ scherzte er. Das Klettern bedarf neben Körperkraft, Wendigkeit und Koordination auch noch strategischen Denkens. Ealfreds Kopf ratterte wie die Mühle im heimischen Tommeltann. Die Route nach oben musste genau bedacht werden, Felsvorsprung zu Felsvorsprung mit eingebaut und Pausen kalkuliert werden. Auf halber Strecke musste Ealfred umgreifen und sich zum nächsten Vorsprung schwingen. Glücklicherweise war der größte Teil der Bergflanke mit gebührender Vorsicht gangbar, ohne Kletterei an lotrechten Fels notwendig zu machen. Dennoch war der Weg fordernd und erlaubte keinen unablässigen Tritt oder das Abschweifen der Gedanken. Drei Wegstunden später stand die Gruppe vor dem Felssturz. Ein Schuttkegel mehrere Schritt unter den Wanderern und ein verschütteter Spalt im Fels vor ihnen kennzeichnete die Stelle, an der am gestrigen Tag die Gerölllawine abgegangen war. Hier führte kein Pfad mehr weiter. Auf den ersten Blick war indes auch kein Unfallopfer und keine Ausrüstung zu erkennen. Noch immer hin eine ganz leichte Ahnung von Staubgeruch in der Luft, und fern, aber unüberhörbar, erklang das Pochen tief im Felsen. Das Praiosmal stand zwei Stunden vor seinem Zenit und badete die Kalkwände im Sonnenglast. so dass die Luft zu flimmern begann. Das Ende des Götterlaufes war nicht mehr weit. Der Schweiß stand auf der Haut der Wanderer und verbuk zusammen mit dem allgegenwärtigen Steinstaub zu einer Grauweißen Massen, die selbst hier oben noch einige vorwitzige winzige schwarze Insekten anzog, die hoffnungsvoll um die Gesichter der Dreie kreisten. „Gnignigi!“ unterbracht ein lauter, schriller Ruf von einem Felsvorsprung viele Köpfe über ihnen die Hitzestarre. „Gnigni! Nochm mehr Zweibeins! Was macht ihr hier? Gni!“ ‘Rotpelze!’ war Darions erster Gedanke. Er versuchte den Rufer in der gleißenden Gesteinswüste auszumachen. "Ihr fragt, als wäre es euch unrecht uns Menschen hier zu erblicken. Ist dies so - ist dies euer Land? So wisset, dass wir nicht wegen des Landes oder wegen euch hier sind, sondern wegen des Wassers, das aus diesen Bergen nicht mehr fließen will." Wenig mehr als Tiere waren die Rotpelze - keinen Groll hegte Darion gegen solche Geschöpfe, aber gefährlich waren sie dennoch. Hätte es beim Felsrutsch Verwundete unter ihren vorangegangenen Gefährten gegeben - eine Goblinmeute hätte ihnen zuerst den Rest gegeben und sie dann ausgeplündert. Leiser gab er Ealfred und Adelrat zu verstehen: "Seit achtsam, aber zeigt nicht offen, dass ihr den Kampf erwartet. Hier scheint es ohnehin kein Weiterkommen zu geben. Der Weg ist unpassierbar." Über den Wanderern schob sich ein Kopf über eine Felskante. Grob menschgroß und menschenähnlich war er, doch von grauer, ledriger Haut bedeckt und vom gleichen Farbton wie die umgebenden Felsen. „Gnigni! Zweibeins! Ohne Flügel!“ konstatierte das Wesen mit einem abgehackten Kichern. „Unser Land? Ist das unser Land?“ mischte sich eine zweite Stimme ein, hoch und schrill wie eine Hammerspitze, die über ein Stück Schiefer kratzte. Auf einem Felsvorsprung zwei Schritt neben dem ersten löste sich eine graue Gestalt aus dem Schatten, auf den ersten Blick menschenartig - bis sie anstatt von Armen zwei gewaltige, klauenbewehrte graue Flügel ausbreitete und genüsslich schüttelte, ehe sie diese wieder hinter ihrem Rücken zusammenfaltete. Das Wesen war eindeutig weiblich. „Was ist unser Land? Wir wohnen hier. Gnignigni … und die Zweibeins sind gekraxelt. Schon wieder welche. Gni!“ Der Albernier beobachtete die Szenerie mit einer gewissen Anspannung. Seine rechte Hand lag ruhig über dem gebogenen Schaft seiner Axt. Eine Reiteraxt,die mit tödlicher Präzision geführt wurde. Vom Pferderücken geführt, vermochte das schlanke Axtblatt Gliedmaßen durchtrennen. Aber auch abgesessen vermochte die Waffe tödliche Wunden zufügen. Ealfred zwinkerte etwas in das Sonnenlicht. Genau konnte er die Gestalten nicht erkennen. Goblins waren Ealfred vertraut, gab es doch im Tann einen Goblinstamm der mit den Jägern des Dorfes Handel trieben. Vater duldete es. So war über die Jahre ein Burgfrieden entstanden. Ealfred stutzte jedoch als Er erkannte, das Er nicht Goblin gegenüberstand. Ealfred stellte mit Erstaunen fest, das Er solchen Wesen noch nicht begegnet war. Sonderbar waren Sie anzusehen. Wie Goblins und auch Orks schienen diese Wesen in Gruppen zu Leben. Vielleicht die einzige Gemeinsamkeit. "Was zum Namenlosen sind das für Wesen? Gargyle etwa, die das Lichte Praios' nicht scheuen?" Ohne den Blick von den ungewöhnlichen Kreaturen zu lösen, sprach Darion zu seinen Gefährten: "Sie haben ganz gewiss welche der unseren erspäht und werden uns Nützliches berichten können. Ihre Gesinnung aber kann ich noch nicht erraten. Sie scheinen neugierig zu sein, doch bleibt herauszufinden, ob sie ihren Wohnort bewachen oder gar gefährlich werden können." Nun sah er doch kurz die beiden an um sich ihrem Rückhalt zu vergewissern, räusperte sich und erhob wieder das Wort: "Mühselig und gefährlich ist es euren Berg zu besteigen für uns Flügellose und nicht gerne tun wir es. Doch sind wir durch Pflicht und Not dazu gezwungen. Gestattet uns also die Weiterreise, so ihr mir Glauben schenken wollt." Demonstrativ sah er sich suchend um. "Wobei ich gestehen muss, dass wir nicht wissen, wie wir unseren Weg fortsetzen sollen. Unsere vorausgeeilten Gefährten suchen wir und die Quelle, die bis vor Kurzem noch den Fluss am Fuße dieses Berges speiste." „Dieser Fluss ist wichtig für viele von uns. Deswegen sind wir hier. “Ealfred beobachtete die geflügelte Gestalt. Gargyle! Jetzt fiel es ihm wieder ein. Er hatte Legenden über diese Kreaturen gehört. Also gab es sie wirklich und nicht nur als Kreaturen sinistrer Schwarzmagier. Ealfred versuchte die Reaktion dieser Wesen abzuschätzen, wenn das Möglich war. Seine rechte Hand ruhte locker auf dem Schaft der Reiteraxt. „Einige von uns sind vor uns den Berg hinaufgeklettert. Auch sie sind auf der Suche nach der Quelle. Wir suchen nach ihnen!“ erklärte Ealfred. „Gnigni! Wir haben das Rutschen gesehen! Gelockt hat es uns!“ Krächzte das erste Wesen von seinem sicherem Ausguck. „Zweibeins können nicht fliegen. Gerutscht sind sie auch nicht. Und da liegen sie nicht. Gni. Kein Futter für die Raben. Gnignigni.“ Sorgenvoll wiegte das Wesen seinen grauen Kopf und betrachtete die drei sinnierend. „Der Bach ist trocken.“ bestätigte kopfnickend das zweite, etwas dunklere Geschöpf. „Staub und Steine und kein Plätschern mehr. Nur noch das Schlagen und Donnern und Rumpeln, weckt unser Gelege … immerzu nur klopf-klopf-klopf.“ „Also ist dieses Pochen für die Erdrutsche verantwortlich.“ sprach Ealfred zu seinen beiden Gefährten gewandt. "Aber was ist nur für das Pochen verantwortlich?" Darion setzte sich auf einen Felsen. Die beiden Geflügelten erschienen ihm vorerst nicht mehr als eine Bedrohung. "Ob sich ausmachen lässt, wo genau es seinen Ursprung hat?" Er hatte Mühe seine Hoffnung zu bewahren, dass sie diese Aufgabe lösen würden. Hier war eine Macht am Werk, die seine Vorstellung überstieg und der sie - so fürchtete er - nicht gewachsen waren. Zumindest waren bisher keine Verluste unter den Rittern und Edlen zu beklagen. Aber das mochte sich noch ändern. "Wenn das, was schlägt und donnert sowohl den Bach trocken legt als auch die Ruhe an diesem Ort stört, dann wollen wir uns gegenseitig helfen um den Schaden abzuwenden. Zeigt uns einen Weg aus dieser Sackgasse, der uns weiter führt um dem Quell diesen Übels zu begegnen", forderte Darion die Wesen auf, die er für Gargyle hielt. Adelrat wartete ebenfalls gespannt auf eine Antwort dieser seltsamen Wesen, obgleich er sich innerlich eigentlich eher auf einen Angriff der Kreaturen vorbereitete, die ihm völlig unbekannt waren. „Gnigni, nach oben! Aber nicht mehr den Weg, der ist herabgestürzt.“ Das hellere der beiden Wesen spreizte seine Klauen in Richtung des Felsrutsches. „Zweibeins können nicht fliegen.“ Stellte es mit bedauerndem Kopfwiegen fest. „Wir zeigen euch den anderen.“ „Aber Du, kannst Du klettern?“ Der Kopf des Dunkleren schob sich etwas weiter über den Felsspalt und es kletterte vorsichtig und kopfüber einige Schritte auf der Steilwand bergab, auf die spannenden Zweibeins zu. Mit dunkelgrauen Augen fixierte es Adelrat und schien, unbeweglich wartend, einer aus Stein gehauenen Gestalt gleich. Vorsichtig wandte sich Adelrat der Kreatur zu: „Solange es nicht mit dem Kopf nach unten sein muss, mag es mir gelingen, einige steile Stellen zu überwinden, und richtig, auch mit dem Fliegen tue ich mich schwer … Aber bitte zeige mir doch den Weg, der Dir vorschwebt, und ich will mein Bestes geben!“ Das hellere der beiden Wesen verdrehte seinen Kopf in einem schier unmöglichen Winkel nach oben und blinzelte. "Da lang geht es für die Zweibeins.“ Es faltete seine ledrigen Schwingen zu einer beachtlichen Spannweite und wies mit einer Kralle schräg in die Richtung, aus der die drei Menschen gekommen waren. Bei genauerem Hinsehen zog sich eine Verwerfung durch die Wand, aus der immer wieder einzelne Vorsprünge heraus gewittert waren, in denen sogar hin und wieder Krüppelbäume Halt gefunden hatten. „Gni! Schaut nach dem Pochen! Gnini! Es stört unsere Gelege! Macht, dass es aufhört!“ Aufgeregt schlug das dunklere Wesen mit den Flügeln, während das hellere zustimmend nickte. "Lasst uns weiter steigen", sprach Darion. "Der Rückweg scheint unseren Gefährten versperrt. Auf sie zu warten wäre also sinnlos. Zu dritt fehlt es uns vielleicht an geballter Schlagkraft, aber versuchen wir dennoch unser Glück. Was auch immer uns noch erwarten mag." Ealfred nickte zustimmend. „ Also, Herrschaften, dann Hals und Beinbruch.“ Der Albernier nickte den Kreaturen zu. „ Bei Praios, wir werden uns, um dieses Klopfen kümmern!“ Dann schulterte er seine Habe und blickte hinauf. Der Weg wurde nicht einfacher - jeden Schritt, jeden Handgriff galt es zu bedenken, und hin und wieder löste sich unter dem langsamen, bedachten Vorankommen der Dreie ein Stein, der polternd zu Tal hüpfte. Es dauerte Stunden, um, teils kletternd, teils über Schotterhalden wandernd, eine halbe handvoll Meilen weiter und einige hundert Schritt weiter nach oben zu gelangen. Die Krüppelbüsche verzogen sich stetig tiefer in die Spalten, ehe sie schließlich ganz verschwanden und Kissen aus Kräutern, Moosen und Flechten Platz machten. Ungehindert brannte der Schild des Herrn Praios auf die Kletterer und die Hitze der Mittagsstunde biss gnadenlos in ihre Haut. Ein ausgetrockneter, mit losem Schotter bedeckter Bachlauf führte nun bergauf und machte das Vorankommen etwas leichter. „Nun“, merkte Adelrat an - zwar müde, aber auch immer neugieriger. „Hier sollten wir eigentlich durchs Nasse waten müssen! Es scheint, dass wir uns der Ursache des Ganzen nähern … Also zügig weiter, meine Freunde!“ Er richtete seine Sinne weiter in Richtung der Geräusche und schritt aufmerksam entlang des ehemaligen Bachlaufes. Die Hitze nahm im Verlauf des Nachmittags zu, desgleichen die Luftfeuchtigkeit, bis die Wanderer das Gefühl hatten, durch feuchte Tücher zu schreiten. Der Himmel trübte sich ein, bis er grau und bleischwer auf den Bergen lag. Es war still geworden, so dass die Atemzüge der Reisenden gut zu vernehmen waren. Der Schweiß rann den Wanderern über‘s Gesicht und den Rücken hinab, und selbst für Ende Rahja war das Wetter wahrlich ungemütlich. "Mir scheint die Namenlosen Tage würden dieses Mal früher einsetzen." Darion wischte sich den Schweiß von den Brauen. Er versuchte den Stand der Praiosscheibe hinter den Wolken abzuschätzen und sandte ein stummes Gebet in die Richtung des Götterfürsten. Außerdem prüfte er besorgt den Inhalt seines Wasserschlauches. Für eine mehrtägige Durststrecke hatte er nicht vorgesorgt. Ealdred blickte erschöpft hinab. Es hatte ihm alles abgefordert und sein Körper schmerzte. Jede Sehne, jeden Muskel spürte er. Erschöpft lehnte er sich gegen die Felswand. Ein kurzer Blick, mehr Zeit gab es nicht und doch war der Ausblick atemberaubend. So hoch war er noch nie geklettert. Meilenweit konnte man in das Land blicken, ein Blick der nur wenigen vergönnt war. Ealfred rappelte sich auf. „Da kommt was auf uns zu“, stellte der Albernier knapp fest. „Lasst uns nach Höhlen suchen. Ich möchte hier nicht den Elementen und dem Zorn Rondras ausgeliefert sein.“ Ealfred blickte sich um. Ealfred war nicht im Gebirge aufgewachsen, aber auch er wusste, das ein Sturm so hoch oben verheerend sein konnte. Der gelbe Rand machte Ihm allerdings Sorge. „Ein Sandsturm, hier oben?“ Es war ungefähr die vierte Nachmittagsstunde, doch die aufsteigenden Wolkentürme, an deren Unterseite sich bedenklich ein gelber Saum zeigte, verhießen nichts Gutes. „Von Sandstürmen habe ich bisher zwar nur in den Erzählungen meiner Amme gehört,“ meinte Adelrat, „aber ob Sandsturm oder Rondrikan, ein Unterschlupf wäre sicher empfehlenswert …“. Auch er hielt Ausschau nach einer Höhle oder Ähnlichem, am besten natürlich mit etwas wie einem Ausguck zur Beobachtung der Geschehnisse hier draußen. Bei jedem weiteren Schritt den die Gruppe durch das Bachbett ging, verfinsterte sich der Himmel immer stärker. Die Wolkentürme wurden höher und schwärzer, dann schienen sie sich mit den Gipfeln des Koschs zu vereinen und der gelbe Streifen - Praois‘ letzter Strahl an der Unterseite der Wolken - verblasste. Vor der Gruppe ragte steil der Berg auf, und einige Schritt linkerhand brach eine Klippe aus zwanzig Schritt Höhe bis auf das Niveau der Wanderer ab. Vielleicht mochte ein Überhang und eine Felsnase an der Wand etwas Schutz bieten.

Das Gewitter

Und schlagartig mit einem grollenden Donnerschlag fuhr die Sturmherrin in ihrem Streitwagen über der Gruppe durch das Himmelszelt. Von allen Seiten zuckten Blitze durch denn fast nachtdunklen Tag. Und nach einem gefühlt nie enden wollenden bergauf und bergab rollenden Donner, öffnete Efferd die Schleusen des Himmels. Und es schien als hätten die beiden Alveranier ihren Spaß daran Dere und alles was sich darauf bewegt, mit dem Unwetter nieder zu drücken. Der Regen fiel so dicht, dass die Gruppe kaum ein paar Schritt weit sehen konnte Ealfred blickte auf die sich auftürmenden Wolken und dann folgte der Blitz und Donner, ohrenbetäubend. Ealfred zuckte zusammen. Er musste an Vater denken, der bei Gewitter, sich wie ein kleines Kind versteckte. Wut kam in Ealfred auf. Das war also übrig von dem einst staatlichen Ritter, ein gebrochener Mann, der Angst vor seinem Schatten hatte. War es falsch, den Göttern zu zürnen, die so viel Leid hatten geschehen lassen, um einen einzelnen Dämonenmeister zu tilgen? Ealfred ballte die Faust. Nur der Regen riss ihn aus seinen Gedanken. Ein Blitz erhellte einen Felsüberhang. „Da vorne!“ Ealfred deutete auf einen Vorsprung. Der Regen prasselte nun dicht und bald würde sich das Flussbett füllen und zum reißenden Strom werden. „Schnell, da ist ein Vorsprung!“ Darion stemmte sich gegen die Gewalt der Elemente - laut lachend, ohne dass er in dem Getöse zu hören gewesen wäre. Die Zweifel und die Sorgen, die er ihrer Aufgabe wegen gehegt hatte, waren gewichen. Gerechter Zorn und Gewissheit bemächtigten sich seiner. Es war ein gutes Gefühl sich dem Sturm hinzugeben. Efferd sei gepriesen! Wie von weiter Ferne drang Ealfreds Ruf zu ihm. Ein Vorsprung? Ja, jetzt sah er ihn auch. Mühsam steuerte er darauf zu. Von einer gewaltigen Bö gebeutelt wurden die drei an die Wand geweht, die immerhin unter dem Überhang vor dem fauchenden Wind einigermaßen Schutz bot und auch den schlimmsten Guss verhinderte. Gerade noch rechtzeitig drängten sie sich unter dem in vielleicht zwei Schritt Höhe überhängenden Fels, als gleißend hell ein Blitz von der Wand widerleuchtete und kein Atemzug später mit ohrenbetäubendem Knall ein Donner folgte. Das Gewitter war direkt über ihnen. Ealfred zuckte kurz zusammen. Es war nicht oft, dass er den Gewalten so nah ausgesetzt war. Dicke Rinnsale von Wasser flossen über die Steine des Überhangs und klatschten auf den felsigen Boden. Ealfreds Haare hingen ihm nass über die Schultern. Er atmete kurz auf. Dann griff er nach seinem Wasserschlauch und füllte diesen auf. „Rondra und Efferd sei Dank, Trinkwasser haben wir zur Genüge.“ Auch Darion füllte seine Feldflasche. Dann lehnte er sich an den Fels und betrachtete mit klopfendem Herzen das Spiel der Götter. Ealfred hob den Trinkschlauch und nahm einen kräftigen Schluck. Das Wasser war kalt und frisch. Der Albernier schloss die Augen und genoss das kalte Nass, welches die trockenen Lippen benetzten und die Lebensgeister wieder entfachten. Die staubige und trockene Erde tat es ihm gleich und verschlang das kostbare Nass. Auch das trockene Flussbett füllte sich. Herr Efferd verteilte sein kostbares Gut großzügig. Hin und wieder erleuchtete ein Blitz die Dunkelheit, Wind blies Regen in die Gesichter der Wanderer. Ealfred nutzte die Gelegenheit sich den Staub aus dem Gesicht zu waschen.

Am Bach

Der Herr Efferd teilte seine Gaben einige Stunden über Dere aus und hielt die Gefährten unter dem Felsvorsprung gefangen. Aus dem Bachbett, durch das sie herauf gestiegen waren, war nun gurgelndes Rauschen zu hören. Doch dann hatte Herr Praios die Ordnung wieder an sich gerissen und ließ das Licht der Praiosscheibe wieder durch die Wolken scheinen. Wenige Wimpenschläge später sahen die Gefährten wie ein alter, sehr alter Angroscho, der schon viele Jahrhunderte über Deres Anlitz wandelte, an dem Unterstand vorüber ging. Sein Rücken war leicht gebeugt und er stützte sich beim Gehen auf einen langen, schweren Wanderstab. Ein großer, zottiger, weißer Hund streifte seine linke Flanke. Sein Körper war in eine schlichte graue Robe gehüllt, deren Vorderseite doch nahezu vollständig durch seinen weißen wallenden Bart verdeckt wurde. Die Haare reichten ihm bis zu den Knien. Sah man den Zwerg von der Seite, konnte man kaum unterscheiden, wo der Bart endete und die filzigen Kopfhaare begannen, die in Strähnen seinen Rücken herunterhängen. Vom Gesicht waren nur die Nase und darüber zwei neugierig blitzende schwarze Augen zu sehen. Es war nicht nur merkwürdig, dass der Angroscho so mir nichts dir nichts hier oben in den Bergen herum spazierte, sondern auch, dass der Angroscho vollkommen trocken war. Der Albernier hatte sich, so gut es ging, vor Efferds Wogen, die aus den dunklen Wolken niederstürzten, zu schützen gesucht. Triefend vor Nässe harrte er aus, durchnässt kauerte er auf dem Boden des Felsvorsprungs. Endlich nach einer schieren Ewigkeit ließ der Wind und der Regen nach. Praios wärmende Sonnenstrahlen rissen das dicke Grau der Wollen auf. Vorsichtig wagte sich Ealfred hervor. Als erstes bemerkte er den Hund, oder war es wohl anders herum. Ealfred der mit allerhand Vierbeinern aufgewachsen war, ließ den Hund ruhig an sich herumschnüffeln. „Ich habe nichts an mir, kein Essen, nicht einmal ein Stück Brot. Ein wahrer Ritter“, scherzte der Albernier und kraulte dem Hund hinter dem Ohr. Erst dann bemerkte er des Tieres Herrn. Ealfred blickte auf und erblickte nun die wundersame Gestalt. „Seid gegrüßt, wenn Ihr auch einen Unterschlupf sucht, wir rücken gerne zusammen“, sprach Ealfred mit einem freundlichen Lächeln. Die Sommersprossen in seinem Gesicht ließen ihn schalkhaft wirken. „Wasser zum Trinken haben wir genug, das steht fest.“ Und dennoch war der alte Kauz seltsam, musste er nicht durchnässt sein? Oder hatte er sich gut zu verstecken vermocht. Der Hund gab wohlige Laute von sich und seine Rute wedelte freudig hin und her. Vielleicht gab es hier Höhlen, dachte Ealfred bei sich. Es würde schon eine Erklärung geben. Als der graue Mann bedächtig den Kopf drehte, während er die Gefährten einem nach dem anderen musterte, blinkten zwischen den Haaren ein Paar schwerer goldener Ohrringe hervor, die ganz im Widerspruch zu seiner sonst verwilderten Erscheinung standen. Der Hund währenddessen war emsig damit beschäftigt, die Dreie zu beschnüffeln, während sein Schweif ein aufs andere Mal begeistert auf die Beine der drei Wanderer klatschte. Ein brummelndes Lachen ertönte, wobei einen das Gefühl beschlich, es dränge aus der Kehle des Angroscho und den Grundfesten des Berges gleichzeitig. „Wasser brauch‘ ich wahrlich nicht, davon kenn‘ ich genug. Aber was seid ihr, dass ihr hier im Berg herumklettert wie die Gemsen?“ „Seid gegrüßt, werter Angroscho, ich bin der edle Darion von Aelgarsfels, Ritter der Nordmarken und demütiger Diener der ehrenwerten Baronin Iriane von Kranick. Es ist mir eine Ehre, heute vor Euch zu stehen und Euch meine tapferen Gefährten vorzustellen, die ebenfalls Ritter der Nordmarken sind und den edlen Baroninnen unseres Landes dienen. Zu meiner Rechten steht der mutige Adelrat Thomundson, treuer Ritter und Diener der großherzigen Baronin Vea von Vairningen. Mit dem Bogen vermag er vortrefflich umzugehen und seine Tapferkeit im Angesicht großer Herausforderungen ist unübertroffen. Zu meiner Linken steht der furchtlose Ealfred von Tommeltann, ergebenster Ritter der klugen Baronin Wunnemine von Fadersberg. In den Schlachten im Rahjawärtigen erwarb er Ehre wie kaum ein zweiter und sein scharfer Verstand ist uns der verlässlichste Wegweiser. Zusammen stehen wir als treue Ritter der Nordmarken, bereit, unserem Land und unseren edlen Baroninnen zu dienen. Wir sind hier um dem Versiegen der Quelle des Tommel nachzugehen; die Lebensader unserer Länder. Wer seid ihr und was tut ihr bei diesem Wetter in dieser feindlichen Einöde?“ Ealfred hob die linke Augenbraue. Mit so viel Lob aus Darions Mund, hatte er wahrlich nicht gerechnet. Er nickt anerkennend in Darions Richtung und war erfüllt mit einem Gefühl von Stolz. Ealfred bildete sich üblicherweise wenig ein, dennoch hörte auch er Lob gerne. Ealfred musste unwillkürlich an Hauptmann Ekelstan denken jenen drahtigen Mitdreißiger, der Ealfred Vorgesetzter, in der Abilachter Reiterei war. Ein Mann mit Prinzipien. Sein oberstes Prinzip war, ein Lob wird nicht unnötig verschenkt, ein Lob, muss sich verdient werden. Da war Ekelstan genau. Umso mehr galt sein Wort, wenn Ekelstan Grund zu loben hatte. Und den gab es bei der Saufkompanie, wie Ekelstan das Banner nannte, das ihm understand, wahrlich nicht oft. Ealfred konnte sich noch gut daran erinnern, wie Ekalstan, erleichtert war, als der Späher, den verdreckten Ealfred sah, der hinter feindlichen Linien, von Orks verfolgt, die verletzte Weibelin, Caitlin, zurück zu einem der Posten der Abilachter Reiter getragen hatte. Neben einer Sonderration guten Schnaps, gab es ein knappes, aber ehrlich gemeintes: „Gut,gemacht Junge, aus Dir wird noch ein Kavallerie Soldat.“ Auch Adelrat bedachte Ealfred mit einem Lächeln. Dann wandete er sich an den sonderbahren Zwerg. „ Seid gegrüsst, Ritter Darion hat Recht gesprochen wir suchen in der Tat die Quelle der Tommel. Eine Menge hängt von diesem Fluss ab. Sie ist eine Lebensader für viele. Es scheint Ihr kennt Euch hier in den Bergen gut aus“ nickte Ealfred anerkennd und musterte den alten Kautz, neugierig. „Ich bin Gilli, Sohn des Ingergi.“ Der alte Zwerg betrachtete die beiden aus tiefliegenden Augen, um die sich tiefe Falten gegraben hatten. “Seit Jahrhunderten kümmere ich mich um die Quelle. Sie ist meine Heimat, aber noch vielmehr ein Wunder der Derenmutter. Mit den Kurzlebigen, die am Fuß der Quelle herumspringen und irgendwelche Kindergöttinnen anbeten - nein, mit denen habe ich nichts zu schaffen”, polterte der von der Last des Alters Gebeugte. “Ha, die glauben, die Quelle liege dort, wo das Wasser den Felsen verlässt! Naiv. Naiv. Immer verlassen sich diese Kurzlebigen nur auf ihre Augen, statt den Herzschlag Sumus zu spüren! Sonst wüssten sie, dass die Quelle tiefer liegt. Tief im Berg, ja ja.” Er schüttelte den Kopf, was an seinen großen, zottigen Hund erinnerte. “Erz und Wasser fließen durch mich und ich fließe durch sie. Wir sind eins, so wie Euer Volk einmal eins mit der Mutter aller Völker gewesen ist. Doch ihr habt sie in Eurer Kurzsichtigkeit verstoßen und verwundet und trampelt auf ihr rum. Ihr sucht die Quelle doch nur aus Eigennutz, nicht wahr? Nicht wahr?“ „Seid gegrüßt Gilli“, Ealfred verneigte sich leicht. „Ihr habt Recht, Herr Zwerg, ich für meinen Teil schere mich nicht viel um Eure Götter und ich glaube Eure Götter kümmern sich nicht viel um mich. Ich war da, in Mendena. Ich habe die Horden des schwarzen Marshalls gesehen. Habt Ihr Männer und Frauen, um Ihre Mutter schreien hören, habt Ihr einen Zantim gesehen, der sich durch eine Gruppe Pikeniere fraß.10 soll ich erschlagen haben, darunter einen dieser Hurensöhne von Paktieren. Doch davon weiß ich nichts. Marbo hat mich vergessen lassen. Vielleicht hat auch Herrin Rondra meinen Schwertarm geführt. Aber eines weiß ich Herr Zwerg. Die Schöpfung, gleich ob Ihr sie Sumu oder ich TSA, verteidige ich jederzeit. Die Tommel ist lebenswichtig für mein Dorf und für meinen Vater, der an der Trollpforte den Verstand verloren hat. Ich habe es nie verstanden, dass Vater bei jedem Windhauch zusammenzuckte oder in einer Ecke kauerte, wenn es donnert. Ein Sohn sollte seinen Vater so nicht sehen. Und doch empfinde ich Stolz für den Mann, der an der Trollpforte, ohne zu Murren, die Schöpfung gegen Schwarzmagier verteidigte. Dasselbe gilt für uns. Sind wir doch wenig, so werfen wir doch alles in die Waagschale. Nicht nur für uns, für uns alle. Es geht jedem was an, Mensch, Elf, Zwerg, jung und alt. Und trampeln werde ich auf allen die für Chaos und Zerstörung streiten.“ „Nur ruhig Ritter Ealfred.“ Darion versuchte zu schlichten: „Gilli, Sohn des Ingergi und die Mutter Sumu haben mit den Gräueln die ihr, euer Vater und so viele andere tapfere Menschen erdulden mussten mit Gewissheit nichts zu tun.“ Dann wandte er sich an den Zwerg: „Zwerg Gilli, Ihr sprecht in Rätseln. Mehr Fragen habe ich nun als zu vor. Doch will ich euch zuerst beantworten, weswegen wir die Quelle suchen. Sie speist den Fluss Tommel, die Lebensader unseres Landes. Würde der Tommel austrocknen, so würde auch unser Land verwildern. Denn er macht unsere Felder fruchtbar, treibt unsere Mühlen an, befördert unsere Waren und nährt die Fische von deren Fang so viele von uns abhängig sind. Ja, es ist Eigennutz, der uns hierher geführt hat. Wolltet Ihr uns sagen, dass dies etwas Verwerfliches sei, so könnte ich euch niemals zustimmen.“ „Ihr habt Recht, Ritter Darion und Euch, Gili, bitte ich um Verzeihung. Ich bin an der Tommel aufgewachsen. Die Tommel ist nicht nur wichtig für meine Familie, aber auch für jene, die an und von der Tommel leben.“ Der alte Zwerg nickte nachdenklich. “Nicht nur kurzlebig, sondern auch noch vergesslich, das seid ihr! Den Pakt Eures obersten Herrn - Herzog in Eurer Zunge - mit König Xergol, Sohn des Borim habt Ihr wohl aus den Augen verloren. Nicht verwunderlich, wenn diese immer so nervös hin- und herzucken.” Der Alte atmete tief ein und aus. Immer weiter, immer weiter. Fast schien es, als würde er ersticken. Dann fielen ihm die Augen zu. Verwundert musterte Darion den Alten. Nachdem ersichtlich geworden war, dass dieser wirklich schlief, sprach er zu Ealfred und Adelrat: „Was haltet ihr von diesem wunderlichen Wesen? Und kennt ihr Xergol, Sohn des Borim? Kein König mit diesem Namen ist mir bekannt.“ Auch blickte eher hilflos drein. Seltsam war der Zwerg allemal. Ob er wohl zwei Seelen in der Brust hatte? Was den Zwergenkönig anging, da musste Albernier passen. Mit Zwergen hatte er fast keinen Kontakt gehabt und noch weniger mit zwergischer Historie. Ealfred blickte seine beiden Gefährten fragend an. „Seltsam ist er, nur bin ich weder Geweihter oder Heiler, um Rat zu schlagen. Hören wir ihm zu, vielleicht bringt das Licht in das Dunkle.“ Eine geraume Weile später öffnete der uralte Angroscho die Augen. “Ach, ich habe nur ein kurzes Nickerchen gemacht! Seid doch nicht so hastig. Immer hat es Euer kurzlebiges Volk so eilig.” Gilli schüttelte den Kopf und wie zur Bestätigung bellte der bisher zahme Hund einmal laut. “Ja Mortom, du stimmst mir zu!” Der graue Mann streichelte über dessen Fell, wobei sich die Zotteln seines Bartes in den Zotteln des Hundes verfingen. Der Angroscho schien davon so entspannt zu werden, dass er erneut kurz einnickte. „Helft uns auf die Sprünge Gilli - wir kennen keinen König Xergol“ Darion hatte die Stimme etwas angehoben, besorgt darum der Angroscho könne erneut einschlafen. Der Angroscho schreckte kurz auf. „Na, der Bergkönig! Jüngst erst - ich habe ihn selbst noch gekannt!“ Er stutze und betrachtete die dreie eingehend aus seinen tief in die Höhlen gesunkenen Augen. “Ihr kennt den Pakt also wirklich nicht? Ts, ts, ts”, ließ sich der kleine Mann vernehmen. “Dabei ist die Vereinbarung nach eurer Zählung nur 342 Jahre, 46 Tage und 3 Stunden alt; kaum eine Generation! Kein Wunder, dass man mit Eurem Volk immer nur Ärger hat, wenn Ihr Euch an gar nichts erinnern könnt. Wie wollt Ihr dann Eure Versprechen einhalten? Aaalso:” Es folgte neuerlich eine nervenzerreißend lange Stille, nur unterbrochen vom Schnüffeln des Tieres zu Gillis Füßen. “Euer Herzog hat König Xergol versichert, dass die Binge Rugoschom mit den Wassern des Bachs, der in Eurer Zunge Tommel genannt wird, für 999 Jahre ein Hammerwerk betreiben darf. Seit diesen Tagen dröhnen die Hämmer im Frühling und im Herbst, wenn die Wasser fröhlich sprudeln. Unser König, Angrosch möge über seine Seele wachen, versprach im Gegenzug, dass die Hämmer still stehen werden, wenn der Bach im Sommer nur wenig Wasser führt.” Ealfred neigte den Kopf schief und beobachtete den Zwerg. „Entschuldigt, “ sprach er, als der Angroscho geendet hatte. „Ihr habt Recht, wir sind kurzlebig und vergesslich.“ Ealfred lächelte. „Sagt, habt Ihr ein Dokument? Es ist mehr für uns und unsere Vergesslichkeit.“ sprach Ealfred und blickte abwartend. „Dokument? Ich?“ Der alte Angroscho lachte rostig und keuchend, so sehr, dass ihm Tränen in die Augen traten. Nach Luft ringend wischte er sie ab. „Der Vertrag ist zwischen Eurem Herzog und dem ehrwürdigen Väterchen geschlossen. Also müsst ihr den Vertrag haben, ebenso, wie ihn der Bergkönig hat.“ Er gluckste, als habe er den besten Witz der letzten Dutzend Jahre vernommen. Sein zottigen Hund schlug derweil mit der Rute auf den nassen Boden, dass die Tropfen nur so spritzten. „Aber es ist, wie es ist, und die Hämmer klopfen.“ Wie zur Bestätigung drang das dumpfe, gleichförmige Poltern wieder in die Stille, die sich auf seine Worte ausbreitete. „Die Hämmer der Zwerge sind es also die wir hören,“ sprach Darion erleichtert halb zu sich selbst und halb zu seinen Gefährten. Eine Hoffnung keimte in ihm auf, dass sie entgegen seiner vorherigen Befürchtungen etwas bewirken konnten. Standen sie doch nicht einer übernatürlichen Macht gegenüber sondern nur dem Volk der Angroschim, welche den Menschen als entfernte Verwandte und Freunde gelten können. „Aber Ihr sagtet, der Vertrag lege fest, dass die Hämmer im Sommer stillstehen sollen. Weiß euer Bergkönig denn nicht, dass die Namenlosen Tage bevorstehen und die brütende Hitze im Tal jeden Tropfen kostbar macht?“ „Das Ehrwürdige Väterchen ist es nicht selbst, der hämmert.“ wandte der alte Angroscho ein, als erkläre er geduldig einem Kinde die Welt. Das alte Gesicht schlug sich in Falten, wodurch die grauen Locken seine grimmigen Augen kurz verdeckten „Und dennoch seid Ihr besorgt?“ Ealfred mustere den Alten. „Sind es nicht Eure, die da im Berg hämmern? Ich bin mir sicher, dass eine versiegende Tommel, nicht in Eurem Interesse sein kann?“ Ealfred versuchte die Reaktion des Zwerges abzuschätzen. „Es ist nicht rechtens, dass es jetzt hämmert.“ Der alte Angroscho kniff ein Auge zu und beäugte die dreie. „Ihr sagt, Ihr wolltet nachsehen, wo das Wasser bleibt. Ich kann euch den Eingang zur Binge zeigen. Begleiten kann ich euch nicht.“ Er lachte trocken, so dass es klang, als würden Steine aufeinanderpoltern. Ealfred nickte und blickte auf seine beiden Gefährten. „Natürlich helfen wir Euch. Aber sagt, werter Herr Zwerg, wenn es nicht Rechtens ist, das gehämmert wird, wen oder was vermutet ihr?“ Ealfred machte eine Pause und blickte den Alten fragend an. „ Habt ihr eine Vermutung?“ Ealfred wollte vorbereitet sein, wenn es das jemals gab. Offen in einer Schlacht einem Feind gegenüber zu stehen, war das eine, in dunkeln Stollen, die womöglich eng waren, etwas andres. Gebückt und in Dunkelheit, schien nicht gerade Ideal für einen Mann, dem nicht viel für 2 Schritt fehlten. Manchmal hatte es seinen Vorteil klein zu sein. Der Alte lachte trocken und keuchend. „Weiß‘ ich‘s? Ihr seid die, die den Fluss suchen wolltet - dann schaut nach. Oder lasst es bleiben.“ Er holte schnaubend Luft und kraulte den dichten Pelz des zottigen Hundes, der sich erhoben hatte und mit freundlichem Blick und wedelndem Schweif Ealfred anblickte. Ealfred ahnte, dass der Zwerg, so antworten würde. „Herr Zwerg, habt Dank.“ Er neigte seinen Kopf leicht. „Leider habe ich nichts, was Ich Dir anbieten könnte“, sprach er. Der Hund lief freudig schnüffelnd auf den Ritter zu. Ealfred strich dem Hund durch das Fell, das einem eng gewobenen Teppich gleich kam. War es, dass Ealfred nach Pferd roch oder selbst mit Hunden aufgewachsen war, der Hund des Zwerges war Ealfred zu traulich und leckte dessen Hand. Sicher führte der Alte die kleine Gruppe in die Berge. Trittfest war er, der alte Kauz, und kannte so manche Abkürzung. Hund und Herr waren das Klettern geübt und so rostig der Zwerg gewirkt hatte, so behend war er im Gebirge. Nach einer Weile stand Ealfred vor dem Ort, den der kauzige Zwerg als den Eingang in den Stollen bezeichnete. „Habt Dank, Herr Zwerg. Mögen Euch Eure Götter gewogen sein.“ verabschiedete Ealfred Zwerg und Hund. Dieser bellte zum Abschied. Ealfred blickte beiden noch, hinterher, bis die hellen Strahlen der Praiosscheibe beide in gleißendes Licht tauchte und sie verschwanden. Ealfred atmete auf. „Herin Marbo, sei mir gnädig, Herrin Tsa, stärke meinen Körper, Herrin Rondra, lemke meinen Geist! In Eure Obhut Begebe ich diesen Geist und Körper“. Dann begann Ealfred auf den Stollen zu zu gehen. Am Grund des Stollens war eine Rinne eingegraben, in der ein dünner Wasserlauf aus dem Berg lief. Der Stollen war so niedrig, dass sich die Gefährten bücken mussten und führte leicht bergauf in den Berg. Nach wenigen Schritt war es stockdunkel um die Gruppe.

Unter dem Berg

Der Gang durch den Praiopahns Gruppe in den Berg gelangte, war so breit, dass sie zu zweit nebeneinander gehen konnten. Die Höhe war soweit ausreichend, dass sie aufrecht gehen konnten. Da es kein Hauptgang im Berg war, war der Gang für die hier gelegentlich vorbeikommenden Angroschim durch leuchtende Pilze und Flechten ausreichend beleuchtet, für die Menschen, die nun durch das dunkle Dämmerlicht tappten, boten die vereinzelt am Boden liegenden Steine und hervorspringende Gesteinsnasen immer wieder die Gelegenheit sich den Fuss oder den Kopf zu stoßen. Vor diesem Stollen gingen ab und an immer wieder schmalere Quergänge ab, aber Xormil forderte sie auf immer weiter und tiefer in den Berg zu gehen. Und immer wieder wurde das Hämmern noch etwas lauter. Dann sahen die Gefährten vor sich einen helleren Schimmer und sie kamen in eine große Kammer in der sich neben dem Weg ein gut acht Schritt durchmessendes oberschlächtiges Wasserrad langsam, aber stetig drehte. Das Wasser kam aus einem Gang weit über der Gruppe und wurde unter dem Rad in einen weiteren Gang abgeleitet. Das Rad trieb ein Kunstgestänge an, das mit knarrendem Hin und Her oberhalb ihres Weges weiter in die Richtung des Hämmerns führte. Das lärmende Hämmern und der enge Stollen hatten Frederuns volle Aufmerksamkeit gefordert. Sie wollte sich tunlichst nicht noch einmal den Kopf in diesem Gewölbe anschlagen. Das schummrige Licht tat ein Übriges dazu bei, dass Frederun nach einer guten Weile nicht mehr so recht wusste, wie tief Xormil die Gruppe eigentlich schon in den Berg hinein geführt hatte. Der aufkommende helle Schein vertrieb dann aber doch das Gefühl der Beklemmung, das Frederun zuletzt befallen hatte.  Beim Anblick des gewaltigen Wasserrades hielt Frederun inne. Obzwar sie wusste, dass die Angroschim begabte Baumeister waren, so war dieses leibhaftige Zeugnis ihres Könnens, vor dem sie nun stand, wahrlich beeindruckend. Mit leicht geöffnetem Mund starrte Frederun Rad und Gestänge an; bis sie schließlich eine laute Stimme vernahm. Nachdem sich Frederun den Kopf gestoßen hatte, lief Praiphan im Tunnel vor ihr. Er bewunderte diese endlos erscheinenden Gänge der Angroschim. Noch nie hatter er etwas vergleichbares gesehen. Die leuchtenden Pflanzen und Pilze gaben meist kaum genug Licht, um die eigenen Füße zu sehen. Oftmals passierte es, dass er mit dem Fuß an einer kleinen Ecke hängen blieb oder mit dem Kopf einer kleinen Ecke ausweichen musste. Besorgt um Frederun, wies er sie und alle die nach ihm kamen immer auf diese Stolpersteine hin. Immerhin hatten sie ihm vor einiger Zeit so viel Achtung und Erfahrung zugesprochen, dass er die Seilschaft am Berge führen sollte. Das Wasserrad erinnerte Praiophan an die große Mühle zuhause, aber so etwas, hunderte Meter inmitten eines Berges zu sehen, lies ihn verwundert dar stehen, wie einen kleinen Jüngling. Auch Farold war vor dem Wunderwerk der Zwerge kurz stehen geblieben. Mühlen zum mahlen von Getreide gab es entlang der Tommel etliche. Aber nichts war im Vergleich zu den Werk der Zwerge. Kurz kam ihm der Gedanke durch den Kopf, ob die Zwerge auch einen Weg gefunden haben könnten, mit der Wasserkraft eine Säge anzutreiben. --- In der Dunkelheit des schmalen und niedrigen Ganges tastete sich die Gruppe durch das ihnen um die Füße spülende Wasser langsam immer weiter leicht bergan in den Gang. Da das Hämmern wie der Herzschlag des Berges immer dröhnender wurde, waren sie sich sicher, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Nach ungezählten Schritten sahen sie wie sich in einiger Entfernung der Gang erweiterte und heller wurde. Es drehte sich vor ihnen ein großes Rad, das durch das Wasser angetrieben wurde und durch dessen abfließendes Unterwasser sie sich nun näherten. Das Rad stand in einer größeren Kammer und auf der Höhe der Achse gut vier Schritten über ihnen führte ein Weg entlang. Auf diesem Weg bewegte sich gerade eine Gruppe Menschen entlang, die ihnen doch bekannt waren. "Ritter und Edle der Nordmarken! Ihr seid wohlauf wie ich sehe. Dies erfreut mein Herz." rief Darion der Gruppe entgegen. "Erschreckt nicht - wir sind es: Adelrat, Ealfred und Darion. Wir versuchen einen Weg zu euch herauf zu finden." Den schmalen Gang zu durchqueren war eine Herausforderung. Nicht nur einmal ertappte sich Ealfred dabei etwas zu hören, was gar nicht da war. Es waren wohl nur seine eigenen Trite und sein eigener Atmen. Das Geräusch von Wasser und das regelmäßige Knattern eines Wasserrades schienen beruhigend auf seinen angespannten Geist zu wirken. Nicht lange danach waren die Schemen eines Wasserrades zu vernehmen. Es roch nach nassem Holz und Bilder, der kleinen Wassermühle im heimatlichen Tommelfels kam ihn den Sinn. Nur war das Wasserrad, in Tommelfels menschlicher Bauart und mit diesem zwergischen Wunderwerk, der Ingenieurskunst nicht zu vergleichen. Wie gerne wäre Ealfred stehen geblieben und hätte dem Wasserrad bei seiner Arbeit zu gesehen. Das leise gleichmäßige Rattern, das schäumende Wasser und der Geruch von nassem Holz und Stein wirkten beruhigend. Doch es musste weitergehen. Und da wurde es Licht. Ealfred hörte erst Darion rufen und blickte dann nach oben. Nach und nach erkannte auch Ealfred Gesichter, die ihm bekannt vorkamen. Auch er hob die Hand zum Gruß. Ealfred nickte Damian zu und griff das Seil. Verdutzt guckte Damian diejenigen Adligen an, von denen er nicht erwartet hatte, sie hier zu treffen. „Es ist schön euch zu sehen. Wie seid ihr hierher gekommen?“ rief er der Gruppe zu, während er ein Seil nahm und es zu ihnen herunter ließ. Das Klettern auf den breiteren Weg hinauf gestaltete sich ein wenig schwierig, denn durch die ständig von Wasserrad aufgewirbelten Tropfen waren die Wände feucht und moosig, aber da sie ja durch Damians Seil gesichert waren, gelangen sie unbeschadet nach oben. „Ein Zwerg wies uns den Weg, Ritter Damian“ sprach Darion als er Damians Hand ergriff, um sich auf die Beine ziehen zu lassen. Für die Hilfe nickte er ihm dankend zu. Der gestrige Streit mit dem Edlen kam ihm nun, nach den durchgestandenen Strapazen und dem Sturm nichtig vor. „Noch mehr Kurzlebige im Berg!“ stöhnte Xormil als sich die beiden Gruppen vereinigt hatten. Hagrian wartete bis die Anderen oben angekommen waren, dann fuhr er sie etwas unsanft an: "Und wer gibt auf die Pferde acht, wo ihr nun hier bei uns im Berg seid?" „Ich bin auch erfreut Euch zu sehen, werter Hagrian. Die Pferde sind mit Darions Knecht in guten Händen. Wir hatten befürchtet das Euch etwas zugestoßen sei“, erklärte Ealfred. „Euch gegenseitig umgebracht habt ihr wohl nicht“, scherzte Ealfred. Ealfred verneigte sich vor dem Zwerg. „ Ealfred von Tommeltan. Freut mich Euch kennenzulernen. Ein ganz formidabeles Wasserrad habt Ihr da.“ „Nun ja“, antwortete Xormil, „das ist nur ein kleines Rad …“ Darion ging derweil reihum um die Gesuchten zu begrüßen, wie um sich im Dämmerlicht zu vergewissern, dass es ihnen allen gut ginge. "Wir befürchteten bereits der Berg habe euch verschlungen. Ein gewaltiger Erdrutsch ging am Hang hernieder, weshalb wir nicht weiter abwarten wollten, sondern uns auf die Suche nach euch machten.“ „Vom Berg verschlungen wurden wir wohl, aber so leicht sind wir nicht unter zu bekommen“ antwortete trocken Farold Findan war erfreut die anderen zu sehen und hob grüßend die Hand. „Ich habe ehrlich nicht daran gedacht euch hier zu finden. Aber so kommen wir immerhin alle zusammen um das Geheimnis zu lüften. Auch wenn ich mir schon denken kann, dass das Väterchen und seine Art hier uns genaueres sagen können.“ Ealfred reichte dann Adelrat seine Hand und zog ihn hoch. Er atmete tief durch. „Wir hörten auch ein Hämmern im Berg und jener Zwerg, auf den wir trafen, führte uns zu diesem Wasserrad.“ Praiophan war in Gedanken, als die anderen Adligen zu ihnen stießen. Erfreut blickte er in ihre Gesichter und reichte ihnen die Hand zum Gruße. „Ich bin erfreut euch alle hier zu sehen! Geht es euch allen gut?“ wollte er wissen.

Zwergenkunst

Xormil schaute sich suchend um, aber es war hinter der Gruppe kein Angroscho durch den Gang gekommen, deshalb wandte er sich an Ealfred: „Wo ist der Garoscho, der euch den Weg in die Binge gezeigt hat?“ "Was wird von diesem Wasserrad angetrieben?", fragte Hagrian den Zwerg und deutete auf die gewaltige Konstruktion. „Das Rad hier?“ meinte Xormil, „Ich dachte, ihr hättet es schon geahnt oder besser gehört. Es ist das Rad, dass die Hämmer antreibt.“ Ealfred hob eine Augenbraue. „Und das ganze ohne Zwerge. Das Rad treibt die Hämmer an.“ Ealfred blickte erstaunt zu erst auf das Rad und dann den Zwerg. „Nur das Rad treibt die Hämmer an?“ wollte er noch einmal wissen. Ehrfürchtig blickte er auf das Rad und das schäumende Wasser. „Bei Ingerimm“, sprach er leise. „Das ist wahrhaftig ein Meisterwerk.“ In Ealfred Stimme schwang Begeisterung mit und er blickte den Zwerg voller Hochachtung an. Xormil nickte ein wenig erstaunt über die Bewunderung Ealfreds. „Es ist doch nur ein Rad. Seht ihr dort oben das Gestänge, damit wird die Kraft des Wassers auf die Hämmer übertragen. Und jetzt wollen wir mal Gloindrin die Ohren lang ziehen!“ fügte er grummelnd hinzu und ging in den langen Gang mit dem sich stetig hin und her bewegenden Gestänge. Frederun kam ebenfalls nicht umhin, die Angroschim für ihre Kenntnis der Mechanik zu schätzen. Gleichwohl führte das laute Dröhnen und Schlagen der Hämmer dazu, dass ihr Kopf wieder merklich zu schmerzen begann. Sie hatte sich kaum auf die Worte einlassen können, die Xormil und Ealfred gewechselt hatten. Findan schloss zu Xormil auf. „Sagt Väterchen, wisst ihr wieso ihr uns Menschen so unbekannt seid? Unsere Völker haben doch normalerweise viel Kontakt und doch haben wir nichts von euch und eurer Binge gewusst.“ Xormil zuckte mit den Schultern. „Vielleicht weil ihr euch nicht für unsere Waren interessiert? Wir arbeiten schon lange hier unter dem Berg. Hier wurde das Erz geschmolzen aus dem die Meisterschmiede Aurin und Raurin für den Helden Hlûthar die Rüstung geschmiedet haben. Und immer noch liefern wir Metall für die Schmieden der Angroschim bis weit über den Kosch.“ Ealfred war in Gedanken versunken und beobachtete das Rad. Es war faszinierend. Erst als er den Namen des heiligen Hlûthar vernahm , wurde der Albernier aus seinen Gedanken gerissen. Ein jedes Kind wusste um Hlûthar und seine Heldentaten. „Die Schmiedekunst der Angrosho ist legendär. Sagt wie konstruiert man ein solches Wasserrad?“ Ealfred blickte den Zwerg fragend an. „Ich denke, darüber können wir uns später unterhalten“, antwortete Xormil. „Jetzt sollten wir uns erst einmal mit dem Problem eurer Quelle befassen.“ Ealfred blickte noch einmal runter auf das schäumende Wasser und das sich drehende Holzrad. Dann blickte er zu Xormil und nickte. Dann ging Xormil vor in den Gang. Über seinem Kopf bewegte sich das Kunstgestänge knirschend und knackend hin und her. „Passt auf eure Köpfe auf, Großlinge!“ warnte er die Menschen. Der Gang führte immer tiefer in den Berg hinein, obwohl die Gruppe direkt unter dem Kunstgestänge ging, wurden die Geräusche schnell von dem anhaltenden Hämmern überlagert. Dann war vor ihnen ein Lichtschein zu sehen, der mit jedem Schritt heller wurde und plötzlich endete der Gang in einer riesigen Kaverne. Das Hämmern war in der Zwischenzeit so laut, dass es unmöglich schien sich zu unterhalten.Und dann sahen sie in der Halle die riesigen Hämmer, die von dem Gestänge angehoben wurden und dann mit lautem Krachen auf den Amboss fielen. Es waren Hämmer in verschiedenen Größen, aber der größte von allen, der in der Mitte der Halle aufgehängt war, dominierte mit seinem krachenden WOMMM … … … WOMMM … … … WOMMM alle andere. Die kleineren die mit einen schnellen ping - ping - ping auf ihren Amboss fielen, waren nur wahrzunehmen, wenn man direkt daneben stand. An dem Amboss in der Mitte stand ein Zwerg, nur mit einer Hose und einer Lederschürze bekleidet, und drehte wiederholt ein Stück glühendes Metall unter den herunter krachenden Hammer. Findan hielt sich den Schädel, so einen Lärm hatte er noch nie gehört und es wunderte ihn, dass die Zwerge hier noch nicht längst taub geworden waren. Trotz des Lärmes konnte Findan nicht anders als die Maschinerie der Zwerge zu bewundern. „Bei Ingerim, das hier ist wirklich ein Meisterwerk der Handwerkskunst.“ Der Lärm war ohrenbetäubend, dazu der enge Stollen, es war mühselig. Die zwergische Baukunst zu bewundern, dafür blieb kaum Zeit, zu laut war es und von der Schmiede ging eine Hitze aus. Ealfred kniff die Augen zusammen, das Dröhnen der Hämmer war fast unerträglich. Farold war ebenfalls über die Konstruktion erstaunt. Das man einen Hammer mit Wasserkraft antreiben konnte war ihm bekannt, aber eine ganze Reihe an Hämmer verschiedener Größen auch noch setzte ihn auch in erstaunen: „Das hier ist ja lauter als der heftigste Schlachtenlärm“, rief er laut aus. „Da lobe ich mir doch die Ruhe in Firuns Wäldern!“ rief Praiophan zurück. Er war durch den Lärm sichtlich entnervt und seine Augen zuckten im Rhythmus der Hammerschläge. Frederun hielt sich ob des Lauten Dröhnens und Hämmerns fast schon krampfhaft die Ohren zu. Sie bemerkte wohl, das Farold und Praiophan sich etwas zuriefen. Verstehen können hatte sie jedoch nichts von alledem. Kopfschüttelnd sah Hagrian zu Findan hinüber, der dieses zwergische Machwerk auch noch zu bewundern schien. Er selbst hielt sich schützend die Ohren zu. Der Lärm der Schmiedestätte war für ihn kaum zu ertragen. Wenn der Schmied am Amboss sie nicht bald bemerken würde, um den Lärm zu drosseln, würde Hagrian ihm noch einen Pfeil in die Zwergennase jagen müssen. Damian schaute sich das Treiben eine Weile an, dann beugte er sich zu Xormil herunter und schrie ihm ins Ohr: „Herr Zwerg, macht doch bitte, dass dieser Lärm aufhört oder führt uns weiter. Wir Menschen sind diesen absurden Krach nicht gewohnt.“ Xormil nickte Damina zu und ging dann zu der Wand, an der das Gestänge umgesetzt wurde und zog an einem Hebel. Damit wurde die Verbindung zwischen dem Kunstgestänge und dem Hämmerantrieb unterbrochen und nach ein paar letzten Schlägen verstummte der Lärm in der Halle und der Angroscho am Amboss blickte erstaunt von seiner Arbeit auf. „Oh, Meister Xormil“, rief er den Anwesenden entgegen. „Ich bin gerade am Falten des Stahls, warum stellst Du den Hammer ab?“ Praiophan machte einen erleichterten Gesichtsausdruck und atmete tief durch. „Habt Dank Meister Xormil, aber jetzt erklärt uns bitte, was dies alles hier mit unserem Fluss und seiner Quelle auf sich hat!“ Frederun nahm die Hände von den Ohren und atmete einige Male tief ein und aus. Sie hoffte inständig, dass der Lärm nun vorerst ein Ende gefunden hatte. Zustimmend blicke sie erst Praiophan und dann Xormil erwartungsvoll an. Vielleicht bot die nun eingekehrte Ruhe die Möglich, den Zweck dieser Anlage zu erfassen. Erstaunt blickt Xormil Praiophan an. „Aber das hatte ich euch doch bereits erklärt. Es gibt den alten Vertrag, dass wir für unser Hammerwerk aus der Quelle speisen dürfen. Alles Wasser für das Wasserrad fehlt dann in eurem Fluss. Deshalb sollte das Hammerwerk auch nur bei entsprechender Wassermenge betrieben werden. Aber Gloindrin, Sohn der Dummheit, war wohl der Meinung, dass sein Werk von so hoher Wichtigkeit sei, dass er auch bei Niedrigwasser das Hammerwerk betreiben kann.“ „Aber Meister Xormil“, meint der Getadelte beschämt. „Es ist doch der wichtige Auftrag, den Du mir gegeben hast und das Falten des Stahls geht doch am besten mit dem Hammerwerk!“ „Als ich noch jung war, haben wir das auch mit der Kraft unserer Arme gefaltet. Diese Jugend verweichlicht auch immer mehr!“ Und schon waren die beiden Angroschim in eine Diskussion auf Rogolan verwickelt, der die Gefährten nicht folgen konnten. Findan wandte sich zu seinen Gefährten um. „Also wenn ich das richtig verstehe, haben wir zu wenig Wasser, weil hier ein Lehrling zu faul war um selbst zu arbeiten.“ Findan schüttelte den Kopf, wenigstens würde sich das hier wahrscheinlich relativ schnell lösen. Ealfred staunte, welch ein Meisterwerk. Das Wasser als Antrieb genutzt wurde, war dem Ritter bekannt, das es aber so viel Kraft besaß, um solch einen schweren Hammer zu bedienen, überraschte Ealfred jedoch. Auch wurden Schmiedearbeiten, wie sie nur Zwerge vermochten, gefertigt. Das Gewinde und Gestänge interessierte Ealfred besonders. Das Wechselspiel von Wasser und Mechanik wurde hier neu definiert, ganz anders als die heimische Mühle. Erst Findans Stimme riss Ealdred aus seinen Gedanken. "Es sollte mir zornig zumute sein nach all den unnötigen Strapazen am Berg." erwiderte Darion dem Edlen Findan. "Weil aber unsere Lande nicht vertrocknen müssen, überwiegt meine Erleichterung darob." Nun da die Spannung von ihm abgefallen war, erlaubte auch Darion sich die Werke der Zwerge zu bestaunen. "All die Jahre verbarg der Tommel das Geheimnis seiner Herkunft. Dass er solch Wunderwerk kennt - ich habe es ihm nicht angesehen." Ungeduldig unterbrach Damian die Diskussion der beiden Zwerge: „Werter Herr Xormil, bitte haltet euch in Zukunft an den von euch erwähnten Vertrag und sorgt dafür, dass das Wasserrad nur betrieben wird, wenn der Fluss genügend Wasser führt. Da das im Moment nicht der Fall ist, erwarten wir, dass dieses Konstrukt ruht, bis die Tommel nicht mehr ausgetrocknet ist. Was denkt ihr, wie lange wird das dauern?“ „Was meint Ihr?“ wollte der Zwerg brummeld wissen. „Bis das Rad stillsteht oder bis euer Fluss wieder Wasser führt? Das erstere wird gleich soweit sein, wenn alle Hämmer ruhen, können wir das Wasser von dem Rad wegleiten. Für das letztere müsst Ihr glaube ich Eure Götter befragen. Es hat schon länger keinen Regen mehr hier oben gegeben.“ „Mich interessiert natürlich, wann die Tommel wieder Wasser führt.“, erwiderte Damian genervt. „Die Menschen brauchen den Fluss. Hoffen wir, dass uns die Götter gnädig sind und es nicht lange dauern wird, bis der Fluss wieder fließt.“ „Was passiert den eigentlich mit dem Wasser, nachdem es das Konstrukt angetrieben hat? Ich kenne nur einfache Wassermühlen und dort wird es wieder zurück zum Fluss geführt. Ist dies hier nicht der Fall?“ fragte Farold. „Das wollte ich auch soeben fragen! Dies ist ein wichtiges Detail.“ entfuhr es Praiophan. „Zwischen wem wurde eigentlich dieser ‚Vertrag‘ geschlossen, wenn es bei uns nicht mal bekannt war, wo die Quelle der Tommel zu finden ist.“ „Das Wasser wird tiefer in den Berg geleitet um dort Pumpen anzutreiben, die ihrerseits wieder Wasser aus dem Berg pumpen“, war die Antwort des Angroscho. „Hm, damit fällt wohl die Möglichkeit weg, anschließend als Quellwasser zu dienen. Oder gibt es eine Möglichkeit, danach das Wasser austreten zu können?“ „Natürlich tritt es wieder aus“, gab Xormil zu Antwort. „Allerdings einige Dorgroschim entfernt auf der anderen Seite des Kamms und gut vier bis fünf Dumadim tiefer.“ „Nun, werter Xormil, ihr müsst verstehen, dass das Wasser der Tommel sehr wichtig für uns ist. Es hängen viele Siedlungen von diesem Fluss, seinen Fischen und seiner Schiffbarkeit ab. Er ist wichtig für ganz Tommelsbeuge und weit darüber hinaus! Ihr versichert uns also, dass das niedrige Wasser nur ein Versehen war und dies nicht wieder vorkommen wird?“, sagte Praiophan mit Nachdruck. „Die Wasserentnahme ist vertraglich geregelt“, bestätigte der Angroscho. „Und ich werde das Väterchen der Binge über den Vorfall unterrichten und ich denke, er wird die notwendigen Maßnahmen einleiten, dass sich dieser Fehler nicht noch einmal wiederholt“, ergänzte er mit einem finsteren Blick auf Gloindrin. In der Zwischenzeit waren die Hämmer alle zur Ruhe gekommen und Xormil ging zu der Wand mit den mechanischen Gestängen und zog an einem weiteren Hebel. Es knackte und knirschte in den Balken und Stützen und dann konnten die Gefährten wahrnehmen, wie das Kunstgestänge sich immer langsamer bewegte und schließlich stillstand. „Jetzt steht das Kunstrad“, erklärte Xormil den Kurzlebigen. „Das Wasser wird jetzt wieder, wenn der Teich aufgefüllt ist, durch die Überlaufröhre zum Wasserfall fließen.“ Darion nickte dem Zwerg wohlwollend zu "Ich schlage vor, dass Ihr, Xormil Sohn des Mirxol oder ein anderer Vertreter eures Königs uns nach Burg Kranichstein begleitet, um bei meiner Baronin Iriane von Kranick vorzusprechen und diesen Vorfall erklärt. Einer der euren vermag es sicherlich besser als einer der unseren diese Verfehlung ins rechte Licht zu rücken, auf dass die Freundschaft unserer Völker keinen Schaden nehmen mag." „Ich halte das für eine sehr gute Idee.“, stimmte Damian seinem Kameraden nickend zu. „Ich finde es ebenfalls bedenklich, dass dieser alte Vertrag so einfach gebrochen wurde. Auch wenn es sich nur um ein kleines Missgeschick handelt, solltet ihr bei den betroffenen Baronen vorsprechen und euch erklären. Dort möchte man den besagten Vertrag sicher auch sehen, denn er ist ihnen, meines Wissens nach, unbekannt.“ … „Was natürlich keinesfalls seine Rechtmäßigkeit anzweifelt, werter Herr Xormil.“ fügte Praiophan eilig an. Ealfred war erleichtert. Ein Missverständnis als Ursache. Tommeltann hatte sich schon ausgemalt wie er und seine Gefährten, in dunklen Gängen, gegen unheimliche Gegner streiten würde. So gab es eine einfache und logische Erklärung. Wie gerne würde er die Pumpen sehen und begreifen, wie dieses Rad genau funktionierte. Jedoch gab es sicher Wichtigeres. „Herr Zwerg, warum setzt Ihr nicht einen Brief auf, der alles erklärt. Es gibt mehrere Baronien die an der Tommel liegen und unmittelbar betroffen sind. Ich persönlich würde mich auf einen Besuch freuen“, erklärte Ealfred mit einem Lächeln. „Ich bin jetzt persönlich nicht betroffen, aber ich freue mich, dass Ihr unser Problem lösen konntet und vielleicht sieht man sich nach dem Abschied irgendwann wieder.“ Findan versuchte sich an einem freundlichen Lächeln. „Ich bin zwar nur ein einfacher Ritter, allerdings scheint es mir, dass dieser Vorfall sehr einfach eingetreten ist. Man sollte überlegen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt diesen in Zukunft zu vermeiden. Werter Herr Angroschim, vielleicht findet ihr ja eine Konstruktion, die besser als dieser Überlauf ist, damit es zu keinem Versiegen der Tommel mehr kommen kann.“ „Hoo, hoo hoo!“ bremste der Angroscho die von der Gruppe auf ihn einstürmenden Fragen und Vorschläge. „Werte Damen, werte Herren, eure Ideen sind durchaus wertvoll und haben auch ihren Sinn, aber ich bin nicht derjenige, der das entscheiden kann. Das kann nur unser Bergvogt.“ „Wäre es möglich mit Eurem Bergvogt selbst zu sprechen“, wandte sich Ealfred an den Zwerg. „Wir sollten ihn aufsuchen, ich denke, er wird euch anhören“, antwortete Xormil lakonisch. „Folgt mir bitte!“ Xormil bewegte sich auf einen weit übermannshohe und mehrere Schritt breite Öffnung in der Wand der Werkstatt zu. Als die Gruppe die Öffnung erreichten, sahen sie, dass es sich um einen künstlichen Gang handelte. Auf dem Boden verliefen Gleise auf denen in Hunten die Metallbarren und Kohlen in die Halle gefahren wurden und bis sie verarbeitet werden an den Wänden sortenrein aufgestapelt waren. Kurz hinter der großen Halle führten mehrere kleinere Gänge in Hallen, aus denen die monotonen Geräusche von Hämmern auf Ambossen zu hören waren. Der breite Gang ging tiefer in den Berg hinein. Wenig später kamen sie in eine weitere große Halle in denen die Angroschim in großen Öfen die Erz schmolzen und in Barren gossen. Im Gegensatz zu der Hammerhalle war es hier deutlich leiser, aber die Hitze und das rotleuchtende Licht der Hochöfen machen auch diese Halle nicht erträglicher für die Menschen. Praiophan war fasziniert von der Weitläufigkeit der Anlage hier unter dem Berg. Bauwerke dieser Größe hatte er bisweilen über der Erde noch selten gesehen, aber hier unter Tage, überstieg dies seine kühnsten Vorstellungen. Es musste ihm erst das Wasser das Gesicht herab laufen, ehe er die große angestaute Hitze der Hochöfen realisierte. Angezogen war er für eine Reise im Gebirge. Sein Pelzumhang aus selbst erlegtem Hasen machte ihm den Aufenthalt in diesen Hallen nicht angenehmer. Frederun war erleichtert, dass sie nach dem sehr holprigen Abstieg nun nicht mehr auf jeden einzelnen ihrer Schritte aufpassen musste. Entlang der Gleise hatte sie gut vorankommen können. Im Anbetracht jener sich immer gewaltiger ausbreitenden Anlage befiel sie eine gewisse Demut hier herunten: Die Angroschim würde gewiss nur wenigen Menschen gestatten, einen solchen Einblick in ihre eigensten Künste zu gewinnen. Derweil bemerkte Frederun, dass ihr das Unterzeug am Leibe zu kleben schien. ‚Praios sei Dank, dass ich nur den Kürass genommen hatte‘, dachte sie sich. Sie wischte sich den Schweiß von ihrer Stirn und blickte sich nach der Gruppe um. Den anderen erschien es aufgrund der flimmernden Hitze der Öfen nicht anders zu gehen. Praiophan musste sich unter seinem Umhang bestimmt gewaltig aufheizen. Frederun blickte in Praiophans schweißgetränktes Gesicht und war sich gewiss, dass ihr eigenes Antlitz nicht besser aussehen mochte. Farold war auch erstaunt über das Werk der Angroschim. Viele der Erzählungen über ihr Werk hatte er für Übertreibungen gehalten, nur um dies mit eigenen Augen zu sehen, wie sehr er sich geirrt hatte. Mangels Gefahr und wegen der großen Hitze machte er leicht seinen Gambeson auf, soweit es das Kettenhemd zulässt. Wieder führte Xormil die Gruppe durch einen großen Durchgang in einen weiteren Gang. Auch hier kamen der Gruppe Angroschim entgegen, die in Hunten Erzbrocken zu den Hochöfen brachten. Die kamen aus einer weiteren großen Halle, in der Pochwerke die aus den Bingen gewonnenen Roherz zerkleinert und das Erz vom Taubgestein getrennt wurde. Hier war wieder ein dauerhaftes Hämmern zu hören, allerdings weit weniger laut als in der Hammerhalle. „Keine Angst!“ versuchte Xormil die Menschen zu beruhigen. „Das Wasser für die Pochwerke kommt aus einem ganz anderen Bach!“ Hagrian wurde immer unwohler zumute, je tiefer die Gruppe in den Berg geführt wurde. Alles hier war ihm fremd, von den gigantischen hämmernden Apparaturen der Angroschim bis hin zu dem unheilvollen Glühen der Hochhöfen. Misstrauisch beäugte Hagrian den Zwerg, der sie führte. Die Anderen schienen ihrem Begleiter zu trauen, doch Hagrian hatte seine Bedenken. Was, wenn der Zwerg, jetzt wo sie dem Geheimnis der Tommelquelle auf die Spur gekommen waren, die Gruppe immer tiefer in den Berg führen würde, um sie schließlich in einen der Hochöfen zu stoßen? Niemand würde ihnen hier drinnen helfen können, ihr Verbleib würde wahrscheinlich niemals aufgeklärt werden. Finster dreinblickend schloss Hagrian seine Faust um den Griff seines Dolches. Er musste hier unten auf alles gefasst sein. ‚Xormil mag gut daher reden, wenn man als Angroschim Wasser in solchem Übermaß gebrauchen kann‘, dachte sich Frederun. Sie konnte sich keinen rechten Reim darauf machen: Tief in den Bergen mochte es diese Unmengen Wasser geben. Die Angroschim, so erschien es, kannten und nutzten derart viele Quellen … und gleichauf musste die Tommel, die Lebensader des ganzen Landstrichs, zu einem kümmerlichen Rinnsal werden … Frederuns Blick verfinsterte sich in gleichem Maß als das der Lärm in der Hammerhalle ihre Kopfschmerzen zurückkehren ließ. Der Gang aus dem Pochwerk heraus, war immer noch mit Gleisen ausgelegt. An den folgenden Nebengängen gab es Drehplatten, so dass man die Hunte in die Nebengänge schieben konnte. „Dort geht es in die Stollen, in denen meine Brüder das Erz abbauen. Die Binge ist an einer so günstigen Stelle errichtet, dass wir verschiedenste Erze fördern können.“ erklärte Xormil. „Aber kommt weiter, es ist noch ein weiter Weg bis zur Halle des Bergvogts.“ Nach einigen weiteren Abzweigungen hörten dann auch die Gleise auf und es war nur noch ein einfacher breiter Gang. Die Gruppe musste bestimmt schon viele hundert Schritt durch den Berg gegangen sein, als ein bewaffneter Angroscho der Gruppe dem Weg versperrte. Ealfred staunte. Die Hitze störte ihn kaum. Hin und wieder nahm er einen Schluck Wasser aus seinem Trinkschlauch. Der Stollen, die Schienen, die in den Steinboden gelegt worden waren, die Hochöfen und die Drehplatten faszinierten ihn. Stumm folgte er der Gruppe, bis ein bewaffneter Angroscho ihn aus seinem Staunen riss. Wohl eine Wache, möglicherweise waren sie Ihrem Ziel, der Halle und dem Bergvogt nahe. Als Farold die bewaffneten Angroschim sah, spannte er sich wieder an und fängt an die Situation zu beobachten. So mag der erste Zwerg noch freundlich und hilfsbereit zu sein, dennoch wusste er nicht, wie die Anderen auf die Menschen in ihren Reich reagieren würden. Praiophan trottete Xormil und den anderen hinterher und bewunderte die Bauwerke und technischen Dinge der Angroschim. Er hatte stets geglaubt, dass die Zwerge nur an der Oberfläche ein paar Löcher in den Berg gruben. Mit jedem Schritt war er ob seiner Torheit mehr verwundert. Nie hätte er von einer Anlage solchen Ausmaßen in mitten eines Berges auch nur fasziniert. Als die ganze Truppe vor dem bewaffneten Angroscho anhielt, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Er atmete tief durch. Für Zweifel an Xormils Absichten war es nun schon lange zu spät. Frederun waren in jenem unruhigen Treiben in den verzweigten Gängen und Hallen bislang gar keine bewaffneten Angroschim aufgefallen. Womöglich war sie aus dem Staunen über dieses riesige Hüttenwerk gar nicht herausgekommen und hatte all jene geschäftigen Zwerge derweil nur noch schemenhaft aufgenommen. Jedoch erschien es naturgemäß vernünftig: Als ob die Zwerge ihre eigenen Bauten und Geheimnisse nicht genauso eifrig schützen wollten wie wir Menschen, dachte sie sich. Frederun war ob ihrer eigenen Naivität, das sie vorher gar nicht daran gedacht hatte, durchaus ein wenig beschämt. Xormil sprach kurz mit dem Bewaffneten auf Rogolan, dann nickte dieser und winkte die Gruppe durch. „Hier beginnt unser Wohnbereich“, erklärte Xormil den Gefährten. „Und da immer wieder ‚Ungeziefer‘ aus den Stollen kommt, passen wir halt gut auf.“ Ein paar Schritt hinter der Wache waren schwere eherne Tore in den Wänden versenkt, die den Gang bei Bedarf fest verschließen würden. Der Gang selbst führte noch ungefähr fünfzig Schritt weiter in den Berg und mündete dann in einer großen Halle in die aus verschiedenen Richtungen Gänge mündeten. Der Gang aus dem die Gefährten traten, schien der am wenigsten belebte zu sein, denn aus allen anderen kamen und gingen Angroschim geschäftig hin und her. Darion begann sich durch die Haare zu streichen und seine Kleidung hie und da zurecht zu zupfen, besann sich aber schnell. Da war nichts mehr zu machen, nach dem strapaziösen Aufstieg und dem Regenguss. Es blieb nichts als Haltung anzunehmen um dem Bergkönig entgegenzutreten - er würde Verständnis haben müssen für ihr verlottertes Erscheinungsbild. Vielleicht würde es ihnen aber sogar in die Karten spielen, dass man ihnen die Mühen und überstandenen Gefahren ansah, die sie wegen des Missgeschicks der Angroschim auf sich nehmen mussten. Hier musste es sein, die Heimstätte der Angroschim. Ealfred tat es Darion gleich und strich über sein Hemd, richtete Gürtel und wischte sich über die Stiefel. Dann folgte er der Gruppe. Was würde er wohl sagen, wenn er vor dem Bergkönig stand, dachte der Albernier. Praiophan kam aus dem Staunen nicht heraus und rempelte leicht seinen Vordermann an, als dieser am Eingang der Halle seine Kleider richtete. „Verzeiht mir! Ich war überwältigt von der schieren Größe der Anlage.“ Auch Praiophan tat es den anderen gleich und richtete seine Kleidung. Seinen Fellumhang zog er lieber aus und verstaute ihn am Rucksack. Frederun hatte noch gut die verschwitzten Gesichter der Gefährten in der Hitze der Schmelzöfen vor Augen. Wahrlich, einen prächtigen Eindruck konnten sie alle nach den Anstrengungen der Reise und der Hitze im Hüttenwerk nicht mehr erreichen. Gleichwohl tat Frederun es den anderen gleich: Sie trat wenige Schritte zur Seite, klopfte sich Staub ab und prüfte, ob ihre Haare gut gebunden waren. Xormil forderte die Gefährten auf ihm zu folgen und schritt dann quer durch die Halle auf einen der gegenüberliegenden Ausgänge zu. Der sich daran anschließende Gang war kleiner als der durch den die Gruppe bislang gekommen war, aber dafür waren die Wände deutlich ordentlicher aus dem Gestein herausgearbeitet und ungefähr in der Mitte verlief ein zwei Spann hohes Relief auf dem verschiedene, verschlungene geometrische Muster zu sehen waren. Nach gut zwanzig Schritt öffnete sich der Gang zu einer kleineren Halle in die insgesamt vier Gänge mündeten. Zwei kleiner zu den Seiten und eine große doppelflüglige eiserne Tür, die mit aufwändigen Reliefs verziert war. Auf diese Tür schritt Xormil zu, klopfte, wartete kurz und trat dann in die Halle des Bergvogtes ein. Die Halle war sicherlich dreißig Schritt lang und zwanzig Schritt breit, die Bögen des Tonnengewölbes ruhten auf zwei Reihen quadratischer Säulen. An den Längsseiten befand sich in der Mitte je ein großer Kamin. Die Wände waren mit allerlei Waffen, Schilden und Rüstungen behängt. Dem Eingang gegenüber war eine zweistufige Empore auf der ein eicherner Stuhl stand. Links von der Empore führte ein kleiner Durchgang aus der Halle hinaus. „Ich bin hier, in meinem Arbeitszimmer!“ dröhnte von dort eine tiefe Bassstimme auf Rogolan. Xormil durchmaß die Halle mit großen Schritten und steuerte auf den Durchgang zu. Praiophan fand diese Halle noch beeindruckender als die ganzen Bauwerke vorher. Die Halle versetzte ihn in Ehrfurcht. Sie hatte gewiss die Ausstrahlung und vermochte zu vermitteln, dass die Person, die auf dem eichenen Stuhl auf der Empore eine mächtige und wichtige Person war. Doch dort saß niemand. Stattdessen kam eine tiefe brummige Stimme aus dem Nebenraum. Ob es wohl ein ungünstiger Zeitpunkt war, dachte er. Was mochte der Bergvogt wohl gerade gesagt haben? Langsam und in gebührendem Abstand folgte er Xormil. Findan beeindruckte die ganze Anlage dermaßen, dass es ihn schwindelte. Schweigend lief er der Gruppe hinterher und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Jetzt in dieser tiefen Kammer, die mit mehr Kriegsausrüstung geschmückt war, als es auf seinem einfachen Gut überhaupt kam er gar nicht mehr mit und griff sich an die Schläfen. Langsam ging er Xormil hinterher und machte sich auf den nächsten Raum gefasst.

Der Bergvogt

Der Schmiedemeister führte die Gruppe auf den Durchgang zu und trat als erster ein. „Väterchen Dugamil, ich bringe Dir hier ein paar Besucher, die ein Anliegen an uns haben“, sagte er für alle verständlich auf Garethi. „Ah, ja, dann kommt rein und nehmt Platz!“ antwortete der Bergvogt. Der Angroscho saß hinter einem übervollen, großen Schreibtisch auf dem Pergamente, Erzstücke, Pläne, Waffen, Rüstungsteile und Katzenspielzeug verteilt lagen. Dugamil, ein schon älterer Angroscho, mit schlohweißem in drei ordenliche Zöpfe geflochtenem Bart, der in einem hohen Sessel hinter dem Schreibtisch saß, blickte der Gruppe freundlich aus seinen tiefblauen Augen entgegen. Er klatschte in die Hände, was das gut halbe Dutzend Katzen aufschreckte, die verteilt im Raum und auf dem Tisch gemütlich schliefen. Außerdem kam durch eine Tür im Hintergrund des Arbeitszimmers ein weiter Angroscho. „Murkhag, bring unsere Gästen etwas zu essen und zu trinken“, ordnete der Bergvogt an. „Was? Wir haben Gäste?“ rief dieser erstaunt und musterte die doch äußerlich etwas angeschlagene Gruppe der Menschen. „Es wurden aber keine von den Torwachen angekündigt. Wo kommen sie denn her?“ war dann die Frage an Xormil. „Durch den Überlaufschacht und durch einen Seiteneingang, den ihnen Gilli geöffnet hat“, antwortete dieser. „Oh!“ Mit einem Naserümpfen in Richtung der Menschen drehte er sich um und verließ den Raum, um nach nur kurzer Zeit mit Häppchen und Getränken zurück zu kommen. Ealfred verneigte sich vor dem weisshaarigen Zwerg. „ Angrosch zum Gruße, eure Hohheit. Mein Name ist Ealfred von Tommeltan, wir alle hier wurden versammelt, um dem Mysterium der versiegenden Tommel auf den Grund zu gehen. Wie ihr sicher wisst, ist die Tommel, Lebensader für viele Dörfer und wirtschaftlich wichtig für die an der Tommel liegenden Baronien.“ Ealfred verbeugte sich erneut. „Das Versiegen der Tommel geht aber ganz Nordmarken etwas an.“ Dann trat Ealfred einen Schritt zurück und ging in militärische Hab-acht Stellung über. Seine Augen glänzten als Essen hereingetragen wurde und wie zur Bestätigung knurrte sein Magen. Der Bergvogt musste ob der Anrede laut lachen. „Ich bin nur der Vogt dieser Binge, da reicht Meister oder wenn Du willst auch Väterchen, aber Hoheit, das ist mein Verwandter der Bergkönig, drüben im Kosch.“ „Verzeiht, … Vä…terchen“ sprach Praiophan mit bedacht. „Wir sind alle mit den Titeln und Lebensweisen der Angroschim nicht vertraut.“ Nichts desto trotz sind wir hier, um dem Versiegen der Lebensader unserer aller Heimat nach zu gehen. Und wir mussten feststellen, dass euer Hammerwerk daran Schuld trägt! Frederun hatte es Ealfred gleichgetan und sich verbeugt. Dann hatte sie mit ernster Miene neben den anderen gestanden und der Ansprache Ealfreds aufmerksam zugehört. Bei den dann folgenden Worten Praiophans musste sie sich zunächst jedoch ein wenig bemühen, die erste Miene zu wahren. Väterchen … sie hätte es nicht einmal getraut, ihren eigenen Vater derart anzusprechen. Frederun wartete gespannt, wie der Bergvogt mit dem Anliegen umzugehen gedachte. Hagrian irritierte die sich ihnen bietende Szenerie. So lebten die Zwerge also in ihren Hallen aus Stein. In unordentlichen Arbeitszimmern umgehen von einem Haufen Katzen. Die Tiere taten Hagrian leid. Gewiss hatten sie ihr ganzes Leben in den Höhlen und Tunneln der Zwerge verbracht und noch nie oder zumindest selten das Tageslicht gesehen. Im Hintergrund der stattfindenden Unterhaltung schlenderte Hagrian zu einem der Tiere hinüber, näherte sich ihm vorsichtig und versuchte es zu streicheln. Die Katze ließ sich streicheln und umging dann laut schnurrend Hagrians Beine. Das Schnurren der Katze lockte dann auch noch drei weitere der Katzen herbei, die sich um Hagrian auf den Boden fallen lassen. Der Vogt grinste. „Das könnte ein Fehler gewesen sein, junger Mann, wenn Du jetzt aufhörst sie zu streicheln, dann zeigen sie Dir ihre Krallen.“ Damian musterte den alten Anführer der Zwerge und fragte sich, was sie von ihm erwarten konnten? Würde er ihnen helfen oder sich auf irgendwelche verstaubten Traditionen der Angroschim berufen und ihren Auftrag erschweren? Farold verneigte sich auch kurz vor dem Bergvogt und hat sich nach der Warnung von den Katzen fern gehalten. Dann folgte er der Aufforderung und setzte sich hin. Frederun tat es Farold gleich: Sie verneigte sich zum Gruß vor dem Bergvogt und setzte sich zu ihren Gefährten. Als die Menschen sich gesetzt hatten und am Essen waren, fragte der Vogt: „So, nun erzählt, was es sich mit der Tommel auf sich hat und was wir tun können.“ Auf Antwort wartend legte er sich in seinem Sessel zurück. Findan verneigte sich vor Dugamil. „Vielen Dank Väterchen, dass ihr uns hier empfängt. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber Xormil sagte uns, dass ihr seit einiger Zeit niemanden unseres Volkes empfangen habt und da möchte ich nur sichergehen …“ Findan machte eine kurze Pause, schaute sich kurz um und hob wieder an, „dass euch bewusst ist, dass wir Menschen manches nicht vertragen was euren Mägen wohl bekommt.“ Findan schaute ein wenig betreten zu Boden. Dugamil lachte kurz auf. „Es mag euch vielleicht manches, was auf den Platten liegt, komisch vorkommen, aber es wird euch bestimmt nicht schaden. Ihr solltet es einfach probieren. Es sind ein paar eingelegt Pilze, selbstgemachter Käse und Würste und Brot. Keine Spinnenbeine oder Käfersuppe.“ Findan schaute verlegen auf die Platten und lies die Pilze erst einmal liegen und nahm sich ein bisschen vom Rest. Auch Praiophan labte sich an den Speisen und genoss vor allem das kühle Nass. Er hatte seit den Hochöfen nichts mehr in seinem Trinkschlauch. Frederun freute sich beim Anblick der Speisen. Eingelegte Pilze kannte sie noch vom Bankett eines Reiter-Turniers; auch wenn die Angroschim die Pilze sicherlich anders würzen mochten, so scheute Frederun sich nicht, sie zu probieren. Sie belegte sich noch eine Scheibe Brot mit dem selbst gemachten Käse. Sie bedankte sich beim Bergvogt für das Mahl und schaute zufrieden in die Runde. Ealfred lächelte etwas verlegen. „Verzeiht Meister, ich bin nicht vielen Zwergen begegnet.“ Als die Platte mit Essen umhergereicht wurde, konnte er nicht anders, als zuzugreifen. Brot, Wurst und Käse. Ealfred schloss die Augen, so musste sich Alveran anfühlen. Er leckte sich die Finger. „Die Quelle der Tommel, so hies es ,sei versiegt“, begann er seinen Satz. „Die Tommel ist die Wirtschaftsader einer ganzen Region, Güter werden auf der Tommel transportiert. Ein Versiegen wäre ein Disaster.“ Ealfred griff sich schnell noch ein Stück Brot, Käse und Wurst, bevor es zu spät war. „Ich bin an der Tommel aufgewachsen. Mein Dorf lebt vom Fluss. Die Mühle, der kleine Krämerladen, die Anlegestation, die Herberge, alle leben vom Fluss. Ich kenne jede Biegung. Im Sommer bauten wir als Kinder Flösse und haben uns todesmutig Efferds Wogen gestellt oder sind vom Tommelfels in den Fluss gesprungen. Der Fluss ist mehr als Lebensader, er ist Heimat.“ Ealfred blickte zum alten Angroscho. Der Vogt hörte Ealfred aufmerksam zu. Als er mit seiner Rede zu Ende war, nickte er wissend und forderte ihn dann mit einem Wink auf fortzufahren. „ An der Tommel geht es um Gemeinschaft. Die Winter sind lang, der Boden karg. Wir leben vom Fischfang, Handel mit Hölzern und Wolle der Schafe, Käse und Milch der Ziegen. Ohne das Wasser der Tommel käme das alles zum Erliegen.“ Er blickte zu dem Vogt. „ Die Geburt machte mich zum Ritter. Ja, ich lebe auf einer Burg, habe ein Pferd und weiß Schwert, Lanze und Axt zu führen und doch sind meine Augen vor den Nöten meines Dorfes nicht verschlossen. Mir geht es um das Wohl meines Dorfes, wie auch das Wohl meiner Baronin, des Herzogs und jedes Gutes, das von der Tommel lebt. Praiophan unterstützte diese Aussage mit einem halblauten „So ist es!“ und nickte zustimmend. Wisst Ihr, ich war als Leutnant für 25 Männer und Frauen zu ständig. Jedes Mal wenn die Orks im Winter einbrachen oder wir die Grenzen gegen Goblins verteidigen, ging es nur um eins.“ Ealfred machte eine Pause. „Simus nos fortis“, fuhr er in Bosparan fort. „Gemeinsam sind wir stark! Das war unser Motto und so möchte ich meiner Lehnsherrin und meinem Dorf dienen.“ Darion räusperte sich: „So wie Ritter Ealfred oder ganz ähnlich geht es uns allen mit dem Tommel. Meine Name ist Darion von Aelgarsfels, Ritter der Baronin Iriane von Kranick zum Kranickfluchs. Ihre Gesandtschaft und derer des Vogtes der Grafenmark Gratenfels, Melcher von Ibenburg sind wir. Große Strapazen nahmen wir auf uns, um das Versiegen der Tommelquelle zu ergründen. Jetzt stehen wir vor euch - erleichtert, dass nun das befürchtete Unheil abgewendet ist, doch auch müde und - ihr werdet verstehen - nicht ohne begründeten Unmut ob dieses Abenteuers, das einigen von uns fast das Leben kostete. Rondra sei Dank, dass wir allen Gefahren entgingen. Und ich danke euch für Speis und Trunk und eure Gastfreundschaft, für welche die Angroschim weithin bekannt sind.“ Er hob den Becher um seine Worte zu untermalen. Praiophan tat es ihm gleich und nahm alsbald einen tiefen Schluck. Frederun erhob ebenfalls ihren Becher und trank einen Schluck. Farold schloss sich den Anderen beim Zuprosten an. „So“, begann der Vogt, „die Tommel …, hmm, das ist doch auf der anderen Seite vom Kamm, oder?“ ging seine Frage an Xormil und an Murkhag. Die beiden bestätigten nickend. „Aber wieso versiegt sie denn? Der Teich müsste doch bei Niedrigwasser alles in den Fluss entlassen?“ Diesmal schaute Xormil verlegen zu Boden. „Väterchen, es war so, dass Gloindrin, Sohn der Dummheit, meinte den großen Schmiedehammer in Betrieb zu nehmen, um seine Muskeln zu schonen. Damit ist alles Wasser aus dem Teich in die Binge geflossen und da der Wasserstand so niedrig war, nichts in den Fluss. Ich habe das Rad aber stillgelegt und somit sollte wieder alles über das andere Wehr fließen und den Fluss speisen.“ Brummend fuhr sich der Vogt durch den Bart. „Wir haben also den Vertrag gebrochen und mehr Wasser entnommen als wir durften. Ja, dann verstehe ich die Unmut der Kurzlebigen gut.“ Nun wandte er sich wieder an die Menschen. „Ihr seht, dass Euer Problem beseitigt ist.“ „Nun ich denke, dass unser Problem tatsächlich beseitigt ist, ich hätte da nur eine Bitte, gibt es hier eine Abschrift des Vertrags, die wir einsehen können?“ Findan hoffte, den Vertrag abschreiben zu können, nachdem eine ganze Zwergenbinge vergessen wurde, wäre es wohl angebracht alles möglichst genau zu berichten, besonders den Vertrag mit den Zwergen wäre wohl interessant für ihre Auftraggeber. Der Vogt lachte auf. „Aber sicher, mein Sohn, aber sicher. Solche wichtigen Verträge bewahren wir im Tempel auf. Bitte folgt mir.“ Dugamil stand auf verließ das Arbeitszimmer durch die große Halle und bog von dem Raum mit den vielen Gängen in einen ab, dessen Eingangspfosten mit Runen und Ornamenten geschmückt waren. Nach wenigen Schritt traten sie dann in einen von einer Lampe nur dürftig erleuchteten Raum. An den Wänden hingen Waffen und Schmiedearbeiten. Am Fuss der Wände waren verschieden hohe Stelen aufgestellt. Gegenüber dem Eingang stand ein ambossförmiger Altar. Dugamil ging auf eine der Stelen zu, die über und über mit Rogolan-Runen bedeckt war. „Hier ist er“, sagte der Bergvogt und deute auf die Stele. Findan sah sich die Stelen an und war sichtlich beeindruckt von diesen. Er konnte zwar ein paar Runen lesen, aber er begriff kein einziges Wort von dem was hier stand. Als er sich zum Zwerg wandte ergriff Damian schon das Wort. „Werter Herr Zwerg“, sagte Damian „ich weiß nicht ob jemand von uns Menschen eurer Schrift mächtig ist. Würdet ihr so nett sein und uns den Wortlaut des Vertrages in unserer Sprache wiedergeben, damit wir ihn verschriftlichen können?“ Frederun war erleichtert darüber, dass sie nicht die einzige war, welche die Runen der Angroschim nicht zu lesen vermochte. Dankbar dafür, dass Damian sich nach einer Übersetzung erkundigt hatte, lächelte Frederun diesen freundlich an. So begann der Bergvogt vorzulesen: „Der Vertrag von Rugoschrom Hiermit geben wir all unseren Untertanen kund und zu wissen, dass ab dem heutigen Tag für alle Zeiten folgende Vereinbarung zwischen Freiherrlich Urbeltor und dem Königreich im Berge Xorlosch geschlossen wurde. Es sei den Angroschim aus der Sippe der Tardachs, die in den Bergen des Xuramkoschim in der Binge Rugoschrom ihrem Handwerke nachgehen, gestattet zur Unterstützung ihrer Schmiedekunst, an der gen Magam gelegenen Flanke des Murmotem auf der Höhe von einem Dorgrosch und acht Dumadim ab der vierten Sohle von Xorlosch gerechnet, acht mal acht Baroschtrom Wasser aus dem Teiche Toschthûr innerhalb eines Tages zu entnehmen, den die Menschen als Quellteich der Tommel als Zusammenfluss zweier Rinnsale ansehen. Dieses aber doch nur in solchem Maße, dass der Abfluss, die oben genannte Tommel, immer mit ausreichend Wasser versorgt werde und nie versiege. So ist besonders im Zeitraum zwischen Braut- und Hitzemond keine Entnahme erlaubt. Dazu werden die zwei Wehre, die den Abfluss in die Tommel und in den Berg darstellen, mit durch Vertreter beider Völker festgelegter Marken belegt und es wird gelobt, die Wehre nicht weiter zu öffnen. Väterchen Tuagel groscho Tammas, Bergkönig von Xorlosch Hochgeboren Praitrud Nordrun von Freiherrlich Urbeltor Geschrieben und zur Kenntnis gegeben im Jahr der Fertigstellung der Neuen Residenz“ Findan hörte dem Bergvogt andächtig zu, und wandte sich dann an den Rest der Reisegesellschaft: „Hat hier irgendjemand Papier und Schreibwerkzeug mitgebracht?“ Frederun hatte dem Bergvogt aufmerksam zugehört. Mit leicht geöffnetem Mund stand sie derweil da. Als sie Findans Frage vernommen hatte, schüttelte Frederun den Kopf. Sie hatte wahrlich nicht erahnen können, bei ihrem Auftrag auf eine viele Götterläufe zurückreichende Übereinkunft zwischen Zwergen und Menschen zu stoßen und dann auch noch etwas derart Bedeutendes hernieder schreiben zu brauchen. Dugamil gab seinem Adlatus eine Zeichen und dieser verschwandt und kam kurze Zeit später mit dem gewünschten zurück. „Wenn Euch das genügt“, damit reichte Murkhag Findan einige Pergament sowie Federn und Tinte. Ealfred bewunderte die Schmiedearbeit. Wunderwerke an Waffen, schön und wohl auch tödlich. Er hatte im Regiment von der Kunstfertigkeit der Zwerge gehört. Eine dieser Waffen leibhaftig zu sehen war natürlich etwas anderes. Vorsichtig, fast andächtig fuhr er über das scharfe Axtblatt, einer wundervoll gefertigten Zwergenaxt. Das Axtblatt war verziert, der Stiel wies feine Holzarbeiten auf - das Meisterhandwerk eines Meisters. Das Kratzen der Feder auf Pergament, holte ihn aus seinen Gedanken. Xormil, der den Wortlaut des Vertrages kannte, hatte sich ein wenig im Hintergrund gehalten und sah wie Ealfred sich die ausgestellten Waffen ansah. „Ein Weihestück“, sprach er ihn an als er über die Schärfe der Axt fuhr. „Diese beidhändige Doppelblattaxt - wir nennen sie Gwen dolong, das heißt Felsspalter - hat einst ein Angroscho vor gut 800 Jahren als sein Meisterstück Angrosch zum Gefallen dem Tempel geschenkt.“ Ealfred nickte stumm. „800 Jahre“, sprach er andächtig. „Ein Meisterwerk.“ Ealfreds Blick war voller Anerkennung. Anerkennung für das Werk der Zwerge . Das Xormil ihn ansprach und Ihm bereitwillig über die Waffe erzählte, deutete Ealfred darauf, das der stolze Zwerg es schätzte, wenn ein Mensch sich für zwergische Kultur interessiert. Oder diese sogar wertschätzte. Ealfreds Axt konnte da nicht mithalten. „Ihr müsst mir mehr über Eure Schmiedekunst erzählen und das Wasserrad“, sprach Ealfred leise, um den Vogt nicht zu stören und reichte Xormil die Hand. „Meister Ealfred“, antwortete der Angroscho ebenso leise, „es wäre mir eine Ehre, aber ich denke, es ist doch erst wichtiger, dass ihr eure Aufgabe erledigt, oder? Aber sonst seid Ihr natürlich in unseren Hallen willkommen.“ Als Meister angesprochen zu werden, ließ Ealdred schmunzeln. „Gewiss, zu die Aufgabe.“ Findan wandte sich an den Bergvogt: „Ich würde Euch bitten, den Vertrag mir noch einmal vorzulesen, dass ich ihn im genauen Wortlaut aufschreiben kann.“ Den Gefallen tat ihm der Bergvogt. Als er damit fertig war, wartete er darauf, was die Gefährten nun zu tun gedachten. Praiophan schaute Findan gelegentlich über die Schulter und vergewisserte sich, dass dieser den vorgelesenen Wortlaut genau aufschrieb, stellte jedoch schnell fest, dass Findan dies sehr gewissenhaft tat. Findan bedankte sich noch einmal beim Bergvogt und verstaute das Pergament und gab Murkhag die Feder zurück. Er wandte sich nochmals den beiden Angroschim zu: „Vergebt mir Väterchen, aber wir haben auf unserem Weg hierher kichernde und sprechende geflügelte Wesen gesehen, könntet Ihr uns erklären was wir da getroffen haben könnten?“ Es war Murhag, der auf die Frage Findans antwortete: „Oh, hoher Herr, wir nutzen selten den mühsamen Aufstieg auf der anderen Seite des Kammes, um in die Binge zu gelangen. Daher sind wir auch nicht vertraut mit dem Getier, dass sich dort draußen herumtreibt. Wir würden euch daher auch anempfehlen die Binge durch den Vordereingang zu verlassen und dann der Straße zu folgen.“ Darion wandte sich an den Bergvogt: "Wahrheitsgetreu erzählen werden wir von der Arbeitsamkeit der Angroschim und diesen prächtigen Anlagen und Hallen unter dem Berg. Wäret ihr dennoch gewillt uns für den Rückweg einen Abgesandten eures Volkes mitzuschicken? Nicht allein, um uns den Weg zu zeigen, sondern auch, um als Vermittler zu meiner Baronin zu sprechen, in deren Auftrag wir reisen. Der Vertrag, den ihr so lange in Ehren gehalten habt, war bei uns in Vergessenheit geraten. Ich zweifle nicht daran, dass es noch mehr Dinge gibt - ältere und jüngere, welche den neuen Generationen von uns Kurzlebigen gänzlich unbekannt sind und von denen zu berichten beiden Völkern zum Vorteil gereichen wird." Dugamil nickte versonnen. „Ja, es könnte besser sein, wenn euch jemand begleitet.“ Dann blickte er seinen Adlatus an. „Murhag, ich habe da eine Aufgabe für Dich!“ Der Angesprochene nickte ebenfalls, aber sein Blick war doch ablehnender den Menschen gegenüber, die sich einfach durch die Hintertür in die Binge geschlichen hatten. „Wenn Du es wünschst, Väterchen, dann werde ich mich auf den Weg machen. Soll ich noch ein Schreiben in den Buchstaben der Gigrim aufsetzen, dass ich in Deinem Auftrag handele?“ „Das ist eine gute Idee“, antwortete der Bergvogt. „Und solange seid unsere Gäste. Ich denke, dass Ihr heute in der Dunkelheit sowieso nicht mehr reisen wollt. Murhag, sorge bitte, bevor Du mit dem Schreiben anfängst, dass unseren Gäste Kammern für diese Nacht zugewiesen werden.“ Bei diesen Worten ging des den Gefährten erst auf, dass sie überhaupt kein Gefühl mehr für Tag und Nacht haben. Sie sind am Vormittag auf verschiedenen Wegen in den Berg gelangt und dann viele Stunden durch die Dunkelheit der Binge gelaufen. Jetzt wurde ihnen bewusst wie müde und hungrig sie waren. Die Räume, die den Gefährten zugewiesen wurden, waren für die menschlichen Körpergrößen eingerichtet. Es gab ein ausreichend großes Bett, einen Hocker und Tisch. Auf dem ein Wasserkrug und eine Schale standen. Bevor Murhag die Menschen in ihren Zimmern alleine ließ, meinte er noch: „Wenn einer der Herrschaften möchte, können wir auch das Dampfbad bereiten.“ Ealfred hatte geduldig gewartet. Als ihm eine Kammer zugewiesen wurde, die erstaunlich bequem und geräumig war, war das erste, was der Albernier tat: sich waschen. Schale und Krug mussten ausreichen. Das Gefühl von Wasser auf seiner Haut, war eine wohltat. So ließ er sich Zeit. Kurz setzte er sich auf das Bett, er hatte auf schlechterem geschlafen und merkte gar nicht, das er eingeschlafen war. Es war die Müdigkeit die Ealfred vergessen ließ, dass die Kammer unter hunderten von Schritt Felsen lag und nur ein Tür die Wände unterbrach. So langsam ging die Faszination die Findan verspürte in eine unbehagliche Nachdenklichkeit über und er sehnte sich nach dem Himmel. „Wie? Ein Dampfbad, ja ich würde das gerne in Anspruch nehmen.“ Findan war ein bisschen abwesend, als er sich zum Bad begab. Vielleicht würde ja das Baden ein bisschen die Gedanken durchspülen. Auch Praiophan fühlte sich angestrengt und ausgelaugt von den Strapazen des Aufstiegs. Einem Dampfbad hatte er schon lange nicht mehr beigewohnt. Dies würde ihm sicher gut tun.

Nacht in der Binge

Die beiden wurden nach einer Weile von einem Angroscho aus ihren Kammern abgeholt und in einen Raum geführt. Dort standen ein paar Bänke und Kleiderhaken und es lag ein Stapel Handtücher bereit. Gegenüber der Eingangstür war eine weitere Tür auf die der Angroscho jetzt deutete und mit einem sehr akzentreichen Garethi erklärte: „Dahinter ist das Dampfbad, wenn ihr hier eure Sachen ablegen wollt. Bitte seid vorsichtig in der Mitte ist ein Wasserbasin im Boden und an den Wänden verschiedene Sitzreihen.“ Dann verneigte er sich leicht und ließ die beiden Menschen alleine. Die Warnung des Angroscho war nicht unbegründet, denn nachdem sie die Tür geöffnet hatten, sahen sie nur eine heiße, dichte Wasserdampfwolke vor sich. Gestärkt und frisch gewaschen lag Darion auf dem Bett in der Dunkelheit seiner Kammer. Sowohl Praios als auch Firun waren ihm hier fern. Dennoch war ihm nicht unwohl zumute so tief im Felsen; abgeschottet von der ihm sonst vertrauten Welt. Er war dankbar und erleichtert, dass sie nun unter den Angroschim weilten. Und in dieser Lage war ihm, als würde er das Volk, dessen Wesen ihm sonst oft rätselhaft geblieben war, zum ersten Male verstehen. Hier in Ingerimms Reich konnten einen keine fallenden Sterne zertrümmern und die Grauen der vergangene Jahrzehnte schienen fern und unwirklich. Die Zwerge waren zum Überdauern geschaffen. Wie alt war wohl diese Kammer? An was für großen, unterirdischen Werken arbeiteten die Angroschim? Ihre Vergangenheit ist älter als die unsere. Blicken sie also auch weiter in die Zukunft, als wir es vermögen? Darion schloss die Augen. Als Damian im Bett lag und zur Decke starrte, über der sich unermessliche Massen des Gesteins erstreckten, dachte er darüber nach, was für ein seltsames Volk diese Zwerge waren. Sie wohnten hier ohne Tageslicht, ohne das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Bäume im Wind. Mit Argwohn dachte Damian daran, dass dieses Volk hier lebte, die Tommel nutzte und die Menschen der Nordmarken nicht einmal davon wussten. Ging Gefahr aus von diesem zurückgezogen lebenden Volk? Mit diesen Gedanken im Kopf glitt der Ritter in einen tiefen traumlosen Schlaf. In der Kammer, die man ihr zugewiesen hatte, konnte Frederun ein wenig zur Ruhe kommen. Nachdem sie einen großen Schluck Wasser getrunken hatte, entstieg sie den Kleidern und machte sich für die Nacht zurecht. Im Bett lag sie noch einige Zeit wach und versuchte, diesen Tag gedanklich einmal aufzuarbeiten: So viel war geschehen, seit dem sie alle von der Taverne her aufgebrochen waren: Die merkwürdigen Wesen in den Bergen; dann die Pilger, die kaum klare Worte von sich geben mochten, und schließlich die echte Gastfreundschaft der Angroschim, die sie alle durch das riesige Hüttenwerk bis in ihre eigensten Gemächer geführt hatten. Frederun hatte das Gefühl, dass dies alles viel zu schnell an ihr vorbei galoppiert sein könnte: Kaum, dass sie sich in den engen Gängen den Kopf gestoßen hatte, war da schon der Lärm und das hektische Treiben in dem Hüttenwerk gewesen. Und dann hatten sie dem Bergvogt schon ihre Aufwartung gemacht. Eigentlich, so dachte Frederun bei sich, hatte sie selbst doch kaum etwas dazu beigetragen, dass das Rätsel um die ausgetrocknete Tommel nun keines mehr war. Es beschämte sie, dass sie doch so oft einfach nur dabei gestanden hatte. Schließlich gewann die Erschöpfung die Oberhand und Frederun schlief ein. Nach einiger Zeit ging Praiophan müde, aber entspannt den Weg vom Dampfbad in sein Quartier zurück. Als er sich gebettet hatte, nahmen seine Gedanken einen kurzen Anlauf und versuchten noch einmal alle Eindrücke des Tages Revue passieren zu lassen. Nach wenigen Minuten zeigte das Dampfbad jedoch seine entspannende Wirkung und der erholsame Schlaf umfing ihn. Ebenso hatte sich Farold in seine Kammer zurück gezogen. Er war ausgezogen, um mit seinen Schwertarm im Auftrag seines Lehnsherr der Sache auf den Grund zu gehen. Doch es hatte kein Kampf auf ihn gewartet, weder gegen diese Harpien noch anderes Gesindel, keine große Verschwörung. Nur ein Missverständnis und eine Reise in eine wunderbare Welt der Angroschim. Er spürte, dass er die Tage als ein Recke vermisst hatte, war er doch seit er die Lehn erhalten hatte, mehr zu ein Verwalter geworden. Doch war es was schlechtes? Ohne mit den Schwerter zu kreuzen hatten sie doch den Auftrag erfüllt, war es ein Wink der Götter, dass er seine Aufgaben weniger mit den Schwert und mehr mit der Diplomatie lösen sollte? Gedankenversunken begab er sich zu Ruhe und fand ohne Antwort bald den Schlaf. Hagrian lief unruhig in seiner Kammer auf und ab. Er wollte einfach nicht zur Ruhe kommen, obwohl die Reise lang und anstrengend gewesen war. Wie ein Raubtier, das man in einen zu kleinen Käfig gesperrt hatte, fühlte er sich hier, umgeben von nichts als Tonnen von Stein. Die Zwerge wurden ihm von Minute zu Minute immer weniger geheuer. Wie konnten sie es hier unten nur aushalten, ohne dem Wahnsinn zu verfallen? Welche finsteren Pläne heckten sie in ihren Hallen aus? Welcher Gott drang mit seinem Blick bis hier in die Tiefe hinab, um über das Volk der Angroschim zu wachen? Hagrian bemerkte nun, dass sich ein Schweißfilm auf seiner Stirn gebildet hatte, während er hier in seiner Kammer so vor sich hinbrütete. Er fühlte sich erschöpft und fiebrig und stand gleichzeitig unter permanenter Anspannung. Hier drinnen hielt er es nicht mehr aus. Hagrian verließ sein Zimmer und trat auf den Gang davor. Krampfhaft versuchte er sich an den Weg zu erinnern, den die Gruppe genommen hatte, als sie zu ihren Quartieren geführt worden waren, doch mochte ihm dieser einfach nicht einfallen. Die Halle des Bergvogts wollte Hagrian aufsuchen, denn dort hatte er sich etwas weniger beengt gefühlt als im Rest des Berges, doch wusste er nicht, in welche Richtung er zu gehen hatte, um dorthin zu gelangen. Auf gut Glück marschierte Hagrian los, um wenigstens irgendeinen Versuch zu unternehmen, aus diesem perfiden Tunnellabyrinth der Zwerge zu entkommen. Voller Anspannung ließ Hagrian sich von seinen Füßen tragen, wohin auch immer sie ihn führen mochten. Es dauerte nicht lange bis Hagrian sich durch die zu dieser Tageszeit (oder besser wohl Nachtzeit) sehr leeren Gänge verlaufen hatte. Es sah für ihn alles gleich aus. Lange Gänge mit vielen Türen, dann wieder Kreuzungen und noch mehr Gänge. Endlich kam er in einen Gang in dem ein gerüsteter Angroscho stand und ihm den weiteren Weg versperrte. „Wo willst Du hin, Gigrim?“ Hagrian sah den Zwerg grimmig an. "Ich will hier raus", brachte er in gebrochenem Rogolan hervor und deutete vage nach oben. „Es ist Nacht, da sind die Tore geschlossen“, antwortete der Angesprochene. Dann griff er an seinen Gürtel, nahm das dort hängende Horn und blies hinein. Kurz darauf kamen zwei weitere Angroschim angelaufen. Sie unterhielten sich schnell auf Rogolan untereinander, währenddessen der Gerüstete immer wieder auf Hagrian und nach schräg oben deutete. Als die Diskussion zu Ende war, sprach einer der Hinzugekommen Hagrian an: „Folgt mir, hoher Herr!“ Er führte Hagrian durch die Gänge aufwärts und sie erreichten einen nach oben offenen Wehrgang. „Mehr Himmel können wir in der Nacht nicht anbieten“, meinte er und wartete wir Hagrian reagierte. Hagrians Anspannung wuchs weiter während er dem Zwerg durch die Gänge der Binge folgte, fiel jedoch schlagartig von ihm ab, als sie den Wehrgang erreichten. Der freie Blick auf den Himmel und die frische Luft waren eine regelrechte Wohltat. Mit aufrichtiger Dankbarkeit wandte sich Hagrian an den Zwerg: "Wenn ihr erlaubt, werde ich hier die Nacht verbringen und am Morgen wieder zu den Anderen stoßen." Der Angroscho nickte. „Wenn Ihr trotzdem in Eure Kammer wollt, dann fragt eine der Wachen, die patroulieren. Möge Angrosch über Euren Schlaf wachen!“ Mit diesen Worten verabschiedete sich der Angroscho und ließ Hagrian alleine auf dem Wehrgang stehen. Endlich war Hagrian allein, abgesehen von den Wachen, die hin und wieder vorüberpatroulierten. In vollen Zügen sog er die frische Nachtluft ein. Die Erschöpfung ergriff nun endgültig Besitz von ihm. So gut es ging kauerte sich Hagrian in eine Ecke des Wehrgangs. Bequem war dies nicht gerade, der Blick in den Nachthimmel war jedoch Ausgleich genug. Selig schlief Hagrian ein.

Der Weg zurück

Am nächsten Morgen wurden die Gefährten durch sanftes Klopfen an ihre Kammertüren geweckt und aufgefordert sich in einem halben Stundenglas zum Frühstück in der Großen Halle einzufinden. Damian hatte gut geschlafen und fühlte sich erholt und bereit für die Rückreise. Gelassen zog er seine Kleidung an, schlüpfte in die hohen Stiefel und legte den Schwertgurt um. 'Bald habe ich diesen verfluchten Berg hinter mir', dachte sich der Ritter, während er sich seinen Mantel überwarf. Gemäßigten Schrittes machte er sich auf zur Großen Halle. Aus dem Schlaf gerissen von dem Klopfen wusste Praiophan zunächst gar nicht mehr wo er sich befand. Der erholsame Schlaf wollte ihn nur langsam loslassen. Normalerweise wurde Praiophan sanft von den ersten strahlen der Praiosscheibe geweckt, die sein Gesicht beschienen und ihm die Nase kitzelten. Hier unten, im immer dunklen Berg, weit ab des hellen Tageslichtes dauerte es eine gute Weile ehe der Hohe Herr einen klaren Gedanken fassen konnte. Da er nicht genau wusste wie viel Zeit seit dem Klopfen bereits vergangen war, zog er rasch seine Kleider und ging in die große Halle. In der Halle wurden sie dann vom Bergvogt herzlich begrüßt. „Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme, ruhige Nacht“, begann er, „auch wenn sie nicht für alle so ruhig war.“ Dabei blickte der zu Hagrian. „Wenn ihr euch gestärkt habt, wird euch Murhag zurück begleiten.“ Dann forderte der Vogt sie auf, sich an einem ausladenden Buffet selbst ihr Frühstück zusammenzustellen. Es waren dort unter anderem Brot, Eier, Würste, Schinken, Käse und Pilze zu finden, aber auch einige verlockend riechende Kuchen. Neben Tee und Wasser gab es natürlich auch ein kleines Fässchen Bier. Bevor Damian sich an dem gut gefüllten Buffet bediente, hielt er inne. 'Hatten die Zwerge einen Grund ihn und seine Gefährten zu vergiften?' ging es ihm durch den Kopf. Wollten sie ihre Existenz geheim halten, wäre es sicherlich die einfachste Möglichkeit dazu. Doch sie wirkten aufrichtig und nicht hinterhältig. Schulterzuckend griff der Ritter zu und ließ sich das Frühstück schmecken. Der gedeckte Frühstückstisch machte Praiophan sprachlos, wie so vieles in letzter Zeit. Reichlich gedeckt ließ das Mahl an nichts fehlen. Er setzte sich für eine Weile und wartete ab. Er lauschte den Worten des Bergvogts und beobachtete seine Mitreisenden. Wie gut, dass wir alle heil hier angekommen waren, dachte er, als er den Blick von Frederun kreuzte. Alsbald ging er an das reich gedeckte Buffet und nahm sich allerlei gut aussehendes und hoffentlich auch gut schmeckendes. Besonders wagemutig nahm er sich von den Pilzen, war aber auch sehr gespannt auf den Geschmack der verlockend riechenden Kuchen. Zuhause war seine erste Mahlzeit des Tages meist deutlich bescheidener. Aber heute lag ja noch ein weiter Weg vor ihnen und die Kochkünste der Angroschim konnte man zuhause in Tommelsfurth eher selten probieren. Ealfred hatte gut geschlafen. Frisch gewaschen erschien er am Frühstücktisch und war beeindruckt von der Gastfreundschaft der Zwerge. Zeit um das Wasserrad und seine Funktion zu studieren blieb nicht, die Aussicht, Frau und Kind wieder in die Arme zu schließen, beflügelten ihn jedoch. Dennoch richtete er noch ein letztes Wort an den Bergvogt: „Meister Zwerg, Eure Schmiedekunst und das Wasserrad sind wahre Wunderwerke, wenn es mir erlaubt ist, würde ich gerne wieder kommen, um das Wasserrad zu studieren.“ Zum Abschied reichte er den Angroschim die Hand und verließ die Zwergenbinge . Erst musste er Berick, sein Pferd abholen und dann ging es endlich heimwärts. „Wenn Ihr wollt, Herr Ealfred, dann kommt gerne wieder“, verabschiedete sich der Bergvogt. Wie der Bergvogt es gesagt hatte, so geschah es dann auch. Die Gefährten wurden noch ein wenig verproviantiert, denn der Weg bis zum nächsten Dorf würde den ganzen Tag dauern und dann ging es wieder durch eine Anzahl von hier sehr breiten Gänge, bis vor ein gut vier Schritt breites und sechs Schritt hohes doppelflügiges, ehernes Tor in dem eine Mannpforte geöffnet war. Dahinter konnten die Gefährten einen Weg in einem lieblichen Kerbtal erkennen. Es handelte sich hierbei vermutlich um den eigentlichen Zugang zur Binge. Als sie zusammen mit Murhag durch das Tor getreten waren und sich umsahen, konnten sie über dem Tor eine aus dem Fels geschlagene Wehrmauer erkennen auf der zwei Angroschim patrouillierten. Der Weg durch das Tal hatte die übliche Fuhrwerksbreite und die tief eingegrabenen Rillen zeugten davon, dass er auch benutzt wurde. Daher war es für die Gruppe auch nicht schwierig dem Weg zu folgen und nach einem ereignislosen Wandertag sahen sie am Abend vor sich ein kleines Dörfchen liegen. Murhag erklärte ihnen, dass es sich dabei um das Dörfchen Bruchhusen handelte.

Burg Kranichstein

Der Weg zur Burg Kranichstein in der Baronie Kranick, dem vereinbarten Treffpunkt, verlief ohne größere Schwierigkeiten - bis auf das Wetter und das näherrückende Jahresende. Es war schwülheiß, was jeden Schritt zu einer Qual machte, und den Reisenden lief der Schweiß in Strömen über Gesicht und Rücken. Doch die Namenlosen Tage in der Wildnis zu verbringen war keine allzu verlockende Idee. Zum Glück war der Weg von Bruchhusen nach Kranichfurt nicht weit. In Kranichfurt, einem beschaulichen Weiher mit einem Dutzend Häusern, ein paar Höfen und etwas zwei Meilen gerodetes und bäuerlich genutztem Land, wurden die reisenden Adeligen höflich, aber nicht unterwürfig gegrüßt. Burg Kranichstein lag auf einem schroffen, teilweise bewaldeten Hügel, welcher sich über Kranichfurt erhob. Ein gewundener Burgweg führte vom Dorf hinauf an einem trutzigen Wachturm (3 Stockwerke) vorbei durch ein breites Tor in den Burghof. Der Innenhof wurde komplett von ca. 3 Schritt hohen Mauern umgeben, Wehrgänge befanden sich ausschließlich über den beiden Toren. Linker Hand befand sich neben dem Haupttor ein einstöckiger Pferde- und Viehstall mit darüber liegenden Heulagern. An die Stallungen schloss sich das Haupthaus an, welches sich über Eck an die nach rahjagerichtete Seite der Burgmauer schmiegte. Neben dem Haupthaus lagt ein Nebentor. Der Weg dorthin ging allerdings so steil hinab Richtung des Kranichbaches, das kaum ein Maulesel die Steigung überwinden konnte. In der Beuge Richtung Rahja/Praios lag ein eingeschossiger Tempel der gütigen Mutter. An der praiosgewandten Burgmauer lag ein großer Nutzgarten mit Obstbaumwiesen, welcher ca. 4 Schritt tiefer lag als der restliche Burghof. In ihm arbeiteten zwei Mägde in der Hitze, sie grüßten in eure Richtung, als ihr in den Burghof kamt. Von ihm ging ein breiter Karrenweg ab. Im Burghof waren ein Bogenparcours sowie Holzpuppen zur Übung an Bogen und Schwert aufgebaut. An einer der Holzpuppen übte ein ca. 15 Sommer altes Mädchen unter den strengen Augen eines Ritters. Beide bemerkten eure Ankunft augenscheinlich nicht. Aufmerksame Beobachter sahen an einem Fenster im ersten Stock des Haupthauses den Sohn der Baronin, welcher die Leibesübungen der jungen Frau beobachtete. Im Hof erwartete euch eine ältere Dame, ihr schätzt sie auf ungefähr 60 Sommer, eure Ankunft schien gemeldet worden zu sein. Sie war in einfache, aber gute Kleidung gekleidet. Hinter ihr standen wartend zwei Stallburschen. Die Frau lächelte euch an und wartete, bis auch der letzte eurer Gruppe im Hof angekommen war, bevor sie euch anspracht. „Willkommen auf Burg Kranichstein. Mein Name ist Selinde von Aelgrasfels, die Truchsessin von Kranick. Ich begrüße euch im Namen ihrer Hochgeboren. Wenn ihr eure Tiere den Burschen zur Versorgung überlassen und mir folgen wollt. Wir haben eine Mahlzeit bereitet, ich denke ihr seid hungrig und durstig. Ihre Hochgeboren wird in ein paar Minuten zu euch stoßen.“ Der Ritter von Aelgarsfels und die Truchsessin begrüßten sich herzlich. Verwundert raunte er seiner Tante zu: „Hatte man schon Kunde von unserem Erfolg? Wir haben einen Gesandten des Bergvogtes mit uns.“ Selinde antwortet ihrem Neffen leise: „Von eurer Queste wissen wir noch nichts genaues. Aber eure Ankunft wurde bemerkt und ihrer Hochgeboren gemeldet.“ Darion wirkte erleichtert: „Mir war schon bang, die frohe Kunde sei uns vorausgeeilt, sodass wir sie selber nicht mehr verkünden könnten.“ Er nahm die Hand von Selinde: „Nun bin ich froh wieder im Hause der Baronin und der Gütigen Mutter weilen zu können. Die Berge waren eine harte Prüfung für uns Ritter der Nordmarken." Im Burghof angekommen fiel Praiophan eine Last von den Schultern. Er kannte diese Burg zwar nicht, aber doch war ihm alles so vertraut. Im Berg, bei den Angroschim war ihm stets alles fremd vorgekommen und er hatte sich fehl am Platz und ein wenig unwohl gefühlt. Zwar hatten ihm die Zwerge keinen Anlass dazu gegeben, doch gaben ihre Sitten und Gebräuche, ihr Verhalten, ihr Essen, ihre Bauweise und ja sogar die Einrichtung ihrer Zimmer ihm stets das Gefühl fremd zu sein. In dieser Burg, nach althergebrachter Bauweise, fühlte er sich ein Stück weit wieder zuhause und das sah man ihm an. Der Adlatus des Bergvogtes hielt sich während der Begrüßung zurückhaltend im Hintergrund. Wenn die Gigrim etwas von ihm wollten, dann würden sie ihn schon ansprechen. Endlich, das Ziel war erreicht. Erschöpft stieg Ealfred vom Pferd. „Die Zwölfe zum Gruße!“ Ealfred verneigte sich vor der Truchsessin. Die Burg war groß, alle Male größer als der heimische Wehrturm. Mutter hätte Freude an einem solchen Kräutergarten gehabt, und auch der Baum wirkte majestätisch. Als Darion seine Tante begrüßt hatte, wandte sich Ealfred an die Truchsessin. „Sagt, ist es möglich, sich kurz frisch zu machen, so verschwitzt möchte ich der Frau Baronin nicht gegenübertreten.“ Mit einem zustimmenden Nicken gab Ealfred einem der Pferdeknechte die Zügel in die Hand. „Gewiss, Edle Herrschaften. Ich zeige euch, wo Ihr euer Gepäck lassen mögt und die Badestube ist.“ Die Truchsessin rief einen Diener herbei, und ließ das Gewünschte geschehen. „In einem Wassermaß wird Euch die Baronin empfangen, ein Bediensteter wird Euch dann abholen.“ Frederun freute sich, nach den Anstrengungen der vergangenen Tage nun auf Burg Kranichstein anzukommen. In der vergangenen Nacht hatte sie nach den längeren Grübeleien unruhig geschlafen. Das schwül-warme Wetter am heutigen Tage tat noch ein übriges dazu bei, dass Frederun einen eher müden Eindruck machte. So begrüßte sie die Truchsessin recht knapp und lies einen der beiden Knechte sich ihres Pferdes annehmen. Frederun wollte nun zumindest kurz zur Ruhe kommen können und sich erfrischen bevor sie alle dann von der Baronin empfangen werden sollten. Ealfred sprach auch, was Praiophan und die anderen wohl alle dachten. Praiophan folgte dem Diener, lud sein ganzes Gepäck ab und war froh über das kühle Wasser mit dem er sein Gesicht benetzen konnte. Als die Ritter und Edlen beisammen waren sprach Darion in die Runde: „Lasst mich für unseren Bericht einleitende Worte finden. Doch von den überstandenen Gefahren am Berg berichten lieber die geübten Bergsteiger und die Vorhut“ Er sah dabei Ealfred, Damian, Hagrian und Findan an. An Findan gerichtet fuhr er fort:„Edler Findan, ihr studiertet den Vertrag und fertigtet die Abschrift an. Berichtet ihr von den Angroschim! Der werte Murhag mag zum Abschluss die Botschaft des Bergvogtes überreichen.“ Er wartete ab, ob sein Vorschlag auf Zustimmung traf. Hagrian nickte Darion knapp zu. Eigentlich hatte er keine Meinung dazu, wie das Geschehene am besten zu berichten sei. Die Welt des Adels und des höfischen Lebens, in die die Gruppe nun wieder zurückgekehrt war, war einfach nicht die seine. Sollten die Anderen doch von ihren Entdeckungen erzählen, Hagrian sehnte sich nur noch danach, in seinen geliebten Wald bei Koschstein zurückzukehren und das einfache Leben eines Jägers wiederaufzunehmen. Frederun wandte sich an Darion: „Wertet Darion, Euer Vorschlag erscheint mir gut gewählt.“ Frederun freute sich, dass Darion die Initiative ergriffen hatte.

Audienz bei Baronin Kranick

Ein Wassermaß später führte der Diener die Gruppe, nun gesäubert, ausgeruht und präsentabel, in den hohen Saal der Burg Kranichstein. An den Wänden des Saales hingen Wandteppiche, welche rahjagefällige Festszenen zeigten, die Fenster an allen Außenseiten des Saales waren regenbogenfarbig verglast. Der Parkettboden war blank geschliffen, offensichtlich diente der Saal oftmals als Fest- und Tanzsaal. In der Mitte des großen Raumes war ein riesiger Kamin positioniert, welcher zu dieser Jahreszeit natürlich nicht genutzt wurde. In der zur praiosgewandten Hälfte des Saales war eine lange Tafel aufgebaut, welche genug Stühle für die Gäste aufwies. An der efferdgewandten Wand waren zwei Tische mit einem reichhaltigen Buffet aufgebaut. Am Kopfende der Tafel neben einem Stuhl stand die zierliche Baronin von Kranick und erwartete lächelnd ihre Gäste. Sie war, trotz der Sommerhitze, wieder in ein schwarzes Kleid gekleidet, die Haare kunstvoll hochgesteckt. Neben dem Buffet warteten zwei Burschen, welche wohl die Speisen und Getränke auftragen würden. Als alle Mitglieder der Gruppe in den Saal eingetreten waren, richtete sich die Baronin an ihre Gäste „Seid Willkommen in meinem bescheidenen Heim. Ich freue mich, euch alle wohlauf und bei guter Gesundheit zu sehen. Aber bevor ihr berichtet nehmt Platz und lasst es euch munden. Seine Hochgeboren Melcher von Ibenburg wird ebenfalls gleich zu uns stoßen.“ Sie deutet auf die Stühle an der Tafel, dann gab sie den Dienern einen Wink. Als die hohen Herrschaften nach und nach Platz genommen hatten, trugen die Diener verschiedene Gaumenfreuden auf und einige Zeit verging mit frohem Schmaus. Im Laufe der Mahlzeit kam Melcher von Ibenburg zu der Gesellschaft, grüßte die Anwesenden und setzte sich zur Rechten der Baronin. Nachdem alle Gäste sich gestärkt hatten, richtete die Baronin wieder das Wort an die versammelten Edelleute: „Wie es scheint, können wir nun zum Bericht übergehen. Was hat sich euch auf eurer Queste ereignet, konnte ihr etwas in Erfahrung bringen?“ Der Ibenburger Vogt schien halb gelangweilt halb abschätzig die Wandbemalung zu bewundern und hielt es zunächst nicht für nötig, die Worte der Baronin zu ergänzen. Doch merkten besonders scharfe Beobachter, dass sich die breiten, gestählten Muskeln am Hals des Kriegers spannten, als ob er sogleich in die Tjostschranken reiten wollte. Ealfred hatte gewartet bis die Baronin zu Ende gesprochen hatte. Er hatte auch darauf gewartet, dass Ritter Darion gesprochen hatte. Erst als es zu einer Pause kam und Hagrian wohl nicht sprechen wollte, stand Ealfred Tommeltann auf. Er straffte seine Kleidung und räusperte sich. „Euer Hochwohlgeboren, wir stießen auf Schwierigkeiten, das Wetter erwies sich als tückisch. Ein Steinrutsch trennte uns in zwei Gruppen und für einen Tag wussten wir nichts von einander. Auch mussten wir ein steilen Kamm hinauf. Ein äußert gefährliches Unterfangen. Letztlich trafen wir auf die zweite Gruppe, die uns voran ging und den Göttern sie Dank unbeschadet war. Gemeinsam setzten wir die Reise fort und trafen auf Zwerge. Allen Unbill zum Trotz fanden wir wohl den Hintereingang der Binge. Der Gastfreundschaft der Zwerge und ihrer Hilfe, so wie der Zusammenarbeit der Gruppe ist zu verdanken, dass wir alle hier beisammen sitzen.“ Ealfred nickte, als er geendet hatte und setzte sich. "Nun gut ...", setzte der Vogt zu einer Erwiderung an, doch schien es ihm schwer zu fallen, an den Bericht anzuknüpfen. "Wir hören, ihr hattet einen beschwerlichen und wahrhaft gefährlichen Weg zurückzulegen. Die Berge sind unberechenbares Terrain, unbenommen." Die Augenbrauen zusammengekniffen warf er einen Blick zur Gastgeberin und schwenkte dann abrupt erneut zu den Bergsteigern. "Ihr berichtetet von einer Zusammenarbeit mit 'Zwergen'. Könnt Ihr dazu näher ausführen?“ Ealfred erhob sich erneut. Er verbeugte sich knapp vor Baronin und Vogt und fuhr fort. „Die Wasser oder vielmehr die Quelle der Tommel speist einen Apparatus, der den Zwergen beim Schmieden behilflich ist. Durch Unbedacht wurde mehr Wasser der Tommel abgeführt, als notwendig war. Meister Murhag und Meister Xoromil erklären sich bereit den Apparatus anzuhalten. Die Quelle der Tommel sprudelt wieder und wird bald den Fluss erneut zu seiner vollen Stärke verhelfen.“ Nach einer Pause setzte sich Ealfred erneut. Iriane hatte ruhig und abwartend zugehört und runzelte bei den letzten Worten des Edlen von Tommeltan kurz die Stirn „Von welcher Zwergenbinge berichtet ihr? Und was für ein Apparatus ist in der Lage einen Fluss versiegen zu lassen? Etwas mehr Kontext wäre von Nöten.“ Sie schaute Ealfred auffordernd und aufmerksam an. „Euer Wohlgeboren, mögt Ihr mir etwas Pergament geben und Feder und Tinte? Dann zeichne ich Euch auf, was wir gesehen haben.“ Murhag stand stumm und sich in den Bart grinsend im Hintergrund. Wenn der Gigrim erzählen wollte, dann würde er ihn sicherlich nicht unterbrechen. Darion erhob sich erneut und stellte sich zu Ealfred, um wieder zur Baronin und zum Vogt zu sprechen: „Während wir euch eine Zeichnung von der Lage der Zwergenbinge und der Beschaffenheit des Apparatus‘ anfertigen, ist nun der richtige Zeitpunkt den Gesandten des Bergvogtes zu hören und den alten Vertrag vorzulesen, von dem der Edle Findan eine Abschrift anfertigte. Dies sollte Klarheit verschaffen." Ealfred ließ sich nieder und zeichnete. Ein Kratzen der Feder auf Pergament, war leise im Hintergrund zu hören. Ealfred zeichnete das Rad, führte aus, wie das Wasser das Rad antrieb. Zeichnete die Röhren und wie sie die Hämmer betrieben. Die Zeichnung war einfach. Ealfred war zufrieden . Er hatte den Apparatus jedoch gut genug dargestellt, schließlich hatte er sich das Rad, die Röhren und die Hämmer genauer angesehen. Gut genug um ein Verständnis von der Kraft des Wassers zu haben, das, durch Röhren gepumpt, das Getriebe antrieb. Das Getriebe wiederum bewegte die Hämmer. Er schob das Pergament an den Rand des Tisches. Melcher beugte sich über den Tisch und studierte die Zeichnung mit großem Interesse. Während Ealfred die Zeichnung anfertigte, hörte Iriane Darion zu und nickte bei seinem Worten. „Das ist eine gute Idee euer Wohlgeboren.“ Dann wandte sie sich lächelnd Murhag zu. „Wenn ihr so freundlich wärt, uns mit dem Wortlaut des Vertrages vertraut zu machen?“ „Selbstverständlich, Ihro Hochgeboren“, antwortete der Angroscho mit einer höfischen Verbeugung. „Der Vertrag, der zwischen Väterchen Tuagel und Ihrer Hochgeboren Praitrud Nordrun abgeschlossen wurde, regelt die Entnahme des Wassers aus dem Quellteich, der die Tommel speist. Zu dem genauen Wortlaut kann Euch Meister Findan Auskunft geben, denn er hat sich diesen aufgeschrieben.“ Iriane nickte dem Angroscho freundlich zu „Habt Dank!“ Dann wandte sie sich an Findan „ Nun, euer Wohlgeboren, wenn Ihr dann so freundlich wärt!“ Die zierliche Baronin konnte nicht verhindern, dass sich ein leicht ungeduldiger Unterton in ihre ansonsten angenehme Stimme mischte. Findan hatte versucht sich etwas im Hintergrund zu halten, da das höfische Parkett nicht gerade seine Stärke war. Jetzt räusperte er sich: „Hochverehrte Dame, ich habe hier die genaue Abschrift des Vertrags.“ Findan kramte in seinen Taschen und brachte das Stück Pergament hervor. „Aber wie Väterchen Murhag schon sagte, zusammengefasst bedeutet es, dass die Zwerge in ihrer Binge Wasser entnehmen können, um ihre Maschine zu verwenden, solange die Tommel genug Wasser führt. Ich denke auch, dass es in näherer Zukunft nicht mehr zu so einem Zwischenfall kommen sollte.“ Findan blickte ein bisschen zögernd zum Zwerg. „Des weiteren wollte ich noch anmerken, dass wir auf der Reise komisch gackernden und sprechenden Flugwesen begegnet sind, sowie auf ein paar verwirrte Gläubige der Zwölfe, die dachten der Abfluss der Zwergenmaschinerie sei dem Grimmigen und der Ewigjungen heilig, was ich bezweifle, da er nicht natürlich entstanden ist, sondern durch die ehrenwerten Angroschim aus dem Fels gehauen wurde.“ Findan atmete tief durch und hoffte, dass er sich nicht zu viele Fehler erlaubt hatte. Iriane hatte dem Edlen aufmerksam zugehört. „Ich freue mich über eure Einschätzung, das ein solcher Vorfall nicht nochmals vorkommt. Ich hoffe bei den Göttern das eure Einschätzung zutrifft. Könnt ihr trotz allem den Wortlaut des Vertrages vortragen?“ Sie schaute Findan auffordernd an. Findan wurde ein wenig unwohl unter dem Blick, öffnete die Pergamentrolle und begann dann zuerst ein wenig stotternd den Vertrag vorzulesen: „Der Vertrag von Rugoschrom Hiermit geben wir all unseren Untertanen kund und zu wissen, dass ab dem heutigen Tag für alle Zeiten folgende Vereinbarung zwischen Freiherrlich Urbeltor und dem Königreich im Berge Xorlosch geschlossen wurde. Es sei den Angroschim aus der Sippe der Tardachs, die in den Bergen des Xuramkoschim in der Binge Rugoschrom ihrem Handwerke nachgehen, gestattet zur Unterstützung ihrer Schmiedekunst, an der gen Magam gelegenen Flanke des Murmotem auf der Höhe von einem Dorgrosch und acht Dumadim ab der vierten Sohle von Xorlosch gerechnet, acht mal acht Baroschtrom Wasser aus dem Teiche Toschthûr innerhalb eines Tages zu entnehmen, den die Menschen als Quellteich der Tommel als Zusammenfluss zweier Rinnsale ansehen. Dieses aber doch nur in solchem Maße, dass der Abfluss, die oben genannte Tommel, immer mit ausreichend Wasser versorgt werde und nie versiege. So ist besonders im Zeitraum zwischen Braut- und Hitzemond keine Entnahme erlaubt. Dazu werden die zwei Wehre, die den Abfluss in die Tommel und in den Berg darstellen, mit durch Vertreter beider Völker festgelegter Marken belegt und es wird gelobt, die Wehre nicht weiter zu öffnen. Väterchen Tuagel groscho Tammas, Bergkönig von Xorlosch Hochgeboren Praitrud Nordrun von Freiherrlich Urbeltor Geschrieben und zur Kenntnis gegeben im Jahr der Fertigstellung der Neuen Residenz“ Findan machte eine kurze Pause. „Nun, das ist der Vertrag, so wie er auch in der Binge in Stein gemeißelt ist.“ Findan blickte zu Murhag und hoffte, dass dieser das bestätigte. „Genauso steht es geschrieben!“, bestätigte Murhag. Damian hielt sich im Hintergrund und hörte den Ausführungen seiner Kameraden aufmerksam zu. Interessiert beobachtete er die Reaktionen der Adligen auf ihren Reisebericht. Frederun hatte sich angestrengt, das Gespräch zwischen der Baronin, Darion, Ealfred und Findan so gut sie konnte, mit zu verfolgen. Sie freute sich, dass Ealfred ausführlich von ihren Anstrengungen berichten konnte und dass es Findan so glänzend verstanden hatte, den Vertrag nieder zu schreiben und davon zu berichten. Dies hätte sie selbst so nicht zustande bringen können. Sie lächelte Ealfred und dann Findan freundlich und anerkennend an. Frederun dachte, wie schon am Abend zuvor, an ihre eigene, doch bescheidene Rolle in dem ganzen Unterfangen und fühlte sich nicht besonders wohl. Frederun hoffte, man möge sie nicht gezielt auf ihren eigenen Beitrag ansprechen. Praiophan hatte oder wollte dem ganzen Treiben und den Ausführungen über den Aufstieg, die Tommelquelle oder der Zwergenbinge nichts hinzufügen. Das höfische Gehabe war nicht seine beste Disziplin, obwohl er es gelehrt bekommen hatte. Er war sehr ausgelaugt und froh darüber mit allen heil wieder zurück zu sein und so beschloss er, einfach stumm am Tisch zu sitzen und andere für dich reden zu lassen. Iriane hatte dem Wortlaut des Vertrages aufmerksam und interessiert zugehört. „Nun denn, obschon der Vertrag alt ist, scheint er seine Wirksamkeit nicht verloren zu haben. Das wäre jedoch noch zuprüfen. Als der Vertrag geschlossen wurde, waren die Grenzen der Lehen noch etwas anders, also wird zu dem Zeitpunkt die Familie Urbeltor zuständig gewesen sein. Nun die Familie ist ja nun mal erloschen. Welchem Umstand haben wir des denn zu verdanken, dass er von Seiten Eures Volkes in den letzten Wochen gebrochen wurde, Meister Murhag?“ „Es war ein übereifriger Lehrling, der meinte, dass er sein Meisterstück einfacher herstellen kann, wenn er sich des großen Hammers bedient“, antwortete der Gefragte. „Er wird es aber zukünftig unterlassen.“ Dann wandte sie sich wieder an die Versammelten Edlen. „Und die Binge liegt in der Nähe von Bruchhusen?“ „Das ist korrekt“ erwiderte Darion. „Wir verließen die Binge durch ein Tor, von welchem aus wir nach einer knappen Tagesreise Bruchhusen erreichten. Die Angroschim kennen das Dorf und die Wege zum Tor sind nicht unbenutzt.“ Der Edle Praiophan von Lerchentrutz nickte zustimmend, während er seinen Blick über die anderen seiner Gruppe schweifen ließ. Bei Frederun von Weitenfeld hatte sich eine blonde Locke aus ihrem Haar gelöst und hing ihr im Gesicht. Für eine Weile ruhte sein Blick auf ihr. Ob ihr Kopf noch schmerzte, fragte er sich in Gedanken, hatte sie ihn sich doch sehr schmerzhaft angestoßen dort oben im ersten Tunnel. Nach diesem kurzen Moment der Besorgnis legte sich ein zufriedenes, warmes Gefühl um seinen Geist. Er war froh und Stolz darauf, dass keinem etwas zugestoßen ist bei dieser Queste. Als vor ein Paar Tagen vom Klettern im Gebirge die Rede war, und er zum Anführer dieser Seilschaft erkoren wurde, war ihm schon etwas flau im Magen geworden. Er hätte nicht gedacht, dass er mit seinen begrenzten Erfahrungen im hügeligen Gelände über die größte Erfahrung verfügen sollte. Sicher hatten sich die anderen nur ob Ihrer Höflichkeit zurück gehalten. Aber mit ein wenig Vertrauen in die Götter und sehr viel Glück war das einzige Unheil wohl eine kleine Beule an Frederuns holdem Haupt. Frederun gewann den Eindruck, das Praiophans Blicke während dieser Unterredung immer mal wieder an ihr hängen blieben. Einmal blickte sie ihn ebenfalls an und hob fragend die Brauen. Als sie dann ihren Kopf wieder wegdrehte, bemerkte sie das, was Praiophan wohl gesehen haben musste: Eine Haarsträhne hatte sich gelöst und hing ihr vor dem Gesicht. Frederun spürte, dass sie rot anlief. ‚Ausgerechnet jetzt!‘ schoss es ihr durch den Kopf. Sie atmete tief durch und versuchte, Haltung zu wahren. Sie strich dann langsam und vorsichtig mit ihrer rechten Hand einige Male dem Haar entlang von der Stirn bis hinter das Ohr und hoffte, das die Strähne wieder Halt finden möge.  Iriane nickte kurz gedankenverloren, dann wandte sie sich wieder ihren Gästen zu. „Also liegt die Binge in meinem Lehen, und damit dann wohl auch die Quelle.“ Sie schaute kurz mit einem triumphierenden Blick zu Melcher von Ibenburg, der die Nase rümpfte und seine kantige Stirn in Falten legte. „Damit wäre die Frage auch geklärt!“ Sie wandte sich an Murhag: „Und wir können davon ausgehen, das ein solches Missgeschick nicht nochmal vorkommt?“ Der Angroscho nickte der Baronin zu. „Ja, davon könnt ihr ausgehen.“ Iriane wirkte zufrieden, „Dann wäre die Angelegenheit ja aufgeklärt und schaden von den Nordmarken abgewendet. Den Göttern sei dank!“ Murhag räusperte sich und meinte dann als Iriane ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte. „Euer Hochgeboren, ich möchte zu bedenken geben, dass der Zugang der Binge in Richtung Bruchhusen liegt, aber die Quelle auf der anderen Seite des Kammes des Gebirgszuges liegt. Ich glaube, dass das nicht mehr zu Eurem Lehen gehört.“ Iriane runzelte kurz die Stirn und dachte nach: „Doch es könnte dennoch so sein. Die Grenzen meines Gutes gehen noch ein gutes Stück in die Berge hinein, auch auf der anderen Seite des Kammes.“ Sie dachte erneut kurz nach und nickte bevor sie weitersprach: „Wobei es natürlich auch sein kann, dass die Quelle nicht mehr in meinem Lehen liegt, verzwickte Sachlage.“ Sie schaute wieder die Edlen an: „Könntet Ihr eine möglichst genaue Skizze anfertigen?“ Dann wandte sie sich erneut in Richtung Melcher: „Wir werden das ganze dann genauer prüfen lassen und gewiss eine Einigung erzielen, Euer Hochgeboren. Ich denke wir sollten einen  Kartographen hinzuziehen, aber das besprechen wir unter uns.“ Ihre Stimme war wieder fest und bestimmend. „Hm, das scheint erforderlich“, antwortete der Vogt sichtlich verstimmt. Er trug die blanke Enttäuschung im Blick, als er die Runde betrachtete. „Wo wir doch gehofft hatten, dieses flüssige Schlamassel ein für alle Mal ausräumen zu können. Nun muss auch noch ein Messbursche ehrliche Dukaten daran verdienen. So ein Ärgernis“, grollte der großgewachsene Krieger. Doch verrieten seine Augen, dass die Fortentwicklung dieser Grenzquerele nicht allzu sehr zu seinem Schaden geriet. „Es ist jetzt Gebot der Stunde, möglichst viele Informationen für die Kartographen zusammenzutragen, um den Wasserlauf eindeutig bestimmen und die Quelle zuordnen zu können.“ Diese Adresse richtete sich eindeutig an die Wanderer. „Darüber hinaus müssen wir den Bergpfad wieder sicher begehbar machen. Ihr hattet von seltsamen geflügelten Wesen gesprochen - stellen diese eine Bedrohung für das gute Volk dar? Wenn ja, dann muss die Landesherrin das Schwert ergreifen.“ Ein Seitenblick zu Iriane genügte dem Vogt, um seine Auffassung hinsichtlich der Zuständigkeit kundzutun. „Und schließlich, Meister Murhag: Angesichts des“, ein Schmunzeln zog sich über seine Lippen, „Missgeschicks dieses jungen Schmiedegesellen bietet sich eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Übereinkunft zu erneuern, die Väterchen Tuagel und Hochgeboren von Urbeltor einst besiegelt haben. Dann ließen sich auch gleich entsprechende Entschädigungen abwickeln, die ob des Bruchs dieses alten - aber selbstverständlich achtenswerten - Vertrages fällig werden.“ Murhag zuckte nur mit den Schultern. „Der Vertrag ist doch gerade erst abgeschlossen, da muss doch nichts erneuert werden.“ „Doch unzweifelhaft gilt es, Schäden auf unserem Territorium zu ersetzen - wenngleich sie für Eure Augen in einem Wimpernschlag entstanden sein mögen“, erwiderte Melcher gelassen. Iriane lächelte etwas gequält „ Nun, über die Schäden wird zu verhandeln sein, da hat seine Hochgeboren recht. Dies werden wir am besten unter 6 Augen besprechen.“ Hierbei deutet sie auf Murhag, Melcher und sich selber. „ Nach kurzem Lächeln schaute sie den Vogt mit einem leicht süffisanten Lächeln an „Bezüglich des Vertrages muss ja erst mal geklärt werden, wer einen neuen Vertrag schießen könnte, wo die Quelle entspringt, euer Hochgeboren. Vorher kann hier ja keine rechtsgültige Unterschrift geleistet werden, nicht wahr. Zudem ist zu prüfen, ob der Vertrag noch Rechtsgültigkeit besitzt. Dies wird mein Sohn gerne prüfen. Irian ist erfolgreicher Abgänger der Rechtsschule zu Elenvina, falls euch dies entgangen sein sollte.“ Über die Bemerkung zur Befriedung des Bergpfade ging Iriane hinweg. „Verzeiht meine Bemerkung“, machte sich Murhag nun bemerkbar. „Der Vertrag wurde vom Rogmarog Xorloschs unterzeichnet, daher müsst Ihr Euch auch an ihn wenden, wenn es um einen neuen Vertrag oder um irgendwelche Entschädigungen gehen soll. Ich bin nur der Adlatus der Bergvogtes und nur als Zeuge für die Richtigkeit des Abschrift mitgekommen. Ich bin nicht befugt neue Vereinbarungen zu schließen.“ Iriane nickte dem Angroscho zu: „Dann werden wir uns zu gegebener Zeit an die richtige Person wenden, habt Dank.“ Nachdem der Baronin und dem Vogt die Skizze ausgehändigt worden war, wandte sich Iriane an die versammelten Edlen: „Nun, ich danke euch von Herzen und im Namen der Götter. Ihr habt Schaden von unser aller Gütern abgewandt und die Ordnung wiederhergestellt. Seid euch meines Dankes gewiss. Wenn ich euch in einer Angelegenheit zur Seite stehen kann, wendet euch an mich. Scheut diesen Schritt nicht. Ich werde Euch bei der nächsten Begegnung mit seiner Hochwohlgeboren zudem wohlwollend erwähnen.“

Melcher wartete, bis Iriane fertig gesprochen hatte, bevor er selber zu sprechen ansetzte: "Ich kann mich ihrer Hochgeboren nur anschließen, ich Danke euch ebenfalls." Die Worte des Vogtes wirkten reservierter, bis er hinzusetzte: „Der Graf kann sich glücklich schätzen, treue Untertanen zu haben, die ihr Leben für sein Wohl riskieren.“

Mit diesen Worten schlossen die Hochadeligen den offiziellen Empfang – auch wenn der ein oder andere Adelige noch einige Tage zu Gast auf Kranichstein verweilen würde.

Iriane und Melcher jedenfalls hatten sich die Leistung ihrer Lehensleute gemerkt und wussten, auf wen sie zurückgreifen konnten, wenn sich wieder einmal Anforderungen an getreue Recken ergeben würden. Findan wandte sich an die Hochgebohrenen: „Hochgeborene, es war mir eine Ehre Euch zu Diensten zu sein und stehe Euch auch immer zu Diensten. Ich möchte mich auch bei den anderen Herren und Damen in diesem Raum dafür bedanken, dass ihr hinter mir standet und ich hinter euch stehen durfte. Ich möchte Eure Gastfreundschaft nicht strapazieren, aber ich würde darum bitten eine Nacht hier auf Kranichstein übernachten zu dürfen und morgen meine Heimreise anzutreten.“ Findan verbeugte sich vor den Hochgeborenen. Damian war äußerst zufrieden mit dem Ausgang der Mission. Er hatte gezeigt, dass man ihn mit einer wichtigen Aufgabe betrauen konnte, vielleicht würde ihm das neue Möglichkeiten eröffnen. Sein Bruder, der Edle von Eberweiler, würde sehr erfreut sein, wenn er erfahren würde welche Rolle Damian bei diesem wichtigen Ereignis gespielt hatte. An Iriane und Melcher gewandt sagte Damian: „Es war mir eine Freude den Nordmarken zu dienen. Mögen die Götter mit euch sein.“ Dann verbeugte er sich und verließ den Saal. Praiophan merkte die Anspannung zwischen den Hochadeligen und war froh, dass dies nicht mehr seine Angelegenheit war. Er hatte die an ihn gestellte Aufgabe zur Zufriedenheit der Obrigkeit erledigt. Er wurde löblich erwähnt. Er konnte dem Hause Lerchentrutz zu einem Bisschen mehr Ansehen verhelfen. Und die Tommel wird nun wieder voller Wasser sein. Alles in allem eine sehr erfolgreiche Angelegenheit. Er war stolz auf sich und war sich gewiss, dass seine Eltern dies auch sein würden. In Richtung der beiden Hochadeligen blickend, deutete er eine kurze Verneigung an. „Es war mir eine Ehre bei einer solch wichtigen Aufgabe meinen Teil bei zu tragen. Haus Lerchentrutz steht euch immer zu Diensten, wenn es um dass Wohle der Nordmarken geht.“ Kurz darauf suchte er das Gespräch mit Frederun. Ob sie wohl die Reise ins Herz der Tommelsbeuge morgen gemeinsam Antreten sollten? Oder würden sie sich schnell aus den Augen verlieren? Er hoffte auf ersteres! Und machte sich, etwas unbeholfen, daran herauszufinden, wie die Hohe Dame von Weitenfeld wohl darüber denken mochte. Etwas schüchtern - um sich nicht doch noch zu weit ins Rampenlicht zu wagen - stand Frederun neben Praiophan. Sie tat es ihm gleich und verneigte sich vor der Baronin von Kranick und Melcher von Ibenburg. Mit eher leiser Stimme sprach sie: „Euer Hochgeboren, auch mich ehrt es, Euch in dieser großen Dringlichkeit zu Diensten zu sein. Als Rittfrau von Weitenfeld erfreut es mich, meine tunlichste Pflicht zu Eurer Zufriedenheit erfüllt zu haben. Ich danke Euer Hochgeboren alleruntänigst für Eure Gastfreundschaft und für Eure Großzügigkeit.“ Frederun wartet eine kleine Weile bis es ihr angebracht erschien, sich von ihren Mitstreitern zu verabschieden und sich dann schließlich Praiophan zu zuwenden. Jener, so erschien es ihr, hatte sie schon während der gesamten Unterredung immer wieder angeschaut. Und jetzt stand eben dieser hohe Herr von Lerchentrutz hier bei ihr, trat erkennbar nervös von einem Fuß auf den anderen und wollte doch mit der Sprache nicht so recht heraus. Frederun beschloss, behilflich zu sein: „Praiophan, verstehe ich euer Ansinnen recht, dass Ihr gemeinsam mit mir die Reise heimwärts auf euch zu nehmen gedenkt?“ Frederun ahnte schon leicht, was Praiophan möglichst bezwecken mochte. Gleichwohl, sich über die vergangene Queste und darüber auszutauschen, das eigene Lehen auf das hoffentlich baldigst zurückkehrende Wasser der Tommel einzustimmen, konnte doch erst einmal nicht schaden. Frederun lächelte Praiophan freundlich an: „Wohl’an, denn. So soll es gemeinsam heimwärts gehen.“ Ealfred war still und hatte das Gespräch der zwei Wohlgeboren mitangehört. Irgendwie war er froh, dass der Auftrag ein Ende gefunden hatte. Um Politik scherte er sich nicht. Das Geheimnis war gelöst. Ealfred atmete auf. Endlich ging es heimwärts, Esme und Sorchsa in die Arme schließen. Vater würde sich an der Tommel erfreuen und griff den Dörfler sicher fleißig unter die Arme. Ealfred erhob sich: „ Eure Wohlgeboren, wenn Ihr mich nicht weiter braucht, werde ich mich empfehlen.“ Er nickte Darion, Praiopan, Findan und Damian zu und „Herrschaften, es war mir eine Ehre.“ Murhag bedachte er mit einem Lächeln. „Sobald es Herr Ingerimm zulässt würde ich Euch gerne besuchen kommen. Ich muss gestehen meine Zeichnung na ja. Ich hatte wohl alles anderes in Erinnerung. Es wäre mir jedoch eine Ehre.“ Ealdred reichte dem Zwerg die Hand. Mit einem kurzen Lächeln verließ auch Ealfred denn Saal. Murhag schüttelte die angebotene Hand und meinte zu Ealfred: „Kommt, wenn es Euch passt.“ Dann wandte er sich den beiden Hochadligen zu. „Wenn Ihr keine weiteren Fragen an mich habt, würde ich mich auch wieder auf den Rückweg nach Rugoschrom machen.“ Da die beiden seine Frage verneinten, verneigte er sich noch einmal kurz, nickte den anderen Anwesenden zu und begab sich auf den Heimweg. Hagrian hatte alles schweigend beobachtet. Die Reden der hohen Herren und Damen waren ihm endlos lange vorgekommen, der Austausch über uralte Verträge konnte er nur schwer folgen. Immer wieder eilten seine Gedanken ihm voraus in den Wald südlich von Koschstein, wo inmitten dunkler Tannenwälder die Burgruine lag, die die Harschenklamms seit jeher bewohnten. Nur selten verirrte sich ein Wanderer oder Pilzsammler in die Nähe der Burg, die Harschenklamms hatten dort ihre Ruhe, konnten jagen gehen, Bäume erklettern oder nahezu endlos lange einfach nur durch die Wildnis streifen. Hagrian sehnte diese Abgeschiedenheit und Einsamkeit herbei, nachdem er die letzten Tage dauerhaft in Gesellschaft verbracht hatte. Doch gleichzeitig überkam ihn ein leichtes Umbehagen bei dem Gedanken an die Rückkehr ins Lehen seines Vaters. Adelfried würde selbstverständlich Bericht über Hagrians Erlebnisse verlangen. Was sollte er ihm sagen? Dass er sich erfolgreich der Queste gestellt hatte? Dann würde sein Vater ihm gewiss weitere solcher Aufgaben anvertrauen, würde seinen Sohn zu höfischen Treffen schicken, um ihn auf die Aufgaben eines Junkers vorzubereiten. Dass er mit einigen Adligen aneinandergeraten war, könne er seinem Vater berichten. Dass er mit Gwiduhenna von Falkenhaupt Feindseligkeiten ausgetauscht hatte. Sein Vater wäre bestimmt nicht erfreut davon zu hören. Stumm nickte Hagrian den versammelten Adligen zum Abschied zu. Gute Worte über Hagrian würde wohl keiner von ihnen finden können und vielleicht würde sein Vater davon Wind bekommen. Auf dem Weg nach Koschstein würde Hagrian außerdem noch lange genug Gelegenheit haben, sich auszudenken, wie er den Zorn seines Vaters am besten würde anstacheln können.