Neunte Bedrohung

9. Stunde - die Bedrohung

Nicht alle hatte den Schwur vor Praios geleistet. Der hochgewachsene Geweihte des Schmiedegotts war auf das Angebot – man müsse nicht hierbleiben, sofern man es nicht wolle – tatsächlich aufgestanden, hatte sich höflich nach allen Seiten hin verabschiedet, für einen schönen geselligen Abend gedankt und war ohne Aufheben gegangen.

Der Rest am Tisch wusste Stillschweigen zu wahren. Der kaiserliche Agent nickte zufrieden, als er in die Gesichter der Willigen blickte, nahm erneut einen Schluck aus dem Wasserbecher und setzte sich nun endgültig auf den Stuhl, auf dem vor kurzem noch Ihre Hoheit die Herzogenmutter höchst selbst gesessen hatte. Er legte die Unterarme auf den Armlehnen ab, sank kurz leise stöhnend in dem herrschaftlichen Möbel in sich zusammen, holte dann aber Atem, straffte Schultern und Rücken, was ihn aufrichtete, und blickte in die Runde. Seine Augen wanderten von einem zum anderen, als würde er abwarten, ob jemand etwas einwenden wollte. Er gab den Jungadligen bewusst einen Moment Zeit dazu. Als dieser nicht erfolgte, räusperte er sich kurz, bevor er unter den Blicken aller Anwesenden einige Papiere aus seiner Innentasche kramte, diese sorgfältig auseinanderfaltete und vor sich auf dem Tisch ausbreiten wollte. Stirnrunzelnd bemerkte er, dass noch einige Teller im Weg lagen und räumte das Geschirr Ihrer Hoheit kurzerhand auf das der gelehrten Dame Saria Hartsteig. Diese zog zwar die Augenbrauen kritisch nach oben, verkniff sich aber einen Kommentar. Nachdem Alfons Platz geschaffen hatte, legte er die Schriftstücke vor sich auf dem Tisch aus. Auf den ersten Blick sah eines davon nach einem kurzen Brief aus.

„Meine Damen, meine Herren, was ich hier habe ist der Brief eines Attentäters, der es auf Ihre Hoheit, Grimberta Haugmin vom Berg und vom Großen Fluss abgesehen hat," erklärte er nüchtern, als wäre diese Verkündigung das Normalste von der Welt. Er deutete dabei tatsächlich auf das Schriftstück, welches von Hand geschrieben war, bevor er es in die Hand nahm, als würde er sich vor dem Stück Papier ekeln. "Lest bitte selbst und macht euch ein Bild vom Inhalt.“ Er reichte den Brief herum, so dass jeder lesen konnte, worüber Alfons sprach.

Der Inhalt bot sich wie folgt:

<literal>Cordovan, </literal> <literal> ich kann Euch versichern, dass ich Euren Auftrag am 21. Ingerimm ausführen werde. Burghard und Grimberta werden diesen Tag nicht überleben. Die Symbolträchtigkeit und Auswirkung auf die Moral der Daheimgebliebenen wird immens sein. </literal><literal> Habt vielmals Dank für Euer Vertrauen in mich. Ich werde Euch und meinen Herren Vater nicht enttäuschen. Richtet ihm bitte meine liebevollen Grüße aus, ich erbitte für ihn eine sichere Heimkehr und gutes Gelingen. Möge er den Kaiserlichen zeigen, was sie zu erwarten haben. </literal><literal>Eisvogel (Im Hintergrund des Schreibens war ein Zeichen, bestehend aus zwei gekreuzten Stäben und einem darüberliegenden Winkel, sowie der Inschrift K.W.A.S.T., zu sehen) </literal>

„Besagter Burghard ist Burghard von Zweibruckenburg, Oberst der Flussgarde. Er war hier in Elenvina stationiert und hatte das Kommando über die Heimattruppen der, wie wir wissen, stärksten nordmärkischen Eliteeinheit.“ In Alfons' Stimme war Betrübnis zu hören, sein Blick finster und auch traurig, als er berichtete. Er langte einige Hörnchen aus einem Korb in der Mitte des Tisches, biss eher nebensächlich in eines davon, kaute einige Male, ehe er das angebissene Gebäckstück zur Seite legte. „War - muss ich leider sagen. Er wurde nämlich heute Nacht in der Garnison der Flussgarde ermordet. Ein Dolchstich. Dieser als solcher hätte ihn jedoch nicht getötet, es muss also noch etwas Anderes zum Einsatz gekommen sein." erklärte Alfons mit nüchterner Sachlichkeit, bevor er doch etwas ratlos wirkte. "Doch bisher kann ich nicht sagen, was es war. Es wurden weder Einbruch noch unbefugtes Betreten bemerkt.“ Man konnte ihm die Fragen, was den Mord anging, deutlich ansehen. Alfons biss erneut vom bereits angebissenen Hörnchen, strich sich einige Krümel aus den Mundwinkeln und fuhr mit einem tiefen Seufzen fort: „Ich wollte Ihre Hoheit von ihrem Vorhaben abbringen, heute Abend ein Bankett mit Tanz zu geben. Ich sagte ihr, dass ich um ihr Leben fürchte und nicht sicher sagen kann, dass ich den Attentäter rechtzeitig aufspüren würde.“ Er resignierte, ließ die Schultern hängen und fuhr mit gesenkter Stimme fort: „Leider war Ihre Hoheit in Ihrer Antwort deutlich. Sie wolle sich nicht durch eine unbestimmte Gefahr einschüchtern lassen! Sie meinte, es sei für die Moral und ihr Ansehen nicht tragbar, die geplanten Feierlichkeiten abzusagen.“

Nach diesen Neuigkeiten stand der Mann auf, stopfte sich endgültig den letzten Happen seines Hörnchens in den Mund, spülte selbigen wenig genießerisch mit dem Rest Wasser aus dem Kelch hinunter, und lief hinter dem Tisch auf und ab. „Ich…“ er brach ab, blieb stehen und blickte den Anwesenden ernst in die Gesichter. Die Hände faltete er nervös vor dem Bauch und holte tief Luft: „WIR, wir müssen bis heute Abend herausfinden, wer der Attentäter ist und ihn aufhalten. Das Bankett soll zur siebten Stunde beginnen, so dass uns ab jetzt knappe neuneinhalb Stunden bleiben, das Leben der Herzogenmutter zu retten."

-- Main.CatrinGrunewald - 27 Feb 2019